Als ich in der Arena ankam hatte ich schon ein mulmiges Gefühl im Magen. Die Kulisse war zweifelsohne beeindruckend. Eigentlich kein schlechter Arbeitsplatz - wenn er nicht Königsblau wäre...
Immerhin konnte ich mir nach Monaten mal wieder ein Spiel meiner Herthaner ansehen. Etwas gutes hatte dieser Ausflug also auf jeden Fall. Von der Tribüne aus konnte ich die beiden Trainer beim Fernsehinterview beobachten. Falko Götz, der 2002 für 13 Spiele der Nachfolger von Röber bei Hertha wurde, in gewohnt ruhiger und sachlicher Art. Ihm gegenüber sehr engagiert und stets mit den Händen gestikulierend, der neue Schalketrainer Jürgen Röber. Für Beide war es heute ein wichtiges Spiel. Als 7. bzw. 8. brauchten beide einen Sieg um den Anschluss an die Uefa-Cup-Plätze zu halten. Für Röber ging es um mehr. Die Chance in der Rückrunde einen Topklub der Bundesliga an die Spitze zu führen durfte er nicht vermasseln, wollte er nochmal ernsthaft auf das vielzitierte Trainerkarussel aufspringen. Das er dafür viel Sympathie bei den Herthafans verlor
nahm er billigend in Kauf - Hauptsache wieder Cheftrainer, täglich die Droge Fußball, die Sucht befriedigen...
Als es losging, die Mannschaften in die Arena einliefen, veranstalteten 61500 ein imposantes Spektaktel.
Ich nahm meinen Platz auf der Haupttribüne ein, neben mir saß ein Journalist einer überregionalen Sportzeitschrift. Er erzählte mir von der Unruhe die bei Schalke in den letzten Wochen seit dem Trainerwechsel herrschte. Nicht alle in und um den Verein waren mit der Entscheidung gegen Slomka und für Röber zufrieden. Zumal es wohl keine langfristige Planung gab. Der Vertrag mit Röber war nur im Erfolgsfall über die Saison hinaus gültig. So stand der Neue bereits vor dem ersten Spiel mächtig unter Druck - doch seine Spieler sorgten für einen guten Start.
Bereits in der fünften Minute köpfte Lovenkrands eine Lincoln-Ecke zum 1:0 ein.
Schalke war in der ersten Halbzeit wesentlich dominanter. Hertha stand sehr tief, mit Mineiro und Dardai vor der Abwehr, Bastürk ungewohnterweiste auf dem rechten Flügel, so dass Pantelic und Ede im Sturm völlig abgemeldet waren und fast keine Bälle bekamen. Für Schalke war der Raum dafür aber auch sehr eng, viel Ballbesitz sorgte noch lange nicht für gute Torchancen. Die beste daher durch einen Freistoß. Von der rechten Seite spielte Rafinha den Ball hoch in den Strafraum und fand Kuranyi am zweiten Pfosten. Der war vor Friedrich am Ball und bugsierte ihn mit dem Kopf ins Tor, 2:0. Der Jubel der Fans erreichte einen für meinen Ohren bisher unbekannten Lärmpegel.
Vor der Pause gelang Hertha durch Pantelic und Ede dann noch zwei mal gefährlich vors Tor, aber ohne Erfolg.
Schalke zog sich nach der Führung mehr zurück und ließ den Gegner dadurch kommen.
In der Halbzeit diskutierte ich mit einigen Journalisten über das Spiel. Wenn Hertha weiter so lahm spielte würde es wohl ein einfacher Sieg für Schalke werden, so die vorherrschende Meinung. Wahrscheinlich könne es sich Röber dann so gar erlauben Willi Landgraf, der heute auf der Bank saß, noch zum ersten Bundesligaspiel zu verhelfen...
Ich hoffte darauf das Götz die richtigen Schlüsse aus dem Rückstand zog. Vielleicht auf 3er-Kette umstellte. Das Mittelfeld gut 10m weiter nach vorn zu schieben. Mehr Konzentration bei der Spieleröffnung fordern. Denn die Lücke zum Sturm war einfach zu groß, die Pässe wurden fast immer abgefangen. Und was wollte er mit Bastürk auf rechts?
Das der schmächtige Dribbler dort nicht viel Bindung zum Spiel bekam sah er ein - allerdings versetzte er ihn nicht auf die zentrale Position, sondern ließ gleich in der Kabine - für ihn spielte nun Kevin Boateng...
Aber das Spiel war nun ausgeglichener. Hertha konnte mehr Druck aufbauen, auch wenn das Spiel jetzt meistens um die Mittellinie verlagert wurde.
