Zunächst mal, die WM hätte nie nach Katar vergeben werden dürfen. Die Gründe dafür sind breit bekannt. Neben den Menschenrechten gibt es da dann ja noch viele Sachgründe. Die Vergabe war vor 12 Jahren und die nationalen Verbände hatten genug Zeit, dort mehr Druck zu machen. Spätestens 2015 als Blatter erst wiedergewählt wurde, ein paar Tage nach den Festnahmen und dem aufdecken der Korruption, wäre es der Zeitpunkt gewesen hier Druck zu machen.
Jetzt auf die einzelnen Sportler Protestaktionen abzuwälzen und diese für Nichtdurchführen zu kritisieren ist sehr einfach dahin gesagt. Für einen Fußballer ist die WM nun mal das Größte. Trotz CL usw. alle (die deutliche Mehrheit) antworten, wenn sie gefragt werden, dass die WM das Größte ist. Da lapidar zu sagen in 4 Jahren ist die nächste, funktioniert in der Realität doch nicht. Beispiel Reus. Füllkrug wird wahrscheinlich auch keine weitere WM spielen usw. Also individuell gesehen können die meisten Fußballer nicht per se davon ausgehen, dass sie mehrere Weltmeisterschaften in ihrem Leben spielen werden. Umso kleiner die Nation ist, desto unwahrscheinlicher wird es. Denn da wird es nicht nur fraglich zum Kader zu gehören, sondern sich überhaupt zu qualifizieren. Hier also die einzelnen Spieler zu kritisieren, dass sie überhaupt teilnehmen oder beim Androhen "willkürlicher" Sanktionen "einzuknicken", finde ich hart. Auch zu sagen, dann kriegt Neuer zwei mal gelb und im dritten Spiel spielt halt ter Stegen. Ja, im großen gesehen ist das einfach zu sagen, individuell wird es schwieriger. Zudem hängt man erstmal in der Spirale und den Regeln drin als einzelner Fußballer. Die Situation ist doch so verfahren, du musst ja als Einzelner fast damit rechnen, dass dir die FIFA nachher grundsätzlich die Spielerlaubnis entzieht und deine Karriere ist vorbei. Auch mit Klagen usw., erstmal bist du raus! Da finde ich die Lösung der deutschen Mannschaft mit der Hand vor dem Mund noch sehr gelungen! Andere die die Binde tragen wollten, haben gar nichts gemacht! Und da kommen wir ins noch größere Bild.
Wie funktioniert Solidarität? Solidarität basiert auf absolutem Vertrauen, dass eben keiner einen Rückzieher macht. Und dieses Vertrauen war Nationenübergreifend scheinbar schon nicht gegeben. Dann als einzelner Verband seinen Spielern die Entscheidung abnehmen und diese übergehen kannst du auch nicht. Als einzelner Fußballer auf die WM zu verzichten, dann wird halt ein anderer nominiert. Auf den einzelnen runtergebrochen ist die Situation einfach scheiße und die Diskussion ist eben viel zu spät! Und wenn man dann noch Politiker hört, die vor einigen Monaten selbst vor dem Emir niederknien und nun erzählen die Nationalspieler müssten mehr tun...wow!
Dann muss man das Thema auch mal global betrachten. Die Weltwirtschaft, der Weltfußball ist historisch sehr "westlich" geprägt und entwickelt. Der "Westen" verliert seine globale Dominanz jedoch zusehends und somit sinkt auch sein Einfluss global die Richtung vorzugeben. Wen interessiert denn global gesehen, diese Diskussion um die WM ähnlich wie sie hier geführt wird? Die WM wird von 4-5 Mrd. Menschen weltweit verfolgt. Wenn da 20 Mio. deutsch und vielleicht 100 Mio. Europäer boykottieren, interessiert das die FIFA und Katar nun mal nicht! Für die klingeln die Kassen trotzdem! Angenommen Budweiser springt jetzt ab, dann kommt halt als nächstes ne chinesische Biermarke...
Die Doku FIFA uncovered zeigt es doch auf, dass die FIFA seit 1974 und Adi Dassler so funktioniert. Und nicht nur die FIFA, immer wieder werden doch mal Fälle von Korruptionen in Politik und Wirtschaft (Kartellabsprachen) aufgedeckt. Und die FIFA hat das System perfektioniert. Blatter selbst kommt ja bei FIFA uncovered zur Sprache und er selbst gibt ja zu, dass er selbst am Ende nicht abtreten wollte, weil er "wichtig" war. Diese Macht die man da hat. Der dachte er könnte Israel/Palästina befrieden... Die leben da in einer komplett anderen Welt und verlieren mit der Zeit einfach jeden Realitätsbezug. Und es ist halt völlig normal (indirekte) Korruption zu betreiben, weil es historisch tatsächlich so funktioniert hat und heute zum Teil immer noch so funktioniert.
"Gib mir deine Stimme und ich gebe dir nach der Wahl Entwicklungsgelder." Politik funktioniert ja ähnlich/genauso. "Gib mir deine Stimme und die Rente/das Bürgergeld steigt." Ob das für die Gesamtorganisation (FIFA / Land) das richtige ist, ist nachrangig. Hauptsache ich bleibe/komm erstmal an die Macht.
Schon die WM 1978 in Argentinien wurde in einer Militärdiktatur durchgeführt und es gab Boykottaufrufe, die verhallt sind.
Warum drückt Scholz den Hafendeal durch, obwohl sein ganzes Kabinett diesen stoppen will? Einerseits gab es evtl. einen point of no return oder es gibt auch Faktoren die dafür sprachen. Große Teile des Kabinetts sahen das ja aber scheinbar anders. Da fragt man sich schon, ob Herr Scholz nun nicht auch ein Konto in der Karibik hat.
In Deutschland werden gerade wichtige innenpolitische Dinge beschlossen, aber zu 99% dominiert die Frage nach der Binde. Das Volk mit Brot & Spielen abzulenken funktioniert also immer noch.
Im Kern will ich eigentlich nur für den einzelnen Sportler/Fußballer in Schutz nehmen und darstellen, dass Problem a) tiefer und b) auf anderer Ebene liegt. Die Macht in der Welt hat sich verschoben und verschiebt sich weiter. Momentan eben leider etwas weg von demokratischen Strukturen. Einfach akzeptieren darf man das natürlich nicht!
Vielleicht ist ja jetzt endlich ein Point of no return bei der FIFA erreicht und es kommt entweder zur Reinigung oder es gibt eine Abspaltung. Doch auch dann wird sich die Frage stellen, wie würde diese neue Organisation sich aufstellen und organisieren? Um die 200 Nationen demokratisch einzufangen und abzubilden ist eben auch nicht einfach. Wenn sich die großen Player da dann wieder mehr Stimmrechte einräumen und über die Köpfe der kleinen Nationen hinwegbestimmen, ist das eben auch nicht demokratisch und zukunftsfähig. Die FIFA müsste eben transparent mit externer/"polizeilicher" Hilfe aufgeräumt und in der Führung demokratischer aufgestellt werden. Der Präsident darf gar nicht die Macht haben zu entscheiden wie Mittel verteilt werden. Das müsste festgeschrieben werden und dann kann ich nicht auf Stimmenfang gehen wo Kleinstnationen Geldversprechungen gemacht werden, die dann am Ende doch teilweise in privaten Taschen enden, weil auch nicht geprüft wurde ob das Geld für das verwendet wurde wofür es gedacht wurde. Denn so konnte Blatter sich eben hinstellen und sagen, er hat nie jemanden bestochen. Hat er wahrscheinlich direkt nämlich auch nicht!