Über ein Jahr ist das her, dass ich hier geschrieben habe? Wahnsinn!
Wie ihr seht, bin ich nach wie vor in Bulgarien tätig und treibe dort mein Unwesen. Vielleicht berichte ich kurz über das Schulische, bevor ich das Private nachschiebe.
Natürlich hat Corona auch Bulgarien erfasst und ab Mitte März war hier alles dicht. Erst Wochen zuvor hatten wir noch groß den Schulfasching gefeiert, was auf lange Sicht wohl der letzte größere Event bleiben wird, den wir als Schulgemeinschaft unbeschwert zusammen feierten. Ab März waren dann erst einmal Grippeferien, was nichts Ungewöhnliches für Bulgarien und weitere Länder des Ostblocks ist, da das auch ohne Covid-19 in regulären Grippehochzeiten vorkommt. Doch dieses Mal gingen wir nahtlos ins digitale Klassenzimmer über und natürlich haben wir alle uns gefragt, wie wir das handhaben sollen. Zunächst waren es Arbeitsblätter per Mail, doch da kein Ende der Ausnahmesituation in Sicht war, stellten wir recht bald auf Google Classrooms um. Ja, datenschutztechnisch höchst bedenklich, wie auch Zoom, aber es funktionierte für die meisten von uns gut. Glücklicherweise haben wir Schüler, die sehr leistungswillig sind und so hatten wir nur wenige Problemfälle. Wir haben auch weiterhin neuen Stoff unterrichtet und haben eine Menge ausprobiert und viel dazu gelernt. Natürlich haben wir alle viele Fehler gemacht und Schüler zum Teil mit Aufgaben zugeschüttet, aber aus den Erfahrungen haben wir für uns wertvolle Rückschlüsse ziehen können. Auch Klausuren online zu schreiben, war eine interessante Erfahrung und ist unter bestimmten Voraussetzungen durchaus möglich. Dass Schüler ohne entsprechende Endgeräte und ohne technischen Sachverstand massiv benachteiligt waren, haben wir ebenfalls gesehen. Was der bulgarische Staat für diese Schüler über die langen Sommerferien (immerhin mehr als 2 Monate) getan hat und welche Konzepte er entwickelt hat? Nun, bezüglich des digitalen Unterrichts von zu Hause aus ist nichts passiert. Sobald die Fallzahlen an unserer Schule oder in Sofia zu groß werden, verabschieden wir uns alle wieder in Videokonferenzen und dann ist jeder auf sich gestellt, das ist ziemlich sicher, denn Microsoft Teams (die bevorzugte Variante) ist in meinen Augen nicht wirklich funktionsfähig und genügt bei weitem nicht unserem oder meinem Anspruch an funktionierenden digitalen Unterricht. Momentan unterrichte ich meine Klassen regulär in der Schule und muss quasi immer eine Maske im gesamten Schulgebäude tragen. Das belastet grundsätzlich das Klima ein wenig, da insbesondere die Mimik natürlich leidet und Schüler zum Teil Schwierigkeiten haben, mich zu verstehen. Heiser bin ich noch nicht, aber es würde ihnen wohl definitiv helfen, wenn sie meinen Mund beim Sprechen sähen. Schüler müssen die Masken übrigens nur außerhalb des Klassenzimmers tragen, im Klassenzimmer ist es optional; wir Lehrer raten aber dazu, dazu zwingen können wir sie jedoch nicht. Ich weiß, dass auch hier einige von euch Kinder haben und gespaltener Meinung sind. Für mich ist der Ansatz, dass alle Kinder im Klassenzimmer keine Maske tragen, jedoch auf lange Sicht zum Scheitern verurteilt. Als ob die sich vor der Schule oder in den Pausen draußen nicht begegnen und Körperkontakte austauschen... Als ob in einem Zimmer mit geschlossenen Fenstern die Luft brav nur um jede einzelne Blase der Schüler herumwabert und sich nicht im Raum verteilen würde... Es ist ein Wettrennen gegen die Fallzahlen und spätestens Ende Oktober wird uns das um die Luft fliegen, aber wenn Kinder sich dadurch wohler fühlen, dass sie sich sprechen sehen können, sei es drum. Glücklicherweise gehöre ich keiner Risikogruppe an und hoffe, dass ich bei einer eventuellen Ansteckung glimpflich davonkomme. Ich drücke einfach die Daumen, dass 2021 Gegenmittel massenweise auf den Markt kommen und somit langfristig Herdenimmunität hergestellt werden kann.
