Nach dem fantastischen Sieg gegen Jablonec stand der Auftakt der neuen Ligasaison kurz vor der Tür, die Spielplanmachenden hatten für die Zuschauer ein besonderes Bonbon parat. Anlässlich des TV-Deals werden wir wie in den letzten Jahren üblich die Saison eröffnen, aber unser Gegner wird kein geringerer sein als unser ,,ewiger“ Rivale Fuglafjordur eine äußerst schwerer Auftakt, jedoch haben wir den Vorteil, dass wir bereits voll im Saft stehen und auch die B-Elf bereits ein Pflichtspiel absolvierte.
Am Freitagabend also zwei Tage vor der Partie wurde ich anlässlich einer TV-Dokumentation, des färöischen Fernsehsender SvF, über den Aufstieg des MB Midvagurs von einem, selbst für färöische Verhältnisse, irrelevanten Clubs zu einer nationalen Großmacht und zu einem international beachteten Verein, für ein Fernsehinterview eingeladen.
,,Sehr geehrte Damen und Herren, aktuell produzieren wir eine Dokumentation in Spielfilmlänge über den Verein unseres heutigen Interviewgastes. Im Rahmen dessen werden einige Passagen der heutigen Sendung als eine Art Leitfaden für die Doku genutzt werden. Doch nun begrüßen Sie mit mir den größten Trainer der färöischen Club-Geschichte, den Trainer von MB Midvagur.
Grinsend betrete ich das Podium und verbeuge mich ob des Applauses der Zuschauer.
,,Vielen Dank für die Blumen, als größten Trainer des färöischen Club-Fußballs möchte ich mich eigentlich nicht bezeichnen, aber aufgrund der Resultate in den letzten Jahren muss ich dieser Tatsache wohl doch langsam ins Auge sehen. Aber genug von Selbstlob und Lobhudeleien, es freut mich, dass ich heute hier zu Gast sein darf und noch mehr freut es mich, dass eine Dokumentation über diesen fantastischen Club gedreht wird.“
Interviewer (I): ,,Wir haben zu danken, dass Sie in dieser kurzen Zeit zwischen Conference League und Ligaauftakt die Zeit für uns gefunden haben. Im Rahmen des heutigen Interviews möchten wir aber eher weniger auf die aktuelle Zeit sondern vielmehr auf die letzten 19! Jahre mit Ihnen an der Seitenlinie des MB Midvagur zurückblicken.“
,,Wir spielen aber am Sonntag gegen Fuglafjordur, da würde ich grundsätzlich gerne wieder an der Trainerbank sitzen. „ (lacht)
I: ,,Dann fangen wir doch mal an, es wurde immer wieder aufgegriffen und in einer deutschen Zeitung haben Sie die Frage meines Wissen nach schon einmal beantwortet aber nochmal für das Publikum, wie kam es, dass Sie zum einen auf den Färöern landeten und wieso wurden Sie Trainer?“
,,Kurz gesagt, ich war hier im Urlaub, als ich mich vor der Rückreise mit Corona infizierte und daraufhin aufgrund der Folgen meiner Erkrankung nicht zurück nach Deutschland reisen konnte. Somit lebte ich meinen Alltag hier und arbeitete sogar dem Homeoffice sei Dank von hier, das Geld wurde also nicht knapp. In meiner Freizeit besuchte ich diverse Fußballplätze und landete irgendwann bei MB und schaute regelmäßig die Spiele. Irgendwann wurde ich vom kritisierenden Zuschauer zum Co-Trainer befördert und als der ehemalige Trainer Kristoffer Kvistgaard sein Amt niederlegte wurde ich quasi über Nacht zum Trainer eines Viertligisten. Da ich ein Ehrgeiziger Mensch bin wollte ich schnellstmöglich nicht mehr Trainer eines Viertligisten, sondern eines Drittligisten sein, dementsprechend forsch rief ich den Aufstieg als Ziel aus.“
I: ,,Vielleicht etwas zu Forsch, denn es dauerte drei Jahre, bis Sie ihr System gefunden hatten und auch tatsächlich Aufstiegen. Haben Sie aufgrund der ganzen Erfolge in den letzten Jahren überhaupt noch Erinnerungen an die Zeit?“
,, Ja die habe ich, bis heute ist die Zeit für mich ein Mahnmal daran, dass ein Schritt nach dem nächsten erfolgen muss und das man allem Ehrgeiz zum Trotz sehr schnell eine blutige Nase kassiert, wenn man das nicht beachtet. Der Aufstieg nach drei Jahren war eine wirkliche Befreiung, ehrlich gesagt hatte ich schon große Zweifel als ich in meinem ersten Jahr nichts auf die Reihe kriegte und uns im zweiten Jahr in der Aufstiegsrunde blamierten. Aber mit dem Aufstieg schein eine neue Euphorie im Club entfacht.“
