Ticks, Tricks & Tore – Die etwas andere Story
Kapital 4
Es war bereits 12:30 Uhr als wir erfolgreich den Flughafen in Düsseldorf verlassen konnten und so stand ich ein ganz klein wenig unter Zeitdruck, schließlich mussten wir noch nach Gelsenkirchen mit dem Taxi gelangen und wenn ich mich so an meine letzte Taxifahrt erinnerte, dann stellten sich mir schon jetzt die Nackenhaare auf.
Doch dieses Mal schien ich Glück zu haben und erwischte einen Taxifahrer welcher meiner Sprache mächtig war und so erreichte ich rechtzeitig das Vereinsgelände.
Julius machte sich in der Zwischenzeit bereits auf zum Parkhotel um unsere Koffer zu verstauen und sich einen ersten Eindruck von unserer eventuell baldigen Heimat zu verschaffen, doch für mich stand nun erst einmal das Vorstellungsgespräch auf dem Programm.
Kaum hatte ich die Eingangshalle betreten, wurde ich auch gleich von einer freundlichen,aber etwas übereifrigen Dame in Empfang genommen. Sie reichte mir stürmisch die Hand und begrüßte mich aufs Herzlichste.
„Sie müssen Herr Smith sein. Simone Notnagel mein Name, schön Sie kennenzulernen.“Widerwillig reichte ich ihr meine Hand, ich hasste dieses fürchterliche Ritual welches sich in unser Gesellschaft eingebürgert hatte. Ich meine, müssen wir heutzutage wirklich noch jedem signalisieren, dass wir keine Waffe dabei haben?
„Das Vergnügen ist ganz meinerseits.“ antwortete ich und musste meine Gedanken bezüglich ihres Nachnamens unterdrücken um nicht doch noch lauthals loszulachen.
„Ich würde vorschlagen ich geleite Sie jetzt erst einmal zu Herrn Tönnies, er wartet bereits auf Sie.“Fräulein Notnagel schien gleich drauf aus zu sein meine Kondition testen zu wollen und so marschierten wir schnellen Schrittes die Treppen in den 3. Stock des Gebäude empor. Man hätte auch einfach den Fahrstuhl nehmen können dachte ich mir im Stillen, jedoch verwarf ich den Gedanken wieder, nachdem ich Fräulein Notnagels Gestell vor mir die Treppen hinaufwackeln sah.
Wir waren nun angekommen beim Konferenzraum. Durch die Scheibe konnte ich Clemens Tönnies schon sehen, wie er uns mit einer Handbewegung zum Eintreten einlud.
„Hr. Smith, Willkommen auf Schalke, schön das Sie den Weg zu uns gefunden haben.“Während er mich mit einem Schwall aus Freundlichkeit überhäufte, nutze er auch gleich meine Unachtsamkeit und grapschte nach meiner Hand.Zu allem Überfluß, wäre es nicht schon unangenehm genug, dass er diese schütteln musste, nein, er hielt meinen Arm auch gleichzeitig mit seiner anderen Hand fest.
„Das Vergnügen ist ganz meinerseits. Ein wirklich schönes Vereinsgelände haben Sie hier. Es weiß durchaus zu imponieren.“Ich versuchte mein gequältes Lächeln aufrecht zu halten bis er nach gefühlt 2 Minuten meinen mittlerweile halb abgestorbenen Arm wieder losließ.
„Simone, darf ich Sie bitten uns zwei Kaffee zu bringen! Meiner bitte mit Milch und Zucker, wie immer!“Er nickte ihr zu.
„Ich würde meinen sehr gerne schwarz trinken, danke!“Mit Milch und Zucker, fast wäre mir ein Kommentar herausgerutscht, jedoch biss ich mir vorbildlich auf die Zunge und zeigte mich als guter Gast, schließlich wollte ich etwas von Clemens und so versuchte ich mich von meiner besten Seite zu zeigen.
