Der starke Westwind, der vom Atlantik direkt auf die zerklüftete Küste trifft, sorgt dafür, dass der Regen fast waagerecht gegen mein Fenster schlägt und den Blick nach draußen verschwimmen lässt. Die Gestalt, die sich, in einen gelben Regenmantel gehüllt, auf mein Haus zu bewegt und dabei gegen den Wind stemmt erkenne ich trotzdem am Gang. Zögernd gehe ich zur Haustür und öffne.
„Sagst du mir jetzt, dass ich ein schwer zu findender Mann bin, Jesper?“, ich erinnere mich kurz an meine erste Begegnung mit meinem früheren Assistenztrainer Jesper Blomqvist.
„Nein, denn ich habe lange nicht nach dir gesucht. Mir war ziemlich egal wo du bist.“ „Das kann ich gut verstehen“, ich nicke meinem Freund, den ich im Stich gelassen habe zu und bitte ihn herein.
Blomqvist schaut mir dabei zu wie ich gehäufte Löffel mit Kaffee in die Maschine schaufle.
„Was machst du hier im nirgendwo, Jesper?“ durchbreche ich vorsichtig die Stille.
„Ich will dir helfen, deine Dämonen zu vertreiben.“ „Mein Gott, wie dramatisch“, antworte ich ironisch.
„Dramatisch war deine Flucht aus Schweden. Ich habe Granath nicht geglaubt als er mir sagte, dass du gekündigt hättest und er sich nun zwangsläufig bereit erklärt hätte Västerås wieder als Cheftrainer zu coachen.“ „Das ist acht Jahre her, Jesper“, sage ich vorsichtig.
Auf dringenden Rat der Präsidentin Eva Svensson war ich damals mit dem Sportdirektor und ehemaligem Trainer meines Arbeitgebers Västerås SK ein Bier trinken gegangen, um unsere schwelenden Konflikte zu lösen. Das Gespräch verlief kontraproduktiv. Kalle Granath hatte mir ehrlich eröffnet, dass er gedenke seine langjährige Arbeit als Cheftrainer des Vereins eher früher als später wieder aufnehmen zu wollen und auf seinen direkten Draht zu Svensson und seiner langjährigen Freundschaft zu ihrem verstorbenen Vater verwiesen.
Während er mir die sportlichen Fehleinschätzungen aufzählte, die in meiner ersten Saison in Schweden fast zum Abstieg geführt hätten, fiel mein Blick auf eine Person die drei Tische weiter mit dem Rücken zu mir saß. Der Journalist Ulf Hansdottir hatte meine Zeit in Västerås von Anfang an kritisch begleitet, seine enge Freundschaft zu meinem Vorgänger (und selbsternannten Nachfolger) Granath war kein Geheimnis. Ich begriff was gespielt wurde. Cheftrainer zu sein, bedeutet Leidenschaft und Herzblut einzubringen, ich hatte alles gegeben was ich konnte, nun würde ich mich nicht durch eine Intrige abservieren lassen. Ich stand auf, packte meine Sachen, kündigte bei Svensson und verließ Schweden. Meinem Freund und Assistenten Blomqvist hinterließ ich nur eine kurze Nachricht.
Blomqvist riss mich aus meinen Erinnerungen.
„Ich weiß nicht was damals passiert ist, Ryan, ich denke wahrscheinlich so ziemlich das Gegenteil von dem was in der Zeitung stand. Aber es gibt einiges was ich weiß: Nach deiner Knieverletzung mit 21 Jahren, hast du dem Fußball für 10 Jahre komplett den Rücken gekehrt und nie auch nur ein Stadion betreten.
Als erfolgreicher Trainer einer finnischen Mannschaft die du sogar in die Champions League geführt hast, hast du alles hingeschmissen, als der Präsident ein paar Spieler verkauft hat. Und zum krönenden Abschluss hast du mich und eine junge Truppe sitzen lassen, weil ein drittklassiger Journalist und ein zweitklassiger Sportdirektor eine kleine Intrige gegen dich gesponnen haben.“
Blomqvist blickt mich direkt an, ich erwidre jetzt den Blick
„Bist du den weiten Weg gekommen, weil du mir nach acht Jahren dringend erzählen musst, was bei mir alles schiefgelaufen ist?“ frage ich. Mein unrühmlicher Abgang löst bei mir immer noch Schuldgefühle aus und insgeheim bin ich froh Blomqvist zu sehen. Ich hatte selber nicht den Mut gehabt nach Schweden zu reisen, um mich zu entschuldigen.
„Nein, ich bin gekommen, weil es für dich dringend Zeit ist Widerstände zu überwinden.“„Danke für die Küchen Psychologie Blomqvist, aber mir geht es hervorragend.“ Ich breite dabei die Arme aus und lächele etwas gequält.
„
Du bist der talentierteste Trainer mit dem ich zusammengearbeitet habe, aber immer, wenn etwas Unvorhergesehenes passiert ist und dir das Wasser bis zum Hals stand, hast du gekniffen und bist untergetaucht. Es ist Zeit für dich sich zu befreien, und ich werde dir dabei helfen.“„Fantastisch“, sagte ich süffisant.
„Und wie?“.„Du wirst mit mir einen neuen Verein übernehmen und dieses Mal bringst du es zu Ende. Du wirst es allen noch einmal beweisen. Ohne Fußball bist du doch sowieso nur ein halber Mensch. Es warten viele alte Dämonen auf dich. Dazu ein Projekt, dass dir so viele Grenzen setzt, dass du sie einreißen musst, um etwas erreichen zu können.“ Blomqvist lächelt erwartungsfroh.
„Ich kann es nicht ausstehen, wenn ein Fußballverein von sich als „Projekt“ spricht.“, sage ich.
„Ich weiß.“, antwortet Blomqvist und hält mir seinen leeren Becher hin. Ich schütte Kaffee hinein.