Trainersuche beim DFB nicht länger Chefsache
Meldung vom 01.07.2004 21:58
Frankfurt/Main (dpa) - Der von einem internen Machtkampf zerrüttete Deutsche Fußball-Bund (DFB) setzt bei der Suche nach einem neuen Bundestrainer auf die vier führenden Köpfe des deutschen Fußballs.
Bei seinem Krisengipfel in Frankfurt/Main verständigte sich das DFB-Präsidium auf die Bildung einer Findungskommission, der Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder, Generalsekretär Horst R. Schmidt, Liga-Präsident Werner Hackmann und WM-OK-Chef Franz Beckenbauer angehören. Damit ist zugleich klar, dass es einen Führungswechsel an der DFB-Spitze zunächst nicht geben wird.
Nach knapp vierstündiger Beratung präsentierte DFB-Pressesprecher Harald Stenger das erste Ergebnis der Marathon-Sitzung, deren Ende nicht absehbar war. Erst am 6. Juli will der DFB in einer Presseerklärung über weitere Inhalte der Sondersitzung informieren.
Gerhard Mayer-Vorfelder hatte bereits wenige Minuten vor dem brisanten Treffen in der DFB-Zentrale die Erwartungen gedämpft, dass ein Nachfolger von Rudi Völler bereits in Sicht sei. «Wir müssen erst einmal mit einem Kandidaten Gespräche führen. Ich halte nichts davon, Namen zu verbrennen», sagte der DFB-Präsident. Über die in der Öffentlichkeit gehandelten Kandidaten würden keine Stellungnahmen abgegeben, sagte Stenger am Abend.
Favorit auf den vakanten Trainer-Posten ist Otto Rehhagel. «Über den Namen Rehhagel werden wir im Präsidium und in der Findungsgruppe reden. Mehr will ich dazu nicht sagen», erklärte Mayer-Vorfelder. Anders als WM-OK-Chef Franz Beckenbauer, der sich eine kurzfristige Trainerlösung bis zu den Titelkämpfen in zwei Jahren vorstellen kann, votiert der DFB-Präsident für ein langfristiges Engagement. «Eine Lösung über 2006 hinaus wäre mir lieber, denn die Nationalmannschaft hört ja nach der WM nicht auf zu existieren», sagte Mayer-Vorfelder.
Der zum Kandidaten Nummer eins aufgestiegene Rehhagel wollte sich in der Stunde des EM-Triumphes mit Griechenland nicht zu einem möglichen Engagement in seiner Heimat äußern. «Es ist jetzt an der Zeit, nur über meine Jungs zu sprechen. Es wäre fatal, jetzt auch nur ein Wort über andere Dinge zu verlieren», erklärte der 65-Jährige vor der Rückkehr nach Athen. Griechenlands Verbands-Präsident Vasilios Gagatsis lehnte eine Freigabe Rehhagels kategorisch ab. «Otto hat bei uns gerade verlängert - nicht nur bis 2006, sondern sogar bis 2008! Er wird bei uns in Rente gehen. Das hat er selbst zu mir gesagt», sagte Gagatsis der «BILD»-Zeitung.
Falls Rehhagel nicht zur Verfügung steht, scheint beim DFB selbst eine Rückkehr von Völler nicht ausgeschlossen. Nach Informationen des «kicker» gibt es Planspiele, wonach der Liebling der Fußball-Nation die deutsche Mannschaft als Übergangslösung bis zum Jahresende betreuen könnte, um dann den Platz für einen ausgeruhten Ottmar Hitzfeld freizumachen. Der Wunschkandidat des DFB machte allerdings deutlich, dass er seine in der Vorwoche erteilte Absage nicht zurücknehmen wird. «Auch wenn im Fußball immer alles möglich ist: Ich habe mich jetzt entschieden, dann kann man nicht in zwei Monaten wieder darüber reden», sagte Hitzfeld dem Zürcher «Tagesanzeiger».
Ähnlich ungewiss wie die Trainersuche erscheint der Ausgang des Machtkampfes um das Amt des DFB-Präsidenten. Zum großen Unmut der Mayer-Vorfelder-Opposition hatte sich neben Franz Beckenbauer auch FIFA-Präsident Joseph S. Blatter gegen einen Wechsel an der DFB-Spitze ausgesprochen, angeblich, um das WM-Projekt 2006 nicht zu gefährden. Der angeschlagene DFB-Präsident muss nun hoffen, dass die prominenten Fürsprecher einschließlich der Führung von Bayern München einen Erfolg der «Aufständischen» verhindern. «Ich bleibe auf jeden Fall bis zum Bundestag am 23. Oktober Präsident. Alles andere wird sich zeigen», erklärte «MV» schon vor der Sitzung kämpferisch.
Engelbert Nelle, Präsident des Norddeutschen Fußball-Verbandes und 1. Vizepräsident im DFB, verdeutlichte noch einmal, dass die Opposition keinen kurzfristigen Machtwechsel fordert. «Die Amtszeit geht im Oktober zu Ende, da möchte ich einen neuen Kandidaten präsentieren», sagte Nelle, der das gesamte Amateur-Lager hinter sich glaubt, dem Internetanbieter Sport1.
Vor Beginn der Sondersitzung ging auch der als Gegenkandidat gehandelte Theo Zwanziger in die Offensive. Der Schatzmeister übte erstmals harsche Kritik am DFB-Präsidenten, dem er bislang loyal zur Seite stand. «Mayer-Vorfelder bietet leider Angriffsflächen, die in der Gesellschaft sehr negativ wirken», sagte der 59-Jährige der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung». Es käme jetzt darauf an, dass der Verband der Öffentlichkeit wieder ein einheitliches Bild vermittele, um nicht die mit der Fußball-WM 2006 verbundenen positiven Aspekte aufs Spiel zu setzen.