Kapitel 50 „ 1959: Der regionale Weg zum Pokalsieg in Kassel (Teil 1)“
Vorwort: „Es ist der Morgen des 27. Dezember 1959. Ein Sonntag. Einer jener eisig-kalten Dezembertage, wie man sie kennt. Es ist drei Tage nach Weihnachten. Der Zugführer packt gerade seine Thermosflasche ein und verlässt seinen Dienstraum, um auf dem Bahngelände des Essener Hauptbahnhofs nach dem rech-ten zu sehen. Auf dem Nebengleis steht an diesem Morgen ein Sonderzug der Deutschen Bundesbahn. Rege Betriebsamkeit ist drum herum zu erkennen. Aus einem Fenster dieses Zuges flattert eine Fahne in den Schwarz-Weißen Farben. Menschen drängen in den Zug, der sich langsam füllt. Um 9 Uhr ist der „Samba-Zug“ mit viertausend Menschen rappelvoll.“ (Krausenbaum, Odenwald (Hrsg.): Schwarz und Weiß – Die Geschichte des ETB Schwarz-Weiß Essen, S. 125)
So romantisch wie die Stimmung am Bahngleis war der Weg und alles Sportliche rund um das Pokalfinale für den ETB nicht. Zunächst sind die Essener nämlich parallel zu dem historischen Pokalerfolg im alltägli-chen Ligabetrieb in der Oberliga West als Tabellenletzter abgestiegen.
Der Qualifikationsweg zum Pokalfinale erfolgte, ähnlich wie heute, über regionale Pokalwettbewerbe. Ins-gesamt waren alle Ergebnisse sehr knapp, führten aber am Ende zu dem größten Titel der Vereinsgeschichte.
Zunächst konnte der ETB im Kreispokal Karnap 07 mit 1:0 besiegen. Hier bin ich allerdings bei meinen Recherchen nicht so wirklich glücklich geworden, denn das Spiel gegen Karnap wird zugleich auch als erste Runde im Westdeutschen Pokal bezeichnet. Wie dem auch sei, es folgte dann die Paarung gegen den STV Horst-Emscher, die man ebenfalls knapp mit 3:2 für sich entscheiden konnte. In den beiden folgen-den Runden schlugen die „Schwatten“ dann den Meidericher SV mit 3:1 und die „Roten“ 1:0. Das Halbfi-nale gegen den TSV Marl-Hüls war ebenfalls eine knappe Nummer, den am Ende stand es 2:1 für den ETB.
Das Halbfinale gegen Rot-Weiß Oberhausen wird in der o.a. Vereinschronik etwas martialisch als „zwei-stündige Schlacht“ bezeichnet, an deren Ende die „Schwatten“ mit 3:2 siegen konnten. Im Finale wartete dann das Duell gegen Westfalia Herne, welches aber in einem anderen Posting genauer betrachtet werden wird.
Dass ein weiterer Sieg im DFB-Pokal auf den Briefkopf des ETB gelangen wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt illusorisch, aber eine gewisse Parallelität zur Geschichte hat die Virtualität der Lehmann-Elf in dieser Sai-son beschert.
Sommertransfers & der Kader Im Sommer haben einige Kadergrößen den ETB verlassen. Niklas Beste hinterlässt mal wieder ein Vakuum auf der linken Verteidigerposition, denn seine Saison war schon sehr gut! Allerdings konnte man sich auf kein Vertragswerk einigen, das für alle Seiten passte, sowohl hinsichtlich der Vertragsdauer als auch der Gehaltsvorstellungen. Interessanterweise spielt Beste nun für den SV Sandhausen in der 2. Bundesliga, für die Hälfte seines vorherigen Salärs und hat einen Einjahresvertrag unterzeichnet.
Auch der Wanderer Harry Wilson bleibt nur für ein Jahr im Revier und zieht in die polnische Extraklasa weiter. Er spielt fortan für Legia Warschau.
Felix LeFur zieht nach Spanien um und läuft künftig für den Granada CF auf. Immerhin klingelt es in der Vereinskasse, da er für in etwa 3 Millionen Euro wechselt.
Verkauft werden weiterhin Avdic, Marusic und Lieder, während Carreira und Mommers verliehen werden. Letzteren hatte man im Sommer erst geholt, wollte ihn aber nicht in der zweiten Mannschaft einsetzen. Er soll sich beim AJ Auxerre beweisen.
Zuletzt enden noch Leihverträge, herauszuheben ist hier sicherlich Chaniago, der lieber zurück zum HSV möchte, dort aber dann direkt für 1,7 Millionen nach Berlin (Union) in Liga 2 wechselt.
Mit Blick auf die Zugänge wurde der Kader in der Breite gestärkt und es wird insgesamt internationaler. Lehmann geht mit einem etwas mulmigen Gefühl in die Saison, denn es droht ggf. hier und da gewiss etwas Zwist. Abwarten.