Wie hat ansonsten Bulgarien die Pandemie angegangen? Zunächst war man extrem strikt. Lockdown hieß tatsächlich Lockdown, teilweise durfte man Stadtgrenzen nur aus triftigem Anlass passieren/verlassen. Absurd waren Regelungen, dass man nicht im Park spazieren gehen durfte (wer denkt sich so etwas gerade im teilweise frühsommerlichen März aus?) oder dass man auch außerhalb geschlossener Räume eine Maske tragen sollte (an viel belebten Orten verstehe ich es ja noch, aber wenn ich im Viertel und mit Abstand zu anderen spazieren gehe, dann auch, weil...??), aber schon ab Ende April wurden viele Beschränkungen gelockert und irgendwann wurde es so absurd, dass sogar Nachtclubs wieder öffnen durften, was wirklich fahrlässig war. Inzwischen haben wir ähnliche Regelungen wie in Deutschland. In geschlossenen Räumen oder Öffis nur mit Maske, Veranstaltungen nur mit begrenzter Zuschauerzahl usw. Die Masken-Moral ist aber insbesondere beim Tragen sehr lax. Jeder Zweite trägt die Maske falsch und hat den Zinken entblösst, was ziemlich nervig ist. Dann kann man auch gleich gar keine Maske tragen... Grundsätzlich wird in Bulgarien immer noch viel zu wenig getestet, so dass die Dunkelziffer an Infizierten deutlich höher liegen und mit Beginn der Grippesaison (jetzt!) deutlich nach oben gehen dürfte. Beim Ein- und Ausreisen herrschen zum Teil absurde Bedingungen (da ich diesen Sommer Bulgarien nicht verlassen habe, weiß ich Folgendes nur aus zweiter Hand). Manchen wurde die Einreise verweigert, trotz aller erforderlicher Dokumente zu Hochzeiten der Pandemie; andere wurden vom Grenzer einfach durchgelassen, ohne obligatorische Erfassung der Kontaktdaten. Reine Willkür, die den Glauben in ein sinnvolles Konzept natürlich extrem erschüttert. Wir werden sehen, was die kommenden Wochen und Monate bringen. Ich bin aber relativ zuversichtlich, dass es keinen zweiten totalen Lockdown geben wird. Eher werden einzelne Branchen für längere Zeit ins Homeoffice versetzt, wie eben uns Schulen, aber so radikal wie im Frühjahr wird es nicht mehr werden, darauf würde ich sogar relativ viel Geld verwetten.
Was war abgesehen von diesen wilden Zeiten? Für meine Freundin war Corona insofern toll, dass sie dauerhaft im Homeoffice arbeiten konnte und somit die Ansteckungsgefahr deutlich minimieren konnte. Ansonsten haben meine Freundin und ich den Sommer genutzt, um (wie eigentlich jeder andere auch) irgendwohin zu reisen, was nicht nach heimischer Wohnung/Arbeitsstelle aussah. Wir sind dabei in kleinere Pensionen oder Hotels gegangen und haben vor allem Touren durchs Gebirge unternommen (mit dem Auto). Dabei konnte ich drei Gipfel erklimmen. Der Hausgipfel von Sofia machte den Anfang. Zusammen mit einem Kollegen bin ich raufgewandert unter der Woche, dementsprechend war es auch sehr menschenleer. Den höchsten Gipfel des Piringebirges, den Vihren, habe ich dann allein erklommen und habe dabei gemerkt, dass 3 Monate Homeoffice meine Kondition nachhaltig negativ beeinflusst haben. Das war eine echte Tortur, aber der Ausblick unterwegs hat sich gelohnt. Kurz vor Schuljahresbeginn war ich dann noch mit Kollegen auf dem Musala, dem höchsten Gipfel Bulgariens und auch generell dem höchsten Gipfel auf der Balkanhalbinsel (siehe oben). Das war insofern eine Tortur, weil meine Kollegen massive Probleme (Schuhwerk, Kondition) hatten und wir deutlich mehr Zeit brauchten, als ich ursprünglich eingeplant hatte. Wir waren insgesamt beinahe 12 Stunden unterwegs und kamen in finsterster Nacht im Tal an.
