Alors, ça va? Meine Mannschaft
Der 9. Juli war gekommen - und ich stand zum ersten Mal meiner Mannschaft gegenüber. 19 Spieler, 18 Franzosen, 8 davon aus Bastia, dazu einer aus Ajaccio. Außerdem hatte ich zwei Nachwuchstalente aus der Zweiten dazugebeten, von denen einer ebenfalls aus der Stadt kam. Insgesamt haben acht der insgesamt 21 Spieler, die ich vor mir hatte, ihre Ausbildung im Verein genossen, fünf der Jungs zuvor bereits in Liga eins für die Löwen gespielt, insgesamt hatten zehn der Jungs Erstligaerfahrung, und kaum einer hatte keine Vergangenheit als Profi. Ich überlegte kurz, ob ich meine erste Ansprache auf Französisch oder Italienisch halten sollte, entschied mich dann allerdings doch für Französisch.
"Bonjour, Messieurs! Ich freue mich, ab heute Teil einer Wiederauferstehung sein zu dürfen. Wahrscheinlich kennt ihr mich nicht. Mein Name ist Heiko Pfeil, und ich habe zehn Jahre lang erfolgreich im Kölner Umland trainiert, bevor ich hierher gekommen bin. Ich spreche sauber Englisch, Französisch und Italienisch - kommt also nicht auf die Idee, hier auf Korsisch über mich herzuziehen, ich verstehe euch! Ich möchte mit euch in dieser Liga erfolgreich sein, ich möchte hier auf Jahre einen offensiven Stil etablieren, und ich möchte mit dieser Mannschaft so schnell wie möglich wieder Profifußball spielen. Es freut mich, so viele Spieler in der Mannschaft zu haben, die wissen wie man Erfolg hat - und so viele, die wissen, welche Bedeutung dieser Verein für die Menschen auf Korsika hat. Anfangen möchte ich in dieser Saison mit dem Aufstieg in die National 2, das Zeug dazu habt ihr. Ansonsten steht meine Tür jederzeit für euch offen, außerdem habe ich euch allen bereits meine Festnetz- und Handynummer geschickt. Ich möchte mit euch einen offenen Umgang pflegen, bitte euch allerdings, dies ebenfalls zu tun. Diese Offenheit im Umgang sehe ich in diesem Sport als Basis für langfristigen Erfolg als Mannschaft, denn so entstehen einfach keine unausgesprochenen Konflikte, die hier unsere Teamatmosphäre vergiften können." Louis Poggi meldete sich zu Wort.
"Schön, dass Sie hier sind, Chef. Der Präsident meint, Sie hätten gute taktische Ideen und trauen sich auch etwas. Das können wir hier brauchen. Daher möchte ich Sie im Namen der Mannschaft herzlich Willkommen heißen - und gemeinsam holen wir uns den Titel und den Aufstieg." "Nicht so schnell, Louis," klinkte sich Christophe Vincent ein - und den Reaktionen zufolge sprach er fast für die gesamte Mannschaft.
"Du stimmst hier gleich in den Traum des Trainers von Titel und Aufstieg ein, aber wir haben tatsächlich Gegner in dieser Liga. Wir haben hier nicht das Naturrecht auf Platz 1, ich hoffe, das ist Dir bewusst. Und Trainer, ich hoffe, das ist Ihnen auch klar." "Vielen Dank, Christophe, es ist gut, dass Sie das so realistisch ansprechen. Natürlich haben wir Gegner, und die 13 anderen Mannschaften der Liga werden uns keinen Punkt schenken. Dennoch glaube ich an die Qualität, die in euch steckt und denke, wenn wir als eine Mannschaft, als ein Verein agieren, dann gehören wir auf jeden Fall zu denen, die sich mit Titel und Aufstieg beschäftigen müssen. Also, was sagt ihr?" Ich hörte zustimmendes Gemurmel, und auch Christophe war zufrieden:
"Das klingt doch nach genau dem Realismus, der hier in den vergangenen Jahren gefehlt hat. Ich freue mich darauf, mit Ihnen zusammen um den Aufstieg zu kämpfen, Chef!"
In der anschließenden Trainingseinheit wollte ich mir zunächst ein Bild von den Fähigkeiten der Jungs machen. Es freute mich zu sehen, dass alle gut mitzogen. Im Anschluss setzte ich mich mit Frédéric Née zusammen, um die Erkenntnisse auszuwerten und ein Bild davon zu bekommen, mit welcher Truppe ich es nun tatsächlich zu tun hatte.