„Hr. Smith, ich muss gestehen, ich bin wirklich erfreut dass Sie sich so spontan für die Trainerstelle bei uns beworben haben. Hr. Weinzierl hat sich leider von einer Zusammenarbeit mit unserem Verein distanziert, nachdem eigentlich schon alles in trockenen Tüchern war.“Er schaute ernst, es schien ihn immer noch sauer aufzustoßen, dass der Vertrag mit Hr. Weinzierl nicht zu Stande gekommen war.
„Wie Sie sicher medial mitbekommen haben, kann Hr. Weinzierl aus gesundheitlichen Gründen die Stelle nicht annehmen und wir sind daher um eine adäquate Alternative bemüht.“Es war nett wie er versuchte die volkstümliche Nr.1 Krankheit nicht beim Namen zu nennen, aber Burn-Out war generell gerade in Mode, wenn man auch gleich nicht vergessen durfte, dass unsere Gesellschaft schuld daran war, dass derartige „Krankheiten“ solche Präsenz erreichen konnten.
„Ja, ich habe davon gelesen. Eine wirklich heimtückische Krankheit. Er ist ja nicht der Erste im modernen Fußballgeschäft, der mit derartigen Problemen zu kämpfen hat. Sollten Sie ihn noch einmal zu sprechen bekommen, richten Sie ihm bitte meine besten Genesungswünsche aus.“Welch Heuchelei hier in diesem Konferenzraum stattfand, aber egal, es war für einen guten Zweck, meinen neuen Job.
„Also Hr. Smith, dann würde ich vorschlagen wir kommen jetzt zum Geschäftlichen. Mich würde als allererstes ihre Motivation interessieren, mit welcher Sie sich beworben haben.“Nun ging es also los. Die Standardfloskeln wurden abgespult, aber bitte, ich war auf derartige Spielchen bereits vorbereitet.
„Meine Motivation ist eigentlich recht simpel, ich versuche primär Geld zu verdienen.“Ich fuhr mir mit den Fingern übers Kinn und lächelte leicht. Auch Hr. Tönnies versuchte meine Antwort mit Humor zu nehmen, jedoch konnte man merken, wie es in seinem Kopf zu rattern begann.
Gespräche dieser Art waren generell dazu ausgelegt sein Gegenüber aus der Reserve zu locken, den Gesprächspartner zu verunsichern oder aber auch die eigene Überlegenheit zu demonstrieren. Dies passiert zwar meist unbewusst, doch waren es immer wieder die selben Spielchen und seien wir mal ehrlich; wer hat dieses Gefühl von Macht und Überlegenheit einer anderen Person gegenüber nicht gerne. Nur charakterschwache Menschen würden diese Aussage verneinen, aber eine Person die etwas erreichen möchte und für ihre Ziele kämpft, würde mir beipflichten!
„Hr. Tönnies, selbstverständlich ist meine Motivation anderer Natur, ich denke in erster Linie kann ich diesem - mit Talenten gespicktem-Team dabei helfen eine Einheit zu werden. Teamwork, Gemeinschaft, sich füreinander aufopfern sowie Verbundenheit untereinander, das sind die wesentlichen Eckpfeiler auf die ich bauen würde.“Ich konnte sehen, dass diese Antwort schon mehr nach seinem Geschmack war.
„Wissen Sie Hr. Tönnies, Schalke ist ein toller Verein. Treue Fans und eine gute Infrastruktur mit Jugendzentrum etc. kann der Verein bereits aufweisen. Auch das Spielerpotenzial ist hier auf Schalke nicht zu verachten. Ich möchte betonen, dass alles was ich von meinen Spielern erwarte, gebe ich auch zurück. Die gleiche Philosophie würde ich auch dem Vorstand gegenüber bevorzugen. Das oberste Gebot ist meiner Ansicht nach Loyalität. Wenn wir als Beispiel einen Spieler wie Joel Matip nehmen: wissen Sie noch wie viele Trainer er auf Schalke miterleben musste?“Erneut ratterte es in Tönnies Kopf und es war nicht schwer zu sehen, dass er keine präzise Antwort wusste.
