Welch aufregenden Wochen, ein denkwürdiger Jungessellenabschied, ein tosendes Hochzeitsfest und zum Schluss 16 tolle Flitter-tage in der Sonne. Ab sofort wird als „Wir“ gedacht, oder besser als„we“. Meine Frau kommt gebürtig aus dem wasserumgebenen Königreich England. Im Zuge ihres Studium an der FH Starnberg, lernten wir uns kennen und lieben. Die mangelnden Sprachkenntnisse waren bisher eher positiv als das sie beeinträchtigten aufgefallen wären. Man muss sich halt die nötige Zeit in der Kommunikation nehmen, dann geht das schon. Wie heißt es so schön,“ Liebe ist eine universelle Sprache“.
Jetzt gibt’s Leute die behaupten, nach knapp 20 Monaten zu heiraten wäre verrückt, aber das sehen wir anders. Manchmal weiß man einfach, wenn etwas richtig ist und muss die Chance ergreifen.
Jetzt steht Familienkunde an, mein erster Inselbesuch liegt vor mir. Auf der Hochzeit hat man sich kurz kennengelernt, allerdings war mein Schwiegervater weder begeistert noch lange anwesend. Man wird sehen, ob jetzt mehr Zeit vorhanden ist, um sich auszutauschen.
Nach kurzem Flug, landet unsere Maschine im, wie soll es auch anders sein, sonnigen Westengland. Gar nicht so schlimm hier, denk ich mir. Allerdings stelle ich fest, das meine Frau zunehmend nervöser wird, um so näher wir ihrer Heimat kommen. Ein dezentes Auto, holt uns vom Flughafen ab. Beim einsteigen, mache ich mir erstmals Gedanken, aus welchem Haus meine Frau eigentlich kommt. Mir fällt auf, ich weiß irgendwie nix bis gar nix über die Familie meiner Frau. Wohlhabend scheint sie zu sein, die Familie Oyston, das ganze wird noch mal unterstrichen, von der kleinen S-Klasse, die uns gerade befördert.
Die Fahrt führt und nach Bispham, einem Vorort von Blackpool. Abgelenkt von der glänzenden Irischen See, realisiere ich erst recht spät, vor was für einem Anwesen wir halten. Ungläubig blickd ich meine Frau an, die mich verlegen anschaut. Ich fühle das meine Hände schwitzig werden, als mein Schwiegervater mich per kräftigen Händedruck begrüßt. Aus dem Bauch heraus zu entscheiden, mag ja oft ganz gut sein, aber vielleicht sollte man manchmal auch den Kopf, oder zumindest die Ohren, benutzten. Ich hab keine Ahnung was mich hier erwartet und ich weiß nicht ob meine Frau darüber aufklärt hat oder nicht. Mein Englisch sollte zeitnah besser werden. Herr Karl Oyston, also mein Schwiegervater, macht ein ganz ruhigen, sachlichen und freundlichen Eindruck. Nach der Begrüßung, zeigt uns das Haus und unsere Zimmer und gibt uns dann ein wenig Ruhe. Ich versuche meiner Frau Information zu entlocken, werde aber immer wieder vertröstet, oder von ihr darauf hingewiesen, mir selber ein Bild von ihrer Familie zu machen. Begeisterung ist bei ihr allerdings nicht entdecken, wenn wir über das Thema sprechen.
Die Tage ziehen so dahin, viel Smalltalk, man trifft sich zu den Mahlzeiten. Herr Oysten verlässt meist früh das Haus und kommt abends spät wieder, aber am Wochenende, da hat er Termine für uns freigeräumt. Meine Frau benimmt sich sehr merkwürdig und ist sehr zurückhaltend im Umgang mit Ihren Eltern.
Am Samstagmorgen, empfängt mich Hr. Oysten in sportlicher Klamotte, er läd mich auf eine Rundfahrt durch seine Stadt ein. “Seine Stadt”, hat er wirklich gesagt. Nach 2 Stunden Fahrt, unzähligen semiinterresanten Sehenswürdigkeiten und viel unbehaglichem Schweigen finden wir endlich ein Thema. Fussball.
Ich erzähle von meine 35 Toren in der Bezirksliga, den 13 Buden in der Bezirksoberliga. Ganz spannend findet er, den Aufstieg meiner B-Jugend. Meine Sprachkentnisse führen zu einigen Missverstädnissen, aber mir fielen nicht die Übersetzungen für Dorfclub, Abstauberkönig und Altherrenhallenrunde ein. Den Unterschied zwischen Kreisklasse und Kreisliga konnte ich auch nicht wirklich darstellen.
Hr. Oysten erzählte irgendwas vom FC Blackpool. Die Worte Tangerines, Seasiders und Football League Championship fielen andauernd, so richtig folgen konnte ich aber nicht. Wir kamen dann an einem Fussballstadion an, also ein richtiges Fussballstadion. Kein Fussballplatz, ein richtiges Stadion.
