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Autor Thema: [FM 20 bis 24] Lavayeuxs Europatour - Die Geschichte eines Luxemburgers  (Gelesen 66104 mal)

Noergelgnom

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Frühjahr 2056, Sheffield, England


"Herr Lavayeux, Hand aufs Herz: wie sehr schmerzt Sie diese Degradierung angesichts Ihrer Verdienste um den Verein?"

Dieser schmierige Aushilfstintenkleckser geht mir gehörig auf den Wecker!
Aber ich werde ihm nicht die Genugtuung verschaffen, mich explodieren zu sehen - da kann er provozieren, so viel er möchte, der Arsch. Ich heißt ja nicht Zinedine und er nicht Marco. Und ich hab auch keine Glatze und das ist auch nicht das WM-Fi.... ich unterbreche meinen Gedankengang, als mir auffällt, dass er mir noch immer das Mikro unter die Nase hält.

"Wovon sprechen Sie, Herr Hudson? Welche Degradierung meinen Sie?"

"Na Sie wollen doch wohl nicht behaupten, dass die dauerhafte Abkehr der Owls von Ihrem geliebten 442 Ihren Beifall findet?
Es ist doch offensichtlich, dass Sie in der Trainerhierarchie des Vereins nur noch die zweite Geige spielen und Ihr Stiefsohn das Zepter in die Hand genommen hat. Höchst erfolgreich, wie ich anmerken möchte."

Ach, DAHER weht der Wind!
Ich kann mir ein süffisantes Grinsen nicht ganz verkneifen, während ich im liebreizendsten mir zu Gebote stehenden Ton antworte:

"Werter Herr Hudson, Sie folgen der Entwicklung des Vereins doch nun schon einige Jahre. Man könnte gar von VERfolgen sprechen - jedenfalls wenn es um Ihre fixe Idee geht, dass Lucas und ich etwas anderes sind als ein eingespieltes, vertrauensvoll zusammenarbeitendes Team.
Ihnen sollte doch inzwischen aufgefallen sein, dass mein geliebtes 442, wie Sie es auszudrücken belieben, nur EINE Option unseres taktischen Arsenals darstellt. Und wenn unsere Analysen vor einem Spiel ergeben, dass eine andere Formation besser geeignet ist, dann wählen wir diese andere Formation.
Das halten wir seit unserem Amtsantritt so - und das wird auch so bleiben."

"Aber wieso ist denn das 442 plötzlich nur noch so selten geeignet, wo es doch in den vergangenen Saisons fast immer zum Einsatz kam?"

Ich schüttele nachsichtig den Kopf.
"Herr Hudson, ich weiß, dass Sie meinen Sohn und mich nicht sonderlich mögen und dass Ihre Vereinsbrille nicht die Farben der Owls, sondern die der Magpies trägt, aber ich bin doch überrascht, dass Sie eine dermaßen, mit Verlaub, laienhafte Frage stellen. Das 442 stößt gerade in jenen Situationen an die Grenzen, wo der Gegner auf allen Positionen, insbesondere aber im zentralen Mittelfeld, qualitativ besser besetzt ist - und es ist ganz besonders dann ungeeignet, wenn der Gegner zudem noch in einem Dreiermittelfeld aufläuft.
Und wie Sie selbst in Ihrer Saisonvorschau mit so drastischen Worten prognostizierten, war Sheffield Wednesday in der gerade zuende gegangenen Saison doch mit weitem Abstand der wahrscheinlichste Direktabsteiger.
Bringen Sie diese beiden Informationen zusammen und Sie haben Ihre Antwort.
Und falls Ihnen das zuviel Arbeit sein sollte, lege ich Ihnen Steven Shortknifes exzellentes Essay 'the centre midfield in modern football' ans Herz, da wird genau diese Problematik sehr strukturiert und auch für Laien gut verständlich dargelegt. Guten Tag."

Damit lasse ich einen konsterniert dreinblickenden Newcastle-Observer-Reporter namens Frank Hudson stehen und gehe in die Kurve, um mit Mannschaft, Team und Fans zu feiern.
Während wir wieder und wieder die Vereinshymne schmettern, Autogramme am Fließband schreiben und unzählige Hände schütteln, lass ich diese leicht surreal erscheinende Saison in Gedanken Revue passieren.


Dabei sah es kurz nachdem die Reporter und -innen ihre Saisonprognosen abgegeben hatten, kurzzeitig extrem duster aus - denn in einem der ersten Spiele krachte unser Abwehrchef Jonathan Tear bei einem Defensivzweikampf dermaßen unglücklich gegen den Pfosten, dass er sich dabei den Unterschenkel brach und bis weit ins neue Jahr hinein nicht mit seiner Rückkehr zu rechnen sein würde.




Nur gut, dass wir in der Abwehr breit aufgestellt waren - kein Wunder, hatten wir doch gemessen an unseren generellen Finanzen eine Einkaufstour vom Allerfeinsten hingelegt.
'Hach ja, die Finanzen!', schießt es mir durch den Kopf. 'Einerseits jonglieren wir hier mit Summen, die in meiner bisherigen Karriere wahrscheinlich nur mit Metz vergleichbar sind, andererseits sind wir damit im Ligavergleich arm wie die Kirchenmäuse...'




Denn während Ligakrösus Gillingham mit über 20 Millionen Gehaltskosten arbeiten kann oder der FC Portsmouth zweistellige Millionenablösen auf den Transfermarkt wirft ...




... hatten wir insgesamt grade mal reichlich 3,5 Millionen Gehaltsausgaben zur Verfügung ... von denen wir sicherheitshalber nur 2 Millionen für Spieler ausgaben und den Rest lieber in die Trainer und Betreuer steckten, weil wir nur einen einzigen Weg sehen, wie wir finanziell vernünftig arbeiten können:
Talente ausbilden, teuer verkaufen und/oder Weiterverkaufsklauseln reinverhandeln.
Der übliche Weg kleiner, klammer Vereine also.
Dass wir gleichzeitig als eindeutig schwächster Verein in der Liga eben diese Klasse zu halten gedachten, kam noch erschwerend hinzu.


Meine Gedanken schweifen durch die Saison.
In den Pokalwettbewerben war uns ja bereits vor dem ersten Anpfiff klar, dass eine Wiederholung des Wahnsinnslaufs im FA Cup sehr unwahrscheinlich sein würde.
Am Ende konnten wir uns leider sogar noch schneller auf die Liga konzentrieren als befürchtet, denn in allen Wettbewerben waren wir noch vor dem Jahreswechsel ausgeschieden.








Was aber natürlich zu verschmerzen wäre, wenn die Liga besser liefe.
In der Sky Bet League One gibt es jedes Jahr vier Absteiger - also war unser Ziel, mindestens vier Teams hinter uns zu lassen.
Hartlepool, Southend und Ebbsfleet schienen machbar, wenn man den Buchmachern glaubte - aber alles darüberhinaus würde schwierig.
Die Hoffnung lautete also, dass irgendeines der Mittelfeldteams vielleicht eine katastrophale Saison erwischt und uns den Klassenerhalt ermöglicht.

Und mit dieser Einstellung - "wir sind nicht komplett chancenlos, es wird einfach nur eine titanische Aufgabe." - stürzten wir uns in die erste Drittligasaison seit ewigen Zeiten.
Mit Coventry FC , AFC Wimbledon, Notts County und dem Blackpool FC hatten wir ein Auftaktporgramm erwischt, das es in sich hatte: alle diese Teams wurden mindestens in der oberen Tabellenhälfte erwartet. Und danach wurds nicht besser!
Shrewsbury Town, die Bolton Wanderers, die "Ausnahme" Ebbsfleet United, danach der Portsmouth FC sowie Aufstiegstopfavorit Gillingham FC ...

... 'wenns richtig blöd läuft', dachten wir, 'haben wir nach neun Spieltagen ein, zwei Pünktchen auf dem Konto und das rettende Ufer ist schon eine Siegesserie entfernt.'
Indes, es kam ein bißchen anders als erwartet.
In den meisten der genannten Spiele waren wir knapp unterlegen oder gar ebenbürtig, wir punkteten in ganzen sechs (!) dieser Anfangsspiele und spätestens als wir am 10. Spieltag im Auswärtsspiel gegen Walsall einen fulminanten 4:1-Auswärtssieg herausspielten, dämmert auch dem letzten Vereinsangestellten, dass der Klassenerhalt zwar weiterhin eine sehr schwierige, aber durchaus machbare Aufgabe darstellt.

Wir leisteten uns zwar einige grauenvolle Spiele (wie das indiskutable 1:6 bei Grimsby Town oder das nicht minder enttäuschende 0:5 zuhause gegen den Chesterfield FC) und zwei längere Negativserien (zwischen Ende Oktober und Mitte Dezember holten wir aus acht Spielen ganze 4 Punkte und verlieren sechs mal, im Januar wiederholten wir dieses Kunststück mit der exakten Ausbeute (6 Niederlagen, 1 Unentschieden, 1 Sieg) und schafften es sogar, zuhause gegen den bereits abgeschlagenen Tabellenletzten Hartlepool United glatt mit 0:3 unterzugehen, aber als das Wintertransferfenster schloß und etwa zwei Drittel der Saison gespielt waren, ergabt sich für die Owls-Anhänger ein unerwartet erfreuliches Bild:




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Das besagte Winterfenster wurde von uns nicht ganz freiweillig zur Finanzaufbesserung genutzt - O'Donnell, Hughes und Lakeland verliessen jeweils für knapp siebenstellige Ablösen den Verein, nachdem klar wurde, dass keiner dieser Spieler an einer Verlängerung zu bezahlbaren Konditionen interessiert ist.
Es gilt noch immer, dass die absolute Obergrenze beim Grundgehalt etwa bei 75.000 Pfund pro Jahr liegt, die inklusive Prämien für eine Handvoll Schlüsselspieler auf maximal 100.000 Pfund anwachsen darf.
Als unser mit Abstand bester Spieler Colm O'Donnell also schlappe 450.000 Pfund Grundgehalt und eine Ausstiegsklausel von 1.2 Millionen Pfund zur Grundbedingung machte, um überhaupt mit uns zu reden, fand er sich von einem Tag auf den anderen auf der Transferliste wieder.
Am Ende schlug der spanische Zweitligist Real Oviedo für fast 3 Millionen Pfund zu und wir hatten ein dickes Loch in der Mannschaftshierarchie, war O'Donnell doch einer der unbestrittenen Leader im Team.
Auch das ist natürlich einer der Gründe für den unterirdischen Januar...

Als Ersatz für O'Donnells Position im offensiven Mittelfeld und Sturm holten wir von Derby County einen jungen Engländer namens Gary Holder, der zwar talentiert ist, aber nicht an den mit Millionengehältern ausgestatteten Platzhirschen im Derbysturm vorbeikam. Kosten: 39.000 Pfund.
Dazu ersetzten wir den abgewanderten Rechtsaußen Lakeland mit Richard Farragher vom Shelbourne FC, der uns auch "nur" 180.000 Pfund kostete.
Rein finanziell war das Winterfenster also ein voller Erfolg, was der Kaderumbruch sportlich bedeutet, blieb abzuwarten.




An den Journalistenerwartungen hatte sich erstaunlicherweise wenig geändert - außer dass wir nur noch Hartlepool United als etwa gleichstark (oder -schwach) ansehen sollten, alle anderen hatten kräftig investiert, um ihre Ziele eventuell doch noch zu erreichen.




Und manche Vereine in England scheinen beim Investieren inzwischen jedes Maß verloren zu haben.
So wurden Manchester City, Nottingham Forest, Norwich City, Derby County und einigen anderen Vereinen im Laufe der Saison Strafen von bis zu 12 (!) Punkten Abzug aufgebrummt, weil sie völlig überschuldet waren und unter Aufsicht gestellt werden mußten.
Zu den "anderen Vereinen" gehört übrigens auch Newcastle United ... was vielleicht einer der Gründe ist, warum Frank Hudson im Laufe des Frühjahrs stetig schlechtere Laune spazierentrug...

Konnte und mußte uns natürlich egal sein, wir standen finanziell jedenfalls gut genug da, um uns aufs Sportliche zu konzentrieren.
Mit den jungen Alan Leddy (Außenverteidiger links), Leonardo (Außenverteidiger links), und Earl (komplette Außenbahn rechts) zogen wir drei talentierte Jungspunde immer wieder mal in die Erste hoch und zumindest Leonardo und Earl spielten sich im Laufe des Frühjahrs mehr oder minder in der Seniorenmannschaft fest, überzeugten dabei immer wieder mit guten Leistungen ... und "unser" Brasilianer Leonardo (der im Alter von fünf Jahren mit seinen Eltern nach Sheffield kam und seit seinem 9. Lebensjahr bei Wednesday spielt!) wurde nach und nach zum Trainingsvorbild für die ganze Mannschaft.
Es ist einfach erstaunlich, mit wie viel Ehrgeiz und Gewissenhaftigkeit der junge Defensivspezialist an seinem Spiel und seiner Körperlichkeit arbeitet.