„Es waren 8 Trainerwechsel in dieser Zeit. Was ich fordere ist kein Freifahrtschein bei Misserfolgen, jedoch möchte ich klar zum Ausdruck bringen, dass ich mich nicht in diese Karussellkette einreihen werde. Was der Verein braucht ist nicht nur einen gewöhnlichen Trainerwechsel, vielmehr ist hier Konstanz von Nöten, denn nur durch Kontinuität kann der gewünschte Erfolg erreicht werden. Immer wieder neuen Zielen mit unterschiedlichen Personen hinterherzujagen wird nicht nur bei den Fans, sondern auch bei jungen Spielern im Verein Konfusion und Unklarheit hervorrufen.“Tönnies Augen wurden nun größer und ich fragte mich, ob ich mich durch meine letzten Aussagen eventuell ins Abseits katapultiert hatte.
Ich wollte gerade meinen Monolog fortsetzen, da öffnete sich die Tür und Fr. Notnagel kam herein um uns den Kaffee zu servieren. Man konnte Tönnies anmerken, dass ihm die paar Sekunden Verschnaufpause gut taten. Er atmete tief durch und bedankte sich anschließend bei Simone.
Ich denke normalerweise wäre Hr. Tönnies entspannter bei derartigen Gesprächen, denn im Normalfall hätte er in Form von Hr. Heidel, dem Teammanager noch Verstärkung im Rücken. Doch bereits vor dem Termin wurde mir von Vereinsseite mitgeteilt, dass Hr. Heidel dem Termin aus gesundheitlichen Gründen nicht beiwohnen könne. Ein grippaler Infekt schien ihn übermannt zu haben und so konnte ich die Eins gegen Eins – Situation mit Hr. Tönnies genießen. Doch bevor das Gespräch zu einem Abschluss kommen sollte, hatte Clemens auf einmal eine sehr unkonventionelle Idee, um sich dem weiteren Dialog für kurze Zeit zu entziehen.
„Hr. Smith, was halten Sie davon, wenn wir unseren Kaffee mitnehmen und uns ein wenig das Trainingsgelände angucken? Die Jungs absolvieren gerade unten ein paar Trainingseinheiten und ich denke ein bisschen frische Luft würde uns sicher gut tun.“Gesagt - getan, ich willigte ein und so machten wir uns auf Richtung Trainingsgelände.
Dieses Mal benutzten wir den Fahrstuhl.
Nach einer gefühlten Ewigkeit auf dem Trainingsgelände, in der Clemens neue Kraft für die weiteren Gespräche tanken konnte setzten wir die Gespräch ein wenig abseits des Trainingsgeländes fort. Er stellte mir weitere Fragen bezüglich meiner Einstellung zur Rivalität mit dem BVB, wie ich die letzten Transfers des Vereins sehen würde und zu guter Letzt wurde er dann noch ein wenig neugierig.
„Eine abschließende Frage hätte ich noch Hr. Smith!“Es konnte nicht allzu schlimm werden, bis jetzt hatte er mich lediglich mit einer Reihe Standardfragen gelangweilt, die jeder Abiturient vor einem Bewerbungsgespräch hätte auswendig gelernt.
„Nur zu.“Ich lächelte ihn an und zupfte meinen Ärmel am Hemd ein wenig zurecht.
„Sagen Sie, bei welchen Vereinen waren oder sind Sie derzeit noch im Gespräch?“Für einen kurzen Moment musste ich inne halten und überlegen wie ich mich nun am besten verkaufen konnte. Es hatte noch weitere Angebote gegeben, nicht nur von deutschen Vereinen, jedoch wollte ich keine Kaffeesatzleserei betreiben, schließlich war das hier mein einziges Vorstellungsgespräch, welches ich wahrgenommen hatte. Würde ich hingegen antworten, dass es keine weiteren Angebote gegeben hätte, machte mich das Ganze zu einer kleinen Nummer.
