Mit einem dunklen Trenchcoat und hochgeklapptem Kragen bekleidet, betrete ich den kleinen mit dunklem Holz vertäfelten Pub, den üblichen Treffpunkt von Cullen und mir. Das nimmt alles zunehmend Film Noir Züge an, überlege ich und denke an die alten schwarz-weiß Crime- und Agentenfilme, die mein Vater früher gerne geguckt hat.
Cullen sitzt wie immer an dem, vor neugierigen Blicken abgeschirmten Tisch in einer Ecke des verwinkelten Pubs und dreht sein Guinness Glas auf dem Bierdeckel hin und her.
Ich lege den regennassen Trenchcoat ab und setze mich an den freien Platz.
„Was haben Sie für mich?“, beginne ich grußlos.
„Informationen über Clark und die Agenda von BAF, der Investmentfirma und dem Hauptanteilseigner der Rangers, die Clarke vertritt.“In mir steigt die Spannung und ich nicke Cullen nur ungeduldig zu.
„Haben Sie schon mal vom FC Liefering gehört?“, fragt Cullen und ich beginne zu grübeln.
„Ist das nicht die zweite Mannschaft von Red Bull Salzburg?“, sage ich.
„Falsch!“, sagt Cullen.
„Beziehungsweise, irgendwie natürlich schon, aber faktisch nicht.“Cullen sieht meinen kritischen Blick. Was hat ein Club in der zweiten österreichischen Liga mit Partick zu tun, denke ich.
„Ich erkläre es ihnen“, Cullen interpretiert meinen Blick richtig.
„Offiziell ist der FC Liefering ein eigenständiger Verein. Red Bull kann nach den Statuten des österreichischen Fußballs keine zweite Mannschaft in der zweiten österreichischen Liga unterhalten. Genau das will der Club jedoch, um den eigenen Talenten Spielpraxis auf möglichst hohem Niveau zu geben, und das am besten in der gleichen Stadt wie der Mutterverein. Zu diesem Zweck griff man zu folgendem Trick: Man stieg als Sponsor beim Salzburger Club USK Anif ein, ein Verein der kurz vor dem finanziellen Ruin stand und lies die 500 Mitglieder einen neuen, RB nahen Vorstand wählen. Im Anschluss traten die 500 Mitglieder aus dem nun in „FC Liefering“ umbenannten Verein aus. Red Bull hatte die Kontrolle über einen Salzburger Verein gewonnen, der ein Jahr später in die zweite österreichische Liga aufstieg.“„Und was hatten dann der alte Club USK Anif und seine Mitglieder davon?“. Frage ich zweifelnd.
„Die 500 Mitglieder des USK Anif traten sofort in den neugegründeten Club FC Anif ein, der eine Spielgemeinschaft mit den Red Bull Juniors bildet und in den alten Vereinsfarben antritt. Die Mitglieder konnten so ihren Verein retten und durch die Kooperation ein breites Sportangebot in einer hochmodernen Infrastruktur in Anspruch nehmen. Win – win, Kennedy.“
„Ok, aber ich verstehe den Bezug zu Partick noch nicht ganz“, sage ich, obwohl mir langsam dämmert, warum Cullen mir dieses Beispiel aus Salzburg präsentiert.
„Nach allen Informationen die ich bisher sammeln konnte, plant BAF – und Richard Clarke ist hier federführend, mit Partick etwas Vergleichbares. Nur ist das Vereinsrecht in Schottland ein ganz anderes als in Österreich. Hier haben Anteilseigner viel mehr Macht als Mitglieder. Es wird also gar nicht unbedingt nötig sein, die Mitglieder hierbei ins Boot zu holen.
Ich habe aus verschiedenen Quellen gehört, dass die Rangers für die Spielerentwicklung neue Wege beschreiten wollen. Es gibt hier keine zweiten Mannschaften, die in Profiligen spielen können und das ist für die Entwicklung von Talenten kontraproduktiv. Es wäre verbandsrechtlich aber auch gar nicht möglich, eine zweite Mannschaft in einer der schottischen Profiligen zu etablieren. Partick verfügt dank Collin-Weir über eine hervorragende Infrastruktur, die Entwicklung von Talenten ist bereits in der Vereins-DNA etabliert, dazu ist die Fanbase ziemlich klein und damit auch die zu erwartenden Wiederstände.“ Ich blicke Cullen mit offenem Mund an. Plötzlich machen viele Ereignisse seit meinem Amtsantritt in Glasgow Sinn und verknüpften sich zu einem Bild.