Als der "Seuchenmonat" Januar vorüber war und unser Langzeitverletzter Jonathan Tear langsam wieder ins Aufbautraining einstiegt, gab das der ganzen Mannschaft offenbar einen Schub und wir starteten einen regelrechten Lauf:
Wir verloren nur noch zwei Mal (beim designierten Aufsteiger Chesterfield setzte es erneut eine herbe Niederlage, diesmal allerdings "nur" 1:4 ... und beim Tabellennachbarn Coventry City hatten wir auch nichts zu melden), holten ansonsten noch 5 Unentschieden und sechs (!) Siege, was uns rein rechnerisch bereits am 42. Spieltag den Klassenerhalt bescherte.
Der schlußendliche 13. Rang ist ein dickes fettes (wenn auch etwas glückliches) Ausrufezeichen - und wir konnte uns damit bereits im April daranmachen, die neue Saison vorzubereiten.




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Einen sehr dicken Wermutstropfen hält die Saison dann aber ganz zum Schluß leider noch noch bereit.
Unser dienstältester Mitarbeiter Paul Harmston beschließt, dass es jetzt endgültig reicht mit der Karriere als Fussballvereinsmitarbeiter.
Er war lange Fitnesstrainer im Nachwuchs, nach einer Knieverletzung sattelte er auf Scout um und leistete auch da hervorragendes.
Als der Stadionsprecher beim letzten Heimspiel Harmstons Abschied zum Saisonende verkündet, bin ich zunächst verwundert - ist es doch eher ungewöhnlich, dass ein Scout auf solche Art geehrt wird.
Dass das gesamte Stadion daraufhin spontan "you'll never walk alone" für den gebürtigen Liverpooler singt und minutenlang ohrenbetäubend laute "Paul Harmston"-Sprechchöre durchs Rund hallen, läßt mir die Kinnlade runterklappen.

Sportdirektor Day, der neben der Ersatzbank steht und inbrünstig mitsingt, erklärt mir später, dass Harmston seit 2015 (!!!) im Verein tätig war - also ungeheuerliche einundvierzig Jahre lang - und unter den Fans als inoffizielles Clubmaskottchen gilt.
Die (also die Anhänger) singen übrigens so lange, bis der künftige Ex-Mitarbeiter sichtlich ergriffen von dieser augenscheinlich unerwarteten Respekts- und Liebesbekundung eine Ehrenrunde durchs Stadion gedreht hat.




~~~~~~~~~~


Meine Gedanken kehren in die Gegenwart zurück.
Unsere ausgelassene Feier mit dem Auswärtsblock ist in vollem Gange, während ein bedröppelter Newcastle-Anhänger mit ausgeschaltetem Mikrophon und hängendem Kopf von dannen schleicht - er hat gerade erfahren, dass Newcastle United die Saison aufgrund eines weiteren Punktabzugs als 17. und damit nur einen Punkt vor dem ersten Abstiegsrang beenden wird. Und es gehen Gerüchte um, dass die nahöstlichen Besitzer des Vereins aufgrund dieser unerfreulichen Bilanz über den Rückzug aus dem Club nachdenken.
Angesichts der prekären Finanzlage der Magpies käme das möglicherweise einem Todesurteil gleich...

Ich zucke die Schultern.
Investoren im Fussball haben nicht nur gute Seiten.
Das weiß jeder aufmerksame Fussballinteresiserte seit vielen Dekaden.
Wer sich dennoch auf solche Finanzierungsmodelle einläßt, weiß um die Risiken.

Wednesday jedenfalls - soviel steht fest - steht auf sehr sicheren Füßen und wird auch nächste Saison in der SkyBet League One antreten dürfen.
Wie genau der Kader dann aussieht, muß man, wie gewöhnlich, abwarten.
Nach dieser Saison 2056/57 steht uns, sofern nicht noch ein Wunder geschieht, ein hostorischer Umbruch ins Haus.
Nicht weniger als 14 Spieler sind nicht bereit, über vernünftige Anschlußverträge zu verhandeln.
Die Liste umfaßt dabei Kapitän und Publikumsliebling Rory Rooney genauso wie Torwartmagier Aaron Maylen, die Mittelfeldstrategen Bayleigh Bunney und Nikos Makrydimitris, die Stamminnenverteidiger Noel Shields und Godwin Oluwaniyi sowie Pokalkeeper Scott O'Neill.
Oh und Riesentalent Leddy natürlich auch....


~~~~~~~~~~


Am nächsten Morgen liegt wieder einmal das Buch (DAS Buch) auf dem Boden - diesmal ist die Seite mit Sir Charles jedoch unter den Schrank gerutscht, so dass nur die linke Buchseite mit dem Eintrag über einen der legendären Manager der Owls, Arthur Dickinson, zu sehen ist.
Seufzend stelle ich den Wälzer zurück ins Regal.
Wenn ich doch endlich dahinterkäme, was es mit diesem vermaledeiten Rätsel auf sich hat.
Das macht mich noch wahnsinnig!
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“Goodness is about what you do. Not who you pray to.” (Terry Pratchett)

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Sommer 2056, Sheffield, England

 


 
Zitat

Liebes Tagebuch,

... und Mamma mia!
Warum ich nicht kann halte meine Klappe große?!
Habe ich gewollt machen Schritt vor in Karrier, aber habe ich gesetzt mich in Nessel pieksig.
(Iste das Metaffer für "gebracht in Situation unangenehme", ich gelernt!)

Kame so:
Sollte sein Meeting für Ende von Saison - Onkel Gianni, Scott Direktor, Schäraar und seine Nichtrichtigsohn Lucas.
Habe ich gehört und gefragt Onkel Gianni, warum ich nicht bin dabei?
Hat er gesagt: "Du nicht in Verantwortlichkeit."
Habe ich gefragt, warum nicht?
Hat er gedacht mit Falte auf Stirn, dann genickt. "Eigentlich du recht, Du jetzt in Verantwortlichkeit für Torwart.", er sagen und ich dann doch dabei.

Wir fünf also sitzen an Tag nächste in Onkel-Büro und sprechen über Kader für die Saison neue.
Also die andere Männer rede und ich sitze da und warte, denn gehe nur um Verträge für Spieler.
Viele Spieler wolle habe viel teuer neue Vertrag, Scott sage, auch drei Tormanns Maylen, Burgess und Matthews.
Dann Scott gucke mich.
Ich gucke Scott.
Scott gucke mich.
Ich gucke Scott.
Scott gucke mich, ungeduldig.
Ich frage Scott "Was?".
Scott sage "Na, wie Du wolle mache?"
Ich frage "Wieso ich?"
Gianni sage "Weil Du bist in Verantwortlichkeit für Tormanns."
Ich erst nicht verstehen.
Dann ich verstehen und schüttele Kopf. "Neineinein - ich nicht mache Handlungen!"
Gianni nicke. "Doch, das sein Verantwortlichkeit. Du spreche mit alle drei und mache gute neue Vertrag. Oder spreche mit Scott und Scouts wegen Ersatz. Du könne sagen neunzigtausend Pfund für Maylen und sechzig für Burgess und Matthews. Nicht mehr."
Ich machen große Augen.
"Aber Maylen wollen zweihundertfunfzig!"
Gianni zucken mit Schultern. "Du in Verantwortlichkeit, Du klären mit Spieler."
"Aber dann ich sein die böse, geizige Mann in Auge von Maylen! Ich nicht wollen."
Das sein Moment, wo Schäraar ziehe hoch seine Winkel Mund.

Oh wie ich hasse meine Klappe große!

Deine Mario


P.S.: Kommte morgen Anwalt - habe ich Faxe dick von schreibe wie nich gescheit. Wolle prüfe, ob kann klage gege Schreiber von Geschichte!


Das Kaderplanungsmeeting gehört im Nachhinein betrachtet zu den schrägsten Diskussionen, an denen ich je teilgenommen habe.
Es dauert eine gute Viertelstunde, bis Mario verstanden hat, dass er tatsächlich in der Verantwortung ist, mit den Spielern die Vorverhandlungen über deren neue Verträge zu führen.
(VORverhandlungen deswegen, weil Gianni seinen Großneffen zwar durchausauf eine eventuelle Karriere über einen schlichten Torwarttrainer hinaus vorbereiten will, jedoch schlauerweise nicht riskieren möchte, die Vereinsfinanzen zu ruinieren. Sobald eine grundlegende Einigung gefunden ist - oder SOFERN eine gefunden ist, denn alle drei Keeper haben echt knackige Gehaltsvorstellungen - wird Scott in seiner Eigenschaft als Sportdirektor die finale Phase verantworten.)

Ich freue mich schon drauf, mit Mario nach diesem Erlebnis nochmal über unseren Disput in Metz zu sprechen.
Vielleicht hilft ihm diese auf ihn zurollende Erfahrung ja dabei, meinen Standpunkt von damals besser einzuordnen.
Und wer weiß - vielleicht schafft er es ja tatsächlich, unser "Monster zwischen den Pfosten" dazu zu überreden, vernünftigere Konditionen zu akzeptieren als die 250.000 Pfund Grundgehalt, die Maylen als erste Standortbestimmung in den Raum geworfen hat.
Der Transfersommer verspricht jedenfalls mal wieder spannend zu werden.
Wie eigentlich immer.
« Letzte Änderung: 26.Juni 2024, 22:40:35 von Noergelgnom »
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Elemotion

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Der Klassenerhalt wurde ja doch souverän eingetütet. Ich hoffe du kriegst in der Saisonvorbereitung noch etwas mehr Qualität in die Mannschaft und kannst nächste Saison die Playoffs anpeilen.
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Karagounis

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Herzlichen Glückwunsch zum Klassenerhalt, die vier Siege in Serie im Dezember scheinen sehr entscheidend gewesen zu sein. Auf den Umbruch bin ich gespannt, 14 Spieler die nicht verlängern wollen...

Sonzee87

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Am Ende dann doch ein verdienter Klassenerhalt, freut mich das das Team sich halten konnte. Wenn auch die Frage bleibt WAS für ein Team es dann in der nächsten Saison sein wird. Wenn die wirklich alle solche finanziellen Vorstellungen haben und das Budget es nicht hergibt steht da ein extremer Umbruch an. Und ob man dann die Klasse halten kann, das wird verdammt schwierig. Ich hoffe natürlich das beste das sich ein paar der Spieler noch besinnen und zu halbwegs vertretbaren Bezügen verlängern und die anderen adäquat ersetzt werden können.
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Olé, olé, Olé, ola, der FCK ist wieder da,

Olé, olé, Olé, ola, die roten Teufel sind ganz wunderbar

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Sommer 2056, Sheffield, England






Es ist wie jedes Jahr - die Länge der Sommerpause scheint mehr als nur ausreichend zu sein, um all die großen und kleinen Pläne, Änderungen, "Projekte" und Sonstigkeiten umzusetzen oder wenigstens anzugehen, die für eine hoffentlich erfolgreiche nächste Saison umgesetzt werden sollten.
Und dann ist die besagte neue Saison plötzlich nicht nur am Horizont zu sehen, sondern ist schon gefährlich nahe gerückt und von all den Notwendigkeiten ist so gut wie nix in Sack und Tüten.

Als der Saisonauftakt mit dem Heimspiel gegen Aufsteiger Swindon Town nur noch drei Tage entfernt ist, sieht unser bisheriger Arbeitsnachweis kurz zusammengefaßt etwa so aus:

Anzahl auslaufender Verträge - deutlich zu hoch, Wettbewerbsfähigkeit der Mannschaft - weiterhin unter ferner liefen, beruhigte Fannerven - null.
Oder etwas weniger nebulös: die gesamte Journaille zählt uns (zusammen mit Ebbsfleet United, allen vier Aufsteigern sowie dem Erstligaabsteiger Reading FC, dem vor allem aufgrund von Ausstiegsklauseln mal eben eine komplette Elf abhanden kam) zum erlauchten Kreis der bevorstehenden Viertligisten.
Man traut uns immerhin diesmal zu, nicht Letzter zu werden - aber der 23. Platz, auf dem man uns in etwa einordnet, ist eben auch ein direkter Abstiegsplatz.
Immerhin gibt es mehr "klare Abstiegsanwärter" als Abstiegsplätze. Wir werden die direkten Duelle gegen die genannten Mannschaften allesamt als Endspiele um den Klassenerhalt angehen und dann mal schauen, was sonst noch so geht.




Finanziell sind wir weiterhin in halbwegs sicheren Fahrwassern unterwegs, was gerade im unterklassigen englischen Fussball ja keine Selbstverständlichkeit ist.

Mit Stacey Burroughs (defensives Mittelfeld) und vor allem dem Innenverteidiger Darren Carson gelingt es uns - neben allerlei Talentverpflichtungen - zwei wirkliche Verstärkungen für die Startelf an Land zu ziehen.
Eigentlich wollen wir auch den ebenfalls ablösefreien Adam Scott fürs Abwehrzentrum holen, sind dafür aber auf einen Abgang des bisherigen Stammspielers Noel Shields angewiesen. Ein Unterfangen, das sich leider durch die ganze Transferperiode hinweg zieht wie ein alter Kaugummi.
Am Deadline Day ringt sich der deutsche Erstligist SC Freiburg dann aber doch noch zu Shields' Verpflichtung für die Zweite Mannschaft (?!) durch - woraufhin wir innerhalb von anderthalb Stunden seinen Ersatz Scott ins Boot holen.