I: ,,So schien es auch auf der Insel wahrgenommen zu werden, denn nur 3 Jahre nach ihrem Aufstieg in Liga Drei standen Sie und ihr Team auf einmal mit den großen Clubs des Landes in der ersten Liga. Dort lief Anfangs auch alles gut und nach einem Saisondrittel schien es so, als würden sie aller Prognosen zum Trotz die Klasse halten. Am Ende stand jedoch der bittere Gang in Liga 2. Wie hat der Abstieg ihre Karriere beeinflusst?“
,,Der Abstieg war irgendwie konsequent, als Club waren wir noch nicht so weit. 2 Aufstiege in 4 Jahren waren einfach zu viel des guten. Irgendwann war der Kader einfach nicht auf dem nötigen Niveau, insbesondere weil mir und auch dem jungen Team die reife und Erfahrung fehlte. Das dritte Jahr in der zweiten Liga sorgte auch dafür, dass wir erstmals in meiner Karriere als Aufstiegsfavorit in eine Saison gingen. Dies war natürlich eine andere Art Druck sorgte aber auch dafür, dass ich in den letzten Jahren den Fokus in der Liga nicht verlor, denn nur als gejagter kann man alles Verlieren.“
I: ,,Philosophische Worte von Ihnen, wieder Aufgestiegen in die erste Liga dauerte es nicht lange, bis es Sie sich anschickten Europa zu erobern, doch Anfangs wollte auch das nicht gelingen. Dachten Sie, dass das Ende der Fahnenstange mit dem Club erreicht war?“
,,Ehrlich gesagt dachte ich das nicht, mir war klar, dass wir selbst gegen vermeintliche Underdogs die Außenseiter sein würden und wir in den ersten Jahren nicht besser oder schlechter als andere färöische Clubs abschneiden würden. Aber wir hatten eine klare Vision wie wir die Einnahmen nutzen wollen. Jedoch war uns auch klar, dass wir zumindest Meister werden müssen, damit wir wenigstens 4 Spiele respektive 2 Quali-Runden haben um Einnahmen zu generieren. Durch unsere klare Struktur, die punktuellen Verstärkungen der Mannschaft und unsere ehrgeizige Vision gepaart mit klugen Finanzentscheidungen konnten wir uns auch recht schnell als Dauergast der Europa-Conference League Gruppenphase etablieren und stehen dieses Jahr zum dritten mal in der KO-Runde und haben erstmals die Möglichkeit als erste färöische Mannschaft ein Viertelfinale eines europäischen Wettbewerbes zu erreichen. Wir können als Verein noch viel erreichen.“
I: ,,Das stimmt, sie haben in den letzten Jahren seit ihrem Aufstieg viel erreicht nicht nur für den Club sondern auch für die ganze Liga, nimmt man denn nach den ganzen Meisterschaften in den letzten Jahren als Dauermeister die Liga noch ernst oder langweilt es sie, am Wochenende auf den eher kleinen Plätzen des Landes zu spielen und würden sie sagen, dass ihre Dominanz dem Fußball des Landes schadet?“
,,Ich nehme die Meisterschaft immer ernst, natürlich muss ich unsere Dominanz in der Liga anerkennen und weiß auch, dass ich eine Mannschaft für Europa und quasi eine für die Liga habe das heißt aber nicht, dass die Jungs schlechte Kicker sind oder ich meine Gegner nicht ernst nehme nur aufgrund des häufigen drei Tage Rhythmus möchte ich natürlich, dass alle Jungs die spielen 100% fit sind um volle Leistung zu bringen denn ich möchte jedes Spiel gerne gewinnen. Zum zweiten Teil der Frage antworte ich kurz Nein sie schadet nicht. In langer Ausführung meine ich mit dieser Antwort, dass unsere Dominanz in der Liga nur aufgrund unsere finanziellen Vorsprunges, welcher aus den Europapokaleinnahmen hervorgeht, möglich ist. Diese Europapokaleinnahmen sorgen jedoch auch dafür, dass wir in den letzten Jahren mindestens die Gruppenphase der Conference League erreicht haben und somit auch den Koeffizienten dieses Landes deutlich verbessert haben. Das hat zur Folge, dass nächste Saison alle Clubs, welche europäisch spielen in der 2. Runde der Conference League Quali einsteigen und was viel wichtiger ist, der neue TV-Vertrag der Liga ist natürlich auch zu Teilen dem gestiegenen Interesse am färöischen Fußball aufgrund unserer Europapokalreisen zu verdanken. Alle Vereine der Betri haben 4,2 Millionen erhalten, das ist auch für uns eine verdammt große Summe. Das heißt unsere Dominanz hat dafür gesorgt, dass die Lücke der letzten Jahre eher kleiner denn größer geworden ist, sofern professionelle Teams wie Gota oder Fuglafjordur weise mit dem Geld umgehen und konsequent einen nachhaltigen Weg verfolgen. Dann bin ich überzeugt, dass wir in den nächsten 3-4 Jahren vielleicht auch 2 oder gar 3 färöische Teams in Europapokalgruppenphasen haben werden.“
