Schalke 04 - Der PraxistestIm ersten Post hab ich mir ja einige Gedanken dazu gemacht, was für Bedingungen eine defensive Taktik erfüllen muss, damit sie erfolgreich sein kann. Aber wie bekommt man das nun im FM umgesetzt? Ein Patentrezept das automatisch Ergebnisse gibt es natürlich nicht. Mein Ziel für diesen Thread ist es auch nicht, eine Plug-and-Play-Taktik vorzustellen, die mit jedem Team Ergebnisse erzielt. Es soll mehr darum gehen, einen möglichen Prozess vorzustellen, wie man eine vorhandene Mannschaft in ein taktisches Korsett zwingt, dabei aber auch den Stärken und Schwächen des Kaders Rechnung trägt.
Was für Qualitäten ein Kader mitbringen sollte, der auf einen tiefen Block setzt, habe ich ja im ersten Post herausgearbeitet. Dann schauen wir uns mal an, was der FC Schalke 04 in der Hinsicht zu bieten hat.
Der Kader - kollektivEgal wie man spielen lassen will, der erste Schritt nach Übernahme eines neuen Teams sollte immer sein, zunächst Stärken und schwächen zu identifizieren. Schauen wir uns zunächst die durchschnittlichen Werte im Vergleich zum Rest der Liga an und fangen wir mit den physischen Werten an:
Wie man sieht ist der Kader im Schnitt der körperlich robusteste der Liga, selbst wenn man den Sturm mit Terodde, Polter, Lasme und Topp ausnimmt, liegt man bei Strength immer noch auf Platz 1 und bei Balance und Jumping immerhin auf Platz 2. Ein potenzielles Problem sieht man links in der Grafik: der Kader ist im Schnitt sehr langsam vom Fleck. Bei der Endgeschwindigkeit sieht es wieder besser aus.
Defensiv stehen wir zumindest physisch also für unsere Zwecke sehr gut da, wir sollten nur aufpassen, dass quirlige Gegenspieler kein Tempo am Ball aufnehmen können. Bälle hinter die Abwehr könnten auch zum Problem werden (wobei wir durch die defensive Grundordnung tief stehen und somit wenig Raum da ist in den diese Bälle gespielt werden können), und Rebounds nach gegnerischen Standards wenn niemand rechtzeitig Druck auf einen der außerhalb des Strafraums lauernden Distanzschützen ausüben kann. Auch Durchbrüche über die Flügel könnten zur Schwachstelle werden, zumindest wenn die anschließende Hereingabe flach kommt.
Offensiv dürften der Ansatz eher lauten, lange Bälle festzumachen und Dynamik aus den Nachrückbewegungen zu erzeugen, als quirlige Flügeldribbler ins 1vs.1 zu schicken oder den Ball direkt hinter die Kette zu spielen.
Mental ist der Kader auch stark, die einzigen offensichtlichen Schwachstellen sind die Aggressivität (was wir angesichts unseres passiven Defensivansatzes gut verkraften können) und Kreativität. Letztere könnte zum Problem werden, wenn wir doch mal in Rückstand geraten und der voraussichtlich hemdsärmelige Ansatz nicht funktionieren sollte. Die guten Werte in Anticipation und Off The Ball können dieses Problem hoffentlich etwas kompensieren.
Technisch ist das Team eher im ordentlichen Mittelfeld. Die Kopfballstärke sticht natürlich heraus. Dass man bei Tackling und Marking jeweils nur im (oberen) Mittelfeld der Liga liegt, ist jetzt nicht optimal, sollte durch Stellungsspiel und körperliche Robustheit auszugleichen sein.
Prinzipiell lohnt es sich auch, diese Tabellen nach Mannschaftsteilen durchzugehen, hier verzichte ich jedoch darauf, weil sich am Gesamteindruck wenig ändert.
Der Kader - individuellDer nächste Schritt ist es, die einzelnen Spieler und Positionen unter die Lupe zu nehmen. Wo ist der Kader gut besetzt, wo eher dünn? Wer sind die Schlüsselspieler? Gibt es Spielertypen, die Qualitäten haben die es sonst im Kader kaum gibt, z.B. ein Spielmacher oder Tempodribbler? Wer sich nicht für eine detaillierte Kaderbesprechung interessiert kann gleich zur Zusammenfassung springen.