Die Mannschaft, die in dieser Form mit hoher Wahrscheinlichkeit nur noch eine Saison bestand haben wird, schaut nach Schließung des Transferfensters daher wie folgt aus:




Und dann gehts los.
Erstes Spiel, zuhause gegen Aufsteiger Swindon.
Wenn wir die Klasse zu halten gedenken, fällt so ein Spiel noch am ehesten in die Kategorie "Pflichtsieg".
Lukas und ich haben lange getüftelt, wie wir das Team in dieser Saison aufzustellen gedenken - und am Ende sind wir bei einem breiten 433 gelandet, das uns hoffentlich dabei hilft, den Gegnern (die ja in den meisten fällen individuell deutlich stärker besetzt sein werden als wir) den direkten Weg zum Tor zu versperren und unsererseits Nadelstiche über Konter zu setzen.
Das wird die Pressegerüchte, dass Lukas inzwischen das Sagen hat und ich nur noch ein besserer Grüßaugust bin, natürlich befeuern, ist uns aber egal.
Wir wissen, dass das Unsinn ist - und wir wissen ebenfalls, dass wir mit meiner 442-"Obsession" bei den meisten Gegnern nicht allzuweit kommen werden.
Meine erklärte Lieblingsformation bleibt aber als taktische Alternative selbstverständlich Teil des regulären Trainings .
Genauso übrigens wie ein eher eng angelegtes 4231/4411, mit dem wir Gegner "knacken" wollen, die ihre Schwächen vorrangig im Zentrum haben.

Wie beispielsweise Swindon Town. Die erwarten wir zwar ebenfalls im 4231, aber ihre Doppel-Sechs ist noch die gleiche wie in der Vorsaison und ist ausweislich des uns vorliegenden Videomaterials sehr offensiv ausgerichtet - was ihre beiden Innenverteidiger möglicherweise vor Probleme stellt, wenn wir es schaffen mit einem langen Pass und mindestens drei Offensivspielern schnell ins gegnerische Drittel vorzurücken.

Der Plan ist gut - und Sturmspitze Gary Holder sowie unser Urgestein Rory Rooney veredeln zwei dieser Blitzangriffe in der Anfangsphase des Spiels zu einer beruhigenden 2:0-Pausenführung.
Nach dem Wechsel - die Gäste haben ihr Zentrum etwas defensiver und vorsichtiger ausgerichtet, wodurch sie weiteren Kontern weitgehend den Stecker ziehen - wird es ein ziemlich ausgeglichenes Spiel und als in der 78. Minute ihr Mittelstürmer Tomasson eine Ecke zum Anschluß einnickt, kippt das Momentum sogar in Richtung des Aufsteigers. Aaren Maylen in unserem Tor hat jetzt deutlich mehr zu tun, als ihm und uns lieb sein kann ... bis wir in der 91. Minute dann auch endlich selbst mal wieder einen Angriff an die gegnerische Grundlinie durchbringen und Makrydimitris die dabei entstandene Ecke humorlos zum 3:1-Endstand verwandelt.
Saisonstart relativ souverän geglückt, gleich mit dem ersten Spiel drei Punkte Vorsprung auf die Abstiegsplätze geschaffen (da gleich 10 Mannschaften punktlos geblieben sind) ... paßt, darf so weitergehen.

Wobei jetzt mit dem Wimbledon AFC und dem Blackpool FC ganz andere Kaliber warten.
Wie gewohnt, macht Lukas taktische Vorschläge, die ich gut finde und abnicke, wir ändern die Formation in ein paar Details ... und et voila: wir holen, wenn auch ziemlich glücklich, gegen beide Vereine einen eher nicht erwarteten Punkt.
Bei Southend United wollen wir dann eigentlich den zweiten Dreier einfahren und ich setze mich auch endlich mal wieder mit meinem Vorschlag eines 442 (mit defensiver Doppel-Sechs) durch.
Aber das geht dann doch nur zur Hälfte auf.
Denn während wir die Gastgeber sehr erfolgreich vom Tor weghalten, sind wir offensiv komplett zahnlos. Auch Lukas' Taktikänderung zur zweiten Halbzeit (er bringt einen offensiven für einen defensiven Mittelfeldspieler und läßt somit eine flache, breite Raute spielen) bringt nicht die gewünschte Offensivpower. Ganz im Gegenteil, bei einer Dreifachchance der Gastgeber kurz vor Schluß muß Schlußmann Maylen innerhalb von dreißig Sekunden dreimal Kopf und Kragen riskieren, um den Knockout in Form eines späten gegentreffers zu verhindern.
Sein direkt darauf folgender Wutausbruch ist dermaßen laut, dass er selbst in der Radioübertragung zu hören ist, wie mir Vicky am abend mitteilt.
Und natürlich ist aufgrund von Anfangsformation, Ergebnis und Maylens Ausbruch sichergestellt, dass in der Folgewoche in der gesamten Region permanent über "den taktisch veralteten Lava" und seinen "deutlich progressiveren Sohn" gesprochen, geschrieben, gebloggt und getwittert (oh, tschuldigung: ge-ixt) wird.

Dabei geht fast ein wenig unter, dass wir aus den ersten vier Spielen grandiose sechs Punkte geholt haben und, noch viel, wichtiger, sogar noch ungeschlagen sind!










Die Forest Green Rovers, der "Vorzeige-Öko-Verein", werden im Mittelfeld der Tabelle erwartet, was sie automatisch zu Favoriten im Spiel gegen uns macht.
Nach dem eher kläglichen 442-Experiment in der vorherigen Partie nimmt Lukas einige Anpassungen vor und stellt gaaanz grob gesagt auf ein schiefes 4222 (mit einem offensiven Flügel links und einem defensiven Flügel rechts) um.
Und siehe da - es wirkt.
Desmond Yarde (dem im Duell mit Chris Sheppard um die eine Sturmposition im 433 meist nur die Bank bleibt, der jedoch mit ihm zusammen auf dem Platz oftmals gut harmoniert) erzielt schon nach 10 Minuten nach herrlichem Doppelpass das 1:0, unser 20 Jahre altes Eigengewächs auf dem rechten Flügel (Oran Earl) stellt kurz vor der Halbzeit bereits den Endstand her.
Die Rovers finden im gesamten Spiel kaum statt, sie haben eine einzige echte Torchance - und wir haben Maylen.
Ergo: 2:0 für Wednesday.
Soviel zu Favoritenrollen.

Eine Woche später geht es gegen einen weiteren von unzähligen wirklich großen Namen in der diesjährigen League-One-Ausgabe: die Bolton Wanderers.
Ich bearbeite Lukas so lange, bis er endlich zustimmt, dass das 4222 nunmehr die Formation der Wahl sein sollte ... und eine knappe halbe Stunde lang scheint der Plan auch wiederaufzugehen. Earl und Sheppard schießen uns mit 2:0 in front.
Nur leider besteht ein Fussballspiel aus 2 Halbzeiten.
Und in dieser zweiten Halbzeit zeigt uns der Gastgeber sehr deutlich, wie löchrig so ein 4222 sein kann, wenn der Gegner clever ist.
Am Ende können wir uns (wieder mal) bei Maylen bedanken, dass wir wenigstens noch mit einem Punkt aus der Partie gehen!

Für das folgende Auswärtsspiel in Reading schließen wir einen taktischen Kompromiß und lassen die Spieler in einer Art "heimlichem" 442 spielen, das auf dem Papier jedoch wie ein 433 wirkt. Gary Holer soll aus dem zentralen Mittelfeld immer wieder in die Sturmspitze vorstoßen und Sheppard unterstützen.
Lukas wollte eigentlich auf ein "richtiges" 433 umstellen, aber noch hab ich hier ja auch ein bissl Mitspracherecht!
Dumm nur, dass mein "genialer" taktischer Kniff uns offensiv hemmt und defensiv löchtig dastehen läßt. Maylen hät uns etliche Male im Spiel, aber einmal muß er sich dann doch geschlagen geben. Und das reicht, damit wir im Duell gegen ein Kellerkind verdient als Verlierer vom Platz gehen.

Die sonntägliche Diskussion im Hause Lavayeux-Goossens ist lautstark und nicht druckreif und endet damit dass...
... wir der Mannschaft am Montag beim Trainingsstart mitteilen, dass Lukas ab sofort die taktischen Spieltagsentscheidungen trifft. Die eher strategischen Entscheidungen zb hinsichtlich des Trainings treffen wir weiterhin wie gewohnt zusammen.
Die Mannschaft nimmt die Neuigkeit sehr positiv auf, was mir insgeheim einen kleinen Stich versetzt.

Das nächste Ligaspiel gegen Mittelfeldteam Notts County gehen wir also in Lukas' Lieblingsformation (433) an - und auch wenn das Endergebnis das nicht so deutlich ausdrückt, ist die Partie doch ein deutlicher beweis dafür, dass diese Formation gut zum Kader paßt.
Rooney (direkter Freistoß) und Carson (Kopfball nach Ecke) heißen die Owls-Torschützen in einem recht einseitigen Spiel, Notts County hat zwei halbgare Chancen durch Fernschüsse zu verzeichnen und das wars.










Der Oktober hält sechs Ligapartien für uns bereits - darunter einige wirklich schwere Partien gegen Topteams wie Portsmouth, Crewe Alexandra, Preston North End oder Swansea City.

Los gehts aber mit einem "Pflichtsieg", denn wir fahren nach Ebbsfleet.
Das Spiel zweier im 433 angetretener Mannschaften ist absolut ausgeglichen, Torchancen hüben wie drüben Mangelware.
Nur ein einziges Mal, nach einer Ecke, kann sich ein Spieler entscheiden durchsetzen und das, wie sich herausstellt, Goldene Tor erzielen.
Glücklicherweise heißt dieser Spieler Darren Carson und steht in unseren Diensten.
Das 1:0 vor der Minuskulisse von nicht einmal 3000 Zuschauern ist echt kein Leckerbissen - aber die 3 Punkte schmecken uns dennoch.

Direkt danach geht es zu einem der Schwergewichte der Liga, Swansea City. Die Waliser sind überhaupt nicht gut in die Saison gekommen und dümpeln auf Platz 16 (!) herum.
Gegen uns wollen sie endlich den Bock umstoßen und treten entsprechend offensiv auf - womit sie Lukas' Plan perfekt in die Karten spielen. Der nämlich läßt die Owls konsequent auf Konter spielen - und als Rechtsverteidiger Levi Clifford kurz vor der Pause einen dieser Konter zur durchaus veridenten Pausenführung veredelt, ahnen die meisten der fast 20.000 Fans im Stadion schon, dass das heute nix wird mit der Trendwende. Der Trainer der Heimmannschaft begeht in der Pause einen folgenschweren Fehler und stellt im verzweifelten Bemühen um den Ausgleich auf 442 um - was uns die Möglichkeit eröffnent, direkt durchs Zentrum zu kontern.
Als Sheppard nach einer Stunde auf 2:0 stellt, sind die Messen eigentlich gesungen, Campbell und Yarde schrauben das Ergebnis in der Schlußphase gar noch auf 4:0 hoch.
Absoluter Sahnetag.
Ich beantworte die mit nerviger Regelmäßigkeit gestellten ewiggleichen Reporterfragen ("Sind Sie mit Ihrer Rolle im Owls-Team zufrieden, Herr Lavayeux?") mit den ewiggleichen nichtssagenden Platitüden ("wir sind ein Team, es gibt kein Zerwürfnis, wir entscheiden gemeinsam" blablablubb). Dass ich mir insgeheim sehr ähnliche Fragen stelle, muß ja keiner wissen.

Ungeachtet meiner privaten Unsicherheiten haben wir jetzt endlich wieder mal ein Heimspiel - gegen einen weiteren eher mau in die Saison gestarteten Playoff-Aspiranten, gegen Crewe Alexandra nämlich.
Die gehen das Spiel deutlich vorsichtiger an ans Swansea vor Wochenfrist, können uns damit aber auch nicht am Toreschießen hindern. Sheppard, Rooney, Sheppard - das 3:1 in der 86. Minute ist Kosmetik, mehr nicht.

Drei von sechs Spielen in diesem potentiell superharten Oktober sind damit gespielt - und mit neun Punkten stehen wir glänzend da.
Gute Ausgangsposition, um das Spiel gegen den Tabellenführer Portsmouth relativ entspannt anzugehen.
Wobei sich herausstellt, dass es eher die Gäste sind, die (zu?) entspannt an die Sache herangehen.
Als nach einer weitgehend höhepunktfreien Halbzeit, die von uns defensiv herausragend gespielt wurde, Chris Sheppard quasi aus dem Nichts kurz vor dem Halbzeitpfiff die Führung erzielt, erwarten Lukas und ich die Gäste mit einem Sturmlauf in Hälfte zwei.
Der bleibt allerdings aus, die Partie plätschert weiter dahin und schlußendlich gewinnen wir ein Spiel, das wir als eines der schwierigsten der gesamten Saison erwartet hatten, fast schon locker-flockig mit 3:0.

