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Ich liege auf dem Hotelbett. Total fertig. Weder der Deckenventilator noch die geöffneten Fenster schaffen es, die drückende Hitze aus dem Zimmer zu blasen. Und unter der feuchten Stirn rasen meine Gedanken. Halb im Dämmerschlaf sehe ich nochmal das 0:2 gegen
Guaratingueta vor mir ablaufen. Das war der Tiefpunkt meiner kurzen Trainerlaufbahn. Das Schlimme war: Mir fiel einfach nichts mehr ein, als ich auf der Trainerbank das Unheil kommen sah! Und auch jetzt habe ich keine Ahnung, was ich bis zum nächsten Ligaspiel ändern könnte. Ich habe aus meiner Sicht die besten Spieler aufgestellt, alle anderen sind noch schlechter oder zumindest unerfahrener.
Habe ich nur Versager geholt? Oder lasse ich falsch trainieren? Müsste ich ganz andere Assistenztrainer haben? Oder hätte ich mich mehr um die Jugendspieler kümmern sollen? Irgendwie spüre ich, dass ich alles falsch gemacht habe. Aber kann ich das jetzt, mitten in der Saison noch korrigieren? Ich kann mich nicht um ein halbes Dutzend Baustellen gleichzeitig kümmern. Was hätte mein Vater jetzt gemacht?
Das Klopfen an der Zimmertür riss mich jäh aus meinen Gedanken.
Wer ist da?Die Stimme des Hotelboy drang durch die Tür:
Ich bin's nur, Senhor Scampolo! Es war ein Anruf für Sie. Sie möchten bitte sofort zu Senhor Klaar ins Büro kommen!Aha, zum grossen Chef. Naja, ist klar. Er will von mir wissen, warum wir so schlecht in die Saison gestartet sind. Sein gutes Recht. Da ich hier trotz des Fehlstarts noch sehr beliebt bin, machte mich mir keine allzu grossen Sorgen. Ich würde ihm sagen, dass wir mit aller Kraft versuchen würden, das Ruder herumzureissen und dass schon alles wieder ins Lot kommen würde.
Celso Klaar lies mich noch ein paar Minuten vor seinem mit Papier bedeckten Schreibtisch warten. Dann betrat er grußlos den Raum und setzte sich. Seine Finger trommeltn nervös auf der Schreibtischplatte. Irgendwas ist anders! Es scheint hier nicht um die Niederlage gegen
Guaratingueta zu gehen. Der Präsident durchbohrte mich mit seinem Blick und meinte:
Na, den Flieger schon gebucht, Scampolo?Hmmm? Was meinen Sie, Senhor Klaar. Nach Sertaozinho geht's wie immer mit dem Bus, und ...Ich rede verdammt nochmal nicht von Sertaozinho! Wie gefällt Ihnen eigentlich England? Mehr Geld zu verdienen, was? Alles nicht so ärmlich wie bei uns, wie?Ach daher wehte der Wind! Es stellte sich heraus, dass
Dos Santos sich nicht entblödet hatte, dem Präsidenten brühwarm meine kleine Hotelbar-Schwätzerei zu servieren. Ob es Gedankenlosigkeit oder Bosheit war, interessierte mich garnicht so sehr. Die Situation war jedenfalls mehr als ärgerlich!
Klaar liess keine Zweifel daran, wie er über die Sache dachte:
Scampolo, merken Sie sich eins: Unser Trainer steht entweder zu 100% hinter diesem Verein, oder er ist nicht mehr unser Trainer! Und unsere Fans denken ebenso. Sie haben hier bislang ordentliche Arbeit geleistet, aber wenn Sie glauben, Sie können hier Ihre Zeit absitzen, bis ein besseres Angebot kommt, dann sind Sie bei uns an die Falschen geraten! Ich liebe nämlich diesen Verein und lasse nichts zu, was ihm schadet! Merken Sie sich das ein für allemal!
Es war schwer, nach dieser Standpauke in Ruhe das nächste Ligaspiel vorzubereiten. Trotzdem zwang ich mich zu voller Konzentration. Was sollte ich tun, um endlich in die Erfolgsspur zurückzukehren? In meiner Verzweiflung holte ich
Neno aus der Reserve zurück und lies ihn im Sturm spielen. In der zentralen Abwehr vertraue ich wieder auf den routinierten
Sandro Neves. Taktisch lasse ich alles beim Alten. Noch immer glaube ich, dass nur endlich mal der Knoten platzen muss. Wir können nicht plötzlich das Fußballspielen verlernt haben!
8.7.2007
4. Spieltag Campeonato Brasileiro Serie C
CA Hermann Aichinger (7.) - (5.) Sertaozinho 1:2 (1:1) ______________________________________________________
2.454 Zuschauer im Estadio da Baixada, Ibirama
0:1 04' Paulo Santos
1:1 14' Santibanez
1:2 63' Paulo Santos
______________________________________________________4. Minute - Freistoss durch
Paulo Santos - und wir liegen schon wieder zurück! Erst in der 14. Minute können wir uns befreien, dann aber gleich richtig: Eckball
Tota, Kopfball
Santibanez, und der Argentinier erzielt den Ausgleich! Schaffen wir jetzt die Wende? Ein bisschen Hoffnung glimmt auf.
Doch irgendwie scheinen meine Spieler mit dem Remis schon ganz zufrieden zu sein, sie ziehen sich zurück und lassen
Sertaozinho wieder viel zu viel Spielraum. Das kann eigentlich nicht gut gehen und ist von mir auch nicht so gewollt.
Aber dann haben wir endlich auch mal Glück - Elfmeter nach einer unübersichtlichen Szene!
Pontes als mein Erfahrenster läuft an -
und scheitert! Und auch der Nachschuss von
Dias geht daneben. So ein Mist, warum sind wir so dumm?
Halbzeit. Für den leider doch wieder enttäuschenden
Neno darf jetzt der 20jährige Hoffnungsträger
Furtuosa ins Spiel. Jetzt will ich nur noch Attacken sehen, ein Punkt ist nicht genug!
Doch nach dem Wiederanpfiff stürmt nur noch eine Mannschaft -
Sertaozinho! Nach 63 Minuten führt einer der vielen Angriffe dann auch zum verdienten Tor. Wir liegen wieder zurück. Ich fasse es nicht.
Meine Mannschaft ist am Ende. Grade will ich noch eine Auswechslung vornehmen, da versetzt
Carlos Rogerio seinem Gegenspieler einen Ellbogenstoss gegen den Kopf
und muss mit Rot vom Feld! Das hat noch gefehlt.
Wir hatten nur noch eine Chance: Freistoss durch
Eduardo in der 92. Minute, doch direkt in die Arme des Torhüters. Mein Albtraum wird wahr - die Saison ist versaut, ehe sie noch richtig begonnen hat und ist nun wohl nicht mehr zu retten.
Auf dem Weg zum Bus sah ich
Celso Klaar in der Menge stehen. Er würdigte mich keines Blickes.