Es zieht sich eigentlich das Bild von vorher durch. Bemerkenswert ist aber, dass fast nur Linksverteidiger mit Offensivdrang im Kader sind, während rechts Solidität Maßgabe zu sein scheint. Hier würde sich eine Asymmetrie mit Linksfokus anbieten.
Tempodribbler sind Fehlanzeige, die einzigen Spieler mit richtig gutem Antritt sind Murkin, Lasme und Kozuki. Letzterer hat nicht wirklich das Niveau um eine tragende Säule zu werden, auch bei Lasme gibt es in der Hinsicht (und bei der Frage nach der besten Rolle) Fragezeichen und Murkin ist eher wuchtig als filigran. Tempelmann, Mohr und Karaman haben zumindest eine 13 in Antritt, aber ersterer ist im Zentrum gesetzt und Mohr und Karaman sind eher aus der Kategorie Utility Player.
Kreativität ist auch eine Schwachstelle. Drexler ist der einzige Spieler, der sowohl technisch stark als auch kreativ genug für eine offensive Spielmacherrolle ist, aber auch er ist vom Gesamtniveau kein zwingendes Stammspielermaterial. Vielleicht noch Ouedraogo, aber dem fehlt noch mindestens ein Jahr, um die Rolle als Kreativzentrum auszufüllen.
Es gibt aber nicht nur Grund zum Jammern: Mit Baumgartl und Kaminski gibt es ein sehr ordentliches prädestiniertes IV-Duo, beide sind sogar ganz gut in der Spieleröffnung, mit Kalas und Matriciani gibt es auch zwei Backups die man ohne Bauchschmerzen reinwerfen könnte und die beide auch RV spielen können.
Mit Schallenberg und Tempelmann hat man ein sehr gutes Sammler-Jäger-Duo im zentralen (defensiven Mittelfeld). Schallenberg ist ein sehr guter Abräumer mit Ruhe am Ball, Tempelmann ist durch sein gutes Movement kombiniert mit ordentlicher Dynamik, Technik und Übersicht geborener Box-to-Box-Spieler, setzt dank hoher Aggression auch gut nach, arbeitet dank hohem Teamwork und Work Rate auch wieder zurück, wenn der Angriff vorbei ist. Seguin und Latza liegen als Spielertypen irgendwo dazwischen.
Das Angebot an großen kopfballstarken Stürmern ist geradezu absurd. Terodde und Polter sind in der Hinsicht über jeden Zweifel erhaben und durch ihren Torriecher eigentlich beide für 20 Tore gut. Lasme geht der Torriecher ab, dafür ist er sehr schnell und im guten wie im schlechten Sinne chaotisch. Keke Topp ist auch groß gewachsen und kann mit guter Führung auch noch ein ordentlicher mitspielender Stürmer werden, und auch Karaman als kleinster der gelernten Stürmer hat immer noch in Jumping und Heading jeweils eine 13.
Und mit Ouwejan gibt es einen richtigen Flankengott (Crossing 16) im Kader. Leider ist er nicht der allerschnellste (Acc 12), sodass es nicht so leicht sein wird, ihn auch auch in gute Flankenpositionen ohne Gegnerdruck zu bringen. Zum Glück ist er so ordentlich am Ball, dass er sich bei ebensolchem auch spielerisch befreien kann wenn er die nötige Unterstützung hat. Dazu ist er als Standardschütze eine Waffe. Mohr ist in allen diesen Aspekten ein ordentlicher Backup, sogar etwas schneller. Dafür defensiv eher schwach.
Zusammenfassend: Zumindest von der individuellen Klasse her sollte der Kader geeignet sein, hinten die Schotten dicht zu machen. IV, RV und DM/ZM passen gut zu dem was wir vorhaben, und auch auf LV ist die erste Wahl gegen den Ball zumindest ordentlich. Sorgen macht vor allem das Verteidigen schneller Flügelspieler. Als Gegenmaßnahme könnte es sich anbieten die Flügel doppelt zu besetzen um schnell doppeln zu können.
