Szenenanalyse
Defensive
Dann steigen wir mal ein, das Herzstück des Catenaccio näher zu betrachten: Die Arbeit gegen den Ball. Bevor ich konkrete Szenen analysiere, hier noch ein paar Sätze zum
Libero: Zumindest mit Defend-Duty gibt es über ihn tatsächlich nicht sonderlich viel zu berichten. Er verhält sich größtenteils wie ein zentraler Cover-IV, nur dass er weniger Bälle im Raum vor der Abwehr abfängt, sondern sich noch klarer nach hinten orientiert. Dazu ist sein Passspiel zumindest nach meinem Eindruck etwas ambitionierter als das der IV. Das kann aber auch einfach an der individuellen Besetzung liegen, schließlich setze ich dort meine beiden spielstärksten IV-Kandidaten ein.
1. Szene: Zunächst mal eine kurze Beispielszene zur Lücke auf der rechten Defensivseite aus dem Spiel gegen Union Berlin.
Das hier ist direkt nach Wiederanpfiff nach einem Treffer von uns, weshalb wir fast komplett an unserem Strafraum stehen, obwohl der Gegner bisher kaum aufgerückt ist. Union spielt zunächst mal nach rechts raus auf Skrzybski, der den Ball direkt lang diagonal in den freien Raum links auf den LA schlägt. Der kann direkt in den Strafraum starten, wird dort in letzter Sekunde vom RIV gestellt, kann sogar vorbeiziehen, bekommt aber zum Glück keinen ordentlichen Abschluss mehr zustande.
Solche Szenen gibt es zum Glück nicht allzu häufig, denn der Raum ist aufgrund unserer insgesamt doch massierten Defensive und Mannorientierungen schwer anzusteuern, denn Spieler haben selten genug Zeit, mal den Kopf zu heben und zu schauen, ob und wohin jemand startet. So zwei bis drei mal pro Partie passiert es aber dennoch, was für uns ein großes Problem ist.
Mein größtes Problem an diesen Szenen ist, dass hier keiner meiner Spieler sich individuell krass falsch verhält, zumindest wenn man Position und Anweisungen in Betracht zieht. Der RM steht zu hoch, aber sich in solchen Situationen als RM passend zu positionieren ist ziemlich schwierig und für einen Zweitligaspieler wohl kaum konstant zu schaffen. Und über Anweisungen werde ich dort nicht allzu viel verbessern können, schließlich besitzt er schon eine Defend-Duty.
Und der RIV orientiert sich zwar überflüssigerweise am ohnehin schon bewachten Stürmer, aber das ist als IV nun mal sein Job. Damit er Raum rechts von ihm zu deckt, müsste ich ihn auf die RV-Position ziehen (womit ich wie bereits erwähnt liebäugle, zumindest gegen Systeme mit nur einem Stürmer).
2. Szene: Das zweite Gegentor gegen Union. in dieser Szene sieht man eigentlich, dass auch schon vieles defensiv gut läuft, aber es dann doch Situationen gibt, wo wir darauf angewiesen sind, dass individuell gut verteidigt wird. Es beginnt recht harmlos mit einem Einwurf im Mittelfeld:
Hier sieht man ganz schön, wie wir den Einwurf mannorientiert zustellen, wobei jeder Verteidiger schon bei seinem natürlichen Gegenspieler steht (bis auf der LA, der im Falle einer Verlagerung aber einfach herausrücken kann). Der Ball geht auf den DMZR (Kroos), der sich leider recht unbehelligt drehen und den Ball auf den RV spielen kann.
Unser LA rückt wie vorgesehen heraus, sodass der RV keine Gelegenheit hat, sich besser zum Spielfeld zu drehen oder Tempo aufzunehmen. Er spielt zurück auf Kroos, der von unserem ZML zwar verfolgt, aber nicht wirklich angegriffen wird:
Man beachte auch das Tohuwabohu an unserer Abwehrlinie: Alle drei zentralen Abwehrspieler decken den Stürmer, während rechts davon der OM und LA unbewacht herumstehen. Immerhin sind die beiden nicht anspielbar, weil der Weg in die Richtung zugestellt ist und auch das offensive Zentrum als Zwischenstation nicht ansteuerbar ist, weil ein sich fallen lassender Stürmer von einem IV verfolgt werden könnte, ohne dass eine Lücke in der Abwehr entstünde. Es bleibt also nur der Ball auf den Flügel, was von uns eigentlich so gewünscht ist.
Dem gegnerischen RA der Weg zurück ins Mittelfeld versperrt, denn unsere LA und ZML (9 und 10) stehen da im Weg. Ihm bleibt also eigentlich nur die Flanke als Option. Im Strafraum haben wir jetzt aber fünf Verteidiger (vier davon groß) gegen drei Angreifer. Wenn unser LV ihn nur irgendwie beim Flanken stört, kann aus der Situation eigentlich nichts passieren. Leider lässt er seinen Gegenspieler gewähren, der dann eine zugegeben sehr gute Flanke an den langen Pfosten schlägt, wo die eigentlich besonders gut bewachte Nummer 16 (verdammte drei Abwehrspieler direkt bei ihm!) problemlos einschieben kann.
Welche Lektionen können wir aus dem Ganzen ziehen?