Tor
Mit Anthony Martin hatte ich einen erfahrenen Mann zwischen den Pfosten (unter anderem 106 Drittligaspiele für Poiré-sur-Vie und Luçon). Carlotti hatte zwar unbestritten Talent und ist dazu im Verein groß geworden, allerdings fehlte es ihm noch in allen Belangen, um auch nur entfernt Ansprüche anmelden zu können. Die Position war eindeutig vergeben.
Außenverteidiger rechts
Manche nennen es Erfahrung. Manche nennen es Alter. Zwei 34-jährige konkurrierten um den rechten Außenverteidigerposten, und auf beide würde ich eigentlich ungern verzichten. Louis Poggi hatte bisher fast seine gesamte Karriere im Süden der Insel bei Gazélec Ajaccio verbracht und dort in allen vier oberen Ligen gespielt, war allerdings gebürtiger Bastiais und sollte nun den Kapitän in unserem Löwenrudel geben. Kampfzwerg (1,65 m) Gilles Cioni hingegen war ein Urgestein in meiner Mannschaft, mit Ausnahme eines dreijährigen Zwischenspiels beim PFC immer ein Löwe und der Mannschaft auch nach dem Lizenzentzug treu geblieben. Ein echter Härtefall, da beide eigentlich zu schade für die Bank waren.
Außenverteidiger links
So gut es auf der rechten Seite aussah, so sehr gab es links hinten Magerkost. Nicht nur war Anthony Salis der einzige nominelle Linksverteidiger im Kader, auch sah ich hier eine Schwachstelle im Kader.
Innenverteidiger
Mary und Bocognano waren erfahrene, aber etwas rustikale Optionen für die Innenverteidigung und sollten wohl die Saison dort auch bestreiten. Medori war ein Talent aus der Zweiten, das ich für die neue Saison in die Erste hochziehen wollte. Er dürfte auf seine Einsätze kommen.
Defensives Mittelfeld
Ein echtes Luxusproblem hatte ich im defensiven Mittelfeld. Christophe Vincent sollte gesetzt sein, dazu kamen Coulibaly und Guibert, die beide auch in der Innenverteidigung spielen konnten. Yannick Lorenzi war zwar mental voll auf der Höhe, fiel aber am Ball etwas ab.
Zentrales Mittelfeld
Im zentralen Mittelfeld hatte ich nur eine Option - Michael Moretti dürfte allerdings eher als Ergänzungsspieler taugen.
Offensives Mittelfeld
Ludovic Genest war meine einzige Option auf der Zehn - eine offensive Allzweckwaffe mit zahlreichen Talenten, für die Kreativzentrale jedoch eigentlich mit zu wenigen Ideen.
Linker Flügel
Auch offensiv hatte ich links ein Problem - ausschließlich Benjamin Santelli stand für diese Position bei mir im Kader, der allerdings stark genug war, um diese Position auch ausfüllen zu können.
Rechter Flügel
Auf dem rechten Flügel konnte ich auf dem ersten Blick aus dem Vollen schöpfen, jedoch hatten alle drei Anwärter ihre Schwächen. Kifoueti war schnell und stark - das war es dann aber auch schon. Haguy war sicherlich die fähigste Option, mit 37 aber bereits im Spätherbst seiner Karriere - ihn wollte ich in der Saison auf die Zeit nach seiner aktiven Laufbahn vorbereiten. Aus der Zweiten zog ich Jérémi Santini hoch, eines der größten Talente im Kader, der auf jeden Fall ebenfalls seine Spiele bekommen und auf dieser Position meine Option für die Zukunft sein sollte.
Sturm
Im Sturm musste ich ebenfalls überlegen, wen ich aufbieten wollte - jeder hatte seine Vorzüge. Bachana Tskhadadze, achtfacher georgischer Nationalspieler und der einzige Spieler im Kader ohne französischen Pass, war dribbelstark und sollte bei uns wohl seine Flaute beenden können - sein letztes Tor konnte er 2015 in der ersten Liga Albaniens erzielen, wobei er allerdings in den letzten Jahren auch wenig Einsatzzeit erhielt. Mathieu Manset hatte seine Stärken in der Luft und wollte an seine 17 Tore in der vergangenen Saison anknüpfen. Dazu kam Kévin Schur, der von den dreien vielleicht der kombinationsstärkste war und auch nach links ausweichen konnte.
