US-Richter nutzen den Spielraum zwischen den ParagraphenDaran wird Michelle Murray aus Painesville in Ohio sicher noch lange denken: Ein Richter verdonnerte sie zu einer einsamen Nacht allein im Wald, nachdem sie wegen "persönlicher Probleme" ihre 33 Katzen ausgesetzt hatte. Auch der Texanerin Melissa Sweeney ging es wegen Tierquälerei an den Kragen: Sie musste für die Vernachlässigung ihrer beiden Pferde 30 Tage im Gefängnis verbringen, die drei ersten bei Wasser und Brot. Das sei mehr, als sie ihren Tieren gegönnt hatte, befand der Richter und befahl der Sünderin zudem, Fotos der abgemagerten Pferde im Riesenformat an die Zellenwand zu heften. Sie solle sich für immer daran erinnern, was sie den Vierbeinern angetan habe, begründete er die Strafe.
Frustrierte Richter suchen AlternativenEine Nacht mutterseelenallein in der Wildnis, Zwangsdiät hinter Gittern - das sind nur zwei Beispiele aus einer Vielzahl so genannter alternativer Gerichtsurteile, die in den USA immer häufiger gefällt werden. Detaillierte Statistiken gibt es zwar nicht, wie Ryan King vom Washingtoner "Sentencing Project", einer unabhängigen Organisation zur Analyse gerichtlicher Trends, sagt. Aber die zunehmende Beliebtheit solcher Urteile spiegele den wachsenden Frust von Richtern angesichts der vielen rigiden Strafvorschriften in den USA wider, die kaum noch Spielräume für individuelle Gerichtsurteile ließen.
Zweifel an der HaftstrafeViele Richter sähen vor allem bei Ersttätern und gewaltlosen Delikten in Gefängnisstrafen oder erst recht längerer Haft nicht grundsätzlich den richtigen Weg. Den Angeklagten soll eine Lehre erteilt werden, ohne ihr Leben zu ruinieren. Richter Michael Cicconetti etwa, der Michelle Murray in den dunklen Wald schickt, gehört zu den Verfechtern kreativer Strafen. Er ließ er etwa einen Mann, der einen Polizisten als Schwein beschimpft hatte, neben einer lebenden Sau an einer Straßenecke stehen. Teenager, die von einer Brücke Steine auf Autos geworfen hatten, mussten sich mit großen Geständnis-Schildern an eine verkehrsreiche Straße stellen.
Putzdienst für frechen SchülerEin 17-Jähriger in Kansas kann ebenfalls ein Lied von richterlicher Fantasie singen. Nachdem er sich am letzten Schultag vor den Sommerferien im Juli absichtlich über der Hose seines Lehrers erbrochen hatte, wurde er dazu verdonnert, vier Monate lang Polizeiwagen zu putzen, in denen sich betrunkene Festgenommene übergeben hatten. In Kentucky ließ ein Richter zwei junge Verkehrssünder Liegestützen absolvieren und Aufsätze über den Sinn von Geschwindigkeitsbeschränkungen schreiben.
Sterilisation für knauserige VäterEin Kollege in einem Gerichtsbezirk in Florida setzt ebenfalls auf Kreativität, um junge Leute zur Besonnenheit im Straßenverkehr zu bringen: Bei Verstößen müssen sie für einen Monat oder länger jeden Tag Berichte über Unfälle aus Zeitungen ausschneiden und in ein Buch einkleben. Andere erhalten die Auflage, ihre Schulleistungen in einem bestimmten Zeitraum zu verbessern.
Ein Familienrichter in Kentucky stellt Männer, die Alimente zahlen müssen, aber dies regelmäßig nicht tun, vor eine unangenehme Wahl: Gehe ins Gefängnis oder lasse dich sterilisieren. Nach Medienberichten hat sich von sechs betroffenen Männern nur einer für Haft entschieden. T-Online
Nach Medienberichten hat sich von sechs betroffenen Männern nur einer für Haft entschieden
Kaum zu glauben.