Bin mir nicht sicher, ob es tatsächlich noch irgendeine Berufsgruppe im Land gibt, bei der Jedermann trotz völliger Fachunkenntis ganz exakt weiß, wie die Arbeit genau zu tun ist, was in jeder denkbaren Situation falsch gemacht wird, wie die Ausbildungsinhalte (und deren Lücken) aussehen, wie es um Psyche und politische Gesinnung jedes Einzelnen bestellt ist und wo die Verallgemeinerungskeule geschwungen wird wie sonst nirgends.
Also Freunde. Allein im Mini-Kosmos meines Einsatzzuges von knapp 40 Männlein und Weiblein habe ich alles. Junge und Alte, Sportler und Faulenzer, Schlaue und Doofe, Aggressive und Unsichere, Konservative und bunte Vögel, Kampfsportler und Opfer, "Urdeutsche" und Multi-Kultis und so weiter und so fort.
Das einzige was uns vollständig eint ist das Tragen der Uniform - und die riesengroße Schublade, in die unsere ganzer Haufen ab dem Verlassen des Kasernengeländes durch nahezu jeden da draußen gesteckt wird. Immer wieder faszinierend.
Womit der eine oder andere von euch absolut Recht hat: der Dienst verändert einen. Auch ich bin im Laufe meiner inzwischen über 16 Dienstjahre härter geworden. Habe mit Idealen angefangen, die in kürzester Zeit an der Realität zerschellt sind. Habe von Lügen über Anfeindungen, Beleidigungen und Bedrohungen bis hin zu körperlichen Angriffen, einem schwer verletzten Knie und gezielten Schüssen auf mich inzwischen die komplette Bandbreite täglicher menschlicher Abgründe da draußen erlebt - und würde nicht behaupten, besonders viel Pech gehabt zu haben. Alles ganz normal für den Berufsalltag.
Auch hier durfte man wieder das Standardargument lesen: das muss man doch vorher wissen, wenn man den Beruf ergreift. Sich vorbereiten. Gähn. Die meisten bei uns fangen im Alter von 16 bis 20 ihre Ausbildung an. Wie genau bereitet man sich in dem Alter denn auf das Unfallopfer vor, das einem unter den Händen wegstirbt? Wie auf den bis zur Schmerzunempfindlichkeit zugedröhnten 2m-Russen der eine Kneipe zerlegt und den man irgendwie gemeinsam mit seiner 1,63-Kollegin bändigen darf, da man auf seinem chronisch unterbesetzten Landrevier lange auf Verstärkung warten kann? Wie auf den menschenverachtenden Hass, der einem ansatzlos aus den Reihen der Antifa oder einschlägiger Fußballgruppierungen entgegen schlägt? In der Ausbildung? Ach kommt. Die reißen sich inzwischen ein Bein dafür aus...Rechtsunterricht hoch zehn, Psychologie, sonstwas, ich kriege Jahr für Jahr die tollsten Theoretiker in meinen Zug, aber boxen und schießen kann kaum einer mehr - und nach den ersten belastenden Situationen darf jeder feststellen, dass die Praxis eine schmerzhafte ist...
Ich bin da draußen, völlig entgegen meines privaten Naturells, ein unfreundlicher, kalter, sturer, harter, arroganter Wi...er. Wenn man doof zu mir ist. Ist man freundlich zu mir, bin ich der umgänglichste Mensch der Welt. Ganz einfaches Spiel. Aber in einer Gesellschaft, in der es für gefühlte 80% schon zu viel ist, den Tagesgruß zu entrichten, bevor man mich anspricht, sondern eine unverschämte Forderungshaltung á "Sie müssen tun was ich sage, da ich das besser weiß und ihr Gehalt von meinen Steuern zahle" völlig normal ist, bleibt von meiner Freundlichkeit nach Einsatzende meistens noch ganz arg viel für den Privatbereich übrig. Das ist mir aber egal, denn ich werde entgegen der landläufigen Meinung nicht dafür bezahlt, everybodys darling zu sein und als devoter Freund und Helfer jedem alles Recht zu machen, egal wie sehr er im Unrecht ist, sondern dafür, meinen Auftrag zu erledigen und die Menschheit vor sich selbst zu schützen, auch wenn sie das gelegentlich nicht versteht.