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Autor Thema: Fast ganz unten ...  (Gelesen 1714 mal)

Manuel dos Santos

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Fast ganz unten ...
« am: 08.Dezember 2020, 23:18:48 »



Als Matze mich anrief, wusste ich noch nicht, was auf mich zukommen würde. Wäre ich ansonsten vielleicht gar nicht ans Telefon gegangen? Ich weiß es nicht ...
Wie dem auch sei: Mein Handy klingelte, Matzes Nummer wurde angezeigt und ich ging ran.
Matze war ein ... Kumpel? Bekannter? Das trifft es halbwegs. Definitiv konnte man ihn nicht als „Freund“ bezeichnen, ich ohnehin nicht, denn ich würde in meinem Leben nur ganz wenige Personen als „Freund“ titulieren. Zu der damaligen Zeit ohnehin nicht.
Ich kannte Matze seit ein paar Jahren als „Fußballvater“. Sein Sohn, benannt nach einer US-amerikanischen Metropole (ich vermutete, es handelte sich um den Zeugungsort des Jungen, vielleicht lag ich damit aber auch komplett falsch), spielte mit meinem Erstgeborenen ein paar Jahre in derselben Mannschaft. Ich glaube, mit zehn wechselte Matzes Filius zu uns, ein damals schon großer Junge mit langen, dünnen Beinen, als aktiver Leichtathlet auch sehr flink. Fußballerisch war er ordentlich und eine gute Ergänzung des Teams, in dem mein Sohn der Torwart war und dass seinerzeit im Landkreis und darüber hinaus von Erfolg zu Erfolg eilte.
Matze war stylisch, gut gekleidet, jugendlich-forsch - und echt nett. Er war Prokurist beim örtlichen Stromversorger und Chef des Hallenbades und er kannte Gott und die Welt und noch mehr Leute. Im Laufe der nächsten Jahre engagierte er sich immer mehr im Verein und wurde zu einem unverzichtbaren Bestandteil in der Elternschaft und auch im Verein.
Dass er mich anrief, war trotzdem überraschend. Unser Kontakt war dadurch, dass mein Großer in ein Nachwuchsleistungszentrum gewechselt war, etwas eingeschlafen und hatte sich wieder mehr intensiviert, als der Große nach 18 Monaten wieder zurückkehrte, um Spielpraxis zu sammeln, die er im NLZ nicht mehr bekam.

Nach dem üblichen Vorgeplänkel kam Matze dann zur Sache:
„Du kennst Dich doch im Fußball aus und hast ja im Moment vielleicht auch etwas Ablenkung nötig.“
Das waren nun zwei Halbwahrheiten in einem Satz ... Kennt man sich im Fußball aus, wenn man am PC Fußballsimulationen spielt, selber in einer Betriebssportmannschaft, aber nie im Verein, gekickt hat, seit ein paar Jahren als Fußballvater unterwegs ist und eine Mannschaft von 6jährigen übernommen hat, weil es kein anderer wollte, und mit dieser Mannschaft seit drei Jahren immerhin so gut umging, dass jedes einzelne Kind immer wieder gerne zum Training kam? Ok, wir hatten sogar die Hallenkreismeisterschaft gewonnen ... Aber auskennen?
Und das mit der Ablenkung ... Ich hatte mich verliebt, in eine andere Frau als meine Ehefrau, was dazu führte, dass ich aus dem gemeinsamen Haus ausgezogen und in einer 2-Zimmer-Wohnung untergekommen war. Meine Freundin hatte selber Familie und wohnte 100 km entfernt, was die Beziehung zu einer fast ausschließlichen Wochenendbeziehung machte. Alles in allem war es grade alles nicht so einfach, aber brauchte ich deswegen Ablenkung?

