Hinteregger ist ein Typ Mensch, den eigene Fans grundsätzlich als Teil ihrer Mannschaft schätzen. Diese Art von Spielern kann man dadurch charakterisieren, dass sie sich aufreiben im Spiel, dass sie an physische Grenzen gehen beim Spielkontakt mit gegnerischen Spielern und dass ihnen das Herz meist auf der Zunge liegt. Solange diese Äußerungen (egal ob verbaler oder nonverbaler Natur) dabei im gesellschaftlich akzeptierten Rahmen bleiben, ist alles in Ordnung, auch wenn man als gegnerischer Fan solche Spieler stets verabscheuen würde, weil sie meist mit ziemlich dreckigen Tricks in der Zweikapfführung arbeiten usw.
Nun haben wir Hinteregger jedoch das Problem, dass er sich in eine rhetorische Sackgasse manövriert hat und seine Ignoranz gegenüber der Problematik kaum zu leugnen ist. Ich würde von ihm gern den Bogen zu den "großen" Problemen dieser Gesellschaft schlagen und seinen Fall als Sinnbild für problematische Verhaltensweisen bezeichnen.
Niemand von uns hat ein professionelles Training im Umgang mit Journalisten erhalten. Jeder von uns hat sich sicher schon einmal unbedacht geäußert oder Dinge vom Stapel gelassen, die fragwürdig sind oder die massive Kritik nach sich gezogen haben. Was passiert im besten Fall? Wir gehen auf die Vorwürfe ein, räumen Fehler ein und idealerweise bitten wir um Entschuldigung, wenn wir uns einen Fehler geleistet haben.
Hinteregger hat jedoch mit Sicherheit Erfahrung im Umgang mit Journalisten, auch hat er Berater, die ihn (nicht nur) in Medienfragen beraten können. Seine Außendarstellung ist in diesem speziellen Fall lausig und die Schuld bei der Presse zu suchen - die genau das tut, was sie tun soll (kritisch und objektiv recherchieren und der Öffentlichkeit diese Informationen präsentieren) - genau diese Kritik an der Presse ist etwas, was ich als symptomatisch erachte für immer mehr Menschen in unserer Gesellschaft. Statt einen Fehler einzugestehen und um Entschuldigung zu bitten, wird direkt jemand anderem ein Vorwurf gemacht. Statt den Kontakt mit Freunden, Beratern und in diesem Fall dem Arbeitgeber Eintracht Frankfurt zu suchen, wird ein mediales Schwarzer-Peter-Spiel inszeniert. Das ist eine sehr negative Entwicklung, die mich traurig stimmt.
Ist daran die Ich-Bezogenheit in sozialen Netzwerken hier der ausschlaggebende Faktor? Liegt es am Wegfall sozialer Begegnungspunkte, teilweise verursacht durch die Pandemie, teilweise verursacht durch einen Rückzug der Zivilgesellschaft aus dem Leben vieler Menschen?
Nun klingt das sehr pessimistisch und ich frage mich, was man dagegen tun kann. Sicher kann Schule dazu beitragen, eine gesündere Debattenkultur vorzuleben. Sicherlich kann man dort auch lernen, sich selbst Auszeiten von sozialen Medien zu nehmen. Sicherlich kann man auch kritische Quellenanalyse lehren, das geht durchaus auch spielerisch. Das behebt aber nicht das Problem bei denjenigen, die nicht mehr zu Schule gehen. Wir müssen einander dazu bewegen, uns zuzuhören und unsere Sorgen ernstzunehmen. Twitter und Co. sind dafür momentan nicht der richtige Ort in meinen Augen, zu vergiftet ist dort die Stimmung. Ein Diskurs vor Ort in der Gemeinde, in der Stadt, das könnte klappen, nur müssten sich dazu mehr Bürger einen Ruck geben, um sich wieder einzubringen. Ich meine gar keine groß angelegten Wahlkampagnen, sondern vielmehr das Zusammenkommen bei Bürgerforen o.ä. Nicht mit dem offenen Messer in der Tasche, sondern mit dem Willen, eigene und fremde Standpunkte auszutauschen. Am Ende wird man feststellen, dass man bei vielen Themen gar nicht so weit auseianderliegt.
Sorry, wenn ich hier etwas abgeschweift bin.