Ich stehe einem EU-Beitritt der Türkei auch eher skeptisch gegenüber, obwohl ich die europäische Union ansonsten aus unterschiedlichen Gründen als etwas sehr Positives betrachte. Allerdings kann ich dir nicht darin zustimmen, daß Propaganda gemacht wird, ich weiss jedoch nicht genau, was alles an Kritik gegenüber der österreichischen Haltung losgelassen wurde. Es ist so, daß auch die EU der Türkei ziemlich strenge Bedingungen auferlegt hat, eben gerade was Menschenrechte, und damit auch Frauenrechte, und die Anerkennung der Situation auf Zypern angeht. Dazu kommt z.B. die Forderung, den von der Türkei verursachten und von Deutschland wohl unterstützten Genozid an den Armeniern als historische Realität anzuerkennen.
Ich glaube sowieso nicht ernsthaft daran, daß die Bedingungen je erfüllt werden, von daher halte ich die aktuelle Position der europäischen Führung für leicht heuchlerisch.
Die Behauptung, daß die Türkei eine Art der Diktatur wäre, halte ich für übertrieben, die Partei des aktuellen Premierministers mag zwar islamistische Wurzeln haben, er wurde jedoch demokratisch gewählt und es gibt in der Türkei Meinungsfreiheit wie in den meisten westeuropäischen Staaten. Die Drohungen sind eher Eigentore, schliesslich wurde meistens mit dem Ende der Beitrittsbemühungen gedroht, was wohl eher für die Türkei ein Problem wäre als für die europäische Union.
Was die amerikanische Presse angeht, hier warne ich vor einer Verallgemeinerung. Würden aus Deutschland nur die Artikel aus der "Bild" und dem "Focus" an die Öffentlichkeit dringen, hätte man vielleicht ein ähnlich negatives Bild von der deutschen Presselandschaft. Es gibt auch in Amerika Zeitungen, die solch brisante Themen mit der nötigen journalistischen Objektivität anpacken.
Um mal was etwas Provokativeres zu schreiben: ob das "Volk" in politischen Fragen aktuell noch den Durchblick hat, wage ich zu bezweifeln, da im Augenblick in Westeuropa so etwas wie eine öffentliche Diskussions- und Politikkultur komplett am Verschwinden ist.