Während ich darüber noch sinnierte, erzählte Matze davon, dass den 1. Herren der Trainer abhanden gekommen war. „Beruflich bedingt. Paule hat einen neuen Job bekommen, in Aschaffenburg. Er wird zum 01.10. umziehen und hat dem Vorstand gesagt, dass er ab sofort keine Zeit mehr hat. Wohnung suchen, Umzug planen undsoweiterundsofort. Der Vorstand ist natürlich nervös und an einer schnellen Wiederbesetzung interessiert. Und als ich gestern Abend mit Martin und Sven essen war und wir mögliche Kandidaten durchgegangen sind, kamen wir auf Dich ...“

Martin und Sven. Das waren der erste Vorsitzende und der Jugendabteilungsleiter, der aber mehr war als nur ein Jugendabteilungsleiter. Ohne sie lief zumindest im Jugendfußball nichts, aber dass sie auch über die 1. Herren bestimmten, das war mir neu.

„Auf mich? Aber ich habe nie selber gespielt und bisher nur Kinder trainiert. Kinder, noch nicht mal Jugendliche! Da kann man mich doch nicht auf die 1. Herren loslassen. Die spielen ja auch nicht irgendwo, nicht in der 2. Kreisklasse oder so, sondern in der Landesliga. Kann ich die überhaupt mit meiner C-Lizenz trainieren?“

Matze lachte sein Matze-Lachen, mit dem er noch jede/n rumbekommen hatte. „Das ist kein Problem, Sven hat da schon seine Fühler ausgestreckt ...“ und es folgten ein paar Minuten mit salbungsvollen Worten, Bauchpinselei, Argumenten, Versprechungen und Verlockungen.
Am Ende war ich so weit, dass ich ihm auch einen Gebrauchtwagen und eine Waschmaschine abgekauft hätte, dabei hatte ich beides schon und eigentlich auch nicht genügend Geld übrig für solche Anschaffungen. Ich willigte ein.


Als ich am Abend mit meiner Freundin per Skype telefonierte, brauchte sie nicht mal eine halbe Minute, um herauszubekommen, dass etwas nicht stimmte. Weitere zwei Minuten dauerte es, dann sah sie mich mit ihrem unnachahmlichen Blick an. „Reichen Dir Deine Jungs nicht? Wir haben so schon kaum Zeit für uns - wie soll das dann erst werden, wenn Du eine Herrenmannschaft trainierst?“

Natürlich hatte sie Recht. Das wusste ich und trotzdem argumentierte ich dagegen. Versprach, genügend Freiraum für uns zu schaffen. Verwies darauf, dass ich ein Sonntagskind sei, das bisher alles geschafft habe. Dass ich schon alles unter einen Hut bringen würde. Dass wir uns ja trotzdem sehen würden, weil die Spiele doch nur an einem Tag des Wochenendes stattfänden. Dass das Training an den Werktagen sei. Das sie ja auch mit auf den Platz kommen könne. Dass sie doch immer gesagt habe, sie wolle alle Seiten meines Lebens mit mir teilen und Fußball gehöre nun mal dazu. Ich redete und redete - doch letztlich versuchte ich wohl nur, mich selbst zu überzeugen. Das Telefonat endete irgendwann, ohne dass wir zu einer wirklichen Annäherung kamen. „Letztlich machst Du ohnehin, was Du willst. Gute Nacht ...“
« Letzte Änderung: 08.Dezember 2020, 23:26:15 von Manuel dos Santos »
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Manuel dos Santos

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Re: Fast ganz unten ...
« Antwort #1 am: 08.Dezember 2020, 23:39:00 »

