Rußland von seiner Sonnenseite
Man hat es als russischer Einwanderer hierzulande nicht gerade leicht - noch dazu, wenn man den Job eines Fußballtrainers ausüben will. Nach zahlreichen erfolglosen Verhandlungsgesprächen packte ich also meine Koffer (im Gepäck meinen CM 03-04 version 4.1.3 mit mittlerer Datenbank, versteckten Spielerattributen und dem Wagnis, das Ganze auf einem P III mit 500 MHz zu spielen) und verließ das deutschsprachige Mitteleuropa, um mein Heil in der ehemaligen Heimat zu suchen.
Als junger Trainer weht einem auch hier ein kräftiger, eisiger Wind entgegen, so dass wohl nur eine Anstellung bei einem Verein der zweiten Liga in Frage kommt. Demnach schickte ich an sämtliche Bosse mein Bewerbungsschreiben mitsamt Kopie meiner Zeugnisse, für die ich mich keineswegs zu schämen brauchte.
Als erstes meldete sich Präsident Y. Makhosvili von Volgar-Gazprom Astrakhan. Hm, dachte ich mir - weder Ort noch Klub sagen mir etwas, doch was soll's; wozu noch länger warten und auf gings nach Astrakhan. Astrakhan liegt im Süd-Westen Russlands im Wolgadelta, wo es rund 600.000 Einwohnern Wohnort ist - weitere 500.000 leben im Gebiet rund um Astrakhan. Also ein beeindruckendes Einzugsgebiet - wäre doch gelacht, wenn man da keine Menschenscharen anziehen könnte.
Die Menschen in der Region leben vom Fischfang, der Landwirtschaft, dem Tourismus und der Erdgas- und Erdölgewinnung. Der Mittelpunkt der Stadt ist der Astrakhaner Kreml. Viele kleine und große Flüsse prägen das Bild der Stadt. Es gibt viele alte Steinbauten, aber gerade Einfamilienhäuser sind häufig aus Holz. Das Gebiet Astrakhan umfasst ca. 44.100 Quadratkilometer. Im Norden befindet sich die Steppe, im Süden das Kaspische Meer. Die Vielfalt und Unterschiedlichkeit der Pflanzen und Tierwelt prägen die Landschaft.
Nach einem Gläschen Wodka, das mir der Präsident anbot, lud er mich dazu ein, das Vereinsgelände zu besichtigen. Ich war erstaunt: das Zentralstadion von Astrakhan konnte bis zu 30.000 Fans beherbergen, davon 10.000 im Sitzen. Zudem verfügte das Stadion über eine Rasenheizung. Doch die Äußerlichkeiten täuschten über die finanzielle Lage des Vereins hinweg, wie mir der Präsident wie folgt zu erklären versuchte:
"Wissen Sie Herr Bulba, die Erhaltung einer derartigen Sportstätte - noch dazu bei einer geringen Auslastung - belastet das Budget doch sehr. Seien Sie also nicht enttäuscht, wenn wir Ihnen in absehbarer Zeit keinerlei Wünsche finanzieller oder personeller Natur erfüllen können. Im Gegenzug dafür haben wir auch die sportlichen Ansprüche zurückgeschraubt und erwarten von Ihnen lediglich, dem Abstiegskampf zu entrinnen."
So weit so gut: mir galt es hier vorerst einmal ohnehin nur Erfahrung zu sammeln, um später dann bei großen renommierten Clubs der Kaiser genannt zu werden. Doch wer weiß, vielleicht würde es mir auch so ergehen, wie meinem Onkel, der ebenfalls vor vielen Jahren auszog, um einen kleinen Verein - ich glaube Elversberg - von den Tiefen der Regionalliga bis hin zur Champions League zu führen. Anno dazumal wollte er nach dreijähriger Anstellung schon das Handtuch werfen, da nach dem Aufstieg in die 2. Liga der Präsident nach wie vor über die Maßen knausrig war mir Spielergehältern, so dass man nur mit viel Mühe ein schlagkräftiges Team auf die Beine stellen konnte. Ganz zu schweigen von den ausbleibenden Zuschauern. Selbst bei Spitzenspielen gegen Bayern München, dann schon in der Bundesliga, kamen gerade einmal 2.000 Leute. Und trotzdem er ist geblieben - nicht zuletzt deshalb, weil er dort die Liebe seines Lebens fand. Ob die mir auch in Astrakhan über den Weg läuft?
