Intro
Wo in unserem Leben sind wir eigentlich falsch abgebogen, dass wir uns auf diese Schnapsidee eingelassen haben. Wir befinden uns vor einem rustikal dreinblickenden Vereinsheim und stellen uns die Frage: „Verdammt, will ich das wirklich?“ Vor einer Woche klang das in unserem Kopf noch nach einer super Idee. Als wir in unserem Rausch uns wieder mal über unsere Nationalmannschaft ausgelassen haben war doch eins ganz klar. Das können wir besser. Dementsprechend motiviert haben wir uns dran gesetzt und unsere Bewerbung als Fußballtrainer aufgesetzt und an sämtliche Amateurvereine versendet, welche wir ausfindig machen konnten. Gut, vielleicht war diese doch etwas aufpoliert, um unsere mangelnden Qualifikationen abzudecken und ja, 99 Prozent aller Clubs haben diese Fassade auch durchschaut. Dementsprechend bekamen wir entweder gar keine Antwort oder aber eine höfliche Ablehnung, aus welcher wir aber auch deutlich das Mitleid herauslesen konnten. Jedoch, ein Club hat sich unserer doch erbarmt und nun sind wir hier:
Es ist schon verrückt, wenn man darüber nachdenkt. Und damit meine ich nicht einmal, dass wir von jetzt auf gleich einen Job als Trainer in einem fremden Land, dessen Sprache wir nicht beherrschen, angenommen haben. Noch verrückter ist, dass uns der Präsident des Clubs im Skype Interview tatsächlich geglaubt hat, wir hätten irgend eine Ahnung wovon wir da reden. Vielleicht hat er sich auch einen Spaß erlaubt, dafür sahen die uns zugesendeten Vertragsunterlagen aber zu echt aus. Vielleicht plant man einen Mord an uns? Oder der Präsident benötigt dringend eine Niere? Wir hätten vielleicht doch nicht unser Blutgruppe im Lebenslauf angeben sollen.
Wie auch immer, die Entscheidung, ob wir den eintreten wollen, wird uns abgenommen, als sich die Tür zum Vereinsheim öffnet und uns der Präsident mit weit ausgebreiteten Armen empfängt.
„Ahhhh my german friend, welcome...“ Wie bereits im Vorstellungsgespräch kommunizieren wir überwiegend auf Englisch. Wobei hier von Kommunikation nicht wirklich die Rede sein kann, da wir kaum zu Wort kommen. Eine innige Umarmung und zwei verstörende Küsschen auf die jeweilige Wange später, werden wir auch schon ins Vereinsheim gezerrt. Unser Präsident ist ein sehr offener und herzlicher Mensch. Und viel zu freundlich. Uns beschleicht öfters das Gefühl, dass er uns gleich eine billige Uhr oder ähnliches andrehen will. Nach ein wenig Smalltalk kommen wir dann aber doch zum wesentlichen. Nämlich den Zielen des IFK Åmål.
Das Ziel soll der Klassenerhalt in der Division 2 Norra Götaland sein, was in etwa der Regionalliga entsprechen dürfte....glaube ich. Auf jeden Fall weit weg vom Profifußball. Nachdem dem uns mit einem Lachen deutlich macht, dass man sich uns natürlich bei einem Abstieg nicht mehr leisten könnte, rutscht uns das Herz noch ein Stück weiter in die Hose. Naja immerhin der Präsident scheint seinen Spaß dran zu haben. Die Tabellensituation sieht dabei gar nicht so schlecht für uns aus. Platz 9 von 14 und 2 Punkte Vorsprung auf den Relegationsplatz. Angesicht dessen, dass gerade mal der 9. Spieltag ansteht, genug Zeit für uns zum Etablieren und die Mannschaft entsprechend zu formen. Als wir jedoch auf den Spielplan an der Wand blicken, werden wir doch etwas stutzig. Die Rückspiele sind noch nicht eingetragen. Daher fragen wir den Vorsitzenden, wann diese denn starten würde damit wir uns entsprechend Vorbereiten können. Dieser lacht uns laut aus. Es gibt keine Rückrunde. Nun......verdammt. Also bleiben uns 5 Spiele um den Klassenerhalt mit einer völlig fremden Mannschaft klarzumachen. Großartig.
Wo wir gerade bei der Mannschaft sind. Nachdem wir entsprechend eingewiesen wurden, dürfen wir auch gleich unsre Truppe beim ersten Training unter die Augen nehmen. Hierbei werden wir freundlich von Leandró
begrüßt. Leandró ist der Kapitän der Mannschaft und gebürtiger Brasilianer. Da er sowohl des englischen und auch der schwedischen Sprache mächtig ist, wird er uns während des Trainings als Dolmetscher zur Seite stehen. Für das erste Training lassen wir das Team die Basics durchgehen, um uns ein entsprechendes Bild zu machen. Laufen, Passen, Schießen, Standards und ein kleines Trainingsspiel, alles dabei. Das Ergebnis fällt ernüchternd aus. Nach Fußball sieht das nun wirklich nicht aus. Verspringende Bälle, Pässe ins nirgendwo, sich kreuzende Laufwege. Und mit kreuzen meine ich, man rennt sich gegenseitig über den Haufen beim Versuch an den Ball zu kommen. Während des Trainings machen wir uns fleißig Notizen, um uns die Spielernamen einzuprägen und entsprechende Herausstellungsmerkmale zu notieren. Positive, wie Negative.
Nach dem Training ist Leandró noch so freundlich unsere Notizen mit der jeweiligen Wunschposition der Spieler zu ergänzen. Wir bedanken uns und teilen dem Team mit, dass wir sie gerne morgen wiedersehen würden. Scheinbar haben wir einen guten Witz gemacht, denn das Team zieht lachend von dannen. "Trainer, Training ist erst wieder Donnerstag. Was soviel heißt wie, zum Teufel mit dir, wir trainieren lediglich zweimal die Woche, mehr nicht. Das heißt uns bleiben in etwa 10 Trainingseinheiten, um die gewünschten Resultate zu erzielen oder mit der Karriere hat es sich bereits gegessen. Oh Mann, auf was haben wir uns hier nur eingelassen....