Drei Tage später, am Montag den 18. Juni 2018, war das erste Training angesetzt. Ich kam auf den Platz ... und wunderte mich erst einmal. Dann zählte ich die Spieler durch, die sich im „Gammeleck“ bereits aufwärmten: „ Zwei, vier, sieben, neun, elf ... 15, 16 ... 16?“
Ich rief Dieter „Didi“ Döll zu mir. Didi kannte ich von allen Spielern am besten, denn er gehörte auch zu den Jugendtrainern des Vereins. Er war ein netter Kerl, 24 Jahre alt, und spielte im Mittelfeld. Didi kam angetrabt und wir klatschten zur Begrüßung ab. „Na, Trainer ... bist ein bisschen spät dran, was?“
Da hatte er gleich meinen wunden Punkt erwischt: Ich musste im Büro noch eine eilige Sache erledigen, daher kam ich dort später los als gedacht. Dazu noch der Stau des Feierabendverkehrs und zack - hatte ich am ersten Trainingstag gleich eine Verspätung. Peinlich.
Didi merkte wohl, dass ich etwas schuldbewusst dreinblickte, denn er beeilte sich zu sagen: „Ist ja nicht schlimm. Wir haben dann einfach schon mal angefangen, sind ja auch schon groß.“ Er zwinkerte mir zu.
Ich lächelte kurz und kam dann auf den Punkt: „Danke, Didi. Aber sag’ ‘mal: Wo sind denn die anderen Spieler? Wir waren doch mehr als 16?“.
Didi verzog das Gesicht. „Die Verräter haben sich abgesetzt, als sie mitbekommen haben, dass Paule nicht mehr da ist. Ein paar hatten eh nicht mehr richtig Bock und andere ...“
Er zögerte, aber nur kurz. „Andere konnten sich das mit Dir nicht richtig vorstellen. Die haben sich verkackeiert gefühlt und gesagt, sowas tun sie sich nicht an. Die wollten zu einem ...“ er hob die Finger und simulierte Anführungszeichen „professionellen“ Verein.“
Dann zuckte Didi mit den Schultern und zwinkerte erneut: „Aber die, die hier sind, die bleiben auch. Das sind echte „Vorwärts’er“! Wollen wir loslegen? Die warten schon.“
Ich nickte und gemeinsam gingen wir zu den anderen.
Ich scharte die Jungs um mich und bat zuerst um eine kurze Vorstellungsrunde, da ich nicht alle kannte und nicht alle mich kannten. Danach ging es dann mit dem richtigen Training los.

Nach dem Training, als ich alleine in meiner Wohnung saß, versuchte ich meine Gedanken zu ordnen und vor allen Dingen mir einen genaueren Überblick über die Mannschaft zu verschaffen.



Wobei Mannschaft ... 16 Spieler waren schon arg wenig ... und dann diese Unwucht: Ein Torwart. Den würden wir in Watte packen müssen, damit ihm ja nix passiert. Viereinhalb Verteidiger, dafür siebeneinhalb Mittelfeldspieler. Drei Stürmer. Was sollte man denn daraus für eine Formation basteln? Am ehesten ein 3-5-2, was anderes machte ja keinen Sinn ... oder vielleicht doch 4-4-2 ...

Die Zeit verging. Ich verlor mich in den Weiten des Netzes, las hochspannende Artikel bei trainerblog und spielverlagerung, suchte, fand und verwarf wieder, dachte, grübelte und zweifelte ... und am Ende kritzelte ich etwas aufs Papier:



Das war sicher noch nicht das Gelbe vom Ei, aber immerhin ein Anfang.
Klar war aber, dass sich noch etwas tun musste. Wir hatten nur einen Keeper, kaum Variationsmöglichkeiten in der Abwehr und im zentralen Mittelfeld sah es auch mau aus ...

[-----]