Doch zurück in die Gegenwart: von einem bestimmten Blickwinkel betrachtet, sah meine Mannschaft ganz gut aus. Und das war von der rechten Seite her betrachtet: nahezu alle meine Leistungsträger sind auf der rechten Seite am besten aufgehoben. Doch wie es um ihre Klasse im Vergleich zu den anderen Mannschaften der zweithöchsten Spielklasse in Rußland bestellt war, musste ich noch herausfinden.
Als erstes suchte ich das Gespräch mit meinen vermeintlichen Leistungsträgern. Da war zum Beispiel mein Abwehrchef Volodymyr Matsygura (LI/V/DM RLZ), ein 28-jähriger Ukrainer, der auf nahezu sämtlichen defensiven Positionen seine Leistungen abrufen könnte. Auf der rechten, defensiven Außenbahn gefiel mir Andrey Panferow (DM R) auf Anhieb sehr gut. Mit seinen 23 Jahren zählte er zur jüngeren Garde meiner Mannschaft und war zum Glück auch Russe, da man in unserer Lige nur mit drei Ausländern auflaufen durfte. Ebenfalls auf dem rechten Flügel - nur offensiver - käme Paulo Emilio (OM/S R) zum Einsatz, von dem die gesamte Mannschaft große Stücke hielt. Der 31-jährige Brasilianer war nicht der einzige seiner Nation in unserem Kader. Von seinem Landsmann Washington erwartete ich mir jedoch weniger und überlegte, ihn eventuell schon jetzt auf die Transferliste zu setzen, um einen zusätzlichen Ausländerplatz freizuschaufeln. Aber ich wollte mir erst mal seine Leistungen in den Testspielen ansehen. Hoffnungen setzte ich auch in Gurban Gurbanow (T Z), einem routinierten Torjäger aserbajdschanischer Abstammung (zum Glück mit russischem Pass), der mit seinen 31 Jahren 45 Länderspiele für Aserbaidschan bestritten hatte.
Was den Kader betraf, so sah ich vor allem Handlungsbedarf auf der linken und zentralen Abwehrseite und im zentralen Mittelfeld. Eventuell würde ich ja auch noch über einen defensiven Mittelfeldspieler und einen weiteren Stürmer stolpern - auch ein Co-Trainer würde sich an meiner Seite nicht schlecht machen, wenngleich ich schnell einsehen musste, dass sich meine Anforderungen und die Gehaltsforderungen derjenigen, die sie erfüllten, nicht um die Burg decken wollten.
Am Transfermarkt suchte ich emsig nach adäquaten ablösefreien Spielern. Ins Aug stieß mir dabei Vladislaw Ternavskiy (V LZ/RUS/34), der bereits sieben Länderspiele absolvieren konnte und eine echte Verstärkung werden konnte. Leider scheiterten meine Bemühungen bei ihm ebenso kläglich wie bei Oleg Simakov (M LZ/RUS/28 ). Mehr Glück erhoffte ich mir bei einem Spieler, den mir mein Scout vorschlug, den ich auf Talentsuche geschickt hatte. Es handelte sich um Andrey Sergeev (M Z), einem 21-jährigen Russen, der noch bei Shchelkovo unter Vertrag war, aber um einen Ablösesumme von 0,- zu haben wäre. Er könnte mein Team in die Breite verstärken - ein Leistungsträger wäre er aber nicht. Des Weiteren streckte ich meine Fühler nach dem 17-jährigen Kamatulin Akhmedow (V RLZ) aus, der auf der Leihspielerliste von Spartak Moskau stand.
Während sich die Entscheidungen um mögliche Wechsel wie ein Brei dahinzogen, konnte ich einige Testspiele fixieren, die in nächster Zeit anstehen sollten. Zudem fiel mir auf, dass Ligakonkurrent SKA Khabarovsk mächtig am Spielermarkt tätig war. Auch viele Leihspieler wechselten von der ersten in die zweite Liga - teilweise sogar für lediglich drei Monate.