Nein, ich wollte damit nicht sagen, dass ich glaube, dass wir da landen.
Aber das Internet geht meiner Meinung nach in die Richtung. Die Dystopie im Cyberpunk Genre kommt ja nicht durch die Chips die sich die Menschen implantieren lassen, die fliegenden Autos und Hochhäuser in den Städten.
Sie kommt durch den massiven Druck und Einfluss der Unternehmen. Mit den "Big Tech" Amazon, Apple, Facebook, Google und Microsoft gehen, wir was Datenflüsse, Informationshoheit und -konzentration, Profiling und Einfluss auf das gesellschaftliche Denken angeht, in diese Richtung.
Während wir uns in der gleichen Zeit beschweren, dass wir unseren Kinder nicht genug Medienkompetenz in der Schule beibringen und es aktuelle Erkentnisse gibt, dass ein großer Teil der Internetnutzer nicht mehr Meinung, von Information, Manipulation oder Werbung unterscheiden kann. (https://www.spiegel.de/kultur/digitale-medienkompetenz-in-deutschland-studie-liefert-beunruhigende-ergebnisse-a-13624abd-cd41-4541-9cf1-7f4ff822d0e0 Heute erst dazu gelesen und auch mal aus interesse den Test aus der beschriebenen Forschung selbst gemacht)
Die technische Entwicklung hängt die Gesellschaft einfach ab.
Okay, verstehe was Du meinst.
Vielleicht kommt es darauf an, wie man Cyberpunk genau sieht. Für mich gehören implantierte Chips, fliegende Autos etc. dazu, außerdem, DeDaim hatte es an einer Stelle gesagt: massive soziale Probleme, Verslummung, Isolation und Vereinsamung...
Die Einflußnahme der großen Tech-Konzerne gehört logischerweise auch dazu. Wenn man es so betrachtet, sind wir tatsächlich auf dem besten Wege in eine Cyberpunk-Welt...
Die mangelnde Medienkompetenz unserer Kinder gehört indirekt auch zu dieser Thematik und ist wiederrum gleichzeitig ein anderes, interessantes Thema. Ich hatte, um kurz noch einmal auf die persönliche Ebene zurückzugreifen, ja oben mal angedeutet, dass ich beruflich viel mit Kindern zu tun habe. Ich stelle bei denen schon in jungen Jahren einen erheblichen Input an teilweisen suspekten Medien fest. Das fängt damit an, dass mir Sammelkarten von Pokemons präsentiert werden, mit der Begründung, dieser oder jener sei ein maschinisierter Cyborg, der besonders gut kämpfen könne und geht weiter mit der Feststellung, dass Handys, Internetmedien etc. intensivst genutzt werden, und dieses überwiegend unreflektiert, wie Du es ja auch zwischen den Zeilen andeutest...von daher ist die Kritik an der mangelnden Medienkompetenz in meinen Augen durchaus berechtigt...
Deinen Link habe ich mir mal kurz angeschaut, wenn ich demnächst mal etwas Zeit habe, werde ich mich näher damit befassen und diesen Test durchführen
Ich wollte die Chips und die Autos nicht aus dem Cyberpunk nehmen. Aber die erzählen nichts von Dystopie. Fliegende Autos klingen in erster Linie cool. Und Stahl-Lungen auch. Das mit der Verslummung und so stimmt auch alles. Aber alleine mal auf das Genre bezogen, würde ich trotzdem sagen, dass der Hauptkern die Kritik am Kapitalismus ist. Massive mächtige Konzerne denen nichts mehr im Wege steht, die gegenseitig Kriegführen und mit paramilitären Sicherheitsabteilungen "Konzernrecht" durchsetzen. Polizei ist privatisiert, und der Staat hat kaum noch Macht. Das ist für mich der Dreh- und Angelpunkt an der Dystopie im Cyberpunk. Die Verslummung und Co sind nur Auswirkungen, die Chips und Co sind der Fluff, damit es SciFi ist. So sehe ich zumindest das Genre. Aber das ist ja eher Offtopic.
