Kaderanalyse
Zwei Wochen nach dem Ende der Saison waren Joakim und ich auf dem Weg in die Geschäftsstelle. Weitere Nächte hatten wir uns um die Ohren geschlagen, um einerseits unsere Präsentation für den heutigen Tag zu finalisieren, viel mehr jedoch, um uns darauf zu einigen, mit welchem Kader wir in die Vorbereitung gehen wollten. Auf einigen Positionen herrschte schnell Klarheit, bei anderen diskutierten wir mitunter stundenlang. Am Ende jedoch hatte ich als Cheftrainer das letzte Wort und Joakim ließ daran selbst keinen Zweifel aufkommen.
„Guten Tag, die Herren“, begrüßte uns Heier übertrieben freundlich. Offensichtlich war er gut aufgelegt. Hände wurden geschüttelt und Kaffee serviert, ehe ich mit der Präsentation begann.
„Kommen wir ohne Umschweife zum Punkt. Die vergangene Saison war in vielerlei Hinsicht überragend, doch in der OBOS-Ligaen sind wir wieder das Leichtgewicht und müssen uns erst beweisen.“ Högmo und Klaboe nickten zustimmend. „Nach reiflicher Überlegung und langem Studium der Daten aus der vergangenen Saison, kamen wir als Trainerteam zu dem Schluss, dass eine radikale Veränderung dennoch nicht nötig sein wird.“
Nun meldete sich Heier zu Wort, dessen Blick zuvor immer skeptischer wurde: „Nehmen Sie das nicht etwas zu sehr auf die leichte Schulter? Ihnen ist doch bewusst, dass der Vorstand den Aufstieg erwartet, oder? Was glauben Sie denn, warum wir beinahe 2 Mio. an Gehaltsbudget zur Verfügung gestellt bekommen.“
Nahezu zeitgleich verschluckten wir übrigen drei Meetingsteilnehmer uns an unserem Kaffee. Högmo war der erste, der in der Lage war wieder zu sprechen: „Sagten Sie gerade ZWEI MILLIONEN? Der Verein hat die Saison mit einem Minus von beinahe 650.000 abgeschlossen. Wie können wir uns sowas leisten?“
„Haben Sie es denn nicht gehört? Wir haben einen neuen Hauptsponsor. Garantiert uns eine halbe Million pro Jahr. Und zusätzlich planen wir fest mit dem Aufstieg, mindestens aber mit den Play-Offs. Alleine die Spieltagseinnahmen sollten uns höhere Erträge bringen, als im letzten Jahr. Wir rechnen mit dem doppelten Zuschauerschnitt.“
„Glauben Sie nicht, dass das alles etwas zu hoch gegriffen ist? Genau so ist dieser Verein schon einmal abgestürzt“, sprach Högmo meine Gedanken aus.
„Ich versichere Ihnen, der Vorstand zieht nur sichere Daten für seine Prognosen heran. Also lassen Sie die Zahlen unsere Sorgen sein. Kümmern Sie sich nur um den Aufstieg, damit meine ich vor allem Sie Jólly“, sagte er und seine blitzten in meine Richtung.
Da war er wieder, der heier´sche Größenwahn, wie ich ihn schon andeutungsweise im ersten Jahr erlebt hatte. Kurz sammelte ich mich, dann fuhr ich fort: „Wie gesagt, wir sehen uns als Aufsteiger im sicheren Mittelfeld der Liga, ob es zu mehr reicht, werden wir sehen. Unsere Planungen gehen dahin, dass wir lediglich einige Positionen in der Breite verändern wollen. Bedarf für neues Stammpersonal sehen wir nur auf den defensiven Außen. Wir werden nun alle Positionen durchgehen und erklären, warum wir uns entschieden haben, wie wir es taten. Joakim, Bitte.“
Gemäß unserer Absprache würde Joakim die weniger heiklen Punkte übernehmen und ich würde dann einschreiten, wenn die diskutablen Positionen an der Reihe waren.
Torhüter:
„Im Tor ist die Sache klar. Havar Jenssen wird als Nummer eins ins Rennen gehen. 17 Zu-Null-Spiele sprechen für sich. Er hat in der gesamten Saison keinen einzigen Gegentreffer direkt verschuldet und ist vor allem auf der Linie stark. Einzig sein Spiel mit Ball ist verbesserungswürdig, hier suchen wir nach einem Ersatzmann, der entwicklungsfähig ist und genau diese Komponente zusätzlich mitbringt.
Sollte das gelingen, kann Aleksander Karstensen verliehen werden. Er hat stand jetzt nicht das Format, um Jenssen wirklich Druck zu machen. Gibt es Fragen dazu?“ Da sich niemand regte, machte ich weiter, denn hinten links würde es etwas mehr Gesprächsbedarf geben.
