Bei der Impfentscheidung ist nach meiner Erfahrung zu viel Irrationalität, Bauchgefühl, Glaube oder Nichtglaube dabei, als dass man jemanden ernsthaft noch von Fakten überzeugen könnte. Das ist ein Gefühlscocktail.
Denn was Lottospieler und Impfskeptiker manchmal gemeinsam zu haben scheinen: Sie verhalten sich nicht selten irrational.
Obwohl es immer wieder Lottogewinner gibt, die in den Medien präsent sind und deren Glücksritter-Geschichten die Realität verzerren (wer wollte auch über all die langweiligen Verlierer berichten): Die Chance auf diesen Gewinn ist für Lottospieler langfristig fast Null; der Verlust so gut wie vorprogrammiert. Würde ein Lottospieler seinen Einsatz regelmäßig in einen Fonds-Sparplan stecken, hätte er eine um ein Vielfaches höhere Chance, einen Gewinn zu erzielen. Selbst, wenn er das Geld in einen Sparstrumpf stecken würde, hätte er langfristig praktisch sicher mehr davon.
Dieser verschwindend geringen Gewinnchance sind sich die meisten Lottospieler sogar bewusst, auch ohne je Abendkurse in Stochastik besucht zu haben. Zumindest so ungefähr. Ein bisschen. Trotzdem sind sie immer wieder aufs Neue am Start. Machen das Kreuzchen bei ihrer 6 aus 49. Und hoffen, bangen und beten, dass sie der Glücksblitz einer Lottofee treffen möge. Trotz allem gewinnt ja schließlich immer wieder jemand. Oh einmal nur sie selbst, bitte!
Gegen Corona sind viele Millionen Menschen weltweit geimpft. Daten und Fakten liegen auch hier bereits so einige vor. Nach ihnen ist das Risiko ernster Komplikationen bei einer schweren Erkrankung am Corona-Virus um ein Vielfaches höher als etwa das Risiko, nach einer Impfung an Nebenwirkungen zu leiden. So etwas wissen vielleicht nicht alle, aber doch die meisten -- wenn sie nicht gerade all die Kanäle und Untergangs-Propheten abonnieren, die wie in jeder Krise wie Parasiten von der Angst, Verunsicherung und Wut der Menschen profitieren. Trotzdem ziehen nicht wenige es vor, skeptisch zu bleiben. Und wird man sie in Zukunft dazu zwingen, sich impfen zu lassen, dann hoffen, bangen und beten sie. Es könnte sie ja doch mit diesen Nebenwirkungen treffen. Oh, bitte nicht!
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Außer in einer absoluten Ausnahmesituation sollte niemand sollte gezwungen werden, sich impfen zu lassen, finde ich. Selbstbestimmung ist eines der höchsten Güter, die es in einer Demokratie geben kann. Aber Hoffen, Bangen und Beten und so sind doch echt eher was fürs Fußballstadion – oder fürs Lottospielen. Und nicht was für solche Entscheidungen, solange sie jeder selbst für sich treffen kann.