I: ,,Große Worte und vor allem große Forderungen an die Konkurrenz. Erlauben sie mir noch eine Frage bevor unsere Sendezeit vorbei ist. Welche Ziele und Träume als Trainer haben Sie und wie lange werden sie noch Trainer von MB sein?“
,,Wie lange ich noch Trainer bei MB sein werde kann ich nicht sagen, ich möchte hier aber eigentlich nicht weg, die Angebote aus dem Ausland werden zwar immer mehr und immer besser, aber hier kann noch etwas größeres entstehen. Meine Ziele sind vor allem, dass wir es wieder öfter schaffen eigene Jugendspieler in die erste Mannschaft zu integrieren und vielleicht auch mal wieder 2-3 Jungs aus der Jugend als Stammspieler zu haben. Sverri Olsen habe ich ehrlich gesagt großes zugetraut aber er wollte zu unserem Leidwesen seinen Weg im europäischen Ausland gehen, das traue ich ihm auch definitiv zu. Niels Sorensen ist seit Jahren auf Links nicht mehr wegzudenken aber auch sonst haben wir definitiv ein paar Talente die den Sprung schaffen können. Insbesondere Aki (Fuglo) kann wenn er so weiter macht in den nächsten Jahren eine große Rolle im Verein spielen, das weiß er auch selber und arbeitet dafür jede Trainingseinheit sehr hart.“
I: ,,Da sind doch schöne Aussichten. Den Teil der Träume haben sie jedoch noch nicht beantwortet.
,,Mein größter Traum ist, einmal ein Champions-League Gruppenphasenspiel in unserem eigenen Stadion zu spielen. Letzten Sommer fehlte für den ersten Teil nicht wirklich viel, da wollen wir wieder hinkommen und auch den letzten Schritt gehen. Mit unserem Stadion geht es leider nicht voran, den selbst kleinste Erweiterungen werden seitens der Baubehörde abgelehnt, für mich ist das unverständlich und ich hoffe inständig, dass es irgendwann möglich ist, dass wir unser eigenes Stadion besitzen, welches die UEFA Kriterien der Kategorie 4 erfüllt. Bis dahin ist es jedoch noch ein langer Weg und den möchte ich gemeinsam mit diesem Club gehen.“
I: ,,Das klingt ja fast nach einem Treuebekenntnis für die nächsten 10 Jahre. Vielen Dank für dieses ausführliche Interview und einen schönen Abend liebe Zuschauer und Zuschauerinnen.
Nach dem Interview wurde ich vom Moderator (einem glühenden Anhänger/Mitglied von HB Tórshavn) noch zu einem Essen eingeladen um dabei noch ein wenig über Fußball und die färöische Liga zu fachsimpeln. Doch ehrlich gesagt konnte ich mich nur halbherzig auf das Gespräch konzentrieren, denn gegenüber von mir am Nachbartisch saß eine mir mittlerweile recht bekannte Dame, welche auf den Namen Kristina hörte, dies bemerkte mein gegenüber lachend ,, Kristina hat es ihnen aber angetan, wenn Du möchtest können wir auch gerne 5 Minuten unterbrechen und du redest kurz mit ihr.“
Als ich ihren Namen aus dem Mund meines Gastgebers hörte war ich vollkommen perplex, dies schien man mir auch anzumerken. ,,Dafür, dass du schon so lange hier lebst scheinst du dich echt schlecht auszukennen, hier in Tórshavn leben 13.000 Menschen natürlich kennt sich hier gefühlt jeder über zwei Ecken. Kristina ist die Nichte meines besten Freundes. Also los reden sie mit ihr.“
Langsam stand ich auf und ging ein wenig nervös zum Nachbartisch. Ich weiß nicht warum ich so nervös war, aber es ist schon lange her, seitdem ich von einer fremden Frau auf so eine Art fasziniert war. Dementsprechend bin ich mir auch gar nicht so ganz sicher, wie ich es geschafft habe mit ihrer eingespeicherten Nummer mich wieder an den Tisch zu meinem Gesprächspartner zu setzen.