„Also zusammengefasst: Wir haben nur einen Keeper, kaum Variationsmöglichkeiten in der Abwehr und im zentralen Mittelfeld sieht es auch mau aus ...“. Ich schaute Martin erwartungsfroh an.
Martin erwiderte meinen Blick. „René, ich verstehe Dich zwar. Aber Du musst mit dem auskommen, was wir im Moment an Bord haben.“
„Martin, Du verstehst nicht. Wie soll ich mit einem 16-Mann-Kader die Landesliga halten? Wir haben ...“
„Nein, DU verstehst nicht, René“, unterbrach er mich.
„Wir haben schlicht kein Geld. Wir können uns keine neuen Spieler leisten. Nur, wenn sie Geld mitbringen, dann könnten wir darüber reden. Aber im Moment haben wir keinen Spielraum.“
„Aber ...“
„Kein ‘Aber’. Ich will Dir mal was zeigen.“ Martin stand von der Couch auf. Wir waren bei ihm zuhause und hatten es uns im Wohnzimmer gemütlich gemacht. Nur leider schien es gerade ein wenig ungemütlich zu werden ... Er wühlte in den Unterlagen, die auf seinem Schreibtisch verstreut lagen. „Das Genie beherrscht das Chaos“, ging es mir durch den Kopf, als ich ihn beobachtete. Offenbar wurde er fündig, denn er kehrte zu mir zurück, mit einem Ordner in der Hand. „Finanzen“ stand darauf zu lesen.
„Weißt Du, wie viel wir derzeit auf dem Konto haben? Mit „wir“ meine ich den SV Vorwärts Nordhorn. Was meinst Du, wie viel?“
„Ich habe keine Ahnung. Und im Schätzen bin ich immer schlecht gewesen.“
„Ich will es Dir sagen.“ Martin holte Luft. „Wir haben derzeit unglaubliche ... 7.845 EUR auf dem Konto. Immerhin ein Plus.“ Er verzog den Mund zu einem gequälten Lächeln. „Weißt Du, was wir in diesem Monat für Ausgaben haben?“ Martin wartete meine Antwort nicht ab, sie wäre auch nicht wirklich sinnvoll gewesen.
„3.255 EUR. Und zwar 2.288 EUR an Spielergehältern, 850 EUR an Mitarbeitergehältern, dann 81 EUR Steuern, 31 EUR außerbetriebliche Kosten und 4 EUR Loyalitätsbonus.“ Er hielt inne. „Die Loyalität desjenigen scheint ja nicht so groß zu sein bei der Summe ... Egal. Die Einnahmen in diesem Monat betragen 656 EUR. 431 EUR Dauerkarten, 218 EUR Zuschüsse von der Stadt, der kümmerliche Rest sind Fanartikel. Im letzten Monat hatten wir immerhin 7.310 EUR an Sponsorengeldern. Aber mehr hatten wir an Einnahmen nicht.“
„Aber Martin, wir hatten noch kein einziges Spiel. Da kommt doch durch Kartenverkäufe mehr rein als diese 600 EUR. Und wenn wir spielen, dann gibt es auch mehr Fanartikelverkäufe. Sven hatte doch den Onlineshop komplett neu gemacht, das sieht richtig gut aus. Da werden doch mehr Leute von angesprochen als bisher.“
Martin nickte. „Das stimmt, René, das stimmt. Aber ... wie Du sagst: Wir hatten noch kein einziges Spiel. Wir hatten also noch keine Reisekosten für die Fahrten zu den Auswärtsspielen. Wir hatten noch keine Spieltagsausgaben für die Heimspiele. Wir hatten noch keine Instandhaltungskosten und Du kannst wetten, das irgendwas kaputt geht. Die Jugendeinrichtungen kosten Geld, die Turniere kosten Geld undundund.“
Er kramte eine bunte Übersicht hervor. „Hier, das ist die Prognose auf Grundlage der von uns bisher ermittelten Zahlen.“



„Glaubst Du mir jetzt, dass wir kein Geld haben?“
Ich schaute betreten auf die Zahlen, die nun wirklich kein gutes Bild ergaben.
„Das Ganze haben wir Henry zu verdanken. Wir haben dem alten Saufkopp viel zu lange nicht auf die Finger gescheut.“ Martin holte tief Luft.
„Sven und ich sind dabei, uns einen Überblick zu verschaffen und vor allen Dingen Einsparmöglichkeiten zu finden und neue Sponsoren zu gewinnen. Der ersten Mannschaft kommt als Aushängeschild dabei natürlich besondere Bedeutung zu. Wenn die Erste Erfolg hat, strahlt das aus. Dann kommen die Zuschauer, dann die Sponsoren und dann die Einnahmen. Das bedeutet für Dich, dass Du in die obere Tabellenhälfte kommen solltest.“
„Mit 16 Spielern? Mit nur einem Torwart? Wie stellst Du Dir das vor?"
„René, Du bekommst von uns alle Unterstützung - sie darf nur nichts kosten. Schau Dich in der U 19 um ...“
Ich unterbrach ihn: “Da spielen 15, 16-jährige.“
„Da spielen gute Jungs, die Förderung verdienen. Sei kreativ. Sprich Spieler an, die Du kennst. Vielleicht sind sie bereit, für einen Appel und ein Ei zu spielen. Wir vertrauen Dir da voll und ganz. Nur ...“
Er sah mich an.
„Es darf nichts kosten.“
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Manuel dos Santos

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Re: Fast ganz unten ...
« Antwort #2 am: 22.Dezember 2020, 19:47:56 »