Aber neben den unerquicklichen Ereignissen gab es auch positive Dinge im zurückliegenden Jahr. Mein Bruder hat geheiratet und ich habe mich wahnsinnig für ihn gefreut. Da das noch im alten Jahr lag, konnten wir auch unbeschwert feiern, obwohl die Anreise eine einzige Katastrophe für meine Freundin und mich war... Wir mussten von Sofia nach Basel via München. Zum Junggesellenabschied ein paar Wochen zuvor hatte ich die Flüge ohne Probleme bewältigt, aber dieses Mal war echt der Wurm drin. Erst wurde der Weiterflug nach Basel ersatzlos gestrichen. Es war schon spätabends, also ab ins Flughafenersatzhotel und dank Lufthansa-Umbuchung am nächsten Tag via Frankfurt nach Basel. Dann hat der Wecker am Handy auf einen Samstag natürlich nicht geklingelt (wusste ich bis dahin auch nicht, dass Smartphones diese Option haben...), glücklicherweise doch aufgewacht und dann in 30 Minuten zum Flughafen gedüst (dass da ein Taxi bereitstand, war ein weiterer Glücksfall) und zum Gate gesprintet. Nebel überall, also Verspätung beim Abflug. In Frankfurt gelandet und zum Gate, ebenfalls Verspätung. Hochzeit war geplant für 12.00 Uhr; um 10.30 Uhr saßen wir in Frankfurt immer noch am Gate... Als wir landeten, war es dann kurz vor 12... Wir mussten selbstverständlich noch auf den Koffer warten, schließlich wollten wir uns ja noch umziehen. Dafür war dann aber keine Zeit mehr, also hat uns unser Vater abgeholt und wir sind so schnell wie möglich zur Location gefahren. Die Standesbeamte war so nett und hat uns noch 15 Minuten Aufschub gewährt. Da waren wir dann also. Alle aufgebrezelt und wir beide komplett verschwitzt in den Klamotten vom Vortag. Dass ich auf einer Hochzeit als allererstes eine Dusche nehme, hätte ich so auch nicht gedacht. Ansonsten war die Zeremonie toll, eher im kleinen Kreis, deswegen war es ja so ärgerlich, dass die ohnehin kleine Gesellschaft auf 2 Leute warten musste. Der Rückflug war dann ähnlich chaotisch. Erst massive Startverzögerung wegen technischer Probleme, dann bei der Zwischenlandung in München ein medizinischer Notfall an Bord; glücklicherweise war unser Zeitpolster groß genug.
Ansonsten haben meine Freundin und ich großen Spaß daran, unterschiedliche Weinhersteller zu besuchen. In diesem Sommer waren wir bei beinahe 10 unterschiedlichen Weinmachern zu Besuch, manche eher familiär, andere richtig professionell. Wir sind große Rosé-Fans, aber auch Weißweinen kann ich viel abgewinnen. Wenn ihr also mal einen bulgarischen Wein probieren wollt, fragt mich gerne um Rat. Nur Rotweine sind gar nicht meine Welt, so fantastisch ich deren Geruch finde, der Nachgeschmack zieht mir sofort den Zahn.