I: ,,Oh man da stellt sich eine Kuh auf dem Eis ja eleganter an als du, wenn ich das mal so sagen darf. Wie kann ein international Angesehener Trainer so nervös sein, wenn es darum geht die Telefonnummer einer Frau zu bekommen.“
,,Es scheint als wäre ich ein wenig aus der Übung, doch kommen wir bitte wieder auf unser Gespräch zurück. Wo waren wir stehengeblieben? Ach ja HB Tórshavn, in den letzten Jahren wurde wenig richtig gemacht. Diesem Verein würde es gut tun sich wieder eine nachhaltige Vision zuzulegen und sich treu an diese zu halten ohne den kurzfristigen Erfolg zu jagen.“
I: ,,Das sehe ich auch so. Ehrlich gesagt habe ich auch schon probiert eine Vision vorzustellen, doch zuhören will man mir nicht auch jetzt nach dem Abstieg. Der kurzfristige Erfolg steht im Vordergrund.“
,,Was sah ihre Vision denn vor?“
I,, Eigentlich relativ einfach, aufgrund des TV-Vertrages wäre mein Ziel der sofortige Wiederaufstieg mit Leihspielern u.a von MB, wie Klaksvik damals. Dann im ersten Jahr der ersten Liga konsolidieren und das Geld einnehmen, davon einige talentierte Spieler kaufen und in 3-4 ältere Säulen der Mannschaft investieren. Die restlichen Millionen sollen in den Nachwuchs investiert werden. Die Startelf sollte wieder mit Leihspielern von MB aufgefüllt werden und dann die eigenen (gekauften) Talente nach und nach an die Mannschaft ranführen, sodass in der zweiten Erstligasaison ein Teil der Spieler die Leihspieler ersetzen kann. Dann kauft man wieder (ausländische) Talente und investiert weiter in Nachwuchs und Scouting, sodass die Leihspieler in der 3. Saison maximal 2-3 Positionen im Kader ausmachen.“
,,Genau so müsste es eigentlich laufen, es müsste natürlich noch ein wenig detaillierter sein, aber es wäre ein möglicher Weg zeitnah wieder eine Top5 Mannschaft der Liga zu werden. Ich hoffe sie werden im Verein Fürsprecher finden.“
Nach und nach neigte sich das Gespräch dem Ende und gegen 23:30 stieg ich ins Taxi und fuhr nach Hause.
Den Freitag verbrachte ich neben dem Training vor allem damit, eine Aufstellung gegen Fuglafjordur zu überlegen, da ich aufgrund der engen Spiele im Europapokal nicht von einem sicheren Weiterkommen ausging, entschied ich mich trotz des Risikos eines Fehlstartes die B-Elf aufzustellen.
Die Gastgeber der heutigen Partie erkennen unsere Dominanz mittlerweile gnadenlos an und vom Titel spricht dort keiner mehr, einzig das man uns den Saisonauftakt vermiesen möchte ist das Ziel. Doch die Partie beginnt eher ruhig mit wenigen Chancen in der 18. Minute fällt Schou Ziegeler im Strafraum ein Abpraller vor die Füße, welchen er ins lange Eck zur Führung schießt. Doch mehr passiert im ersten Durchgang nicht, die Partie ist nichts für Fußballfeinschmecker. Auch der zweite Spielabschnitt wurde nicht besser. Doch in der 74 Minute wäre nach einem Freistoß von der Mittellinie fast der Ausgleich gefallen, denn Moreno irrlichterte im 16er rum kam nicht an den langen Schlag und der Spieler von Fuglafjordur konnte ins leere Tor einköpfen. Glücklicherweise stand der Torschütze deutlich im Abseits und das Tor zählte nicht. Am Ende stand ein glanzloser 1:0 Sieg auf der Habenseite.
Mit breiter Brust traten wir die Reise nach Tschechien an, denn das Conference League Viertelfinale ruft. Damit gar keine Zweifel aufkommen wollten wir ein frühes Tor erzielen. Dieser Plan ging auch vollkommen auf, denn nach etwa 90 Sekunden zappelte der Ball im Netz, Bankole ist der Torschütze. Der Mut der Hausherren war sofort gebrochen und das Spiel plätscherte so vor sich hin. Wir hatten zwar noch ein paar (gute) Torchancen doch ein weiteres Tor wollte nicht mehr fallen. Das 2:0 von Barthel kurz vor Schluss zählte aufgrund einer Abseitsstellung jedoch nicht. Am Ende ziehen wir mit 4:0 nach Addition ins Viertelfinale ein, ein Riesen Erfolg für uns als Club.
Unser Viertelfinalgegner wird der türkische Vertreter Antalyaspor, ich erwarte zwei umkämpfte Partien.
Drei Tage nach dem historischen Erfolg müssen wir in der Liga gegen HB ran. Ein Sieg ist in dieser Partie auf jeden fall Pflicht. Dieser Sieg wurde es nicht Schou Ziegler besorgt nach 52 Minuten per Traumtor die Führung doch wie im letzten Spiel macht Moreno einen Fehler, welcher diesmal bestraft wird. Am Ende steht es 1:1.
Nach dieser Partie geht es erstmal für 3 Wochen in die Länderspielpause.