Insgesamt hatte ich viel Qualität im Kader, aber diese war sichtbar ungleichmäßig verteilt. Auf der linken Seite war ich generell etwas mager bestückt, während rechts ein Überangebot herrschte. Ich musste mir also Gedanken machen, wie ich diese Truppe auf dem Platz verteilen wollte, wofür ich mich nach dieser ersten Trainingseinheit mit Frédéric Née zusammensetzte.
"Ich möchte mit der Mannschaft gerne ein 4-2-3-1 spielen," begann ich.
"Im Sturm möchte ich auf Bachana Tskhadadze setzen, dazu sehe ich Rahavi Kifoueti als Alternative. Kévin Schur sehe ich zusammen mit Benjamin Santelli auf links. Dazu möchte ich mit einer Viererkette spielen - aber was mache ich dann mit meinen beiden Rechtsverteidigern, haben Sie da eine Idee, Frédéric?" Mein Co lächelte.
"Wenn Sie beide aufstellen möchten, können Sie Gilles auch auf die linke Seite stellen," schlug er vor - sehr zu meiner Freude, da mir mit Anthony Salis auf dieser Position doch nicht ganz wohl war. Dazu sollte Samuel Guibert mit seinen 1,88 noch etwas Lufthoheit in die Innenverteidigung bringen - fehlte nur noch ein Backup für die Rechtsverteidigerposition.
"Sollte es da mal eng werden, können Sie zur Not immer noch auf Soufian Akkani aus der Reserve zurückgreifen, den können Sie dort hinstellen, wenn das Personal wirklich so knapp wird," ermutigte mich Frédéric, auch einem weiteren Nachwuchsspieler eine Chance in der Ersten zu geben:
Die letzte Frage, die mir auf den Nägeln brannte, war die nach der Mittelfeldzentrale. Auf der Zehn war Ludovic Genest gesetzt - weniger als Gestalter, mehr in einer dynamischen Rolle in Richtung Spitze. In den ersten Tests wollte ich also ausprobieren, wie sich die Spieler auf folgenden Positionen machen:
Tor: | Martin (Carlotti) |
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AV (L): | Cioni (Salis) |
IV: | Mary/Guibert/Bocognano/Medori |
AV (R): | Poggi (Akkani) |
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BeM: | Coulibaly (Lorenzi) |
ZSm Vincent | (MEZ Moretti) |
LA: | Santelli (Schur) |
RA: | Haguy/Santini |
SnS: | Genest |
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StS: | Tskhadadze (Kifoueti) |
Auf dem Platz sollte sich das Ganze dann wie folgt darstellen:
Da wir außerdem nach wie vor finanziell nicht auf Rosen gebettet waren und eigentlich immer Geld generieren mussten, setzte ich zudem Mathieu Manset auf die Transferliste - er war einer der wenigen, die bereits länger im Verein waren und obendrauf für eine Trennung in Frage kamen. Zwar beraubte ich mich damit meiner kopfballstärksten Option im Sturm, aber da ich ohnehin eher flach spielen wollte, passte dies in mein Konzept - jedoch nicht in das meines Stürmers, der sich prompt beklagte:
"Chef, ich spiele gerne hier und möchte nicht gehen. Nehmen Sie mich bitte wieder von der Transferliste." Dazu suchte ich noch nach einem Backup für Ludovic Genest, denn nur mit einem Spieler für diese Position hatte ich Zweifel, ob ich die Saison problemlos durchstehen würde. Bachana Tskhadadze schließlich schickte ich auf einen Intensivsprachkurs - um wirklich in die Mannschaft zu finden, musste er Französisch lernen.
@Cassius: Ich habe mal nach unseren alten Freunden gesucht. Mit Kevin Lefaix und Mickaël Cériélo werden wir in dieser Saison gleich zweimal das Vergnügen haben - die beiden spielen noch und haben sich dem anderen großen Namen in unserer Liga angeschlossen, dem AS Cannes, der nach langsamem Siechtum mittlerweile ebenfalls in Liga 5 angekommen ist. Samuël Allegro, mein alter Kapitän, ist mittlerweile 40 und spielt auch noch, ebenfalls in Liga 5, allerdings etwas weiter nördlich in der Division Pays de la Loire, in der Nähe von Le Mans. Vincent Planté ist der einzige aus der Runde, der mittlerweile die Seiten getauscht hat - derzeit ist er Assistenztrainer beim Drittligisten aus Chambly, hat noch Vertrag bis zum Saisonende - und ist durchaus ein Kandidat für mich
@Akumaru: Freut mich, dass Du dabei bist!