Cullen stört sich nicht an meiner Überraschung und fährt fort. „
Meine Quellen haben mich auf das Beispiel RB Salzburg – Liefering verwiesen und ich glaube mittlerweile zu verstehen, wie sich dieses System der freundlichen Übernahme in Schottland umsetzen lassen würde. BAF hält bereits jetzt 25%, sollten Sie die übrigen 30% der Anteile die in den Händen des Fanzusammenschlusses und von Melissa Weir liegen übernehmen können, würden Sie hier die Hebel in Bewegung setzen können.
BAF kann nicht bei den Rangers und Partick als Hauptanteilseigner auftreten, zwei Vereine im selben Ligensystem mit dem gleichen Eigentümer, dass würde sofort Klagen nach sich ziehen. Also gehe ich fest davon aus, dass BAF in dem Augenblick wo sie 55% der Anteile an Partick übernommen haben eine Strohfirma oder einen Strohmann einsetzen wird, an den es die Anteile verkauft und zwar zu einem Freundschaftspreis. Ich habe schon eine Idee wer das sein könnte, Sie vielleicht auch.“
„Barstone?“ sage ich schnell.
„Vielleicht“ nickt Cullen und grinst.
„Darüber habe ich aber keine gesicherten Informationen“, sagt der Journalist.
„Warum verkauft Barstone dann aber nicht sofort an BAF?“ frage ich. Cullen antwortet ohne lange zu überlegen.
„Das habe ich mich auch gefragt. Es muss eine Hürde geben, Auflagen die Barstone rechtlich zu erfüllen hat, bevor er die Anteile, die ja von Collin-Weir dem Fanzusammenschluss überschrieben wurden, verkaufen darf. Schließlich ist Barstone nur ihr gewählter Vertreter. Außerdem könnte BAF nur mit den 20% Fananteilen ja noch nichts anfangen.“„Das heißt sich brauchen die 10% von Melissa Weir, vorher macht die Übernahme anderer Anteile gar keinen Sinn.“ Sage ich.
„Genau das glaube ich auch“, sagt Cullen.
„Und was wird passieren, wenn BAF die 55% bekommt und einem neuen Anteilseigner verkauft?“ frage ich.
„Ich vermute es wird zu einer Kooperation mit den Rangers kommen, die alles Bestehende in den Schatten stellt. Es wird zu Ausleihen und Verkäufen mit Rückkaufoption von Rangers Spielern an Partick kommen, die aus Partick ein inoffizielles Farmteam der Rangers machen.“„Alles macht jetzt einen Sinn.“ Sage ich.
„Barstones Fokus auf Talententwicklung, die Auflagen bei Transfers, die erste Kooperation mit den Rangers. Das Ziel den Verein in der zweiten Liga zu etablieren.“ „Bingo“, sagt Cullen.
„Sie haben gerade übrigens einen kleinen Ausweg aufgezeigt, der Partick noch bleibt.“ Ich blicke Cullen fragend an.
„Steigen Sie auf! Sollten die Rangers und Partick in einer Liga spielen, würde das die Kooperation viel komplizierter machen. Die anderen Vereine der Scottish Premier League würden gegen diese Form der Kooperation von zwei Clubs aus derselben Liga Sturm laufen. Außerdem wäre es sicher nicht im Interesse der Rangers ihre Spieler zu einem Ligakonkurrenten zu schicken, der ihnen am Ende sogar den Titel kosten könnte. Zudem wäre die Entwicklung von Talenten auf diesem hohen Niveau viel schwieriger.“ Cullen lächelt.
„Aufstieg als Rettung des Vereins, ich hatte schon mal weniger Druck“, schmunzele ich.
„Sehen Sie es als Extramotivation. Es gibt viele Menschen denen Partick etwas bedeutet und die es nicht ertragen würden, dass ihr Club zur Ausbildungsmannschaft des Stadtkonkurrenten wird. Do or
die, Kennedy.“ sagt Cullen und ich nehme einen großen Schluck aus meinem Guinness Glas.