03. November 2004
Das Weiße Haus hat Präsident George W. Bush zum Wahlsieger der Präsidentenwahl ausgerufen. Dem Herausforderer John Kerry wolle man aber noch Zeit geben, um über das Ergebnis der Wahl nachzudenken, sagte der Stabschef im Weißen Haus, Andrew Card, am Mittwoch morgen in Washington. Bush wollte sich zu einem späteren Zeitpunkt äußern.
Präsident Bush gehe davon aus, den Swing State Ohio gewonnen zu haben, der dem Sieger 20 Wahlmännerstimmen bringt. In Ohio liege Bush mit 140.000 Stimmen vor Kerry, sagte Card. Der Innenminister des Bundesstaates "hat uns informiert, daß diese Zahl statistisch auch dann nicht aufzuholen ist, wenn man die provisorischen Wahlzettel berücksichtigte".
"Damit hat Bush den Staat Ohio gewonnen", sagte Card vor Anhängern der republikanischen Partei in Washington. Die provisorischen Stimmzettel wurden von Wählern abgegeben, von denen zunächst unklar war, ob sie tatsächlich wahlberechtigt waren. Diese Wahlzettel müssen deshalb erst auf ihre Gültigkeit überprüft werden, bevor die Stimmen gewertet werden.
"Verzweifelter Versuch"
Die Kommunikationsdirektorin des Weißen Hauses Nicolle Devenish sagte: "Präsident Bush ist heute nacht mit den Stimmen aus dem großartigen Staat Ohio wiedergewählt worden."
Devenish warnte Kerrys Demokraten vor einem Streit über das Ergebnis: "Dieser Versuch ist verzweifelt und wird der Demokratischen Partei lang anhaltenden Schaden zufügen."
Derzeit liegt Bush bei der Auszählung in den Bundesstaaten nach Anzahl der Wahlmännerstimmen mit 259 Stimmen zu 252 für Kerry in Führung. Mit Ohio wäre ihm der Sieg sicher, für den mindestens 270 Wahlmännerstimmen nötig sind. In der absoluten Zahl der Stimmen über die Bundesstaaten hinweg, dem sogenannten "popular vote" , führt Bush nach Angaben des amerikanischen Senders CNN mit 51 Prozent gegenüber 49 Prozent für Kerry. Auch dies erhöht den Druck auf Kerry, seine Niederlage einzugestehen. Im ganzen Land sind bisher 94 Prozent der Stimmen ausgezählt. Ohio - eine Hängepartie wie in Florida?
Edwards: "Wir können warten"
Kerry ist bislang nicht bereit, seine Hoffnung auf einen Wahlsieg aufzugeben. Er ließ seinen Vizepräsidentschaftskandidaten John Edwards erklären: "Wir haben vier Jahre auf diesen Sieg gewartet. Wir können noch eine weitere Nacht warten." Die von Bushs Beratern angekündigte Erklärung zum Wahlsieger sei nur ein taktisches politisches Manöver. Sie würde darauf zielen, Initiativen zur Anfechtung der Wahl zu entmutigen und ein Gefühl der Unvermeidlichkeit einer zweiten Amtszeit Bushs zu erzeugen. Edwards zitierte in Anspielung darauf den vor vier Jahren Bush knapp unterlegenen Al Gore und kündigte an: "Wir werden um jede Stimme kämpfen."
Denn vorerst sieht es so aus, als ob die Wahl wie vor vier Jahren zu einer Hängepartie wird. Diesmal ist es also Ohio, wo sich die Wahl entscheiden wird, damals war es Florida. Allerdings ist der Vorsprung von Bush in Ohio ist nach Auszählung von 98 Prozent der Wahllokale größer als vor vier Jahren in Florida. Bei der Auszählung in Ohio liegt Bush mit 145.000 Stimmen vorn, allerdings gab es 180.000 sogenannte provisorische Stimmen. Zudem waren die Briefwahlstimmen in 54 der 88 Kreise noch nicht ausgezählt.
