Ich stimme Deinen Vermutungen durchaus zu, frage mich aber, was man mit dieser Erkenntnis macht. Wenn der Fußball tatsächlich der Spiegel der Gesellschaft ist und dieses Verhalten zunimmt, dann kann man das ja nicht einfach achselzuckend hinnehmen. Was wäre zu tun? Wie könnte man dessen Herr werden? Eine einfache Antwort wird es hier kaum geben.
Es gibt da eine interessante lesenswerte Quelle, die sich mit Gewalt im Fußball beschäftigt:
https://www.bpb.de/themen/sport/bundesliga/156633/bambule-und-randale/Es wäre zunächst wichtig zu klären ob es regionale Unterschiede in den Ursachen gibt, also ob in Frankreich die Ursachen der Fussballrandale eine andere Ursache haben als beispielsweise in Deutschland, England, Italien, Argentinien, Russland, oder Mexiko. Dies zu klären vermag ich nicht.
Für mich besteht eine Wechselwirkung zwischen Fussball und Gesellschaft. Randale im Fussball haben nun mal mMn gesellschaftliche Ursachen.
Und auf Frankreich bezogen: Migranten und arme Bevölkerungsschichten werden wirtschaftlich systematisch ausgeklammert. Macron hat zwar viele Arbeitsplätze geschaffen, aber lediglich im akademischen Bereich und in höher bezahlten Jobs. Die Ausgrenzung, sowohl wirtschaftlich und auch gesellschaftlich, führen speziell in Frankreich zu massiven Unzufriedenheiten, die halt teilweise in Gewalt münden. Die Antwort der in Frankreich so erfolgreichen extremen Rechten ist eben Gegengewalt statt Integration. In Deutschland ist die Integration besser vonstatten gegangen. Was hat das mit Fussball zu tun?
Darauf eine Antwort zu finden ist nicht unbedingt einfach. Das Fussballpublikum ist auch immer ein Spiegelbild der Gesellschaft. Hier sind Väter mit Kindern, Familien genauso anwesend wie Selbstständige oder Künstler, ebenso auch arme Bevölkerungsschichten, eher ungebildet, Arbeitslose, Hilfsarbeiter. Beim Fussball ist eben alles was in der Gesellschaft vorkommt vorhanden, halt auch gewaltaffine. Und eben: alles auf beengtestem Raum. Brechen sich Gewalten Bahn finden sich sehr schnell Gleichgesinnte eben alleine schon durch die räumliche Nähe zueinander.
Klar, mag hier jeder sagen: weiss ich alles schon. Klar. Ich wollte es nur schon einmal sagen.
Wie kann man dem Herr werden? Interessante Frage, auf die ich wie Henningway keine direkte Antwort habe.
Massive Sicherheitsvorrichtungen in und um die Stadien herum vermeiden Gewaltausbrüche. Aber die gesellschaftlichen Probleme muss die Politik lösen, die Probleme im Stadion spiegeln diese Probleme wider. Die Symptome lassen sich leicht bekämpfen: mehr Polizei und Ordner, mehr Stadionverbote, mehr Kommunikation mit den Fans und mit den Ultras.
Die weiteren gesellschaftlichen Probleme muss die Politik lösen: bessere soziale und wirtschaftliche Integration aller Beteiligten. Bessere Erziehung der Gewalttäter durch das Elternhaus: Gewalt ist keine Lösung. Erziehung ist auch eine Frage der Bildung. Also bessere Bildungschancen für alle. Also die " üblichen sozialen Utopien " und Wünsche. In Deutschland gelingt es schon ganz gut; in England gab es bekanntlich in den 70ern und 80ern der 1900er große Probleme mit Gewalt. Das lag an massiven sozialen Problemen bei denen der Fussball ein Ventil darstellte um seinen Frust zu entladen. Ausserdem lebten die englischen Profis dieser Zeit den Randalismus quasi gerne selber vor, durch extrem rohes Spiel, das waren echte Haudegen. Das Problem in England legte sich alleine schon dadurch das die Eintrittspreise massiv in die Höhe schossen. Kostete eine Karte damals wenige Pfund und war für jeden erschwinglich, kosten heute die Tickets das 25fache oder ähnliches. Dadurch wurden die aus dem Stadion " ausgeladen " die es sich nicht mehr leisten konnten, also Menschen mit weniger Gehalt wie einfache Arbeiter, Hilfsarbeiter oder Arbeitslose ( um es platt zu formulieren ). Dadurch blieb dann auch die Gewalt vor den Stadiontoren. Denn direkte physische Gewalt ist häufig ein Problem der unteren sozialen Schichten, denn Gewaltausübung hat mMn etwas mit Bildung zu tun und die unteren sozialen Schichten sind häufig weniger gebildet.
Die Antwort wäre also wie ich oben schrieb: bessere wirtschaftliche und soziale Integration, keine gesellschaftliche Ausgrenzung die Frust hervorruft und bessere Bildungsmöglichkeiten für alle.
Löst die Politik diese Probleme werden meiner Meinung nach auch die Probleme in den Stadien besser bewältigt. Und ein paar Unverbesserliche gibt es immer und überall; die sammeln sich dann immer beim Fussball, dessen archaische Art solche Leute anzieht und einlädt.
Und edit: und natürlich hat die Gewalt auch eine psychische Komponente. Die 1000prozentige Identifikation mit einem Fussballklub verleitet schnell zu emotionalen Anwandlungen, das kennen viele von uns. Und bei einigen werden die Grenzen eben aus verschieden psychischen Gründen überschritten und münden dann in Gewalt. Wobei man auch in meinen Augen Gewalt unterscheiden muss: ist es hooliganeske Gewalt - also bestimmte Gruppen verabreden sich um sich an bestimmten Orten gegenseitig das Maul zu polieren? Oder ist es affektive Gewalt, die aus plötzlichem Mißerfolg der favorisierten Mannschaft heraus entsteht und dann zu einem spontanem Platzsturm führt oder zum Abbrennen von Böllern und Feuerwerk?