Mittlerweile waren zwei Wochen vergangen, seitdem ich die Verantwortung für die Erste Mannschaft übernommen hatte. Die Stimmung in der Kabine wurde etwas besser, obwohl ich im Training schon mal strengere Töne angeschlagen hatte. Mir hatte die Einstellung von zwei, drei Spielern nicht gefallen und das hatte ich klar zum Ausdruck gebracht. Die Jungs hatten sich einsichtig gezeigt.
Vielleicht hatte das ja sogar zur Stimmungsverbesserung beigetragen? Bei Kindern war das ja so: Wenn jemand die Störenfriede mal ordentlich auf den Pott setzte, erfreute das immer die anderen, die das Training ernst nahmen und von den Störenfrieden angenervt waren.

Ein erstes Testspiel hatten wir auch absolviert. Gegen den Landesligisten SV Rödinghausen II hieß es am Ende 1:1. Wir kamen richtig gut in die Partie und nach einer Viertelstunde konnte „Didi“ Döll die Führung erzielen, als er fast vom Elfmeterpunkt einen Hereingabe verwerten konnte. Der Treffer war wirklich schön herausgespielt! Rödinghausen, immerhin die Reserve eines Regionalligisten, wurde mit der Zeit stärker und kam nach einer halben Stunde zum Ausgleich. Ein Freistoß wurde flach an den ersten Pfosten gebracht, Castillowar nicht dicht genug an seinem Gegenspieler, der den Ball über die Linie drückte. In den Minuten nach dem Ausgleich hatte Knystock alle Hände voll zu tun, um uns im Spiel zu halten. Dann gab es plötzlich eine rote Karte für Rödinghausen II wegen eines harten Foulspiels von hinten und die Drangphase der Gäste war vorüber.

Zur Pause nahm ich fünf Wechsel vor, damit alle Spieler auch tatsächlich auf ihre Spielzeit kamen. In der zweiten Hälfte ging es gut hin und her, beide Mannschaften hatten ihre Chancen und wir konnten von der Überzahl nicht profitieren. Am Ende hieß es leistungsgerecht 1:1 und ich konnte mit dem ersten Auftritt meiner Mannschaft durchaus zufrieden sein.
 
Am Donnerstag darauf empfingen wir zuhause den Bezirksligisten Preußen Lengerich. Immerhin rund 70 Fans hatten sich versammelt und vor denen wollten wir natürlich gut aussehen. Die Partie ließ sich auch gut an: Schon in der 18. Minute spielte „Didi“ Döll den tödlichen Pass in den Lauf von Kuleszka. Der ging mit Tempo in Richtung Tor, wurde zwar von einem Verteidiger bedrängt, konnte aber trotzdem aus acht Metern die Führung für uns erzielen!
Auch in den nächsten Minuten blieben wir weiter offensiv und waren deutlich überlegen. Nach 28 Minuten kamen wir völlig verdient im Anschluss an eine Ecke zum 2:0. Dachte zumindest jeder auf und neben dem Platz, nur der Schiedsrichter nicht. Das Tor wurde wegen Abseits aberkannt.
Zum Teil zeigten wird in dem Spiel richtig schöne Spielzüge. Ok, es war „nur“ ein Bezirksligist, aber trotzdem. Altendorf mit einer Riesengelegenheit - er MUSSTE das Tor machen, schoss freistehend aber nur den Torwart an.
Wie die Kinder: Mitten drauf hämmern, statt überlegt in die Ecke zu spielen. Unglaublich ...
Kurz vor der Pause war es wieder Altendorf, dieses Mal machte er alles richtig, visierte die Ecke an, aber der Ball ging knapp vorbei. Schade!

Kurz nach der Pause gab es einen Freistoß für die bisher komplett harmlosen Gäste. Der Ball wurde mehr oder weniger blind in Richtung Tor geschlagen, niemand berührte ihn, er ging an Freund und Feind vorbei, tischte auf und ... am verblüfften Knystock vorbei ins Netz. Ausgleich, und das auf selten dämliche Art und Weise ...
Danach zeigten wir wütende Angriffe, wie man so schön sagt, aber es bedurfte eines Elfmeterpfiffes, damit wir wieder in Führung gehen konnten. Nach Foul an Nikolaev verwandelte Neziri sicher. Das war in der 65. Minute.
Viel geschah dann nicht mehr. Die Gäste blieben limitiert und wir taten auch nicht mehr viel. Außer Halstenberg, der in der Nachspielzeit von links in den Strafraum drang und ins kurze Eck schoß. Ein Landesligatorwart hätte den vielleicht gehabt, aber ich wollte nicht meckern.