Mit stolzgeschwellter Brust geht es nun nach Plymouth, wo ein weiterer Aufstiegskandidat auf uns wartet.
Lukas verordnet dem team erneut eine sichere Defensive als oberstes Gebot und teilt ihnen in der finalen Ansprache mit, dass er "lieber ein langweiliges 0:0" mitnimmt als krampfhaft auf Sieg zu spielen.
Die Jungs halten sich buchstabengetreu an seinen Plan und halten die Null hinten wie vorn bis zur 92. Minute.
Dann fällt Oran Earl im Anschluß an eine Ecke und einen kapitalen Torwartfehler der Ball im Fünfmeterraum auf den linken Fuß und er kann ihn nicht schnell genug zurückziehen, um unsere Führung vielleicht doch noch zu verhindern.
Die geschockten Gastgeber versuchen in den restlichen drei Minuten der Nachspielzeit alles, um vielleicht wenigstens die Heimniederlage abzuwenden, aber stattdessen fliegt ihnen eine eigene Ecke um die Ohren, als sich der für Rooney eingewechselte pfeilschnelle Chism auf den Weg zum 2:0 macht. Im Strafraum nimmt ihm dann allerdings der Keeper den Ball vom Fuß - was eine tolle Rettungstat gewesen wäre, hätte er dabei nicht auch ebenjenen Fuss berührt und Chism damit zu Fall gebracht.
Klare Sache: Elfmeter.
Sheppard tritt an, versenkt den Ball, der Schiri pfeift ab - und wir fassen nicht, dass wir das vierte Spiel gegen ein Spitzenteam in Folge gewonnen haben, bei 12:1 Toren!!

Eine Partie gibts im Oktober noch - und natürlich ist auch das wieder eins aus der Kategorie "ein Punkt wär toll, ist aber keine Pflicht".
Preston North End, einer der klangvollsten Namen im englischen Fussball, gibt sich im Hillborough die Ehre.
Und währen Lukas alle bisherigen Spiele im 433 hat absolvieren lassen, ändert er diesmal die Taktik auf das 4222 mit schiefen Flügeln ab, das wir bereits gegen die Forest Green Rovers und die Bolton Wanderers zum Einsatz gebracht hatten.
Preston hat damit überhaupt nicht gerechnet, stellt in der Pause hektisch um (unter anderem nehmen sie ihren bis dato gefährlichsten Stürmer runter, um dafür einen zusätzlichen Sechser als Absicherung gegen unsere Flügelspieler zu bringen) - was Lukas mit der Umstellung auf das gewohnte 433 beantwortet.
Dank der taktischen Fleibilität von Holder, der sich sowohl im Sturm als auch in der Mittelfeldzentrale heimisch fühlt, braucht er dazu nichtmal einen Wechsel.
Von dieser neuerlichen Taktikanpassung überrascht, sind die Gäste wenige Minuten lang etwas ungeordnet - und das reicht Oran Earl, um sich das entscheidende eine Mal freizulaufen und wie schon im vorherigen Spiel das 1:0 zu erzielen.
Da keine weiteren Tore fallen, haben wir einen Hammermonat mit einer Hammerausbeute beendet: alle 18 Punkte gehen an Sheffield Wednesday, 14:1 Tore und fünf von sechs Spielen gar gegentorlos sprechen eine überdeutliche Sprache.










Natürlich ist jedem im Verein (und auch jedem Fan) klar, dass ein derartiger Wahnsinnslauf nicht für alle Zeiten fortbestehen kann.
Als wir daher beim Tabellenzweiten Gillingham glatt mit 0:2 verlieren, beunruhigt das niemande, zu komfortabel ist der Vorsprung vor den Abstiegsplätzen.

In der Folgewoche, beim Tabellenfünften Norwich City, ist eine Niederlage ebenfalls fest eingeplant, allerdings kann Norwich unser Abwehrbollwerk nur einmal knacken und nach Campbells früher Führung den Ausgleich herstellen.
Als wir Mitte der zweiten Halbzeit innerhalb von sechs Minuten zwei weitere Tore erzielen (das erste der beiden durch unseren Homemade-Brasilianer Leonardo, der als Sheppard-Vertreter einen Strafstoß souverän verwandelt), erholen sie sich davon allerdings nicht noch einmal.

Eine Woche später, in Exeter, schickt uns die Mannschaft durch ein wahres Wechselbad der Gefühle.
Nach 16 Minuten führen wir mit 3:0 (!), zur Halbzeit steht es 3:3 (?!!), nach einer knappen Stunde und zwei Pfostentreffern und einem Abseitstor der Gastgeber trifft Campbell mitten in deren erneute Drangphase zum 4:3 für uns ... und in der 93. Minute hält Maylen zu guter Letzt einen Foulelfmeter.
Bloß gut, dass ich vorher schon graue Haare hatte, da sieht man nicht so deutlich, was dieses Spiel nervlich bei mir angerichtet hat.

Abgerundet wird der Monat durch ein Heimspiel gegen den Tabellenachten Shrewsbury Town. Und das hätten wir nach 3 Minuten eigentlich schon wieder abpfeifen können, da verwandelt Leonardo nämlich im dritten Spiel nacheinander einen Elfmeter.
Und mehr passiert nicht.









Das Jahr eilt mit Siebenmeilenstiefeln seinem Ende entgegen ... aber wir müssen die Schnellreise aller drei Tage unterbrechen, um ein Ligaspiel zu absolvieren. Neun (!) Partien stehen uns in diesem Monat bevor.
Vom Tabellenletzten Northampton Town bis zum (immer noch) Tabellenführer Portsmouth ist alles dabei.

Der Tabellenletzte macht den Anfang und bekommt als erstes die von Lukas ausgearbeitete leicht veränderte Formation zu spüren. Einer der Außenbahnspieler agiert im bekannten 433 ein wenig zurückgezogen, aber in den weiten Bereichen des Spielfeldes, während sein Gegenpart auf der anderen Seite vorgeschoben agiert und sich immer wieder Richtung Zentrum orientiert.

Die Gäste kommen mit dieser "schiefen" Taktik gar nicht zurecht, fangen sich schon nach fünf Minuten das 0:1, stemmen sich zwar mit Verve gegen die Klatsche, werden gegen Ende der Partie aber doch noch völlig überrollt und schleichen zuletzt mit einem 0:5 noch gut bedient vom Platz.

Playoffverein Coventry City hält uns länger und deutlich erfolgreicher vom Tor fern, kann aber das 0:1 durch Yardes Distanzschuß nicht verhindern.
Reicht.

In Shrewsbury reißt die Siegesserie zwar, aber die Ungeschlagen-Serie bleibt dank Cliffords Ausgleichstor bestehen.

Danach schlendern wir gegen den Tabellenvorletzten Barnet ganz gemütlich zum Sieg, lassen uns aber bis weit in die zweite Hälfte Zeit, bis wir das Siegtor erzielen (mal wieder durch Rooney, der wie so oft von der linken Strafraumkante abzieht).

Bei diesem Lauf ist das Heimspiel gegen Ebbsfleet doch nur Formsache, oder?
Naja, nicht ganz. Wir gehen zwar zweimal in Führung, kassieren allerdings auch zweimal den Ausgleich.
Immerhin bleiben wir erneut ungeschlagen.

Die Bristol Rovers stehen exakt in der Tabellenmitte, weil sie viel zuviele Unentschieden in der Saisonvita haben.
Als unser Aufeinandertreffen endet, haben sie eins mehr auf dem Konto.
Wir damit auch.
Und noch nichtmal ein Tor geschossen.
Seufz.

In Crewe spielen wir zwar auch nur unentschieden, aber erstens erzielen wir dabei ein Tor und zweitens ist ein Unentschieden bei einem Playoffanwärter nun wirklich keine Schande!

Aller guten Dinge sind drei?
Quark!
Gegen Swansea, die immer noch tief im Abstiegsstrudel hängen, gelingt uns zum vierten Mal in Folge kein Sieg, wir bleiben aber auch zum elften (!) Mal nacheinander ohne Niederlage. Dass Lukas das schiefe 4222 wieder auspackt, ändert daran auch nichts.

Einen Tag vor Silvester nimmt dieser mit Spielen fürchterlich vollgepackte Monat für uns dann endlich ein Ende - aber dieses letzte Spiel hat es wahrlich in sich.
Wir müssen nämlich nach Portsmouth. Die führen immer noch die Tabelle an und sind bestimmt voller Tatendrang, uns für die Niederlage im Hillsborough bluten zu lassen.
Lukas läßt die Jungs extrem defensiv auftreten und das zieht den Gastgebern überraschenderweise komplett den Zahn.
Rooney versenkt nach einer knappen Viertelstunde ein passgenaues Zuspiel von Sheppard zur Führung, Bunney setzt mit einem diekt verwandelten Freistoß nicht nur den Schlußakkord unter dieses Spiel, sondern auch unter einen Herbst, der unsere kühnsten Erwartungen weit übertroffen hat.

Wie weit, zeigt ein Blick auf eine Tabelle, die völlig unwirklich aussieht.




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« Letzte Änderung: 08.Juli 2024, 20:29:51 von Noergelgnom »
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Lavayeux' Europatour - Die Geschichte eines Luxemburgers

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Also wenn Harry Fischer in einer semi-profesionellen Liga, wo alles sehr eng beieinander ist, überperformt, weiss ich auch nicht was ich bei deiner Leistung für Wörter brauchen soll. Solche Superlative fehlen in meinem Wortschatz  :o Absolute Hammerrunde! Gerne weiter so!

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Frühsommer 2057, Sheffield, England

 


Zitat von: Therese Daunton, Sheffield Evening Standard, Online-Ausgabe
Wenn man Fussballfans in Lüttich, Metz oder Sheffield nach ihrer Meinung zu Gerard Lavayeux fragt, erntet man in der Mehrzahl der Fälle leuchtende Augen und begeisterte Reaktionen. Vom 'Erfolgsgaranten' ist dann die Rede, vom 'Taktikgenie' oder gar vom 'Menschenfänger'. Keine Frage, der Luxemburger hat viele Menschen in der Fussballwelt begeistert.
Aber eben nicht alle - nicht einmal im Ansatz.
Glauben Sie nicht?
Dann sollten Sie sich einmal den Spaß gönnen und in einer Suchmaschine Ihrer Wahl seinen Namen eingeben. Sie werden wahrscheinlich überrascht sein, denn außerhalb der Fanbases von beispielsweise RFC Liege, FC Metz oder aktuell den Owls genießt der Mittsechziger inzwischen einen zwar ebenso legendären, aber deutlich negativeren Ruf. 'Nervenbündel', 'Axt im Walde', 'arroganter Narzist' - gerade unter Kollegen und Journalisten gibt es viele, die keinen gesteigerten Wert auf seine Gegenwart legen.
Ein französischer Lokalreporter, der Lavayeux' Wirken beim FC Metz eng begleitete, hat ihn einmal einen 'Wüterich mit der Impulskontrolle eines Dreijährigen' genannt.
Geradezu legendär ist die Pressekonferenz, die er als Trainer des damaligen Drittligisten IFK Eskilstuna nach einem Pokalspiel in Schweden gab. Er verstieg sich nach einigen kritischen Anmerkungen des gegnerischen Trainers zu einer derart ausfallenden Verbalinjurie, dass er vom schwedischen Verband für sage und schreibe 12 (!) Spiele aus dem Innenraum verbannt wurde - bis heute die mit Abstand höchste derartige Sperre, die in Schweden jemals verhängt wurde.
Auch von verschiedenen Ex-Kollegen hört man (hinter vorgehaltener Hand) immer wieder einmal kritische Töne über einen der profiliertesten Fussballtrainer, den das kleine Luxemburg je hervorgebracht hat. Kompetent sei er, natürlich - aber auch ein zum Haareraufen starrköpfiger, in Diskussionen oft genug beleidigender, arroganter Mensch, ein 'von sich selbst besoffener Wirrkopf' - kurz: eine 'ziemliche Nervensäge'.

Seit 35 Jahren dirigiert, leidet, motiviert, gestikuliert und wütet Lavayeux nun schon als Trainer an der Seitenlinie von Fussballplätzen und auf den Trainingsplätzen der Fussballwelt - und es scheint, als ob ihm seine streitbare, aneckende Art heuer zum ersten Mal wirklich ausbremsen könnte.
Die Gerüchte mehren sich, dass die Führungsetage des Sheffield Wednesday F.C., der ständigen Reibereien innerhalb des Trainerstabs müde, Lavayeux bis auf Weiteres beurlaubt habe - und das, so ein Insider, mit Billigung und sogar auf ausdrücklichen Wunsch seines Stiefsohns und Co-Cheftrainers Lucas Goossens, der nunmehr den alleinigen Cheftrainer gebe.
Es sei nicht auszuschließen, dass der Vertrag des Luxemburgers in den nächsten Wochen aufgelöst werde.
Auslöser und mithin der Tropfen, der das Faß zum Überlaufen brachte, sei ein Streit zwischen Lavayeux und dem Torwarttrainer der Owls, dem Italiener Mario Orlandoni, gewesen.
Dieser ist übrigens pikanterweise ein entfernter Verwandter des Vereinseigners Gianni Verhaegen...

