Der Headmaster einer englischen Privatschule hat den Vater eines Schülers am Morgen während der Arbeit angerufen und baldmöglich um ein persönliches Gespräch in seinem Büro gebeten, da es eine dringende Angelegenheit zu klären gäbe. Es gehe um das Verhalten des Sohnes im Unterricht. Der Vater, Mr. Perkins, verspricht, der Einladung so schnell wie möglich nachzukommen. Noch am selben Tag nach Feierabend findet er sich im Büro des Headmasters ein. Auf dessen Wunsch hin nimmt er auf einem Stuhl vor dessen Massivholzschreibtisch Platz. Anschließend stellt der Headmaster ein Tablett mit einer vollen Kanne dampfenden Tee und zwei Tassen auf den Schreibtisch. "Mr. Perkins", sagt er und füllt dem ahnungslos dreinblickenden Mann Tee in die am nähsten stehende Tasse. "Es ist gut, dass Sie sich so schnell bei mir einfinden konnten. Ich bin mir darüber im Klaren, dass Sie ein vielbeschäftigter Mann sind, aber ich fürchte, die Angelegenheit ist zu ernst, als dass wir Sie telefonisch hätten klären können." Der Vater nickt verständnisvoll. "Nein, nein, sie haben absolut Recht, Herr Direktor", sagt er. "Wenn Tommy Ärger am Hals hat, dann möchte ich das sofort und persönlich klären." Der Headmaster streut eine Prise Zucker in die beiden bis an den Rand gefüllten Porzellantassen. "Nun", schnauft er und nippt an seiner Tasse. "Offen gestanden hat Tommy tatsächlich großen Ärger am Hals. Seit kurzem lässt sein Verhalten im Unterricht doch sehr zu wünschen übrig." "Verstehe", wirft Mr. Perkins ein und richtet seine Brille, ehe der Headmaster fortfährt. "Ihr Sohn scheint überhaupt kein Interesse am Schulleben zu haben. Er weigert sich beispielsweise, sich auf dem Sportplatz richtig reinzuhängen und es ist Wochen her seit einer der Lehrer irgendeine schriftliche Arbeit von ihm bekommen hat." Der Headmaster trägt seine Tasse um den Tisch herum und nimmt auf seinem Bürostuhl gegenüber einem ratlosen Mr. Perkins Platz. "Ohje", sagt der und genehmigt sich nun ebenfalls einen Schluck. "Ich sage es Ihnen ganz ehrlich, Mr. Perkins, wenn Ihr Sohn nicht tot wäre, hätte ich ihn schon längst von der Schule geschmissen", fährt der Headmaster fort, überschlägt gemütlich seine Beine und lehnt sich ein wenig zurück. Da starrt Mr. Perkins für einige Sekunden in die Leere des Raums, als er zu realisieren scheint, was der Headmaster ihm gerade gesagt hat. Langsam erfasst sein starrer Blick den Headmaster, der die Dampfschwaden des Tees in seine Richtung pustet: "Verzeihung ... ?!" "Ja, Sie haben richtig gehört", bestätigt der Headmaster nickend. "Ich hätte ihn von der Schule geschmissen! Wenn ich keine Ausnahmeregel für den Umstand eingeführt hätte, dass Ihr Sohn verstorben ist, wäre er ganz schnell raus!" Der Headmster rollt mit den Augen - sein Blick verrät, dass er sich für seine Rücksicht etwas mehr Dankbarkeit erwartet hätte. "Tommy ist tot?!", erkundigt sich Mr. Perkins schockgeweiteter Augen. "Aber ja", raunt der Headmaster und deutet zur Decke des Raums. "Er liegt jetzt oben im Krankenzimmer ... steif wie ein Brett und hellgrün." Er richtet sich auf, die Teetasse in der Hand, und spaziert ein wenig durch den Raum. "Und das ist, so fürchte ich, typisch für seine momentane Einstellung. Nun, sehen Sie, der Junge hat überhaupt keinen Sinn dafür, sich einzubringen. Manchmal fliegt er herum, wie ein Papierball und im nächsten Moment ist er vollkommen unbeweglich ..." Aufgeblähter Nüstern fügt er an: "... und fängt an, zu müffeln." Mr. Perkins wendet sich auf seinem Stuhl dem Headmaster zu, noch immer ganz schockiert von der Nachricht über den Tod seines Sohns. "Aber ... wie ist er gestorben?!", fragt er mit weinerlicher Stimme. "Nun, ist das denn wichtig?", fragt der Headmaster überrascht. "Äh, ja ich glaube schon!", keift Mr. Perkins und greift ungehalten die Lehnen seines Stuhls. Der