Im Tor Im Tor ändert sich kaum etwas. Die etwas verletzungsanfälligen Olivieri und Früchtl kämpfen um die Nummer 1.
Der junge Kolumbianer Valderrama, geliehen vom FC Porto, hat keine spektakuläre Frisur und wird vermutlich eher in Freundschaftsspielen oder bei Verletzung der oben Genannten zum Einsatz kommen.
In der Verteidigung Krause, Behrens und Senoussi bekommen einen vierten Kollegen in der Innenverteidigung zur Seite. Der junge Italiener Borghi ist physisch stark, nicht aber unbedingt für die tolle Spieleröffnung bekannt. Zumindest in Testspielen will Lehmann auch mal eine Dreierkette testen, sagt man sich.
Zuletzt kommt noch Marco Bode als mögliches Talent aus München an den Uhlenkrug. Wie gesagt, Schwerpunkt ist hier die Talentförderung, denn im NLZ der Bayern wurde er aussortiert.
Die Baustelle auf der Außenverteidigerposition bleibt und bleibt und bleibt. Mit Jaud Kalonji wechselt ein weiterer Italiener an die Ruhr. In seinem Fall setzt man, anders als vorher, eher auf mentale Stärken und physische Robustheit, im Vergleich zur Geschwindigkeit Martinellis, der weiterhin als Backup zur Leihe bleibt.
Da beste geht, wird links ein wenig experimentiert. Raffa Kustermanns Leihe wurde verlängert und er soll sich auch mal als Linksverteidiger ausprobieren, da er in der letzten Saison nicht immer als Spielmacher geglänzt hat.
Die rustikalere Variante könnte der Spanier Minguez sein, der vom VfB Stuttgart ausgeliehen wird. Auch er kann eine defensive Option in einer Dreier- bzw. Fünferkette sein. Inwieweit er wirklich viel zum Einsatz kommt, bleibt offen.
Im Mittelfeld Im zentralen Mittelfeld tut sich kaum etwas. Die Spielmacheroptionen sind Jungblut und Kustermann, die defensiven Sechseroption ist Eger. Da dieser allerdings noch verletzt ist und man ihn nicht als Spieler der nahen Zzkunft sieht, wurde nachgesteuert.
Otyakmaz kommt als Leihspieler mit Kaufoption über 4 Millionen € aus Leverkusen. Er muss sich mit Sicherheit beweisen und sowohl an seiner Fitness als auch an seiner Spielweise arbeiten, damit er wirklich eine Option für das eher direkte Spiel der ETB-Elf ist und seine Karriere nicht frühzeitig aufgrund abfallender Fitness endet oder im jungen Keim erstickt.
Der Engländer Sadler ist eher vom Typ „körperlicher Abräumer“. Auch er ist eine kostenlose Verpflichtung aus dem Frühjahr und mit seinem linken Fuß ansich nicht zu 100% passig für die Position des rechten Sechsers. Dafür war er umsonst zu haben. Sein Charakter scheint aber nicht ganz einfach, weshalb er schon in der Saisonvorbereitung mit Lehmann aneinandergerasselt ist.
Die Außenbahnen sind deutlich klarer besetzt. Alex Lehmann schickt sich an, Teil der DFB-Elf zu werden und ist ein Schlüsselspieler in der Essener Mannschaft. Seine Läufe über die Außen, das unvorhersehbare In-Die-Mitte-Ziehen bereiten vielen Bundesligisten Probleme. Sein Ersatzmann ist Nrejaj.
Links ist Harry Eiban gesetzt, der seine Rolle auch als Standardschütze einnehmen wird. Lehmann wünscht sich von ihm noch ein paar Tore oder Assists mehr. In der letzten Saison war er aber ein wichtiger Spieler, der den Ball oft ins letzte Spielfelddrittel getragen hat.
Für beide Seiten kann Zabala mehr als nur aushelfen. Er wird definitiv einige Minuten im Trikot der Schwarz-Weißen auf dem Rasen sammeln können. Ob seine Kaufoption gezogen wird, zeigt sich dann gegen Saisonende.
In der Offensive Hier wird das Gedränge dann noch größer. Das bisher gesetzte Duo Schäfer – Brand wird durch ein weiteres Duo ergänzt.
Ein Teil des davon ist Jak Williams, dieser wurde bereits im Frühjahr verpflichtet und tritt seinen Dienst bei den „Schwatten“ nun an. Glücklicherweise gibt er sich noch mit der Rolle als Rotationsspieler zufrieden.
Der Franzose Sidibé ist im Vergleich zu Brand auf dem Papier eine kleine Nummer torgefährlicher und physischer. Er wird als Rotationsspieler geführt und muss seine Spielweise noch leicht anpassen (Spiel mit dem Rücken zum Tor und Dribbling über rechts abtrainieren).