Offensiv hat sich als bester Ansatz recht deutlich herauskristallisiert, Ablagen durch die großen Stürmer zu fokussieren, die dann auch die anschließenden Flanken verwerten sollen. Die Herausforderung wird sein, unseren besten Flankengeber (Ouwejan) in gute Flankenpositionen zu bringen.
Auch die Frage nach der Zusammensetzung der Offensivdreiecks ist noch offen. Weder für den Part der Speerspitze noch den Zuarbeiter gibt es eine offensichtliche Rollenaufteilung. Und zu Beginn hat die Mannschaft eine ganz fürchterliche Team Cohesion, was natürlich ein Problem werden könnte.
Die TaktikNun stellt sich die Frage, welche Formation am besten passt. Ein Fokus auf Flanken geht am besten mit einer Doppelspitze zusammen, und gegen den Ball hätte ich ja gerne doppelte Flügelbesetzung. Da bleibt von vornherein ja eigentlich nur ein 4-4-2. In der Formation gibt es aber kein natürliches offensives Dreieck, ein ZM(a) kommt nicht in Frage, weil dann die Lücken im Zentrum zu groß werden, und auf dem Flügel gibt es eigentlich niemanden dem ich es zutraue sowohl diszipliniert mit zu verteidigen als auch direkt nach Ballgewinn mit angreifen zu können. Meine Lösung ist folgende:
Der linke offensive Flügel wird teilweise von seinen Defensivaufgaben entbunden, um den Kontakt zu den Stürmern zu halten. Um die entstehende Lücke (hoffentlich) zu stopfen, spielt auf der Seite einerseits der defensivere Part der Doppelsechs, andererseits der tiefere Stürmer, der auch etwas mit nach hinten arbeiten dürfte. Aber natürlich muss das zunächst gegen echte Gegner getestet werden.
Wer den Linksaußen spielt, steht noch nicht wirklich fest. Varianten, die ich testen werde: Mohr/Murkin als Winger und zusätzliche Flankengeber. Drexler als vorgezogener Spielmacher und kreativer Part, der außerdem stark zur Mitte zieht und so hoffentlich Räume für Ouwejan freizieht. Lasme als Weiter Zielspieler (dann natürlich ohne Zielspieler im Zentrum). Karaman oder einen der zuvor genannten als inversen Flügelspieler mit ähnlichem Gedanken wie beim Spielmacher, aber etwas flexibler.
Ansonsten ist der Gedanke bei der Rollenwahl folgender: Ouwejan muss bei Ballbesitz in Flankenpositionen gebracht werden, also soll er nach Ballgewinn alle seine defensiven Pflichten vergessen und nach vorne laufen. Die entstehende Lücke im Abwehrverbund möchte natürlich gefüllt werden. Wie gut dass es im Kader eigentlich keinen Spieler gibt der verschenkt wäre wenn er sich nicht auf dem rechten Flügel offensiv austoben darf, und alle RVs auch ordentliche Halbverteidiger geben können. Also schiebt der LV in Ballbesitz hoch, der RV ein und aus der Vierer- wird eine Dreierkette. Das hat gleich mehrere Vorteile: Eine Dreierreihe kann im Falle eines Ballverlustes viel besser Konter verteidigen, weil ein IV auf den Ballführenden herausrücken oder einen hinter die Linie sprintenden Angreifer aufnehmen kann, ohne dass man die Verteidigung der Breite komplett aufgeben oder ein DM in die Kette rücken muss. Dadurch dass der LIV weiter nach außen rückt, hat er besseren Zugriff auf den Raum, der durch Ouwejans Vorrücken unbewacht ist. Außerdem bekommt so einer der Sechser ein paar mehr Freiheiten im Vorwärtsgang, weil man auch ohne ihn immer noch eine grundsätzlich robuste 3-1-Konterabsicherung hat.
Der rechte offensive Spieler soll dann seine Seite alleine beackern wie ich das von einem Flügelverteidiger in einer Fünferkette auch erwarten würde: seine Seite und den Segundo Volante absichern, die Breite halten, und - wenn der Ball doch mal zu ihm fällt und er ein bisschen Platz vor sich hat - ein paar Schritte rennen und eine Flanke schlagen.