Headmaster schüttelt mit dem Kopf und stöhnt gelangweilt. "Na, also schön ... wissen Sie, es hat alles mit der Bibliothek zu tun. Wir hatten in letzter Zeit eine Menge Ärger mit Jungen, die Bücher aus der Bibliothek ohne Ausleih-Karte geliehen haben. Ihren Sohn haben wir in flagranti erwischt und ich so habe ich ihn mit einer Tracht Prügel bestraft, während der er verstarb." Der Headmaster ist inzwischen wieder bei seinem Bürostuhl angekommen, in den er sich sanft sinken lässt. "Aber sie werden erfreut sein zu hören, dass der Anführer der Jungen gefangen wurde", fährt er lächelnd mit besseren Neuigkeiten fort. "Ich denke daher, dass wir in nächster Zeit keine Probleme mehr mit Verstößen gegen die Bibliotheksregeln haben werden. Sehen Sie, die Ausleih-Karten ..." Doch der Headmaster kann seinen Satz nicht beenden, da Mr. Perkins ihn unterbricht. "Entschuldigen Sie, dass ich Sie unterbreche, aber ... SIE haben MEINEN SOHN zu Tode geprügelt?" "Ja, ja, so scheint es wohl. Bitte, ich bin es nicht gewohnt, unterbrochen zu werden", erwidert der Headmaster und nimmt einen Schluck Tee, ehe er an dem Punkt ansetzt, an dem er unterbrochen wurde. "Sehen Sie, das System mit den Ausleih-Karten ..." Doch Mr. Perkins unterbricht erneut und erhebt deutlich die Stimme. "WAS GENAU IST PASSIERT?!", brüllt er und springt von seinem Stuhl, sehr zur Überraschung des Headmasters, der nach Worten sucht. "Nun, offensichtlich sind Jungen in die Bibliothek eingebrochen und haben die Bücher genommen." "ICH MEINE WÄHREND DER PRÜGEL?!", brüllt Mr. Perkins. "Ach das?", sagt der Headmaster und zuckt mit den Schultern. "Nun ja, im ersten Moment hat Tommy sich über's Knie gelegt und im nächsten Moment auf den Boden, ich meine äh ..." Er wirft Mr. Perkins einen verwirrten Blick zu, als verstünde er nicht, was es da noch zu erklären gäbe. "Mr. Perkins, ich muss gestehen, ich finde Ihr morbides Interesse an dem Tod Ihres Sohnes ziemlich verstörend. Worüber ICH eigentlich mit Ihnen sprechen wollte, ist Tommys Einstellung im Unterricht." Er richtet sich abermals auf und schnalzt mit der Zunge. "Und wenn ich ganz ehrlich sein soll, kann ich allmählich erkennen, von wem er diese Einstellung hat." "Und das war Ihr einziger Grund, ihn zu Tode zu prügeln?!", platzt es aus Mr. Perkins heraus. "Dass ich ihn irgendwann einmal prügeln würde war mir vom ersten Tag an klar, als Ihr Sohn hier ankam! Ich fragte mich damals ebenso, wie ich mich jetzt frage, ob Ihr Sohn sich nicht ganz anders entwickelt hätte wenn Sie, als sein Vater, ihm schon viel früher eine gehörige Tracht Prügel verpasst hätten!" "SIND SIE GEISTESKRANK?!", schreit Mr. Perkins, reißt sich seine Brille vom Gesicht und tritt auf wenige Zentimeter Abstand an den Headmaster heran. Der verliert nun auch langsam die Fassung. "Worüber regen SIE sich eigentlich so auf?! Um das Begräbnis IHRES SOHNES organisieren zu können muss ICH nun am Mittwoch den Unterricht ausfallen lassen!" Der Schul-Gong erklingt, der Headmaster wandert wieder um seinen Schreibtisch herum. "Das ist unfassbar", murmelt Mr. Perkins kraftlos. "... einfach unfassbar..." "Oh ja, das ist es", bestätigt der Headmaster mit ruhiger, klarer Stimme. "... oder besser gesagt wäre es, wäre es denn wahr..." Er schmunzelt, sortiert einige Unterlagen - Mr. Perkins blickt hoffnungsvoll auf. "Bitte?" "Ich habe gescherzt, lieber Mr. Perkins", sagt der Headmaster schmunzelnd und streicht mit seiner Hand den Staub von einem Buchrücken. "Entschuldigen Sie mir doch bitte meinen seltsamen, akademischen Sinn für Humor. Ich habe Sie ein bisschen an der Nase herumgeführt." "Oh großer Gott", sagt Mr. Perkins grinsend und lässt sich auf den Stuhl niedersinken, während der Headmaster prustend fortährt. "Ich würde niemals den Unterricht wegen diesem kleinen Drecks-Balg ausfallen lassen!"