1. Spieltag 1. Bundesliga: SC Freiburg (A) Zu Saisonauftakt spielen die „Schwatten“ gegen sehr starke und vor allem sehr schnelle Freiburger 2:2. Die Spielzeit startet toretechnisch für den ETB mit einem Klassiker: Langer Ball hinter die Abwehr auf Schäfer und ab geht die Post! Die jeweilige Führung muss man aber im weiteren Spielverlauf verdientermaßen zweimal abgeben und nach Abpfiff bleibt es bei der Punkteteilung zwischen Freiburg und Essen.
2. Spieltag 1. Bundesliga: Borussia Dortmund (H) Kein einfacher Saisonauftakt für Schwarz-Weiß, denn die Schwarz-Gelben kommen in den Krug! Nach dem 7:0 im letzten Aufeinandertreffen herrscht unter Verantwortlichen und Fans eine gewisse Angst, dass man erneut unter die Räder kommt. Dieses Gefühl wird auch nach nur vier Minuten vorerst bestätigt, als Gharbi mit einer einfachen Finte locker an Jungblut vorbei in den Sechszehner zieht und das Leder unter die Latte nagelt.
Was dann folgt hätte allerdings niemand in seinen kühnsten Fieberträumen geträumt, denn die „Schwatten“ drehen das Spiel! Zunächst köpft Krause in der 31. Minute einen Eckball von links zum Ausgleich in die Maschen, ehe dann Lehmann in der 68. Minute – ebenfalls in den Sechszehnmeterraum eingedrungen - von Sosa von hinten umgewemmst wird und der Schiedsrichter ohne VAR-Anruf sofort auf Strafstoß entscheidet.
Einen ausgemachten Elfmeterschützen hat der ETB nach den Abgängen Wilsons und Chaniagos nicht mehr in seinen Reihen und so geht Kalonji zum Punkt, verlädt Ceraj locker und erhöht auf 2:1. Da sich die Borussen - entgegen den Erwartungen aller im Stadion Anwesenden– nicht so recht aufbäumen, können die Essener den Dreipunktezug ganz entspannt in den Bahnhof einfahren lassen. Joker Kustermann stochert in der Nachspielzeit noch das 3:1 über die Linie und setzt damit sogar eine Kirsche auf die wohlschmeckende Erfolgstorte.
1. Runde DFB-Pokal: KSV Hessen Kassel (A) Das Auestadion, etwas außerhalb des Zentrums der hessischen Stadt Kassel, ist für Traditionalisten in den Reihen des ETB Schwarz-Weiß in guter Erinnerung, den 1959 holte man in diesem Stadion den DFB-Pokal-Titel!
Das Spiel verläuft erwartbar. Die Gäste aus dem Revier gewinnen im zweiten Anzug locker mit 3:0, während die Kasselaner, Kasseler bzw. Kasseläner nur einen Torschuss Richtung Früchtl bringen.
3. Spieltag 1. Bundesliga: Bayer 04 Leverkusen (A) Gegen Bayer Leverkusen sieht die Lehmann-Elf alt aus und so endet die Partie mit einigen negativen Ereignissen: Zunächst verliert man 0:2, weiterhin verschießt Nrejaj einen Strafstoß zum denkbaren 1:1 und zuletzt verletzt sich Schäfer dann noch am Unterschenkel und fällt rund 4-5 Wochen aus.
Unter den schlechten Nachrichten gibt es immerhin etwas für die wohlklingende Abteilung!!! Für die Kategorie „Spieler mit Supernamen“ gibt es Nachwuchs! Der Linksaußen der Werkself trägt den stolzen Namen Terrier. *beißbeiß* Der 33-jährige Franzose spielt nun schon einige Zeit in der Bundesliga, ist dem wachen Blick bislang aber entwichen.
4. Spieltag 1. Bundesliga: Hamburger SV (H) Knapp, eng, hauchdünn – All das sind Adjektive, die die Partie, welche 2:1 für den Gastgeber endet, zwischen den Rothosen aus der Hansestadt und dem ETB beschreiben würden.
Zudem gibt es nach dem Spiel eine schlechte Nachricht zu verdauen, denn Senoussi verlässt den ETB in Richtung Monaco, immerhin für 6,75 Millionen.
Recht schnell findet man aber einen Nachfolger in dem Spanier Segovia, der zudem sowohl den dfensiven Sechser als auch Innenverteidiger spielen kann.
5. Spieltag 1. Bundesliga: TSG 1899 Hoffenheim (A) Gegen die TSG Hoffenheim haben die „Schwatten“ keine Chance. Wir schon in der Rückrunde der letzten Saison geht das alles zu schnell. Die beiden Gegentore beim 2:0 fallen nach folgendem Muster: Schnelle Passfolge durchs Zentrum, Steckpass auf Rober, drin ist die Pille.