Ob das so der Wahrheit entspricht?
Das kann aktuell keiner so genau sagen.
Fest steht allerdings, dass Lavayeux seit einer knappen Woche nicht mehr auf dem Vereinsgelände gesehen wurde.
(Orlandoni interessanterweise ebensowenig.)


Seufzend lasse ich das Tablet sinken.
Nicht nur, dass es ziemlich niederschmetternd ist, derart vernichtende Kritik an mir als Mensch zu lesen - nein, die Spekulationen am Ende des kurzen Artikels sind auch noch wahr.
Naja, teilweise zumindest.

Denn eine Vertragsauflösung ist zumindest im Moment keinerlei Option.
Wahr dagegen ist der Teil über meine Beurlaubung.
So peinlich das ist, aber nachdem der wacklige Waffenstillstand zwischen Mario und mir in den letzten Monaten immer und immer wieder durch kurze Phasen des gegenseitigen Anblaffens unterbrochen wurde, hatte Verhaegen Anfang März, also vor acht Wochen, die Faxen endgültig dicke und hat uns wie angedroht zur Paartherapie geschickt.

Und während Mario und ich versucht haben, uns so schnell wie möglich wieder aus Sophia J. Garners Fängen zu befreien, haben die restlichen Staffmember festgestellt, dass sich viel entspannter arbeiten läßt, wenn Mario und ich nicht da sind, haben Gianni ein bißchen bearbeitet ... und jetzt sind der Chef-Trainer und der Chef-Torwarttrainer für mindestens zwei weitere Monate beurlaubt, um sich "ganz auf die Therapie konzentrieren zu können".
Na herzlichen Dank auch!

Und was es noch schlimmer macht - unsere Abwesenheit scheint so überhaupt gar keinen Unterschied zu machen!
Was ich damit meine?
Nun, ganz einfach - Lucas scheint tatsächlich völlig problemlos auch ohne meine Hilfe in der Lage zu sein, den Owls-Kahn auf Kurs zu halten.
Als wir Anfang Februar, nach Schließung des Transfersfensters, auf die Tabelle schauen, hat die sich nicht signifikant verändert - was auch daran liegt, dass wir auch den Januar wieder mit dem Stempel "in diesem Monat in der Liga ungeschlagen geblieben" versehen können.




Lucas hat auf ein neues, altes System umgestellt, eine Art 4411 mit Doppelsechs ... und mit leichtem Linksdrall, um unsere "Geheimwaffe" Rory Rooney möglichst gut zur Geltung zu bringen. Und es funktioniert. Rooney schießt zwar kein Tor, bereitet von den zehn Toren, die wir in der Liga schießen, jedoch glatte fünf vor (oder holt zumindest die Ecke oder den Freistoß heraus).

Und das, obwohl wir weiterhin als absolutes Kanonenfutter in der Liga eingestuft werden!




Im Februar, in dem wir hauptsächlich Heimspiele haben und sich die Topteams die Klinke im Hillsborough in die Hand geben, wechselt Lucas gleich mehrfach die Taktik und beweist damit - ebenfalls mehrfach - den richtigen Riecher. Grimsby, Notts County, Gillingham, Norwich - auch in diesem Monat schafft es wieder mal niemand, uns zu schlagen!




Der Frühling hält Einzug - und in der League One trennt sich so ganz langsam endgültig die Spreu vom Weizen.
Lucas schickt die Jungs - soweit wir das von Ferne beurteilen können - neuerdings im 4231 auf den Platz, mit Campbell als zurückgezogenem Stürmer, auf den die nominelle Sturmspitze Sheppard idealerweise ablegen soll.
Und während die Konkurrenz hier und da patzt, legen wir einen nahezu perfekten Ligamonat hin!




Und als wir in unserem wohl verrücktesten Ligaspiel der Saison dann auch noch Blackpool mit 5:3 (!) schlagen, steht vier Spiele vor dem Saisonende eine erneute Riesensensation fest:
Sheffield Wednesday ist zurück in der Championship!
Nach mehreren Dekaden des schleichenden Abstiegs haben es ein paar Enthusiasten, angeführt von Gianni Verhaegen und Scott Day, geschafft, den traditionsreichen Verein dorthin zurückzubringen, wo in den zwanziger Jahren eben jener schleichende Abstieg begann.
Die letzten Saisonspiele sind nur noch eine erweiterte Ehrenrunde, die von der Mannschaft mit dermaßen viel Spaß in den Backen angegangen wird, dass wir noch einen weiteren ungeschlagenen Monat feiern können.




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Falls sich jemand gefragt hat, welchem Mannschaftsteil wir diesen unglaublichen Erfolg verdienen, reicht als Antwort ein Blick auf die Elf des Jahres:




Und ich bin sicher, dass auch Clifford hinten rechts dort aufgetaucht wäre, wenn er nicht etliche Saisonspiele durch mehrere Blessuren verpaßt hätte. Jungspund Bree vertritt ihn allerdings glänzend.

Wie herausragend gut die Jungs waren, zeigt sich auch an einigen ausgewählten Statistiken:




Die wenigsten Gegentore pro Spiel, die meisten Standardtore und auch die meisten Zu-Null-Spiele - wobei letzteres auch gleich zum übergroßen Wermutstropfen (eher ein Wermutsfaß!) überleitet.
Denn trotz aller Bemühungen endet diese Saison mit einem Kaderumbruch gigantischen Ausmaßes.
Obwohl Scott noch einige der auslaufenden Verträge durch zumutbare Gehaltserhöhungen verlängern konnte, verlassen uns zum Saisonende dennoch gleich sieben Spieler.
Und nicht irgendwer, sondern absolute Stützen:

Stammkeeper Aarran Maylen, der einen riesigen Anteil an den 24 "clean sheets" (wie sie hier in England heißen) hatte, ist mit 34 Jahren nicht gewillt, nochmal für ein Butterbrot zu spielen und wechselt ablösefrei in die Wüste, um mit einem Rentenvertrag fürs Leben nach der Karriere vorzusorgen.

Sturmtank Chris Sheppard zieht es in die USA, wo er ebenfalls eine gepfefferte Gehaltserhöhung erhält. Sean Lawless dagegen wird erst einmal vereinslos, nachdem wir ihm seine Forderung von 450.000 Pfund Jahresgehalt nicht erfüllen können. Seine Freistöße und Temposprints in die Spitze werden uns ebenso fehlen wie

... der wohl niederschmetterndste Abgang: Kapitän, Flügelflitzer, Topvorbereiter, Motivator und Publikumsliebling Rory Rooney besteht bis zum Schluß darauf, entweder für 600.000 Pfund pro Jahr zu verlängern - oder eben gar nicht.
Zum Unmut der Fans wählen wir Option Zwei und lassen ihn schweren Herzens ziehen. Dass ihn sein Backup Brandan Chism adäquat ersetzen kann, glauben wir selbst nicht - aber da es auch in der Championship nur unwesentlich mehr Einnahmen gibt als in der League One (u.a. seit einigen Jahren auch keine Platzierungsprämien mehr!), können wir es uns schlicht nicht erlauben, ihm ein Gehalt zu zahlen, das ansonsten für 5-6 Stammspieler reichen muß.

Dass uns zu allem Überfluß auch noch das Stamm-Mittelfeld (Bayleigh Bunney und Nikos Makrydimitris) sowie mit Richie Farragher der Backup auf der rechten Außenbahn verläßt, rundet einen Aderlaß ab, der uns intern mit Sorge in die Zukunft blicken läßt.




Na gut, Mario und ich sorgen uns aktuell aus der Ferne, aber ich hoffe ja, dass wir demnächst wieder dabei sind.

Bei den durch die mittelenglische Journalistenvereinigung UPoME vergebenen Ehrungen zum Saisonend sind wir in Abwesenheit immerhin schonmal dabei, denn ...




... das Trainerteam der Owls wird als "Staff of the year" geehrt.


War sonst noch was?
Naja, die Cups, stimmt.

Im EFL Cup lassen wir im Auftaktspiel die Zweite Garde ran - nicht weil wir den Pokal nicht ernst nähmen, sondern weil die Spiele zu diesem Zeitpunkt so dermaßen dicht aufeinanderfolgen, dass die Stammspieler andernfalls nicht mal mehr genug Zahnfleisch zum Draufrumkriechen hätten.
Zweitligist Bradford hat zwar in seinem eigenen Stadion ordentlich Mühe mit uns, aber am Ende schlagen sie unsere wacker kämpfenden Ersatzleute mit 1:0. Nicht schlimm!




Im FA Cup werden wir Runde um Runde auswärts zugelost.
Und während wir bei Scunthorpe United und in Altrincham noch gewinnen können, ist Premier-League-Schwergewicht Manchester City einfach zwei Klassen zu stark für uns.
Zum Trost für die Klatsche nehmen wir immerhin fast 700.000 Pfund mit nach Hause.




So, das wars nun aber wirklich, mehr gibt es nicht zu berichten.


...

....

.....

......

....... naja, außer vielleicht ........


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« Letzte Änderung: 09.Juli 2024, 19:14:37 von Noergelgnom »
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Sommer 2057, Sheffield, England




Ende Mai sind wir, also Mario und ich, endlich "durch" mit der Therapie und schwören uns gegenseitig, dass wir es nie wieder so weit kommen lassen und dass wir - egal wie - weitere wie auch immer geartete Therapiesitzungen mit allen Mitteln verhindern werden.
Abgesehen davon geloben wir Stillschweigen über die Schrecken der Paartherapie und vor allem darüber, wer welche Rolle des Paares spielen mußte.

Der Sommer ist ansonsten wie üblich viel zu kurz - es reicht aber immerhin, dass Lucas und ich unsere Scoutdatenbank durchgehen und eine short list von Spielern zusammenstellen können, die beobachtet und idealerweise verpflichtet werden sollen.
Immerhin haben wir mehr als eine halbe Stammelf zu ersetzen und müssen auch die Hierarchie beachten - unter den Abgängen sind mit Rooney, Maylen, Bunney und Sheppard auch die tonangebenden Mitglieder des Mannschaftsrates.

Anfang Juli erscheinen wir dann wie vereinbart zum Saisonauftaktmeeting, das Gianni anberaumt hat.
Es ist eine illustre, kleine Runde, die sich in seinem Büro trifft: Gianni selbst, unser Sportdirektor Scott Day, Lucas, Mario und ich.
Unser Präsident läßt es sich nicht nehmen, Mario und mich erstmal in die Mangel zu nehmen: was haben wir in der Therapie gelernt, haben wir unsere Animositäten diesmal wirklich ausgeräumt, wie werden wir mit weiteren Meinungsverschiedenheiten umgehen etc blabla.

Nachdem wir uns beide ein paar Minuten wie in einem geheimdienstlichen Verhör vorgekommen sind - und nach einem kurzen verschwörerischen Seitenblick in die Augen des jeweils anderen unser bestes gegeben haben, um uns ja keine Blöße zu geben - übergibt Gianni das Wort an unseren Sportdirektor.
Scott zieht die short list aus der Mappe, die vor ihm auf dem Tisch liegt.
Ein Blick auf die vielen roten Markierungen auf dem Blatt - und schon habe ich ein flaues Gefühl in der Magengrube.
Wenige Augenblicke später werde ich in diesem Gefühl bestärkt, als uns Scott das Dokument über den Tisch schiebt und mit einem entschuldigenden Seufzen anmerkt, dass er "die Spieler wirklich gern verpflichtet" hätte, das sie "eindeutig Talent haben", dass es aber schlicht nicht möglich ist, weil uns das Geld dafür fehlt.
Als Gianni daraufhin vorsichtig anfragt, von was für Ablösesummen wir hier sprechen, schüttelt der Endsechziger resignierend den Kopf.
"Es geht nicht um die Ablösen", sagt er, "die wären locker zu stemmen, das sind in den meisten Fällen nur ein paar zehntausend Pfund.
Nein, was uns die Hände bindet, sind die Gehaltsvorstellungen. Selbst Spieler, die in den letzten Spielzeiten wirklich deutlich hinter dem Leistungsniveau zurückgeblieben sind, das unsere Abgänge auf den Platz brachten, verlangen hunderttausende Pfund an Jahresgehalt."

Verhaegen schaut das Trainertriumvirat auf der anderen Seite des Tisches an.
"Können wir mit den vorhandenen Spielern und vielleicht ein paar von den Jugendspielern in die Saison gehen?"
Wir schütteln unisono den Kopf.
"Keine Chance, Gianni", sagt Lucas. "Wir brauchen mindestens, allermindestens einen Ersatz für Rory auf dem linken Flügel und einen neuen Stammtorwart.
Alle anderen Positionen können wir mit Jugend- und Rotationsspielern ersetzen - unter der Bedingung, dass Du Dich darauf einstellst, dass wir dann höchstwahrscheinlich absteigen."