Einen weiten Ball von Rafinha konnte Friedrich in der 60.Minute mit dem Kopf klären, der Ball kam genau zu Ede. Der nahm ihn mit der Brust an und leitete ihn direkt weiter zu Pantelic. Trotz zweier Gegenspieler gelang es ihm sich Platz zu verschaffen, ging in den Strafraum... sein Schuß ließ Neuer keine Chance... und ging links unten ins Netz, 2:1!
Der Anschlusstreffer ließ mich jubelnd aufspringen, auch wenn ich mir einige strafende Blicke von den umgebenden Zuschauer einfing...
Nun stellte Götz endlich um, orndete jetzt eine Rauten-Formation mit Boateng hinter den Spitzen an.
Die letzte Phase ähnelte wieder dem Anfang des Spiels. Nur das Schalke jetzt sehr tief stand, bemüht die knappe Führung zu Hause zu verteidigen. Einzigstes Mittel waren jetzt lange, weite Bälle auf die einzige Spitze Kuranyi.
Hertha war drauf und dran den Ausgleich zu machen - doch Neuer rettete mit tollen Paraden gegen Pantelic und Gimenez die Führung. Und man hatte nicht die Geduld und Klasse um die Angriffe richtig auszuspielen - letztendlich gab es die ganzen 90 Minuten zu viele Fehlpässe bei den Berlinern.
Enttäuscht blieb ich noch einen Moment sitzen, als der Schiedsrichter abpfiff. Für Hertha würde es dieses Jahr nur um einen Mittelfeldplatz gehen. Aber ob Röber der Einzug ins internationale Geschäft gelang war nach diesem Spiel nicht abzusehen. Der Journalist neben mir verabschiedete sich, er müsse nun runter zur Pressekonferenz.
Und ich? Hatte ich nun eine Entscheidung getroffen wohin ich gehe?
Auf dem Weg zu Röber rannte ich in der Mixed-Zone fast einen Spieler um, der gerade ein Interview gegeben hatte. Er drehte sich um und wollte mich schon beschimpfen, da verwandelte sich seine wütende Miene in ein Lächeln - es war van Burik:
Burik: Was... Paul? Was machst du denn hier?Paul: Hey, sorry... Ähm, ich wollte mir mal wieder ein schönes Hertha-Spiel ansehen!Burik: Hmm... hat nicht so ganz geklappt... Waren heute einfach zu langsam und haben viele Fehler gemacht!Paul: Wie läufts denn sonst so bei Hertha? Volle Konzentration auf den Pokal?Burik: So einfach gehts nicht. Sonst stehen wir am Ende im Finale und auf einen Abstiegsplatz... Aber insgesamt stimmts in der Mannschaft nicht wirklich. Gibt da so einige Probleme, auch mit dem Trainer... und wenn ich dann eingreife ist es auch wieder nicht richtig. Paul: Traurig zu hören... hoffe ihr bekommt das in den Griff. Ich muss jetzt zu Röber...Burik: Zu Röber? Was willst du den bei dem? Ein Autogramm holen?Paul: Ha... nein, er will mich hier als Assistenztrainer holen!Burik: Das kannst du aber nicht ernsthaft annehmen wollen? Klar hättest du hier ne Menge zu tun - Röber lässt schließlich gerne mal andere die Arbeit machen - deshalb hat er auch einen großen Stab. Aber denke nicht das er deshalb auf seine Helfer baut und sehr viel Wert auf ihre Meinung legt. Er ist der Chef und das wissen auch alle. So präsentiert er sich und glänzt nach außen stets als der engagierte und fleißige Trainer. Glaub mir - ich weiß wovon ich spreche.Paul: Ja, klar.Burik: Und was willst du überhaupt hier bei Schalke? Das geht doch nicht... Außerdem hat man dir in Utrecht doch eine super Chance geboten! Das kannst du doch nicht hierfür aufgeben wollen? Paul: Keine Sorge... ich weiß schon was ich mache!Damit verabschiedeten wir uns voneinander und ich suchte nach Röber.
Die PK war mittlerweile vorbei, doch ich konnte ihn nirgends finden...
Ein Vereinsmitarbeiter sagte mir dann endlich, das Röber noch einige Interviews geben müssen, dann zur Manschaft geht und sollte er, bevor sein Hubschrauber nach Mainz abflog damit er rechtzeitig ins Aktuelle Sportstudio kam, noch etwas Zeit haben... dann würde er vielleicht, eventuell noch mit mir sprechen können!
Auf meine wütende Antwort, ich wäre schließlich mit ihm verabredet, erntete ich nur ein mitleidiges Schulterzucken... So blieb mir nichts anderes übrig als ihm eine Nachricht zu schreiben.