Als „Höhepunkt der Vorbereitung“ hatten wir zwei Testspiele gegen Mannschaften aus Belgien bzw. den Niederlanden geplant.
Zum einen ging es gegen ein Team aus der „Tweede klasse amateurs“, immerhin die vierthöchste Liga Belgiens, deren Stärke irgendwo zwischen der Regionalliga und der Oberliga angesiedelt war. Der KSC Olympia Wijgmaal hatte sich auf Tour durch den Westen Deutschlands begeben, um Spiele gegen die Landesligisten FC Kray (Niederrhein) und Rehlingen-Fremersdorf (Saarland) sowie gegen den Oberligisten FC Brünninghausen (Westfalen) zu absolvieren. Und eben gegen uns.
Die Gäste waren schon deutlich favorisiert. Umso überraschender und positiver war es, dass wir bis weit in die 2. Hälfte hinein gut mitspielten und sogar 2:0 führten. Nikolaev nach zehn Minuten zentral aus 17 Metern und Neziri mit einem sehenswerten Volleyschuss (nach ebenso sehenswerter Vorlage von Berkenbaum) kurz nach der Pause waren für uns erfolgreich. Aber dann schlugen die Belgier gnadenlos zu. In der letzten Viertelstunde schenkten sie uns noch vier Treffer ein. Und alle, ALLE fielen nach einer Standardsituation. Ein Tor nach einer Ecke, die restlichen drei nach Freistößen. Hier gab es also noch allerhand zu tun, aber nichtsdestotrotz war ich mit dem Spiel zufrieden.

Meine Zufriedenheit sollte sich nach dem nächsten Spiel noch steigern: Wir hatten die zweite Mannschaft des FC Utrecht aus den Niederlanden zu Gast. Die aus U 21-Spielern bestehende Truppe, Jong FC Utrecht genannt, spielte in der zweithöchsten Spielklasse im niederländischen Fußball und war natürlich hoher Favorit gegen uns. Das Spiel ging auch entsprechend los: Der erste Angriff der Gäste führte gleich zum Torerfolg durch Jonas Arweiler, einen 21 Jahre alten Deutschen. Als nur zehn Minuten später das 0:2 fiel (wieder einmal nach einem Freistoß ...), richtete ich mich gedanklich schon auf eine Klatsche ein.
Aber dann begannen wir, den Respekt abzulegen. Nikolaev konnte eine Freistoßflanke zum Anschlusstreffer ins Tor köpfen. Die gesamte Abwehrreihe hatte da gepennt und auf Abseits gespielt, und auch der Keeper sah beim Herauslaufen deutlich älter aus als er eigentlich war. In der 53. Minute gelang uns sogar der Ausgleich: „Didi“ Döll spielte einen tollen Ball hinter die Abwehrkette des Jong FC Utrecht und erneut war es Nikolaev, der davon profitierte und einschoss!
15 Minuten vor dem Ende schien dann aber doch alles den erwarteten Gang zu gehen, denn erneut Arweiler brachte die Niederländer wieder in Führung. Doch in der Nachspielzeit brachte Schäfer einen langen Ball nach vorne, wieder hinter die Abwehrreihe, dieses Mal in den Lauf von Neziri, der cool blieb und aus 14 Metern den Ball am Torwart vorbei in die lange Ecke schob.
3:3 gegen einen Zweitligisten - das war ein toller Erfolg der Truppe!

Zwei Wermutstropfen gab es allerdings: Unser tolles Spiel hatten nur 50 Zuschauer gesehen. Und Lukas Berkenbaum zog sich eine Oberschenkelprellung zu. Ob er bis zum Ligaauftakt in einer Woche wieder fit würde, stand in den Sternen.


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