Die lapidare Aussage scheint unserem Präsidenten einen regelrechten Schlag in die Magengrube versetzt zu haben, denn er sieht plötzlich sehr blass um die Nasenspitze aus und wirkt nachdenklich.
Schließlich nickt er langsam.
"Ich kann nichts verprechen, aber ich hab ein, zwei Ideen, die ich mal abklopfen werde. Wir machen erstmal Feierabend und treffen uns am Montag um acht Uhr wieder hier.  - Scott, bleib bitte noch, ich möchte noch kurz mit Dir sprechen."


~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~


Acht Wochen und etliche derartiger Meetings später schließt das Transferfenster und wir wissen endgültig, mit welchem Kader wir in die Saison gehen.
Scott hat zumindest die absoluten Grundvoraussetzungen erfüllt und mit Cameron McManus sowie Martyn Langford einen neuen Stammtorhüter und einen halbwegs adäquaten Ersatz für Vereinslegende Rooney verpflichtet. Der Rest der "Neuen" kommt entweder aus unteren Ligen oder aus der eigenen Jugend - was hinsichtlich des Leistungslevels keinen großen Unterschied macht, fürchten wir.


Das große Problem ist und bleibt das Gehalt, das wir anbieten können.
Wir gehen schon an unsere Grenzen - und die sind durch einen neuen Trikotsponsor auch ein klein wenig großzügiger als in der Vorsaison.




Aber im Ligavergleich zahlen wir damit nichtmal peanuts, sondern maximal deren Schalen.




Dass sich etliche Vereine für diese Gehälter massiv verschulden und bereits Ende Juli erste Gerüchte die Runde machen, dass der eine oder andere Verein noch vor Jahresende zahlungsunfähig sein könnte, hilft uns erstmal nicht weiter - denn die Spieler interessiert solcherlei Gewäsch natürlich nur am Rande, wenn ein Club mit sieben- oder gar achtstelligen Jahresgehältern wedelt.

Für uns bleiben nur die Aussortierten.
Und selbst von denen eigentlich nur diejenigen, die bereits die Hoffnung aufgegeben haben, dass es mit der Karriere doch noch was wird.


Eine positive Überraschung gibt es aber dann doch noch - und zwar keine zwei Wochen vor dem Deadline Day.
Da wird uns (unter mysteriösem Verweis auf "die überzeugenden Argumente Ihres Präsidenten") nämlich ein junger Südamerikaner angeboten, der auf den klangvollen Namen Jairo Valero hört und angeblich ein absolutes Mittelfeldjuwel sein soll.
Wir fragen bei Verhaegen nach, der präsentiert uns zwei Stunden Videomaterial und danach sind wir uns einig, dass wir den haben wollen.
Für die stattliche Summe von 625.000 Pfund eisen wir den jungen Mann gerade noch rechtzeitig zum Deadline Day von seinem Heimatverein Mineiros de Guayana, dem Dritten der venezolanischen Liga, los und können nur hoffen, dass er den Vorschußlorbeeren gerecht wird.
Als wir Verhaegen fragen, wie um alles in der Welt er die Südamerikaner dazu bewogen hat, diesen Spieler gehen zu lassen, lächelt unser Präsident nur wie eine männliche Version der Mona Lisa (also geheimnisvoll und leicht verwirrt) und teilt uns mit, dass auch er seine Geheimnisse habe.




Am Tag nach dem Transferschluß veröffentlichen die Journalisten dann wie gewohnt ihre Saisonprognosen - und diesmal ist selbst der Sheffield Evening Standard in Person von Therese Daunton fest davon überzeugt, dass das neuerliche Gastspiel des Sheffield Wednesday Football Club in der Championship eine einjährige Stippvisite bleiben wird.






Wir sind selbstverständlich fest entschlossen, jeden noch so kleinen Strohhalm zu ergreifen, um sie allesamt eines besseren zu belehren, aber allein die Auflistung der Namen unserer Konkurrenz läßt uns das eine oder andere Mal schaudern.

Und der Saisonstart ist nicht unbedingt dazu angetan, unseren Optimismus zu stärken.
Einzig positiv: wir sind selten komplett chancenlos und wir stehen auch Ende September noch über dem Strich.
Geradeso.






Und dann verletzt sich mit Desmond Yarde unser einziger verbliebener Stürmer, der zumindest an Sahnetagen Zweitligaformat hat, und fällt mit einem Wadenbeinbruch für mehrere Monate aus.
Gut, so können wir schon mal üben, ohne ihn zurechtzukommen - denn er wird im Winter sowieso wechseln.
Die angebotene Ablösesumme von 10 Millionen Pfund (!!!) konnten wir einfach nicht ablehnen, das ist fast ein kompletter Jahresetat...
« Letzte Änderung: 12.Juli 2024, 21:33:13 von Noergelgnom »
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Puuh das wird ein hartes Brett. Aber was zum Geier hat Arsenal da unten verloren?
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Eigentich wollte ich schon vor Tagen schreiben, aber der Weg zum Notebook ist manchmal beschwerlich dieser Tage ;-)

Zum Sportlichen: Wahnsinn! Sheffield Wednesday in der zweiten englischen Liga und dann sogar ein Duell gegen Arsenal (auch mich würden die Begleiumstände um deren "Niedergang" sehr interessieren!) Dazu kommt, dass dieser sportliche Erfolg mit minimalem Etat vollbracht worden ist. Ich lese heraus, dass Lucas ein richtiger Taktikfuchs zu sein scheint, der es schafft seine Elf auf jeden noch so hoch überlegenen Gegner einzustellen! Fantastische Leistung! (auch ein tieferer Blick in die taktische Vorgehensweise wäre interessant)

Zum Erzählerischen: Es gelingt dir - wie immer - gandenlos gut, das "Zerwürfnis" der Familie erzählerisch spannend und sehr lesenwert in deine Texte einzubetten.

Ich habe auch wieder ein paar Lieblingsformulierungen, z.B. "peanuts" und "Schalen" oder der "Wutausbruch, der in der Radioübertragung zu hören war". Toll!

Eine Frage gestatte ich mir noch: Wieso sind die Forest Green Rovers der "Vorzeige Öko-Verein"? Habe dazu null Wissen, könnte aber maximal Ableitungen aus dem Vereinsnamen und tatsächlicher ökologischer Anstrenungungen vermuten.
« Letzte Änderung: 13.Juli 2024, 14:44:02 von knufschu »
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Das wird jetzt die Herausforderung schlechthin, 1/3 des Gehalt des zweit"schlechtesten" Vereines der Liga, den Vergleich zu den anderen Vereinen mag ich gar nicht ausrechnen. Immerhin ab es schon die ersten paar Punkte und wenn du nicht komplett chancenlos warst, umso besser. Und Valero scheint ein interessanter Mann, die war sein Einstand?

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Silvester 2057, Sheffield, England


Unser (Kalender-)Jahresabschlussmeeting findet wie gewohnt am 31.12. statt - ergibt ja auch irgendwie Sinn.
Es ist nahezu die gewohnte Riege von Leuten: Verhaegen, Day, Goossens, Lavayeux und, als Abweichung von der Regel, diesmal auch der Chef unserer Scoutingabteilung, der Schwede Matheus Wessman.

Warum wir auch den Scoutingchef dabei haben wollen?
Ganz einfach: der bisherige Saisonverlauf hat uns Trainer in der Einschätzung bestätigt, dass der Versuch des Klassenerhalts mit dem vorhandenen Rasenlatscher-Personal den Tatbestand des Glücksspiels erfüllt.
Wir wünschen uns vor allem einen Ersatz für den Langzeitverletzten und ab morgen auch Ex-Spieler Desmond Yarde.
Dessen Fähigkeit, für die Mitspieler Lücken zu reißen, haben wir in den letzten Monaten nämlich schmerzlich vermißt.

Wir haben in den letzten Tagen mehrfach mit Wessman und seinen Scouts zusammengesessen und haben die aus diesen Meetings hervorgegangene shortlist vor einer knappen Woche an Scott Day übergeben, mit der Bitte, einen der drei aufgeführten Kandidaten zu verpflichten, vorzugsweise unseren klaren Favoriten Gerry Falcott. Scott war - wie gewohnt - zu keiner Zusage zu bewegen, außer, dass er das Management der drei Spieler kontaktieren und "mal schauen" würde.

Mit Spannung erwarten wir nun sein Feedback.

Wobei - allzuviel Spannung ist nach zehn Sekunden gar nicht mehr übrig, denn ein Blick in das müde Gesicht unseres Sportdirektors läßt wenig Gutes erahnen.
Und als er den Mund aufmacht, bestätigen sich unsere Befürchtungen rasch.

"Da habt ihr mir ja ein schönes Ei ins Nest gelegt - oder besser drei Eier! Ich bin bald vom Stuhl gefallen, als ich die Gehaltsvorstellungen der Herren Jungstars gehört habe. Wir sind zwar nicht bettelarm - aber ihr könnt doch nicht ernsthaft von mir erwarten, dass ich einem einzelnen Spieler über fünfhundertausend Pfund pro Jahr in den Rachen werfe! Habt ihr von deren Ideen eines 'angemessenen Gehalts' gewußt?"

"Naja, so halb und halb", antworte ich etwas kleinlaut. "Wir haben halt gehofft, dass sich wenigstens einer von den dreien vielleicht auf ein stemmbares Paket runterhandeln läßt..."

Scott schaubt nur und bringt mit diesem Geräusch ein Level an Sarkasmus zum Ausdruck, für das andere Menschen eine halbstündige Tirade benötigen.

"Als ob! Ein gemessen am Leistungslevel viel zu hohes Gehalt ist doch in den allermeisten Fällen das einzige Argument, das ich den Spielern machen kann. Habt ihr wirklich geglaubt, irgendein halbwegs passabler Kicker liest den Namen 'Sheffield Wednesday', grinst breit und denkt 'Joa, da sind doch Goossens und Lavayeux, zu denen wollte ich immer schon, koste es, was es wolle!' - Die meisten Spieler, die kontaktiere, kommen aus dem Lachen gar nicht mehr heraus und ich hab schon mehrfach zu hören bekommen, dass 'ich mir meine Karriere nicht versauen möchte, indem ich bei irgendeinem Kleckerverein unterschreibe, der vor hundert Jahren mal einen Namen hatte'.
Die meisten der Spieler in unserem Kader, sind ausschließlich deswegen hier, weil sich bisher weder ein Besserzahlender gefunden hat noch einer der coolen, hippen Vereine angeklopft hat. Seht der Wahrheit doch mal ins Auge - bei den Owls wollen doch nur diejenigen spielen, die woanders nicht unterkommen! Ich könnte ..."

Verhaegen legt seinem auf dem Weg zur Wutrede befindlichen Sportdirektor in einer beruhigenden Geste die Hand auf den Unterarm.
"Scott, das..."

Scott schnaubt noch einmal und schüttelt die präsidiale Pranke ab wie ein lästiges Insekt.

"Nix Scott, es hat sich ausgescotted! Ich kann das nicht mehr! Könnt ihr euch überhaupt vorstellen, wie verdammt deprimierend es ist, wenn irgendwelche dahergelaufenen Jungspunde nicht nur nicht für meinen Lieblingsclub spielen wollen, sondern ihn zu allem Übel auch noch verspotten?!
Ich hab sooo die Faxen dicke von dem ganzen Scheiß!
Früher, ja ... früher waren wir mal wer! Ich wette, als Art the Owl hier noch Team Manager war, da haben sie ihm die Bude eingerannt, aber da waren die Owls halt auch noch Teil der Creme de la Creme! Und..."

"Sorry, wer?", wirft Lucas ein. Innerlich danke ich meinem Stief-Filius, denn ich hab mir die gleiche Frage gestellt, wollte mein Unwissen aber nicht preisgeben.

"Na Arthur Dickinson, ihr Banausen! Ich dachte, ihr habt euch mit der Wednesday-Historie beschäftigt?"

"Haben wir ja auch, aber den Spitznamen kannte ich bisher dennoch nicht.", meint Lucas.

Scott schüttelt den Kopf - wie ein Lehrer, der ob der Lernresistenz seiner Schüler resigniert. "Den hat er bekommen, weil er nicht nur ab 1891 der erste Vollzeit-Manager des Teams war, sondern auch der mit den meisten Spielen an der Seitenlinie, über 900 nämlich, und mit der längsten Amtszeit, ganze 29  Jahre. Und überdies hat er als bisher einziger Owls-Manager sowohl die Meisterschaft als auch den FA Cup gewonnen. Und ..."

Scotts Stimme hört sich plötzlich dumpf an, als ob sie aus weiter Ferne käme - und gleichzeitig sehe ich ein aufgeschlagenes Buch vor meinem geistigen Auge und in meinem Kopf macht etwas "klick".
Es ist so offensichtlich, dass ich innerlich den Kopf schüttele.
Wie konnte ich denn bloß so lange so vernagelt sein?!

