Das ist wieder so einer dieser Tage an dem ein Regenschirm eigentlich gar keinen Sinn macht, denke ich, während der Wind mir die Regentropfen, die sich mit Schneeflocken vermischen, ins Gesicht peitscht. Ich war aus Irland regentechnisch viel Kummer gewohnt aber Glasgow setzt in einigen Bereichen durchaus eigene Maßstäbe.
Ein Temperatursturz hat dafür gesorgt, dass die ersten kalendarischen Dezembertage sich auch genauso anfühlen. Der Wind bläst mir die Kälte unter den Trenchcoat, ich denke kurz darüber nach mir irgendwo noch schnell einen Kaffee-to-go zu holen, schreite dann aber doch zügig durch das Dunkel dieses frühen Abends Richtung Maryhill und zum Stadion.
Ich will Barstone auf dem falschen Fuß erwischen. Entgegen unserer üblichen langen Tage habe ich Blomqvist und O’Shea heute nach dem Training nach Hause geschickt und auf „private Termine meinerseits“ verwiesen, bevor ich selbst den Heimweg angetreten habe.
Nach einem kurzen Aufenthalt zu Hause, währenddessen ich die meiste Zeit im Sessel sitzend die Decke angestarrt und über die nahende Konfrontation mit Barstone nachgedacht habe, mache ich mich nun also im Regen auf den Weg zum Stadion in dessen baufälligem Anbau ich Barstone in seinem Büro vermute.
Für die zwei Kilometer bis zum Stadion hätte ich mir auch ein Taxi nehmen können, aber ich möchte den Spaziergang dringend zum Nachdenken nutzen.
Auf dem regennassen Bürgersteig reflektiert sich das grelle Licht der Straßenlaternen in regelmäßigen Abständen in den schmutzigen Pfützen, während meine Gedanken um die meiner Meinung nach entscheidende Frage kreisen.
„Kann er es nicht, oder will er es nicht?“. Meine Hypothese hatte ich viele Wochen zuvor schon meinem Freund Cullen erläutert. Für mich läuft die ganze Posse um einen potentiellen Verkauf der von Collin Weir gestifteten 20% Clubanteile an den Investor BAF um Hintermann Clarke auf eine einzige Schlussfolgerung hinaus: Barstone soll die Mitglieder vom Verkauf der Clubanteile in Fanbesitz überzeugen. Im Gegenzug würde BAF ihm die 55% Aktienmehrheit am Club überschreiben, nachdem sie auch die 10% Anteile von Melissa Weir erworben haben.
Barstone würde von BAF und Clarke jedoch enge Vorgaben für die Führung des Clubs erhalten, die Partick zu einer Art Farmteam der Rangers machen würden.
Cullen und Ich waren uns darin einig, dass unsere Hypothese die logischste Schlussfolgerung der Ereignisse war die seit meinem ersten Tag bei Partick in diesem Club vor sich gingen. Doch ein Restzweifel blieb.
Was, wenn wir falsch lagen? Ich lasse wieder einmal meine Gespräche mit Barstone Revue passieren.
Wo ist das Motiv? Barstone erschien mir bislang nicht sonderlich machthungrig. Pedantisch, sicher.
Roboterhaft, ganz bestimmt. Ein eiskalter Erbsenzähler. Ich versuche nicht noch mehr negative Eigenschaften Barstones in meinem Kopf aufzulisten, sondern seine Person von einer anderen Seite zu betrachten. Hat er jemals Machtspielchen betrieben? Er hat bislang immer seine Vorgaben durchgesetzt und sich dabei keinen Zentimeter nach links oder rechts bewegt, aber, entschuldige ich Barstones Vorgehen nun in Gedanken, er hat mir gleich am ersten Tag klipp und klar gesagt welche Vorgaben es zu befolgen gilt. Ich denke an die schrecklichen Guidelines zurück die mir Barstone bei meinem ersten Treffen präsentierte und überlege, ob ich bei allen Treffen mit Barstone jemals das Gefühl hatte, dass er seine Machtposition genießen würde.
Ich glaube nicht, dass er je etwas sonderlich genossen hat, murmle ich halblaut vor mich hin.
Ich weiß nicht was mich erwartet. Aber nun ist die Zeit gekommen, um die Karten auf den Tisch zu legen. Ich beschleunige meine Schritte während vor mir die Regentropfen auf den Asphalt schlagen.