Kapitel 28: Unglaubliches Finale
Dieses Jahr mussten wir zum Pokalfinale nicht weit reisen. Glücklicherweise fand das Stadtduell gegen Spartak in Moskau statt. Genauer gesagt: im Stadion von Dinamo Moskau. Auch die Kulisse war dieses Jahr weitaus beeindruckender. Über 20.000 Zuschauer sorgten für eine tolle Stimmung in der ausverkauften Arena. Dass sich Zenit am Tag vor dem Finale den Ligatitel sicherte war für uns nur eine Randnotiz. Wir waren heiß darauf dieses Jahr unseren ersten Titel seit nunmehr 27 Jahren zu gewinnen.
Folglich traten wir auch mit unser besten, verfügbaren Elf an: Botnar — Chicherin, Jose Almir, Bozhin, Kichin — Klimovich — Berezkin, Vrbanec — Fonsinho, Churko — Klimov. Rudenko musste das Pokalfinale leider von der Tribüne verfolgen. Er durfte gegen seinen eigentlichen Arbeitgeber nicht mitwirken. Für ihn, und für uns, war das natürlich bitter.
Das Spiel begann dann nach einer kurzen Phase des Abtastens mit einer Chance für Spartak. Kichin will die Defensivarbeit spielerisch lösen, bringt mit einem Pass vor das Abwehrzentrum jedoch Klimovich in Bedrängnis. Von zwei Spartak-Spielern bedrängt verliert er den Ball, der auf Rocha weitergeleitet wird und der Brasilianer schiebt in der 11. Minute an Botnar vorbei zum 0-1 in die Maschen. So hatten wir uns den Start nicht vorgestellt.
Wir brauchten dann auch einige Zeit ehe wir uns wieder gefangen hatten. In der Zwischenzeit hatte Rocha jedoch die Chance auf das 0-2, traf in der 16. Minute aber nun den Pfosten. Glück für uns! Spartak blieb in der Folgezeit gefährlich, spielte sich aber keine großen Chancen mehr hinaus. Wir fanden offensiv überhaupt nicht statt. So ging es mit einer 1-0 Führung für Spartak in die Kabine.
Meine Pausenansprache schien dann ihre Wirkung nicht zu verfehlen. Kurz nach der Pause hatten wir die Chance auf den Ausgleich. Nach einem Freistoß von Vrbanec kam Klimov per Kopf an den Ball, köpfte ihn jedoch knapp über den Kasten von Spartak-Keeper Maximenko. Dennoch blieben wir am Drücker, und wurden belohnt. Kichin hatte auf der linken Seite zu viel Raum, flankte auf Vrbanec, der im Strafraum auf Klimov weiterleitete. Mit dem Rücken zum Tor schirmte er den Ball ab, fand Churko und der Ukrainer erzielte mit seinem ersten Treffer für Torpedo den Ausgleich — 1-1 in der 59. Minute! Wir waren wieder da!
In der 69. Minute wurde die Aufgabe Pokalsieg jedoch erschwert. Nachdem ein Freistoß von Spartak abgefangen wurde, wusste sich der bereits verwarnte Klimovich im Mittelfeld nur durch ein Foul zu helfen. Zwar unterband er damit den Konter von Spartak, sah jedoch auch folgerichtig die gelbe Karte und wurde mit gelb-rot zum vorzeitigen Duschen geschickt. 20 Minuten Unterzahl waren nun also angesagt.
Spartak witterte nun natürlich seine Chance und blieb gefährlich. In der 85. Minute fand eine Flanke von Ayrton Lucas den völlig freistehenden Niederländer Guus Til. Der brachte den Ball jedoch nicht im Tor unter, und köpfte stattdessen knapp über das Gehäuse von Botnar.
Das Spiel näherte sich dem Ende, als in der 89. Minute ein lauter Pfiff des Schiedsrichters ertönte, der auf den Punkt zeigte. Nach einem Einwurf von Chicherin wurde Klimov von zwei Spartak-Spielern im Strafraum derart bearbeitet, dass dem Schiedsrichter keine andere Wahl blieb. Kurz vor Schluss gab es also Elfmeter für uns! Die Chance auf das entscheidende 2-1! Der gefoulte trat auch selber an. Kirill Klimov, 20 Jahre jung, Leihgabe aus Monaco, hatte nun den ersten Titel für Torpedo seit 1993, da war Klimov noch gar nicht geboren, auf dem Fuß. Er trat an, schickte den Keeper in die falsche Ecke und traf! Unfassbar!
Sofort nahm ich ein paar Änderungen vor. Klimov, der Torschütze, ging nun raus. Stattdessen brachten wir mit Orekhov einen defensiven Mittelfeldspieler und stellten auf ein 4-1-4-0-System um, um die 3 Minuten Nachspielzeit über die Runden zu bringen. Kapitän Valery Bozhin hatte jedoch andere Pläne. Er zog nach einer Flanke im Strafraum an Sobolevs Trikot, wieder ein Pfiff, wieder Elfmeter. In der 92. Minute hatte Spartak die Chance auf den Ausgleich. Pedro Rocha ließ sich diese auch nicht nehmen. Wir waren so nah dran, und nun mussten wir doch in die Verlängerung…
Noch bitterer war es für den 18-jährigen Orekhov. Erst in der 89. Minute eingewechselt, musste er nun vor der Verlängerung wieder vom Platz. Er hatte sich nichts zu Schulden kommen lassen, dennoch musste ich wieder einen Stürmer einwechseln. Sergeev kam also für ihn. In der Verlängerung machte sich dann unsere Unterzahl und die schwindende Kraft bemerkbar.
