@ Wiebke, vielen, vielen Dank. Hab mich sehr über deinen Post gefreut.
Nervös schiebe ich mit einer Hand den Bierdeckel auf dem Tisch hin und her während ich mit der anderen das Guinness festhalte. Dieses Gespräch entspricht bislang so gar nicht meinen Erwartungen. Nach allem was ich bisher in Erfahrung bringen konnte, müsste Melissa Weir auf der Seite Particks stehen, auf unserer Seite, auf der Seite, dem das Wohl dieses Vereins und seine Entwicklung am Herzen liegt.
Aber sie sieht in ihren Anteilen am Club in erster Linie eine Geldquelle. Das wirkt nicht gespielt, ihre emotionale Distanz zu dem Verein scheint mir eindeutig und es gibt für mich keinen Grund negativ über Melissa Weir zu denken, denn sie ist komplett aufrichtig, es passt nur einfach nicht zu den Theorien, die ich über die Entscheider in diesem Verein habe. Denn immerhin hat Melissa Weir gegen Barstone gestimmt, der mit der Stimme des Investors Clarke zum Aufsichtsratsvorsitzenden gewählt wurde.
Eine Variable in meiner Gleichung wurde also von mir falsch berechnet und jetzt muss ich von vorne anfangen.
Durch das Halbdunkel des Pubs, mit seinen dunklen, holzvertäfelten Wänden, scheint Melissa Weir meine Verwirrung zu bemerken.
„Ich habe mich heute mit Ihnen getroffen, weil ich ein Anliegen habe, Herr Kennedy und weil ich Informationen brauche, Informationen über die Entwicklung des Vereins. Im Gegenzug bin ich bereit mit offenen Karten zu spielen.“ Sagt Melissa Weir ruhig.
Ich versuche mich zu konzentrieren und das Wirrwarr in meinem Kopf zu lösen.
„Einige Puzzleteile passen in meinem Kopf nicht zusammen“, beginne ich.
„Wenn es ihnen ums Geld geht, warum haben sie die Anteile dann noch nicht verkauft?“„Weil ich Geschäftsfrau bin, Herr Kennedy. Ich befinde mich aktuell noch in der Position, dass ich auf den Erlös aus dem Verkauf der Anteile nicht angewiesen bin. Bevor Sie gekommen sind, befand sich der Verein sportlich auf einem ziemlichen Sinkflug. Ich habe mehrmals Angebote für meine Anteile erhalten.“,
„Von Richard Clarke?“, grätsche ich dazwischen.
„Besonders von Herrn Clarke“, schmunzelt Melissa Weir.
„Aber ich bin mir der speziellen Bedeutung meiner 10% durchaus bewusst. Sollte Clarke die 20% des Fan-Trusts erwerben, der aktuell von Barstone verwaltet wird, wird der Wert meines Anteils steigen. Sollte der sportliche Erfolg des Clubs sich fortsetzen, wird der Wert meiner Anteile ebenfalls steigen. Es gibt aktuell überhaupt keinen Grund für mich, meine Anteile zu verkaufen.“„Warum erzählen Sie mir das alles?“, frage ich.
„Weil ich glaube, dass wir im selben Boot sitzen. Ich habe von Ihren Bemühungen gehört, etwas über die Besitzverhältnisse des Vereines herauszufinden.
Ich bin sehr daran interessiert, dass Sie ihre Arbeit als Trainer fortsetzen, die Gründe dafür habe ich ihnen soeben erklärt und ich möchte wissen, wie sie die sportliche Zukunft des Clubs einschätzen.“Melissa Weir nimmt einen Schluck von Ihrem Weißwein und verzieht das Gesicht. Dieser Pub scheint mir in der Tat nicht die Lokalität zu sein, in der man einen Weißwein bestellen sollte. Ich habe mich gründlich geirrt, was meine Einschätzung der Absichten von Melissa Weir betrifft. Aber bedeutet das automatisch, dass wir nicht auf derselben Seite stehen? Diese Frau erscheint mir absolut ehrlich zu sein und ich sehe keinen Grund, warum wir nicht Informationen gegen Informationen tauschen können.
Ich gebe Melissa Weir eine Einschätzung der sportlichen Situation und bestätige ihre Annahme, dass der sportliche Erfolg zwar aktuell etwas stockt, aber weiter andauern kann. Ehrlicherweise erläutere ich ihr auch die dramatischen finanziellen Unterschiede, die bei einem Aufstieg in die erste Liga unsere Position am Ende der Tabelle zementieren könnten. Und ich berichte im Detail von den Auflagen Barstones, die meine Arbeit nachhaltig beeinflussen und erschweren.
„Diese Auflagen meines Vaters kommen nicht von ungefähr“, erklärt Melissa Weir,
„mein Vater hat die Investitionen in den Verein auf vielfältige Art abgesichert, da bin ich mir sicher, auch wenn er es mir seine sportliche Vision nicht erklärt hat, sie hätte mich ehrlicherweise auch nicht sonderlich interessiert. Er kannte Barstone schon einige Zeit, aber er wird ihm als Vertreter des Fanzusammenschlusses diese Anteile nur mit ganz genauen Richtlinien überlassen haben.“„Und ihre Anteile?“ frage ich.
„Ich kann mit ihnen tun und lassen, was ich möchte, sie sind sein Abschiedsgeschenk allerdings, gemeßen an seinem Lottogewinn, kein besonders großes“, sagt Melissa Weir.
„Wissen Sie, was passiert, wenn Barstone, sagen wir mal, einen anderen Weg einschlägt?“ frage ich.
„Sie meinen, wenn Barstone persönliche Interessen über die Vorgaben meines Vaters stellt?“, antwortet Melissa Weir.
„Genau.“ Sage ich.
„Das kann ich ihnen nicht beantworten. Es fällt mir schwer Barstone zu lesen.“, sagt Melissa Weir.
„Das kenne ich gut“, antworte ich schmunzelnd.
„Ich habe noch eine Frage.“, sage ich.
„Warum haben Sie bei der Wahl zum Aufsichtsratsvorsitzenden gegen Barstone gestimmt?“ Melissa Weir zögert kurz aber antwortet dann ruhig.
„Ich bin kein Fußballexperte, aber die Auflagen meines Vaters schienen mir einem kurzfristigen sportlichen Erfolgs Particks entgegenzustehen. Und genau daran war ich interessiert, ich wollte meine Anteile möglichst schnell zu Geld machen. Inzwischen habe ich mich gut damit arrangiert, noch ein bisschen zu pokern und auf den richtigen Moment zu warten. Aber damals wollte ich die Befugnisse Barstones lieber einschränken. Kurz nach dem Tod meines Vaters war ich über das Erbe ehrlich gesagt eher verbittert. Inzwischen habe ich für mich beschloßen, die Karten, die er mir ausgeteilt hat so gut es geht auszuspielen.“„Das verstehe ich“, antworte ich.
„Was ich nicht verstehe: Warum hat Richard Clarke Barstone gewählt?“ „Da müssen Sie ihn selber fragen.“ Sagt Melissa Weir
„Mir kam das auch komisch vor.“