Wie durch einen Nebel höre ich jemanden meinen Namen sagen und schaue mich um.
Meine Wahrnehmung klärt sich wieder - und ich stelle fest, dass der Rest der Anwesenden mich wahlweise verwundert, erwartungsvoll oder fragend anschaut.
Während ich meinen "moment of clarity" hatte, scheint die Diskussion weitergegangen zu sein, aber ich habe keine Ahnung, was die Herren jetzt von mir wollen.
"Äh ... ich war wohl kurz abgelenkt. Was ist?"

Gianni schüttelt mit einem Seufzer den Kopf.
"Ich habe gefragt, ob Du Einwände hast?"

Soll ich ihm sagen, dass ich keine Ahnung habe, wogegen ich Einwände haben könnte?
Nein, lieber nicht, beschließe ich, er schaut sowieso schon so bedröppelt.

"Nein nein, das passt."

Gianni nickt mit einem Ausdruck deutlicher Erleichterung im gesicht.
"Sehr gut, dann solltet ihr beide", sein Blick huscht zwischen Scott und mir hin und her, "euch gleich im Anschluß mal zusammensetzen, um die Übergabe zu besprechen."

Übergabe? Häh?
Na egal, wird mir Scott bestimmt nachher gleich erzählen.
 
Jetzt geht es erstmal mit der sportlichen Bestandsaufnahme weiter - und dafür erteilt Verhaegen nicht Lucas und mir, sondern nur Lucas das Wort, wie mir auffällt.
Nett ist das nicht! Fühlt sich fast wie eine Degradierung durch die Hintertür an.
Ich schiebe den Gedanken vorerst zur Seite und höre Lucas' Ausführungen zu.

"... haben wir vor allem durch die erfolgreiche zweite Dezemberhälfte die Abstiegsränge vorerst verlassen und sogar ein kleines Polster auf Rang 22 aufbauen können.
Für die generelle Bewertung der sportlichen Leistung in der ersten Saisonhälfte sind aus meiner Sicht mehrere Dinge unbedingt beachtenswert.
Erstens: wir haben durch Yardes Ausfall mit einer eklatanten Schwäche auf der Mittelstürmerposition zu kämpfen. Campbell, Holder und auch Sommerneuzugang Langford können alle dort spielen und sie geben auch alle ihr Bestes, mangelnden Einsatz kann man keinem der drei vorwerfen. Das nötige Skillset für einen mitspielenden zentralen Stürmer, der gleichzeitig oft genug auf sich allein gestellt ist, bringen alle drei nicht mit. Und die anderen Stürmer im Kader, wie beispielsweise Chapman, sind noch weniger geeignet, den Alleinunterhalter in vorderster Front zu spielen. Bevor das Argument kommt - eine Taktikänderung kommt nicht wirklich infrage, weil wir mit anderen Besetzungen und Zielsetzungen im Sturm auch andere Spielertypen auf den anderen Positionen auf dem Feld benötigen. Und da fehlen uns dann auch wieder an einer oder mehreren Stellen die kompetenten Spieler dafür.

Zweitens: dass wir nicht deutlich schlechter dastehen, hat zu einem guten Teil auch mit dem vergleichsweise gut funktionierenden Defensivverbund zu tun.
Wir haben zwar nur selten - viel zu selten! - zu Null gespielt, aber gemessen an der erwarteten Leistungsfähigkeit hat die Defensive eindeutig überperformt. Im letzten Vierteljahr waren wir dahingehend nur gegen West Ham wirklich chancenlos.


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Drittens: Hinter unserer Stammelf klaffen weiterhin mehrere große Lücken im Kader. Das betrifft vor allem die Position des Linksaußen, wo hinter Chism und dem zuletzt vermehrt im Sturm oder auf rechts außen benötigten Langford eigentlich nur noch bessere Jugendspieler verfügbar waren. Hier muss eine Verstärkung gefunden und verpflichtet werden, sonst trifft uns jeder Ausfall auf der Position genauso hart wie zuletzt Yardes Verletzung im Sturm.

Viertens: auch wenn die Tabelle auf den ersten Blick sehr freundlich aussieht, ist der aktuelle Stand doch extrem gefährlich. Wir stehen auf Platz achtzehn und haben bereits neun Punkte Rückstand auf den Siebzehnten Brighton and Hove. Und wenn wir dann noch bedenken, dass mehr oder minder knapp hinter uns mit Watford und Peterborough zwei Mannschaften stehen, die deutlich weiter oben erwartet wurden, ist wohl nicht nur mir klar, dass wir uns keinen Moment des Ausruhens und vor allem keine weitere solche Schwächephase wie von Anfang November bis Mitte Dezember leisten dürfen."


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Gianni nickt und sagt: "Mal sehen, was sich bezüglich der Verstärkungen tun läßt. Die finanzielle Solidität des Vereins steht über allem. Bevor ich als der nächste Wednesday-Eigner in die Annalen eingehe, der der Verein überschuldet, gehe ich lieber finanziell gesund nochmal in die League One runter und schaue, dass wir da nochmal Luft holen. Aber lieber wär mir natürlich, wir könnten das verhindern, klar."

Scott dagegen schaut mich bei den Ausführungen meines Stiefsohns u den benötigten Verstärkungen ziemlich bedeutungsschwanger an.
Was hat er denn nur?

Während ich mir das Hirn zermartere, beendet Gianni die Sitzung und eine Minute später sitze ich mit Scott in seinem Büro.
Der schaut mich regelrecht freundlich - und irgendwie erleichtert - an und sagt:
"Hätte nicht gedacht, dass Du einfach so zustimmst - aber ich finds wirklich nobel von Dir. Wüßte nicht, was ich sonst gemacht hätte."
"Äh ... was hab ich denn Nobles getan?"
Scott schenkt mir einen undefinierbaren Blick.
"Na du hast Dich bereiterklärt, für den Rest der Saison meinen Job zu übernehmen, damit ich die dringend benötigte Pause bekomme. Ich bin inzwischen 75, normalerweise sollte ich seit zehn Jahren meinen Ruhestand genießen. Naja, jetzt kann ich zumindest mal einen längeren Urlaub machen.
Und hey, Du wirst den Job bestimmt locker wuppen!"

Danach beginnt er mit einer Kurzerklärungstour durch die Ordner und Unterordner seines PCs, durch die EXCEL-Tabellen und sonstigen Datenbanken, das Telefonverzeichnis der Agenten, Spieler, Präsidenten, Sportdirektoren und so weiter und so fort.
Und ich sitze wie betäubt da und starre wechselweise ihn und mein neues Aufgabengebiet an.

Eine halbe Stunde später starre ich noch ein bißchen weiter, als die "breaking news"-Meldung der "Manchester Sports Week" eingeht:


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In einem etwas ausführlicheren Kommentar, den Therese am nächsten Tag für den "Sheffield Evening Standard" verfaßt, weist sie darauf hin, dass Lucas und ich inzwischen bei 300 Owls-Spielen an der Seitenlinie gestanden haben und dass ich in meiner Trainerkarriere insgesamt 1200 Partien als Trainer betreut habe.

Ziemlich beeindruckend, aber so wie sie es formuliert, klingt das fast wie ein Nachruf - und eigentlich hatte ich nicht geplant, dass meine Karriere so endet (nachdem sie in England wider Erwarten noch eine Ehrenrunde dreht, denn eigentlich hatte ich nach Metz ja bereits einen Schlußstrich gezogen, wie mir auffällt...).
Naja, da ist das letzte Wort ja noch nicht gesprochen.


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Immerhin versichert mir Lucas glaubhaft, dass es sich bei dieser Kompetenzverschiebung nicht um seinen Plan gehandelt habe, er sei genauso von Scotts Rückzugswunsch überrascht worden wie ich.
Und da mein Anstellungsvertrag als Trainer nur mit einer zunächste bis Saisonende befristeten Zusatzvereinbarung ergänz, jedoch nicht ersetzt wird, gewöhne ich mich in den folgenden Tagen an den Gedanken, dass es wohl gar keine verschwörung gibt, der ich auf die Spur kommen könnte.

Eigentlich würde ich ja gern auch mit Sir Charles sprechen und ihn fragen, ob ich mit meiner Vermutung richtig liege und das Rästel gelöst habe, wie ich ihm helfen kann, aber er scheint wie vom Erdboden verschluckt zu sein.
(Kunststück für einen Geist!)
Seufz.

Na gut, dann kann ich mich immerhin komplett auf meinen neuen Job konzentrieren.
Und binnen einer halben Woche habe ich auch meinen ersten großen Erfolg vorzuweisen.
Von Plymouth Argyle hole ich für schlappe 1, Millionen Euro einen jungen Dänen mit englischen Wurzeln (oder wars umgekehrt?) namens Luca Beaston, der Lucas und mir die Unterkiefer zu Boden sacken läßt, als wir die ersten Highlight-Videos zu sehen bekommen.
Beaston wird unsere Offensive definitiv verstärken und hat das Potential, in einigen Jahren zum neuen Rekordabgang des Clubs zu werden. (Dass wir den Mittelstürmer allzulange in blauweiß sehen werden, glauben wir nicht - dazu quillt ihm viel zuviel Talent aus den Ohren.)
Dass der für knapp über 100.000 Pfund im Jahr bei uns unterschreibt, grenzt an ein Wunder.


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Ich fühle mich einige Tage lang wie das neueste Sportdirektoren-Wunderkind und frage mich, warum Scott eigentlich so ein Gewese um seine Arbeit gemacht hat.
Ein bißchen telefonieren, ein paar Kontakte, ein gewinnendes Lächeln und schon ist man der Held des Transfermarktes.

Das Hochgefühl hält exakt so lange an, wie ich fürs Gewinnen der Erkentnis brauche, dass ich für einskommasechsmillionen Pfund Ablöse plus erkleckliches Gehalt einen ziemlich teuren Tribünenhocker erworben habe, zumindest für die Rückrunde.
Beaston war nämlich von Plymouth Argyle nur ausgeliehen - und zwar vom dänischen Erstligisten Vejle BK.
Und da er damit bereits für zwei Clubs in dieser Saison gespielt hat, dürfen wir ihn bis zum 01.07.2058 in keinem Pflichtspiel einsetzen.
Hmph.
« Letzte Änderung: 20.Juli 2024, 23:19:38 von Noergelgnom »
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Ufff, die 9 Teams da unten sind doch sehr eng beieinander. Vor allem da gilt es wohl die wichtigen Punkte zu holen. Und herzliche Gratulation, 1200 Spiele, darunter 300 bei Sheffield, ganz grosse Marke!

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Arghh das selbe was dir mit Beaston passiert ist ist mir auch mit meinem neuen Stürmer passiert. Ich habe es nicht mal überlesen sondern einfach verbockt einen weiteren Stürmer zu verpflichten.

Ich wünsche dir viel Erfolg und hoffe, das Beaston in der nächsten (zweitliga) Saison einschlägt
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Silvester 2058, Sheffield, England


Solche Riesenparties waren noch nie mein Ding.
Dreihundert geladene Gäste, natürlich inklusive der Cremé de la cremé der lokalen Pressevertreter, der wichtigen Sponsoren samt GattInnen ...
...und selbstverständlich so alle Vereinsangestellten und Spieler, die nicht rechtzeitig einen dringenden Termin vorschützen konnten.
(Wobei - welchen wichtigen Termin soll man am 31.12. um 18:00 schon haben? Eben. Mist.)

Die eigene Frau fällt einem dann auch noch in den Rücken ("Ach komm schon, Gerrard, ich habs Gianni versprochen!") - und so kommt es, dass man als bekennender Party-und-Silvester-Muffel kurz nach Mitternacht ein bißchen verloren vor dem Verwaltungsgebäude des Sheffield Wednesday F.C. herumsteht und den johlenden, lärmenden, entschieden zu gut gelaunten Massen dabei zuschaut, wie sie mehrere Monatslöhne eines durchschnittlichen Sheffielder Fabrikarbeiters in Raketenform den hellerleuchteten Januar-Nachthimmel hinaufjagen, damit sie der allgemeinen Licht-und-Lärm-Kakophonie noch weitere Blitze sowie etwas zusätzliches Gejaule und Geknalle hinzufügen.
Mich beachtet aktuell keiner, wie es aussieht.
Herrlich, dann kann ich - sofern ich die Kriegsgeräusche ausblende - mal einen Moment durchatmen und ...

"Prosit Neujahr!", schallt es an meiner Seite. Eine blasse, schlanke, fast schon aristokratische Hand erscheint in meinem Gesichtsfeld und erhebt ein nahezu durchscheinend dünnes Glas.
'Na super!', grummle ich innerlich. 'Nicht eine Sekunde Ruhe hat man vor der Meute.'
Mit einem ebenfalls innerlichen Seufzer drehe ich mir zur Seite, um mal zu schauen, wer denn die Grazie ist, die mir die Ruhe stiehlt.