- Die komplette Situation, dass der gegnerische RA irgendwie Tempo aufnehmen und sich Raum für eine gute Flanke verschaffen kann, kommt nur zustande, weil der gegnerische Spielmacher (Kroos) zu viel Zeit am Ball bekommt, obwohl er manngedeckt wird. Unser zugeteilter Spieler (Boland) ist aber auch niemand, der seine Defensivaufgaben vernachlässigt oder mal einen notwendigen Sprint auslässt. Es liegt also eher daran, wie die ME das mit dem Manndecken in ungefährlichen Zonen umsetzt. Um einen spielstarken nicht allzu offensiven Mittelfeldspieler komplett aus der Partie zu nehmen, müssen wir uns also etwas mehr einfallen lassen. Dort werde ich "härter tackeln" testen, damit ihm sein Gegenspieler auch wirklich konstant auf die Füße steigt.
- Und täglich grüßt das Murmeltier: drei zentrale Abwehrspieler gegen einen Mittelstürmer ergibt in einer manndeckenden Taktik schlicht keinen Sinn.
- So schwer wir es dem Gegner auch machen, Tempo aufzunehmen, und so gut es uns gelingt, den Gegner in die Räume zu locken, wo wir ihn haben wollen, wenn wir individuell schlecht verteidigen, bekommen wir trotzdem leichte Gegentore. So gut Ken Reichel als LV auch offensiv sein mag, seine defensiven Defizite fallen gegen starke Offensivleute doch zu sehr auf. Spätestens sobald Gegner individuell klar besser sind als wir, können wir uns keine nachlässigen Verteidiger mehr leisten. Concentration, Marking, Positioning und Stamina werden also für alle zukünftigen (defensiven) Zugänge Schlüsselattribute. Und selbst dann werden wir gegen Topteams wahrscheinlich auch mal eine richtige Klatsche bekommen.
3. Szene: Das Gegentor gegen Bielefeld. Auch hier machen wir defensiv das meiste richtig, fangen uns aber durch ein paar kleinere Fehler ein dennoch sehr unglückliches Gegentor. Die Szene ist dennoch interessant, weil sie aus einem Ballverlust von uns resultiert und ganz gut an meine Bemerkungen zur Konterabsicherung im letzten Post anknüpft.
Die Ausgangslage:
Boland wagt sich bei einem Angriff von uns weit nach vorne, verliert aber an der linken Strafraumkante den Ball. Bielefeld spielt sich frei, um den Ball dann lang auf Klos (9).
Zwischen beiden Screenshots sind 10 Sekunden vergangen. Trotzdem stehen schon wieder 8 unserer Feldspieler höchstens auf der Höhe des zweitvordersten Gegenspielers, und das in der 75. Minute. Die Disziplin der Mannschaft ist also wirklich gut.
Klos hat mit unserem LIV (5) einen klaren Gegenspieler, und selbst wenn er den irgendwie schlagen sollte, stehen immer noch zwei Abwehrspieler zur Absicherung bereit. Trotzdem rückt unser DMZR (6) auf ihn heraus und macht somit den nicht abgesicherten Raum rechts vor und neben unserer Abwehr auf (in rot). Mit einer schnellen Kombination (in rosa eingezeichnet) könnte Bielefeld unsere Abwehr deshalb komplett ins Schwimmen bringen. Wenn der DMZR einfach in seiner Psotion bleibt, kann er entweder den Pass auf den Flügel abfangen oder zumindest den LA stellen. Zum Glück kommt der Pass zurück nicht so dolle und auch unser OMZR (15) setzt auch gut nach, so dass der Pass auf links raus erst mit ordentlicher Verzögerung kommt.
Wieder sind 10 Sekunden vergangen und wir stehen mit 8 Spielern am und im eigenen Strafraum, während der Gegner nur 4 Spieler überhaupt in unserem Defensivdrittel hat und davon auch nur einen im Strafraum. Wieder eine Situation, die wir eigentlich voll unter Kontrolle haben. Staude schlägt die Flanke, die wir leider zu kurz nur bis an die Strafraumkante klären. Dort verlieren Khelifi (22) und Boland(10) gemeinschaftlich das Luftduell gegen die nachgerückte Nummer 8, der ihn nach rechts ablegt, von wo die gegnerische 17 den Ball per Volley in den langen Winkel haut.
Unser drittes Gegentor ist übrigens aus einer Flanke direkt nach Einwurf entstanden. Bis auf die Lücke auf rechts und einzelne auf Zweitliganiveau wohl nicht vermeidbare Fehler im Abwehrspiel wirkt unsere Defensive also schon recht sattelfest, zumindest solange wir die passenden Zuordnungen wählen. Es ist auf jeden Fall interessant, dass wir unsere Gegentreffer bisher alle aus Situationen gefangen haben, die wir prinzipiell gut unter Kontrolle hatten. Jetzt geht also defensivtaktisch wohl nur noch darum, die Szenen zu minimieren, in denen wir doch mal den Zugriff verlieren, was eigentlich nur bei Angriffen über unsere rechte Seite passiert oder wenn wir in Ballbesitz zu stark aufrücken (was gegen Kaiserslautern ein Problem war, sollte inzwischen nicht mehr vorkommen).
Weiter geht es hier wahrscheinlich am Donnerstag oder Freitag. Dann gibt es auch mal wieder neue Ergebnisse.