Kapitel 13: Von Sensationen und Pokalen
Die Spieler lagen sich in den Armen. Das Spiel war vorbei. Der glänzende, silberne Pokal war mit unseren Farben geschmückt und ich durfte ihn in die Höhe recken, während ich ein Stupsen in der Seite spürte. Langsam wachte ich auf. Mein Co-Trainer weckte mich während unser Flugzeug in Richtung Gate rollte. Leider war das nur ein Traum, doch Träume können für uns jetzt wahr werden. Wobei man dazu sagen musste dass die Kulisse für dieses Finale eher dem Klang der Begegnung entsprach. Als hätte der Verband gewusst dass der 5. der ersten Liga gegen einen Zweitligisten antritt, fand das Spiel am anderen Ende des Landes statt, in Komosmolsk.
Im Stadion angekommen entsprach dann auch noch die Kulisse einer Begegnung zweier Vereine, die ungefähr 6000 km entfernt ihre Heimat hatten. Das Stadion, mit einem Fassungsvermögen von etwa 20.000 Zuschauern ohnehin nicht das größte, war nicht einmal halb voll. Nur 9.247 Zuschauer wollten sich das Spiel angucken, in dem es immerhin um den Pokal ging. Von uns waren knapp 2.000 Fans mitgereist.
ZSKA war natürlich haushoher Favorit, aber das war ja auch zuvor Lokomotive schon gewesen. Wir gingen mit der gleichen Taktik wie schon im Halbfinale in die Partie: offensiv, aggressiv und alles geben was wir hatten. Zu verlieren hatten wir eh nichts. Diese Spieler sollten es für uns richten: Kenyaikin — Yeliseev, Shorkin, Stezhko , Kichin — Klimovich — Gordyushenko, Ryazantsev — Fonsinho, Rudenko — Sergeev.
Das Spiel begann dann auch gleich mit einem Paukenschlag. Rechtsverteidiger Yeliseev, der in den letzten Wochen nur wegen Magals Verletzung spielte, machte sich auf den Weg nach vorne, brachte den Ball in die Mitte, wo sich sich Rudenko gegen Nationalspieler Mario Fernandes durchsetzte und den Ball hinter Akinfeev in die Maschen brachte. Unglaublich! Keine 4 Minuten waren gespielt, und wir lagen in Führung! Sollten wir hier tatsächlich das Wunder vollbringen? Konnten wir nach Krylja Sovetov und Lokomotive auch noch den dritten Erstligisten schlagen?
ZSKA jedoch zeigte in der Folge dass sie nicht die gleichen Fehler machen wollten wie Lokomotive. Sie dominierten den Ballbesitz, und wir konnten uns oftmals nur mit Fouls helfen. Am Ende des Spiels würden wir 29 (!) mal den Gegner gefoult haben. Mir war das egal. Wir hatten nunmal nicht Spieler mit den Fähigkeiten wie ZSKA und mussten uns mit unseren Mitteln wehren.
Leider war von den 29 Fouls auch wieder eines im Strafraum dabei. Vorlagengeber Yeliseev senste Fedor Chalov um. Der gefoulte trat dann zum fälligen Elfmeter selber an. Auch hier bewies ZSKA, dass sie nicht Lokomotive waren. Chalov verwandelte sicher und eiskalt in der unteren linke Ecke. Kenyaikin hatte keine Chance.
Verloren war jedoch nichts. Gerade einmal 18 Minuten waren gespielt, der Spielstand war 1-1. ZSKA jedoch machte weiter Druck. Sie wollten unsere Hoffnungen im Keim ersticken, und unsere Spieler wollten das Selbe für das Spiel von ZSKA. Immer und immer wieder gingen wir hart in die Zweikämpfe. Das gab unserem Stadtrivalen zwar gefährliche Freistoßsituationen, doch die brachten nichts ein.
So verlief die Zeit bis zur 34. Minute. Mario Fernandes machte sich auf seiner rechten Seite auf den Weg nach vorne, kam an Kichin vorbei, flankte den Ball in den Strafraum, und da stand schon wieder dieser Fedor Chalov, und brachte den Ball im Tor unter. 2-1. Zu meinem großen Ärger musste ich sagen: das war leider verdient.
10 Minuten waren nun noch zu gehen bis zur Halbzeit und eines war offensichtlich: ZSKA wollte schon vor der Pause den Deckeln auf das Spiel machen. Dzagoev und Arnor Sigurdsson hatten dazu zwar auch die Chancen, konnten den Ball jedoch nicht im Tor unterbringen. So ging es mit 2-1 für ZSKA in die Pause. Weder ich, noch die Spieler waren bereit das Spiel aufzugeben. Dazu gab es auch keinen Grund. Wir brauchten nur ein Tor um die Verlängerung zu erzwingen.
ZSKA jedoch war nicht bereit uns auch nur den Hauch einer Chance zu lassen. Viel mehr drückten sie auf das 3. Tor und damit auch die Vorentscheidung. Einzig: es fiel nicht. Das lag weniger an unserer guten Defensivarbeit als an ZSKAs Unfähigkeit eine ihrer vielen Chancen zu nutzen. Immer noch stand es 2-1. Die Uhr jedoch tickte runter. Noch 30 Minuten. Ich brachte Netfullin für den schwachen Gordyushenko. Noch 20 Minuten. Shramchenko kam nun für Fonsinho, der war heute blass. Noch 10 Minuten. Wir kamen nicht zu Chancen. ZSKA schnürte uns hinten ein. Die Nachspielzeit brach an. Ein lauter Pfiff. Das Spiel war vorbei.
Wir verloren zwar das Pokalfinale mit 2-1, aber als Verlierer fühlten wir uns nicht. Allein dass wir die Chance auf den ersten Titel seit 1993 hatten war schon eine Sensation, und wir konnten stolz sein, dass wir so weit gekommen sind, auch wenn es natürlich enttäuschend war das Finale zu verlieren.
Die Enttäuschung über das verlorene Pokalfinale ließen wir dann im letzten Saisonspiel Avangard Kursk spüren. Das Spiel war nach 19 Minuten praktisch entschieden, nachdem Yeliseev, Shorkin und Sergeev für eine 3-0-Führung sorgten. Daran änderte auch Zemskovs Anschlusstreffer zum 3-1 nichts mehr. Ryazantsev durfte dann unsere Saison mit unserem 80. Saisontor abschließen. 4-1 war das Endergebnis.
Rotor stieg direkt auf. In der Relegation setzte sich dann auch Nizhniy Novgorod gegen Arsenal Tula durch, und sicherte sich so den Aufstieg. Chertanovo Moskau, praktisch die gesamte Saison unser erster Verfolger, brach am Ende der Saison ein, und verpasste so einen überraschenden Aufstieg.
Nun stand also der Sommer bevor, und eines war klar: um den Klassenerhalt zu schaffen mussten wir die Mannschaft verändern und eine Truppe zusammenstellen, die in der ersten Liga mithalten kann.