Es gibt ja noch mehr "Indizien". Scheinbare Wahlmanipulationen über Facebook und Twitter. Die Verfahren zu Onlinewahlen werden von Privatunternehmen entwickelt und der Staat verliert im schlimmsten Fall seine Souveränität über den Prozess.
Großflächige Radikalisierung und Bildung von Gruppen in allen möglichen extremen Lagern und Ansichten.
Influencer bestimmen das Leben des Großteils unserer Jugend und geben das Gesellschaftsbild vor. Es ist toll Werbung zu sehen und Menschenhülsen zu folgen, die nichts anderes beeinhalten außer Gutschein-Codes.
Die Gesellschaft verliert die Aufmerksamkeitsspanne für komplexe Themen, den auch der Journalismus ist betroffen. Das System Internet ist auf Klicks ausgelegt. Headlines und Aufregung bringen Klicks. Drama bringt Klicks. Aufwändiger Journalismus und viel Text nervt nur noch. Aber während die Qualität sich hinter Bezahlschranken versteckt steckt der "kostenlose Teil" des Internets nur noch voller schnell zusammengekleistertem Murks. Das heute jeder schnell und einfach in annehmbarer optischen Qualität veröffentlichen kann kommt noch hinzu und macht es schwer zu unterscheiden. Die inhaltliche Qualität wird systematisch zersetzt von dem Marketingsystem, dass wir ihr angehängt haben.
Das ist jetzt alles schnell runtergeredet und die Dramaschraube ist ein ticken zu hoch. Ich sehe das Internet ebenfalls mit vielen positiven Effekten behaftet von denen ich gerne profitiere. Aber ich frage mich, welche Entwicklung wir dafür durchmachen und wo die Reise hingeht.
Ja, klar. Die angesprochenen Facetten sind nicht Kern des Cyberpunks, sie sind eher kosmetischer Natur um das Setting zu unterstreichen. Und sicher ist Cyberpunk auch eine, nicht unberechtigte, Kritik am Kapitalismus. Allerdings finde ich, dass Verslummung und soziale Probleme ebenfalls eine indirekte Kritik am Kapitalismus darstellen. Ich finde diesen Punkt auch gar nicht so sehr off-topic, da er ja Teil dieser Diskussion ist...
Bevor ich weiterschreibe, will ich kurz noch einmal den Gedanken aus dem Anfang der Diskussion aufnehmen. Die Zukunft der Menschheit betrachte ich tatsächlich eher pessimistisch, wohingegen ich meine persönliche Zukunft eher optimistisch betrachte. Etwas paradox oder? Das wollte ich nur noch einmal zur nähren Erklärung hinzufügen...
Und natürlich beinhaltet die Digitalisierung fragwürdige Komponenten, keine Frage. Manipulation findet natürlich statt, in einer Art der Propaganda in sehr subtiler Form. Man muß differenziert denken und handeln können, um sich diesen Einflüßen zu entziehen. Und natürlich geht es um Klicks. Warum, vielleicht ein etwas simples Beispiel, gibt es so viele Serien, von denen lediglich eine Staffel produziert wird, mit einem Cliffhanger, der eine Fortsetzung suggeriert? Weil die Ersteller nicht primär an einer qualitativen Fortsetzung interessiert sind, sondern weil sie sehen wollen, wie viele Klicks generiert worden sind. Dieses Prinzip setzt sich in allen Bereichen fort. Das ist der Preis der Digitalisierung, das ist der Preis, den wir für die Reise bezahlen, um bei Deinen Worten zu bleiben. Es ist eine Reise, für die es keine Rücktrittsversicherung mehr gibt, sie wurde dezent, aber unmißverständlich aus dem Regal entfernt. Um welche Reise es sich handelt werden wir sehen. Ob es sich um eine Kreuzfahrt handelt, mit Cocktails am Pool und entspannten Vibes, oder ob es sich um eine Reise per Anhalter an der Autobahn direkt ins Nirvana handelt, wird die Zukunft (sic!) zeigen...Utopie/Dystopie halt..es liegt an uns...
Und natürlich hängt die technische Entwicklung die gesellschaftliche ab, wie Du es ja auch sagst. Wie sollte es auch anders sein? Bytes sind einfach von Natur aus schneller als moralische Instanzen...