Provisorische Wahlzettel sorgen für Verzögerung
Der Innenminister von Ohio, Kenneth Blackwell, sagte dem Fernsehsender CNN sogar, das amtliche Endergebnis in seinem Staat Ohio werde erst Mitte November feststehen. Nach dem in Ohio geltenden Wahlgesetz dürfe die Auswertung der provisorischen Wahlzettel erst elf Tage nach dem Wahltag abgeschlossen werden.
Diese Zettel sind für Wähler vorgesehen, die am Wahltag nicht in den Wählerverzeichnissen eingetragen waren. Ihre Wahlberechtigung wird im Nachhinein überprüft. Von den beiden Fernsehsendern NBC und Fox wurde Ohio bereits am frühen Mittwoch morgen Bush zugerechnet. Der Nachrichtensender CNN warnte aber vor vorschnellen Schlüssen.
Bush siegesgewiß
Im Jahr 2000 gewann Bush in Ohio mit einem Vorsprung von 3,6 Prozentpunkten. Seit 1964 lag Ohio immer auf Seiten des jeweiligen Wahlsiegers. Von den entscheidenden "Schlachtfeldstaaten" holte Bush Florida, Kerry konnte aber die Wahlmännerstimmen von Pennsylvania auf sich vereinen.
Bush ließ sich noch vor Schließung der Wahllokale im Fernsehen zeigen, im Kreis seiner Familie im Weißen Haus sitzend. Dort gab er sich siegesgewiß. "Ich glaube, ich werde gewinnen", sagte Bush.
Kandidaten siegten in ihren Hochburgen
Zuvor hatten sich Bush und Kerry das erwartete Kopf-an-Kopf-Rennen um den Wahlsieg geliefert. Kerry siegte im mit 55 Wahlleuten stärksten Staat Kalifornien. Texas mit seinen 34 Wahlmännerstimmen fiel an Bush, der von dort stammt, aber auch das 2000 noch so umkämpfte Florida (27).
Das spannende Kopf-an-Kopf-Rennen hat offenbar die meisten Wähler seit 40 Jahren an die Wahlurnen getrieben. Schätzungsweise 117,5 bis 121 Millionen Menschen wollten ihre Stimme am Dienstag abgeben, eine Quote von 58 bis 60 Prozent der Wahlberechtigten.
Kerry: "Wir lieben unser Land"
Herausforderer John Kerry fand am Wahltag versöhnliche Worte für seinen republikanischen Kontrahenten. „Was immer das Ergebnis sein wird, unser Land wird stärker und vereint sein. So sind wir”, sagte Kerry am Dienstag nach seiner Stimmabgabe in Boston (Massachusetts). "Was zählt ist, daß wir beide - der Präsident und ich - unser Land lieben", sagte der Senator weiter und rief zugleich die Bürger auf, wählen zu gehen.
Bush verteidigte in dem erbittert geführten Wahlkampf den Irak-Krieg und seine Bilanz im Kampf gegen den Terrorismus vehement. Seinem Rivalen warf er Führungsschwäche vor. Kerry konterte, Bush habe die Vereinigten Staaten durch den Irak-Krieg international isoliert. Die Wähler sollten Bush bei der Wahl die Quittung für seine verfehlte Politik geben.
Republikaner gewinnen Kongreßwahlen
Bei den gleichzeitigen Kongreßwahlen verteidigten die Republikaner ihre Mehrheit. Im Repräsentantenhaus gewann die Partei Bushs mehr als die Hälfte der 435 Mandate. Das gleiche gilt für den Senat. Dort konnten die Republikaner ihre knappe Mehrheit von 51 der 100 Sitze nach vorläufigen Ergebnissen sogar noch ausbauen. Der führende demokratische Senator Tom Daschle wurde abgewählt. Republikaner behaupten Mehrheit im Kongreß
Präsident George W. Bush siegte in den Staaten (Wahlmännerstimmen):
Alabama (9), Alaska (3), Arizona (10), Arkansas (6), Colorado (9), Florida (27), Georgia (15), Idaho (4), Indiana (11), Kansas (6), Kentucky (8 ), Louisiana (9), Mississippi (6), Missouri (11), Montana (3), Nebraska (5), North Carolina (15), North Dakota (3), Oklahoma (7), South Carolina (8 ), South Dakota (3), Tennessee (11), Texas (34), Utah (5), Virginia (13), West-Virginia (5), Wyoming (3).
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