Es zeigt sich, dass die Grazie Schnauzer trägt.
Was bei mir dafür sorgt, dass ich beinahe mein Saftglas fallenlasse.

"Guten Abend, Junge. Ich dachte, ich nutze die Gelegenheit und frage mal nach, wie Du denn so vorankommst bei der Rätselei?"
"Guten ...äh ... Abend, Sir Charles,", erwidere ich mit unterdrückter Stimme, hoffend, dass keiner der anderen Gäste das Vereinsgespenst bemerkt. "Halten Sie es für eine gute Idee, hier vor hunderten Menschen zu erscheinen?"
"Du mußt noch viel über Deine Mitmenschen lernen, wie es scheint. Keiner von denen wird mich wahrnehmen, wenn ich mich nicht regelrecht aufdränge. - Aber gut, wenn es Dir dann besser geht, lass uns reingehen."
Sprichts, dreht sich um und stapft los - wie auch immer ein Geist das anstellt.

Ich nicke und folge ihm.
Kurz bin ich überrascht, als er am Eingang des Gebäudes vorbei und dann um die Ecke biegt - aber dann geht mir auf, dass ich ihn nur falsch verstanden habe. Mit "rein" meint er den Innenraum des Stadions!

Wir wandern durch einen der Seiteneingänge und wenden uns dann den Treppen Richtung Oberrang zu.
Nach kurzer Zeit haben wir eine der Tribünen erreicht, von der man einen phantastischen Blick über das ganze Stadion hat.
Sir Charles läßt sich auf einem der Plastikschalensitze nieder und bedeutet mir mit einer Handbewegung, es ihm gleich zu tun.
Als auch ich sitze, schaut er mich erwartungsvoll von der Seite an.
"Nun?"
"Gegenfrage: dürfen Sie bestätigen, wenn ich richtig liege, oder bleibt es bei Ihrer 'no hint policy'?"
"Wenn Du die vollständige und korrekte Lösung beziehungsweise Bedingung nennst, dann darf ich bestätigen, dass das richtig ist, ja."
"Hmm... Es ging von Anfang an nicht um Sie, sondern um Arthur Dickinson, richtig?"

Sir Charles schaut mich unverwandt an, verzieht jedoch keine Miene. Und natürlich sagt er auch nichts - 'logisch, er darf ja keine Teillösungen bestätigen!', schießt es mir durch den Kopf.

"Also, es ging um Art the Owl - und um etwas, das er getan oder nicht getan hat. Und Ihr Hinweis 'Such in meinem Leben!' bezog sich daher auf etwas, das sie beide verbindet.
Und ich denke, ich weiß, worum es geht. Sie haben es sich nie verziehen, dass Sie seinem Rücktritt als Owls-Manager damals mit zugestimmt haben, Sie waren ja im Verein zu diesem Zeitpunkt immer noch ein Mann, dessen Wort Gewicht hatte, und Sie hätten ihn daher wahrscheinlich umstimmen können.
Sie geben sich die Schuld, dass er die Titel von 1929 und 1930 nicht auch noch in seiner Vita hat und ..."

In Sir Charles' Gesicht regt sich weiterhin kein Muskel (wie auch?), aber seine geisterhafte Miene scheint dennoch äußerste Spannung auszudrücken.

"... und deswegen soll ich zwei weitere Premier-League-Titel holen und sie Arthur widmen, damit er die vier Meisterschaften, die er eigentlich hätte haben sollen, auch wenigstens ehrenhalber hat, richtig?"

Keine Reaktion.

"Ach so, stimmt - und weil er ohne Zweifel als Trainer mindestens noch fünf Jahre weitergelebt und damit auch den FC-Cup-Titel 1935 geholt hätte, soll auch noch ein FA Cup her, der seinem Andenken gewidmet wird, hätte ich ja beinahe vergessen."

Sir Charles läßt den angehaltenen Geisteratem entweichen.

"Exakt, genau so ist es. Hat ja lange genug gedauert - Bücher lesen ist nicht direkt Deine Stärke, oder?"

"Nun", sage ich achselzuckend, "diese Aufgabe sollten Sie wohl besser meinem Sohn übertragen. Ich bin inzwischen nur noch der komissarische Sportdirektor hier."
"Was?! Aber wieso denn das?""
Was weiß ich - wahrscheinlich, weil mit meinem veralteten 442 kein Blumentopf mehr zu gewinnen war und erst mit Lucas' 433 bzw 4231 der Erfolg wiederkam."

Sir Charles ist einen Moment sichtlich erschüttert, dann schüttelt er aber energisch den Kopf.
"Papperlapapp! Du BIST derjenige, der mich erlösen und Arthurs Andenken wiederherstellen wird! Ist mir egal, wie Du das anstellst - aber hol die drei Titel!"

Damit erhebt er sich von seinem Platz und beginnt damit, davonzuschweben - gleichzeitig löst er sich langsam auf.
"Ich zähl auf Dich!"

Einen Augenblick später bin ich allein auf der Tribüne.


~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~


Der Januar beginnt denkbar ungünstig für uns.

Obwohl das Auftaktspiel schwieriger nicht sein könnte (wie spielen auswärts beim Tabellenführer Cardiff City), sind wir in einem überraschend ausgeglichenen Spiel bis zur 88. Minute auf dem besten Wege, einen verdienten Punkt zu holen, bis die Gastgeber dann durch zwei Ecken doch noch den Sieg holen und uns aus allen Träumen reißen.

Nur vier Tage später gibt es dann das komplette Kontrastprogram: Heimspiel, gegen den nur noch theoretisch um den Klassenerhalt kämpfenden Tabellenletzten Portsmouth - und eine offensive Machtdemonstration, die unsere Fans in Ekstase versetzt. Das 4:1 ist auch in dieser Höhe völlig verdient, selbst der ob seiner erzwungenen Tribünenrolle reichlich angesäuerte Edel"fan" Luca Beaston grinst über beide Backen.

Dass wir in den beiden anderen Januarspielen in der Liga nur noch einen Punkt holen, ist nicht schlimm - eigentlich ist selbst der eine Punkt schon deutlich mehr als gedacht.
Gegen den Playoffkandidaten West Ham United erkämpfen wir uns ein hochverdientes 0:0 - mit etwas mehr Cleverness vor dem Tor hätte das auch ein 3:0 werden können...).

Dass wir zum Monatsabschluß Birmingham City, einem weiteren Anwärter auf Platz 6, mit 2:4 verlieren, ist dagegen nicht überraschend, zu gut ist deren Team besetzt. Überraschend ist eher, dass wir Mitte der zweiten Halbzeit einen 0:2-Rückstand aufholen und dass Birmingham die Nachspielzeit und die gütige Mithilfe des Schiedsrichters benötigt, um zwei abseitsverdächtige Tore zum Endstand zu schießen.


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Während die Jungs auf dem Rasen also ihr Bestes geben, damit im Hillsborough auch nächste Saison Championship gespielt wird, rackern sich Weesman, sein Team und ich dafür ab, dass wir dann auch eine konkurrenzfähige Mannschaft aufbieten können.
In der Abwehr stellen wir in dieserr Saison wieder und wieder fest, dass Mitch Kirk bei allem Einsatz und ungeachtet seines vorbildlichen Charakters einfach kein Innenverteidiger auf Zweitliganiveau mehr wird.

Da trifft es sich super, dass uns Leonardo darauf hinweist, dass einer seiner vielen Verwandten in der brasilianischen Heimat gerade von EC Bahia freigestellt wurde, weil er angeblich nicht das benötigte Niveau habe.
Wir laden den Herrn zum Probetraining ein, verhandeln kurz über ein angemessenes Gehalt und freuen uns ab dem 12. Januar über einen neuen Innenverteidiger, der nicht nur zum absoluten Schnäppchenpreis für uns spielt, sondern sich direkt als Stammelfkandidat herausstellt.


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Meine heimliche Hoffnung, dass wir am Deadline Day vielleicht noch einen guten Stürmer leihen könnten, der die Wartezeit überbrückt, bis Beaston mitspielen darf, erfüllt sich leider nicht.
Und auch der von Lucas erbetene spielmachende Sechser glänzt durch Nichtverfügbarkeit.
Soll heißen:
Weitere Verstärkungen gibt es frühestens im Sommer, die vorhandenen Jungs müssen es richten!


Und der Februar, soviel ist uns nach einem Blick auf Ansetzungen und Tabelle klar, wird womöglich für unsere Mission Klassenerhalt bereits vorentscheidend werden.

Zunächst müssen wir zum Aufstiegsaspiranten Burnley - aber nach der dort zu erwartenden Niederlage warten gleich zwei sogenannte "Sechs-Punkte-Spiele" gegen Mannschaften aus der (Tabellen-)Nachbarschaft auf uns ... und mit Hull City zusätzlich ein Mittelfeldteam, das schon jetzt eigentlich nur noch um die Goldene Ananas spielt und uns hoffentlich nicht mit 110 Prozent Einsatz entgegenstürmt.

Also ab nach Burnley und die drei Punkte abge ... äh, nee, doch nicht!
Das neue Innenverteidiger-Duo Carson - Alberto harmoniert sofort prächtig,. bringt die Offensive der Gastgeber mehr als ein Dutzend mal komplett zur Verzweiflung  .... und am Ende freuen wir uns über einen völlig unerwarteten Punkt!

Gutes Omen für das nun folgende Heimspiel gegen Peterborough?
Wer weiß - besser wärs aber, denn die Gäste stehen in der Tabelle zwei Punkte vor uns und ein Sieg würde uns richtig weiterhelfen.
Was eine Niederlage bedeuten würde, darüber wollen wir lieber nicht nachdenken.
Das Spiel wird von beiden Seiten hypernervös geführt, Fehlpässe, Stellungsfehler und Nickligkeiten prägen die Partie.
Wenn wir ehrlich sind, hat es keine Mannschaft verdient, heute zu gewinnen.
Dass wir am Ende dennoch jubeln dürfen, verdanken wir unserer Standardstärke. Kurz vor Ende versenken erst Carson und ann der eingewechselte Kirk einen Eckball per Kopf in den Maschen.

Eine Woche später, zweites Heimspiel in Folge, diesmal gegen Hull.
Die Gäste haben nach oben und nach unten dermaßen viel Spielraum, dass es wirklich um gar nichts mehr geht, wenn man ehrlich ist. Die werden doch hoffentlich ein bißchen ruhiger an die Partie rangehen und ...

... und während ich das noch denke, führen sie schon 1:0. Freistoß aus gut 35 Metern, genau auf den Kopf ihres baumlangen Sechsers - McManus segelt mal wieder unglücklich am Ball vorbei und wir liegen hinten.
Ich notiere mit "Torwarte scouten!" und schaue danach zu, wie wir mit jeder Minute stärker werden, denn überraschenderweise hat das Gegentor uns beflügelt und die Gäste irgendwie in Winterschlaf versetzt.
Chism gleicht nach einer knappen halben Stunde per Dropkick von der Strafraumkante aus, Mittelfeldabräumer Burroughs hält kurz nach Wiederanpriff im Fünf-Meter-Raum den Fuß in eine flache Langford-Hereingabe - Spiel gedreht!
Und weil wir danach defensiv einfach gar nichts mehr zulassen, ist das der für neutrale Beobachter etwas überraschende Endstand und wir sind im Februar noch unbesiegt.

Letztes Spiel in diesem Monat ist die Auswärtspartie bei Bradford City.
Die liegen fünf Punkte vor uns in der Tabelle - und dass das nach dem Spiel nicht acht sind, verdanken wir einzig und allein Jonathan Tear, der unsere einzige (!) Halbchance im zweiten Durchgang ins Tor stochert und damit den frühen Rückstand doch noch - völlig unverdient! - ausgleicht.

Ist uns wurscht.
4 Spiele, 8 Punkte - klasse Monat für einen Abstiegskandidaten.

Wir haben zwölf Spieltage vor dem Saisonende weiterhin fünf Punkte Vorsprung vor der Abstiegszone, also alles in der eigenen Hand, wie gehabt.


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Wir schauen dennoch mit etwas bangem Blick auf den Märzspielplan.
Erst ein absolutes Endspiel gegen Preston North End, danach mit Leicester, Huddersfield und Millwall drei Partien, wo wir uns wenig ausrechnen, und danach das nächste Abstiegsendspiel bei Watford.

Anders gesagt: in ein paar Wochen kann sowohl der Klassenerhalt feststehen als auch ein zweites Gespenst (neben Sir Charles) im Hillsborough sein Unwesen treiben...
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Lavayeux' Europatour - Die Geschichte eines Luxemburgers

Agariel

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2 Meisterschaften, 1 FA Cup und das noch in dem Alter, wo eigentlich das Karriereende langsam naht...

Da soll noch einer sagen die Lava-Ultras seien größenwahnsinnig.
Bin mal gespannt wie die Geschichte weitergeht, denn soweit ich mich erinnere widerstrebt es dir ja eigentlich im Konzert der ganz großen aufgepumpten Wale der Premier League mitzuspielen.
Und kleiner werden die Silvesterpartys im Oberhaus bestimmt nicht werden :D
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