Verteidigung Links:
„Nach dem Abgang von Ludvig Begby war Smith-Perdersen ein absoluter Glücksgriff. Der Junge hat sich vollkommen unbekümmert ins Team eingefügt und mit seiner offensiven Spielweise maßgeblich dafür gesorgt, dass auch Drage mehr Freiheiten hatte. Seine Flanken kamen zu 28% an den Mann, was nicht überragend ist, aber für sein Alter ein ordentlicher Wert. Zudem hat er gute Werte im Dribbling.“
„Klingt doch ganz gut“, schaltete sich Högmo ein.
„Tut es in der der Tat. Jedoch werden wir in der Liga als Neuling nicht überall so dominant auftreten können, wie wir es gewohnt sind. Und gerade defensiv waren Smith-Pedersens Daten, sagen wir ausbaufähig. Er wird nun noch stärkeren Angriffsspielern gegenüberstehen und wir wollen hier einfach einen zusätzlichen Impuls setzen. Unsere Scouts sind schon darauf angesetzt einen defensivstarken Außenverteidiger zu finden.“
„Nun gut, ich verstehe deine Argumentation. Und wenn die 48% gewonnene Tacklings, wie sie da stehen, wirklich sein Wert sind, müssen wir handeln.“
„Lassen Sie beide das mal meine Sorge sein. Geben Sie mir Namen und ich kontaktiere die Agenten“, schaltete sich Heier mit ein.
„Dann rufen Sie gleich mal bei Emil Jonassen an. Er ist seit einem halben Jahr vertragslos, nachdem ihm ein Abenteuer in Borrisow nicht bekam. Er ist 26, hat jede Menge Erfahrung in der Eliteserien und könnte unser Mann sein.“ Ja, ich bin vorbereitet du aufgeblasener Pinsel.
„Das überrascht mich aber nun. Ich hatte gehofft Sie würden, nun ja, bessere Spieler bevorzugen, von Top-Klubs.“
Ich überging diese Überschätzung der Eigenwahrnehmung. Fredrikstad war sicher noch lange nicht in der Lage, Spieler von Topformat zu bekommen. Doch ich sah in Jonassen einen Anfang.
Verteidigung Rechts:
Auf der gegenüberliegenden Seite war der Fall etwas einfacher. Wir suchten keine klare Nummer eins, da Asheim unumstrittener Stammspieler war. Lediglich sein Hang zu leichteren Blessuren brachte mich überhaupt zum Nachdenken. Borgersen traute ich die Rolle als Back-Up-Plus noch nicht zu. Er war das genaue Gegenteil von Smith-Pedersen auf links. Defensiv stand er seinen Mann, doch nach vorn war er weithin nicht zu gebrauchen. Auch für diese Position hatten wir bereits einen Namen im Kopf:
„Rufen Sie in Asane an. Offensichtlich wird Viljar Birkeland keinen neuen Vertrag bekommen. Er ist erst 21 und hat ein starkes Jahr hinter sich. Hinten steht er wie ein Baum in der Viererkette und nach vorne ist auch für Impulse gut. Hat 2 Tore und 5 Vorlagen gesammelt. Kurz, ich will ihn in meinem Team.“
Dieses Mal schwieg Heier und ich übergab wieder an Klaboe, der im Zentrum weiter machte.
Innenverteidigung:
„Mit Aukland, Mads Nielsen und Lars Saetra haben wir drei Spieler, die eigentlich Stamm sein müssten. Aukland fehlt es noch etwas an Erfahrung und er neigt hier und da zu leichten Fehlern. Dafür hat er die nötige Schnelligkeit, die den anderen beiden abgeht. Insgesamt sind wir super aufgestellt. Halvor Hovstad würde nur sehr wenige Minuten sammeln, wir möchten ihm einen Wechsel nahelegen, da wir auch nicht genug Potential für die Zukunft sehen. Das wiederum erzeugt unseren einzigen Bedarf auf dieser Position. Wir würden künftig gern auf einen Innenverteidiger mit starkem linken Fuß setzen.“
„Wenn das alles ist, ich kümmere mich drum. Sagt Ihnen Skogsrud aus Oslo etwas? Skeid will ihm keinen neuen Vertrag geben. Ich werde ihn einladen. Was die anderen angeht, kann ich nichts versprechen, die Topklubs des Landes stehen Schlange für Aukland und Nielsen. Wir könnten eine hübsche Summe rausschlagen.“
Geldgieriger, kleiner… Doch ich beherrschte mich. „Sorgen Sie in diesem Fall für eine gute Ablöse und nötigen Ersatz." Den ich selbstverständlich schon auf der Liste hatte.