Bei der Doppelsechs habe ich mich für 2 DMs entschieden, einfach weil das in den Testspielern besser funktioniert hat. Schallenberg als Spielmacher soll etwas Ruhe ins Spiel bringen, damit Bälle nicht nur kopflos nach vorne gehauen werden Die Support-Duty gibt es weil DMs bei defensiver Mentality ohnehin schon ziemlich tief stehen und er auf Defend gegen den Ball ständig fast in die Abwehrreihe zurückfällt, was eher kontraproduktiv ist.
Als sein Partner bekommt Tempelmann bekommt die Mammutaufgabe, Abwehr und Offensive zu verbinden. Ohne offensiven LM und wirklich extrem physisch starke Stürmer wären die Wege ziemlich sicher zu weit und der Ball längst wieder weg, wenn er in der gegnerischen Hälfte ankommt, aber zumindest in den Testspielen war er ordentlich involviert.
Von der Logik her dreht sich unser 4-4-2 in Ballbesitz also etwas im Uhrzeigersinn und wird so zu einem etwas schiefen 3-4-3. [Kleine Nebenbemerkung: Ein 5-2-1-2, das in Ballbesitz ja auch zu einer Art 3-4-3, dürfte so ziemlich das "natürliche" System für klassischen Defensivfußball sein. Viele Abwehrspieler und ein natürliches Dreieck vorne. Die Schwachstelle ist die Doppelsecks, die weite Wege auf die Flügel machen muss um zu doppeln, und wenn sie die Wege macht, ist im gegenüberliegenden Halbraum viel Platz. Und der sollte, wie im ersten Post erwähnt, gut verteidigt werden. Mit passender Rollenaufteilung und gutem Herausrücken aus der Fünferkette kann man gegensteuern (hat z.B. Frankfurt unter Hütter sehr gut gemacht), aber dafür braucht man Halbverteidiger die gut viel Raum beackern können (u.a. Aggression und Acceleration sind Schlüsselattribute), und genau da mangelt es bei Schalke, weswegen ich mich gegen dieses System entschieden habe. Im realen Fußball z.B. hat Elversberg genau diese formative Schwäche bei Schalke dieses Wochenende sehr gezielt bespielt und war damit sehr erfolgreich.]
Bei den taktischen Vorgaben halte ich es eher simpel. Eine defensive Mentalität sorgt ja ohnehin schon dafür, dass kompakter und näher am eigenen Strafraum verteidigt wird und nach Ballgewinn eher der Ball rausgehauen statt der riskante Pass gewählt wird. Der Linksfokus erklärt sich durch die Sonderrollen für LV und LA, die mit Ball ja quasi eine Reihe weiter vorne spielen sollen, von selbst, so wie die für das Ausspielen von Umschaltsituationen auch. Schnelles Verteilen auf den Zielspieler und Kontern, um schnelle Konter zu fokussieren. Und Gegenpressing zu verweigern und schnell hinter den Ball zu kommen ist ja eins der Elemente, durch die sich ein defensives System definiert. An der Abwehrlinie habe ich zunächst nichts geschraubt, die ist wie gesagt bei defensiver Mentalität so oder so ziemlich tief. Und das nach innen locken ist ein Fehler von mir. Eigentlich wollte ich den nächsten Gegner auf die Flügel locken, zum Glück ist es mir so rechtzeitig aufgefallen.
Hmmm, ich hätte wohl noch einen Post reservieren sollen. Jetzt ist auch dieser schon ziemlich lang geworden, ohne dass ich dazu gekommen bin Eindrücke aus tatsächlichen Spielen zu schildern. Und da ich das hier gerne heute noch veröffentlichen wollte, verschiebt sich das ganze leider auf den nächsten Post. Ok, ein paar Spoiler zum Spiel beim HSV gibt es:
Man beachte vor allem die Action Zones, bzw. das Fehlen davon!
Angekommene Pässe des HSV in unserer Hälfte. Hier ist vor allem interessant wie viele Pfeile in unseren Strafraum zeigen. Ich zähle 8, die meisten irgendwo am Rand.
Hier unsere angekommenen Pässe in die gegnerische Hälfte. Hier sind es zwar nur 7, aber davon 4 zentral vor dem Tor.