Merkwürdigerweise wurde mein Schwiegervater, überall namentlich begrüßt. Ganz schön bekannt der Knabe , vielleicht hat er ja mal gespielt hier. Bei uns im Dorf kennt mich ja auch jeder.
An der Bloomfield Road, so heißt das hier, stehen ein paar Statuen, ich hab sie mir alle angeschaut, konnte meinen Schweigerpa aber nicht erkennen. Der ließ mich eine gute Stunde warten, verschwand währen der Zeit im Inneren des Stadion, kam dann recht aufgewühlt und schlecht gelaunt zurück. Von vielen Flüchen begleitet und mit minimaler Tempoüberschreitung fuhren wir heim.
Denn Rest des Abends und die halbe Nacht verbrachte er am Telefon, recht laut und aufgeregt, führte er fast 50 Telefonate, nur in der Zeit die mitbekommen habe.
Am Frühstückstisch, war Karl auffallend freundlich, er legt mir diverse Listen vor, die ich mir anschauen sollte. Viele Namen, Zahlen und € sowie Pfundzeichen. Ich hab nicht alles verstanden, war aber auch nicht ganz bei der Sache. Später zeigte er mir Videos von Fussballspielern und wollte meine Meinung hören. Auch wollte er wissen, was in Deutschland bezahlt wird im Fussball und ob ich Tipps für arbeitslose Trainer hätte. Ich konnte ihm immer nur wieder erzählen, das ich Amatuerfussballer gewesen sei und nur mit Müh und Not die C-Lizenz bestanden habe. Nachmittags ließ er mich dann in Ruhe, allerdings sollte ich am Abend ordentlich gekleidet zum Essen erscheinen. Besuch hat sich angekündigt.
Gegen 19 Uhr stand wurde zum Essen geläutet, mein Schwiegervater stellte uns dem Besuch vor, der mir gleich bekannt vor kam. Ein Pärchen sie, deutlich jünger als er, recht hübsch, sprach wenig. Er, in den Fünfzigern angekommen, fiel mit sehr schlechten Englisch und blendend weißen Zähnen auf. Als sein Name genannt wurde , bekam ich dann weiche Knie. Ich schüttele gerade einem Weltmeister von 1990 die Hand.
Ein Dinner mit Lothar Matthäus und Frau. Das ganze wurde zum Abenteuer.
Die Kommunikation am Tisch verlief sehr zäh. Als Herr Matthäus rausfand, dass ich Deutscher bin, wechselte er dauernd zwischen Englisch und Deutsch hin und her. Ich freute mich, endlich mal jemand, dessen Englischkenntnisse ähnlich beschränkt sind wie meine. Hauptthema war natürlich Fussball, Geld und dass Herr Matthäus ungerecht behandelt wird. Ein Weltfussballer habe schließlich Respekt verdient.
Nach dem Essen gingen Herr Oysten und Herr Matthäus ins Büro, aus dem Herr. M nach einer Stunde wutentbrannt alleine wieder rauskam. Er schrie nach seiner Jacke, seiner Frau und verließ fluchtartig das Haus. Draußen merkte er dann, dass er mit Taxi angereist war. Ein Bediensteter des Hauses rief ihnen dann einen Wagen. In den 30 Minuten Wartezeit, beruhigte er sich ein wenig, freundlich schaute er trotzdem nicht.
Zu gerne hätte ich gewusst was Inhalt des Gespräches gewesen ist, aber mein Schwiegerpa ließ sich den Abend nicht mehr blicken.
Meine Frau erklärte mir, das ihr Vater wohl Präsident vom FC Blackpool sei und gerade auf der Suche nach einem Trainer und Spielern sei. Da der Verein, aber nicht gerade die größte Nummer im englischen Fussball ist und ihr Vater bei den Gehaltsverhandlungen meist einen Igel in der Tasche hat, stelle sich das gerade als sehr schwierig da. Insgesamt sei es gerade nicht einfach, dem Verein würde es an Personal, Spieler und Geld fehlen, so meine Frau, aber genau wisse sie das nicht, da ihr Vater darüber selten spreche. Und das was in den Zeitungen stehe, wolle sie nicht immer glauben. Aber ich solle mir doch selber ein Bild machen, sagte sie mal wieder. Ich glaube zwar nicht ans Internet, versuchte mir aber Information über den Computer zu besorgen. Dem Datennetz zufolge, sah es tatsächlich nicht so rosig aus. Fernsehgelder seinen verschwunden, die Kassen leer, die Fans sauer, Spieler kaum vorhanden, einen Trainer suche man auch seit Wochen erfolglos. Seit dem kurz Gastpiel in der Premierleague 2010, gehts auch in der zweiten Liga immer weiter runter in Tabelle. Dabei scheint der Verein eine ruhmreiche Vergangenheit zuhaben, in den 50iger Jahren holte man den FA-Cup, spielte mehrfach um den Ligatitel mit und wurde einmal Vizemeister. Problem daran, das ist ewig her. Im Moment sieht es ganz anders aus und welche Rolle Herr Oysten dabei spielt, ist für mich nicht zu erkennen.