6.Spieltag 1. Bundesliga: Hertha BSC Berlin (H) Drei von Erfolg gekörnte Premieren in einem Spiel!
Der erste Startelfeinsatz von Yildiray Otyakmaz wird gekrönt von einem Granatenpass, der zur 1:0 Führung durch Lehmann reift. Gesehen hat der ETB-Coach diese enorme Passqualität bei der heimischen Videoanalyse der U20-Spiele Deutschlands, denn dort hat der Youngster gleich drei solche Pässe in den Partien gegen die Schweiz und Polen rausgehauen! Die weiteren Premieren gelingen Jak Williams und Zabala, die ihr erstes Tor im Trikot des ETB erzielen. Endstand: 3:0!
7. Spieltag 1. Bundesliga: 1. FC Heidenheim (A) Für die Essener geht die englische Traumwoche mit einer 5:1 Kantersieg gegen Heidenheim weiter. Jak Williams scheint angekommen, netzt doppelt und profitiert somit von Schäfers Verletzung und bringt Lehmann schon früh in der Saison in Bedrängnis hinsichtlich der Aufstellung im Sturm.
8.Spieltag 1. Bundesliga: RB Leipzig (H) Eine ausgeglichene Partie zwischen dem Zweiten und dem Dritten der Bundesligatabelle hat nach Spielende leider – so empfinden es die Fans der Gastgeber aus Essen – einen etwas glücklicheren Sieger aus Leipzig, die den 3:2 Siegtreffer in der dritten Minute der Nachspielzeit erzielen.
Erwähnenswert sind die jeweils ersten beiden Tore der Kontrahenten. Für den ETB netzt der Linksverteidiger Minguez aus rund 20 Metern mit einem Sonntagsschuss mit dem linken Fuß ins rechte Halbnetz und bei Leipzig lasert Barrenetxea das Leder in Überschallgeschwindigkeit unter die Torlatte. Bei dem Leipziger Spieler war das mit Sicherheit kein Sonntagsschuss, sowas zeigt der 35-Millionen-Mann aus Spanien mit Sicherheit auch unter der Woche.
9.Spieltag 1. Bundesliga: Eintracht Frankfurt (H) Das Spiel zwischen Frankfurt und Essen war keineswegs langweilig und endet mit einem leistungsgerechten 1:1.
10. Spieltag 1. Bundesliga: FC Schalke 04 (A) Gegen die Königsblauen riechen die „Schwatten“ zwar an einer Sensation, verlieren aber nach einer Partie auf Augenhöhe mit 2:3 auf Schalke.
Zunächst gehen die Gäste mit einem Pfund Alex Lehmanns aus etwas 25 Metern in Führung. Dem Tor voraus geht ein starkes offensives Pressing in Kombination mit jenem sensationellen Fernschuss. Die Führung hält allerdings nur drei Minuten, ehe Matchwinner Coletti zum Ausgleich trifft, später dann Kevin Block das 2:1 auflegt und in der 71. Minute erneut selbst netzt. Direkt nach der Wiederaufnahme des Spiel köpft Sidibé zum 2:3 und ermöglicht den Essener zumindest einen Punkt mitzunehmen, doch das gelingt ihnen nicht, auch, weil sie in der Nachspielzeit eine tolle Chance vergeben.
11. Spieltag 1. Bundesliga: 1. FC Köln (H) Gegen den FC aus Köln gewinnen die Essener sehr souverän und unspektakulär mit 2:0. Nennenswert ist aber, dass Alex Lehmann sich in der 63. Minute verletzt und für rund 6 Wochen ausfällt.
2. Runde DFB-Pokal: VfL Wolfsburg (A) Lehmann scheitert nun das dritte Mal im DFB-Pokal am VfL Wolfsburg. In diesem Fall geht es noch in der Verlängerung, in welcher die Niedersachsen durch ein Flippertor Mainas das spielentscheidende 3:2 erzielen.
Mit dem Pokalsieg wird es also erwartungsgemäß nichts, wenngleich der Verein größere Erwartungen an seine Elf hatte.
In der Liga werden die Erwartungen allerdings wieder mehr als erfüllt. Man steht auf einem tollen achten Platz in der Tabelle, hat bereits 17 Punkte gesammelt und hofft – wie auch in der letzten Spielzeit – auf eine hohe Punktausbeute in der Hinrunde. Der nächste ETB-Gegner im Spielplan kommt aus München und führt die Tabelle mit drei Punkten Vorsprung an, verfolgt Dortmund un Leipzig.
Unten kommen Heidenheim und Werder nicht richtig ins Laufen, was man in Essern durchaus gut findet, da man so ein Polster auf die direkten Abstiegsränge hat.