So, bevor ich mitm 2. Teil beginne kurz etwas grundsätzliches: Ich werde bei den Mannschaften was die Spiele an sich gehen nicht mehr so weit ausholen, sprich: Ich nenne nur noch die wichtigsten Ergebnisse und versuche dann im Taktik-Teil auf diese dann einzugehen. Ich denk, der letzte Abschnitt dürfte ziemlich langweilig zu lesen gewesen sein, deshalb will ich das jetzt etwas lebendiger damit gestalten.
Jimmy Hogan, Taktik des WunderteamsJimmy Hogan *1882- 1974 (Foto war mir nicht möglich hier einzufügen- googelt einfach
Jimmy Hogan ist die wohl einflussreichste Person des Fussballs in der Zeit vor dem 2. Weltkrieg. Wilson sieht ihm als "Vater des österreichischen, ungarischen und deutschen Fußballs, sowie Großvater des brasilianischen Fußballs". Vielleicht sind diese Äußerungen ein klein wenig übertrieben, aber sie sind nahe an der Wahrheit dran.
Hogan war zwar Engländer, doch missfiel ihm das Spiel der englischen Vereine sehr, es war ihm schlicht zu statisch und die Vereine waren nicht bereit, sich taktisch verändern zu lassen.
Aus diesem Grund machte sich Hogan auf nach Europa und schmiedete Bekanntschaften mit Persönlichkeiten, die ihren Stempel in der Fußballgeschichte noch aufdrücken werden. Dazu gehören unter anderem Hugo Meisl, Vittorio Pozzo, und einige mehr.
Hogan war in vielen verschiedenen Ländern als Trainer aktiv, besonders in Ungarn und in Österreich, auch kurz in Deutschland. Die taktischen Konzepte, die er dort etablierte, hielten noch 30-40 Jahre weiter an.
Besonders für das österreichische Wunderteam ist Hogan von Bedeutung. Hogan war ein Freund der schottischen Spielweise, das heißt: Kurzpässe, effektiveres Flügelspiel, drang zum Tor. In Österreich und auch in Ungarn (alle taktischen Auführungen treffen auch auf Ungarn zu) fand Hogan eine wunderbare Situation vor: die Vereine waren hinsichtlich der taktik experimentierfreudig, die Spieler waren bereit, ihren Kopf einzusetzen. (Das war in England anders: siehe Punkt 3).
Da die österreichischen Fußballer nicht so robust wie die Engländer waren, feilten diese mehr an ihre Technik und am Passspiel. Und Hogan brachte ihnen dies bei, sowohl auf Vereinsebene , als auch im Nationalteam.
Zur Taktik des WunderteamsHier habe ich mal eine Formation, die um das Jahr 1932 , also in der Glanzzeit des Wunderteams, gespielt haben müsste.
Was fällt auf? Zunächst ist das Spielsystem auf dem ersten Blick veraltet: Es ist ein klassisches 2-3-5 System. In fast allen anderen Teilen auf der Welt wurde inzwischen das WM-System ausgetestet, doch Hogan benötigte dies schlichtweg nicht.
Bevor ich auf taktische Details eingehe, muss ich euch natürlich erst ein paar Spieler vorstellen:
Das Wunderteam auf einem Blick:
Rudolf Hiden 1909-1973
Gilt nach Planicka und Zamora als bester Torhüter vor 1945. Ähnlich wie Olivieri bei den Italienern und Planicka bei den Tschechoslowaken war er ein risikofreudiger Torwart, welcher mit vollem Körpereinsatz rauslief, um Bälle abzufangen. Sein Wechsel nach Frankreich war der Anfang vom Ende des Wunderteams.
Josef Blum 1898-1956 und Karl Sesta 1906-1974
Die beiden rechten Innenverteidiger sind als weltklasse einzustufen. Während Blum einen beinharten Innenverteidiger verkörperte, war sein Nachfolger Karl Sesta er "verrückteste" im Team und galt als Spaßvogel. Als der schwedische König zu ihm meinte "Sie haben einen schönen Beruf" soll er geantworten haben "Sie ham a ka schlechte Hackn" . Zudem war Sesta sogar recht torgefährlich, am berühmtesten ist seine 45 Meter Freistoß-Bogenlampe im "Vereinigungsspiel" gegen Deutschland.
Walter Nausch 1907-1957
Er ist der beste linke Läufer vor 1945. Anders als der deutsche Andreas Kupfer war Nausch ein extrem robuster Spieler, der sowohl in der Verteidigung, als auch in der Offensive Akzente setzte. Als Trainer der österreichischen Nationalmannschaft 1948-1954 schaffte er den 3. Platz bei der WM 54 , das beste Ergebnis einer österreichischen Mannschaft bei einer WM.
Karl Zischek 1910-1985, Fritz Gschweidl 1901-1970, Matthias Sindelar 1903-1939, Anton Schall 1907-1947
Karl Zischek als Rechtsaußen, Gschweidl als Halbrechter, Sindelar als Mittelstürmer und Schall als Halblinker waren das Herzstück des Wunderteams. Zischek war als Rechtsaußen extrem torgefährlich und , was selten war , extrem kopfballstark. Gschweidl war nach Sindelar der technisch beste Spieler, der auch durch seine Übersicht glänzte. Über Sindelar wurde im anderen Thread denke ich genug gesagt
. Anton Schall war der Knipser des Teams.
Wie hat das 2-3-5 System des Wunderteams funktioniert?
Zunächst war das technische Niveau der Mannschaft in Europa unangefochten. Dies machte die Mannschaft extrem unausrechenbar, da entweder Einzelaktionen gestartet werden konnten, oder eben Passkombinationen. Letztere wurden mit Hogan als Trainer verfeinert. Sindelar war der Fixpunkt im System. Er hatte absolute Freiheiten: er konnte sowohl Aktionen einleiten, als auch vollenden , wobei er im Nationaldress sogar ersteres bevorzugte ( siehe das 8:2 gegen Ungarn ) . Es waren also eher die Halbstürmer, die knipsten , was in der Zeit relativ selten war. ( Anton Schall schoss in 28 Länderspielen 27 Tore). Die Schnelligkeit der Passkombinationen wurde von keiner anderen Mannschaft erreicht.
Dennoch offenbarte das Spielsystem offensichtliche Schwächen. Zunächst war das 2-3-5 System extrem konteranfällig. Dies machten sich die Engländer bei ihrem 3:2 Sieg zu Nutze. Zum anderen konnte das Team wegen seiner mangelnden physischen Fähigkeiten ihr Kombinationsspiel nie 90 Minuten durchziehen. Ab der 60. Minute war der Gegner mindestens gleichwertig, was schlicht daran lag, dass dem Wunderteam die Puste ausging.
Doch auch der Spielaufbau war verbesserungswürdig, dazu ein kleiner Exkurs: Wer die letzten beiden Clasicos gesehen hat, wird festgestellt haben, dass Barcelona zwar im gewohnten Tiki Taka den Ball zirkulieren ließ, allerdings ohne effektiv zu sein, zudem meist weit vorm Tor von Real entfernt.
Genau dies war beim Wunderteam auch oftmals der Fall. Es fehlt dem Team die Zielstrebigkeit und die Effektivität. Dieser absolute Wille, ein Tor zu erzielen, fehlte des öfteren, man wollte eher ästhetisch beeindrucken. Und genau dieser Umstand unterscheidet das Wunderteam von der Aranyczapat in den 1950ern. Die Ungarn waren schlichtweg "geil" auf den Torerfolg, die Österreicher nicht.
Was folgt: Exkurs: England: waren sie wirklich die besten bis 1945? Eine Analyse