Spartak hatte nun Chance um Chance. In der 99. Minute hätte Rocha seinen Hattrick perfekt machen können, scheiterte aber an Botnar. Eine Minute später ging Til frei durch. Jose Almir befand sich im Tiefschlaf, doch auch der Niederländer fand keinen Weg vorbei am stark parierendem Botnar. In der 110. Minute fand Til dann Pedro Rocha — wieder war Botnar zur Stelle! Der 19-jährige hielt uns ein ums andere mal in der Partie!
Kurze Zeit später hätte der eingewechselte Odita dann die Verlängerung auf den Kopf stellen können. Eine Flanke von Kichin aus dem Halbfeld rutschte auf den am langen Pfosten lauernden Nigerianer durch, doch Maximenko stand seinem Gegenüber in Nichts nach und parierte glänzend. Die letzte Chance der Verlängerung hatte dann Spartak. Linksverteidiger Ayrton Lucas setzte zum Dribbling an, schoss, doch der Abschluss ging nur ans Außennetz. Elfmeterschießen!
Sergeev — Der Stürmer traf sicher unten links. Zwar hatte Maximenko die Ecke geahnt, doch der Schuss war zu platziert — 1-0
Sobolev — Der Spartak-Stürmer versuchte Botnar auszugucken, schloss dann zentral ab. Botnar blieb stehen und parierte — 1-0!
Churko — Die Shakhtar-Leihgabe trat an, auch er traf sicher links unten — 2-0
Pedro Rocha — Bereits in der 92. Minute eiskalt, so auch jetzt. Botnar bekam zwar die Fingerspitzen an den Ball, der schlug trotzdem ein — 2-1
Kichin — Der erfahrene Nationalspieler lief an, Maximenko blieb einfach stehen, Kichin jedoch verwandelte sicher, hart und platziert in die rechte Ecke — 3-1
Melkade — Wieder war Botnar im richtigen Eck, dem rechten, doch auch Melkadzes Elfmeter war zu platziert — 3-2
Gordyushenko — Der Mittelfeldspieler saß 120 Minuten auf der Bank, kam für das Elfmeterschießen für Bozhin, schickte Maximenko in die falsche Ecke — und den Ball neben das Tor. Weiter: 3-2
Ayrton Lucas — Der Linksverteidiger war ganz humorlos und hämmerte den Ball halbrechts in die Maschen — 3-3
Berezkin — Der weißrussische Nationalspieler blieb cool — 4-3
Kutepov — Spartaks Innenverteidiger hat bereits 23 Länderspiele absolviert und nutzte seine gesamte Erfahrung. Er traf sicher in die linke Ecke: 4-4. Sudden death!
Vrbanec — Der slovenische Spielmacher gab sich keine Blöße, schickte Maximenko in die falsche Ecke und verwandelte zum 5-4
Yeschenko — Der 37-jährige war unaufgeregt und cool. Er verwandelte trocken in die linke Ecke. 5-5
Jose Almir — Der junge Innenverteidiger schoss in die rechte Ecke. Maximenko war am Ball, konnte ihn aber nicht parieren — 6-5
Til — Der Niederländer trat an. Auch Botnar ahnte die Ecke, auch er kam nicht ganz an den Ball. 6-6
Odita — Der junge Nigerianer war an der Reihe. Er zielte nach halblinks, Maximenko hatte keine Probleme damit den Ball abzuwehren — 6-6
Nimely — Der eingewechselte Liberer konnte nun das Finale entscheiden. Botnar war zwar am Ball, konnte den Einschlag aber nicht verhindern — 6-7
Es war nicht zu glauben. Diese Niederlage tat richtig weh. Die Spieler, und auch ich, hatten leere Blicke. Nach dem Spiel war es in der Kabine muchsmäuschen still. Wieder eine Finalniederlage, dieses Mal eine richtig bittere, nuur Sekunden vom Titelgewinn weg.
Dass noch ein Ligaspiel gegen Orenburg anstand war danach allen egal, mir auch. Die Liga war eh gelaufen, also durften noch ein paar junge Spieler Spielpraxis sammeln. Abubakar, Shilov und Odita kamen so zu Startelfeinsätzen. Nach Toren von Edi Gotliv und Daniel Abubakar endete unsere Saison mit einem 1-1 Unentschieden.
Wir beendeten die Saison also auf Platz 9. Mitaufsteiger Nizhniy und Rotor stiegen direkt wieder ab. In der Relegation setzten sich Ufa und Orenburg dann in ihren jeweiligen Duellen durch und hielten so die Klasse.