@ Wiebke. Man könnte Kennedy da in der Tat eine leichte Fehleinschätzung bzgl. des Leistungsvermögens eines gewissen Zweitligisten in Pokalspielen unterstellen.
Warum regnet es jedes Mal, wenn ich diesen Pub betrete, denke ich.
Es ist ein schöner Tag im Spätsommer ungefähr bis zu dem Moment, als ich mich auf den Weg zum holzvertäfelten Pub mache, an dem ich wieder einmal auf den Journalisten Cullen treffen soll.
Das muss hier irgendwie zur Folklore des Pubs gehören, grüble ich. Die machen hier irgendwas mit dem Wetter, dass soll irgendwie so schottisch-urig sein und deshalb muss es immer regnen, wenn man diesen Pub betritt, spinne ich weiter.
Ich habe heute keinen Trenchcoat an und die Lederhacke, die ich zu Hause schnell von der Garderobe gegriffen habe, verträgt sich mit Regen nicht sonderlich gut, was sie hier in Glasgow schon mal generell zu einer schlechten Investition macht.
Der Journalist Cullen, mit dem ich auf meiner ersten Pressekonferenz ein gemütliches zwei Augen-Gespräch führen konnte, weil niemand anderes erschienen ist, ist so etwas wie mein Freund geworden.
Cullen sprach tags zuvor am Telefon von wichtigen Neuigkeiten.
Ich betrete den Pub und der süßliche Geruch von alten Waschlappen weht mir entgegen. Der Verantwortliche dafür, der Barkeeper, der gerade großflächig über den Tresen wischt, grüßt mich kurz und macht dann eine Kopfbewegung zu einer Ecke des Pubs, die durch den Fakt, dass sie wirklich schwer einsehbar ist, zum bevorzugten Gesprächsort von Cullen und mir geworden ist.
„Schon klar“, sage ich neutral und bestelle gleich
„ein Guinness und einen Kaffee, bitte!“, bevor ich mich zu Cullen aufmache.
„Kennedy!“ Cullen nickt mir zu und beginnt gleich einen Redeschwall.
„Ich habe kürzlich mit einer alten Bekannten gesprochen, die bei Partick ein Vorstellungsgespräch hatte – in der Ticketing-Abteilung. Jedenfalls wartet sie im Vorzimmer auf das Job-Interview mit unserem Freund Barstone und hört rein zufällig einen Wortwechsel hinter der Tür.
Genaugenommen, war der Wortwechsel so laut, dass sie ihn gar nicht überhören konnte. Da sie weiß, dass ich beruflich häufig mit dem Club zu tun habe, hat sie mich angerufen und informiert. Sie hat den Job nicht bekommen, dass dürfte vielleicht auch eine Rolle spielen“, schmunzelt Cullen.
Der Wirt kommt mit Guinness und Kaffee und Cullen macht eine kleine Kunstpause.
„Was wurde denn nun gesagt?“ frage ich ungeduldig, als wir wieder ungestört sind.
„Jemand war in Barstones Büro und sagte, nein, eher schrie, und jetzt zitiere ich wörtlich: „Sie haben gesagt, dass es nur eine Frage der Zeit sei!“ „Das war es?“ frage ich etwas ernüchtert.
„Ja“, antwortet Cullen.
„Interessant wird das Ganze, weil ich weiß, von wem diese Worte kommen. Meine Bekannte hat kurz darauf nämlich einen älteren, leicht aristokratisch aussehenden, Herren wutentbrannt aus dem Büro stapfen sehen." „Clarke!“ sage ich.
„Bingo.“ Antwortet Cullen.
„Aus weiteren Quellen konnte ich erfahren, dass diese Situation in letzter Zeit anscheinend öfter vorgekommen ist. Wortgefechte in Barstones Büro, meine ich.“„Weitere Quellen?“ frage ich vorsichtig.
„Vergessen Sie es Kennedy. Kann ich nicht sagen.“ Sagt Cullen schnell.
„Jedenfalls macht Clarke bei Barstone aktuell anscheinend gehörigen Druck.“„Hat das mit der Mitgliederversammlung zu tun, die Ende des Jahres ansteht?“ frage ich.
„Davon bin ich überzeugt“, sagt Cullen.
„Ich glaube, dass Barstone die Mitglieder zum Verkauf der Anteile bewegen soll. Und dass nicht erst seit heute. Sicher soll die Sache still und leise bis zur Mitgliederversammlung eingetütet und die Mehrheit dafür bereits in den Hinterzimmern gesichert worden sein.“„Warum bis zur Mitgliederversammlung?“ frage ich.
„Weil solche Veranstaltungen ihre ganz eigene Dynamik haben. Wenn dort erst eine Mehrheit für den Verkauf geschaffen werden muss, kann das übel nach hinten los gehen. Niemand stellt sich gerne öffentlich hin und argumentiert für den Verkauf der eigenen Anteile an einen Investor der zudem noch die Mehrheit am übermächtigen Lokalrivalen besitzt. Clarke will ganz augenscheinlich, dass die Sache still und leise geregelt wird. Und das ist ja auch nicht unmöglich. Partick ist ein kleiner Club mit wenigen Mitgliedern. 396, um genau zu sein. Da hätte man die fünf Jahre seit der letzten MV schon nutzen können, um eine Mehrheit still und heimlich vom Verkauf zu überzeugen.“„Und das sollte Barstone machen?“ frage ich.
„Ich glaube schon. Ich glaube aber auch, dass ihm das nicht gelungen ist, und daran sind sie schuld.“„Ich?“ „Vor zwei Jahren war Partick tot. Jetzt durchlebt der Club einen Höhenflug. Da werden nicht wenige Mitglieder die Frage stellen, warum man aus einem mitgliedergeführten Club ein Investitionsobjekt machen sollte, wenn der sportliche Erfolg und der Erhalt des Vereins sich ganz offensichtlich auch anders erreichen lassen.“„Das sieht nach einem Showdown auf der Mitgliederversammlung aus.“ Sage ich. Cullen nickt.
„Ich werde vorher mit Barstone sprechen.“ Fahre ich fort. Cullen schaut mich fragend an.
„Barstone soll die Mitglieder davon überzeugen die Anteile zu verkaufen“ wiederhole ich und blicke Cullen an.
„Er hat diese Aufgabe aber anscheinend bisher nicht zur Zufriedenheit von Clarke lösen können“ sage ich und Cullen nickt wieder.
„und deshalb habe ich bezüglich Barstone eine ganz entscheidende Frage, die ich gerne mit ihm selbst besprechen möchte“, sage ich.
„Kann er es nicht, oder will er es nicht?“