„Wissen Sie Hr. Tönnies, ich könnte ihnen jetzt verraten welche Vereine noch an meine Tür geklopft haben, allerdings empfinde ich es als nicht relevant. Zudem bin ich, was geschäftliche Dinge angeht, ein loyaler Mensch, auch wenn es sich bei diesen Angeboten nur um reine Anfragen handelte, so möchte ich dennoch die Verschwiegenheit wahren!“Man konnte merken wie es in seinem Kopf arbeitete und gleichzeitig in seinen Augen ablesen, dass es ihm ein wenig zu gefallen schien, dass ich nicht gleich auspackte. Nach einem kurzen Seufzer fuhr er fort:
„ Ich muss sagen, auch wenn mich ihre Antwort nicht wirklich zufriedenstellt, so bewundere ich ihre gradlinige Art und gebe zu, dass Sie mir imponieren.“Wäre ich nicht schon im fortgeschrittenem Alter hätte ich nun vermutlich den nächsten Wachstumsschub bekommen, schließlich gingen derartige Komplimente runter wie Öl.
„Hr. Tönnies, wie wäre es denn mit einer indiskreten Frage meinerseits?“Er zog seine Brille ein wenig Richtung Nasenspitze, schaute über den Brillenrand in meine Richtung und nickte bestimmend. Man merkte ihm an, dass ihm dieses Zuspiel von Provokationen gefiel.
„Wie viele andere Kandidaten haben Sie außer mir noch in Petto?“Wir waren mittlerweile weit von dem formalen Frage-und-Antwort-Spiel eines Vorstellungsgespräches entfernt und genau aus diesem Grund versuchte ich nun alles Wissenswerte herauszukitzeln.
„Nun ja...“Clemens schluckte leicht, er versuchte zu pokern.
„... um ehrlich zu sein...“Langsam nahm er einen weiteren Schluck Kaffee und schien seine Wortwahl genau überdenken zu wollen.
„... wir haben in der Vergangenheit oft den Fehler gemacht auf den falschen Mann zu setzen. Sie weisen zwar keine großartigen Titel auf, aber ich spüre dieses Feuer bei Ihnen. Hr. Heidel hat sich lange mit ihrer Person beschäftigt und mich anschließend davon in Kenntnis gesetzt, dass er Sie für den richtigen Mann hält. Zugegeben, ich war skeptisch, aber Sie wissen zu überzeugen! Doch ich möchte Sie warnen, die Ansprüche hier auf Schalke sind nicht zu unterschätzen und nicht nur der Vorstand, auch die Fans sind hungrig nach Erfolgen.“In Denkerpose ließ ich meinen Zeigefinger auf meine Nasenspitze gleiten und meine Stirn in Falten versinken.
„Hr. Tönnies, ich denke wir wollen das Gleiche, die Frage ist nur, sind wir beide bereit gleichviel für den Erfolg zu opfern?“Es war ein Katz-und-Maus-Spiel und gleichzeitig für mich ein Spiel mit dem Feuer.
„Hr. Smith, ich glaube an diesem Punkt scheinen wir uns einig zu sein, wir werden beide einiges opfern müssen. Können Sie sich vorstellen welch mediale Welle ihr Verpflichtung nach sich ziehen wird? Es sind derzeit ja auch noch weitaus bekanntere Trainer auf dem Markt und ich muss zugeben, eine Rechtfertigung für ihre Person, welche die Presse anerkennen würde, ist gar nicht so einfach aus dem Hut zu zaubern!“Nun wurde Clemens wieder etwas ernster. Er schien mich auf dem Trainerstuhl haben zu wollen, allerdings machte er sich primär Sorgen um seinen eigenen Kopf – ich hatte ohne Frage Verständnis für seine Lage, allerdings hätte er mit mir den Besten an seiner Seite.
Er wollte gerade zum nächsten Wortschwall ausholen, da unterbrach ich ihn unsanft.
„Hr. Tönnies, wir können nun noch stundenlang in diese Richtung mit „hätte, wäre, wenn und aber“ argumentieren, allerdings würde ich vorschlagen, dass wir uns an diesem Punkt dem Gesprächsende nähern sollten. Sie werden schon gemeinsam mit Hr. Heidel eine vernünftige Wahl treffen!“Ich zog die linke Seite meines Jacketts zur Seite und holte aus der Brusttasche meines Hemdes zwei Zigarren hervor, nickte Clemens zu und reichte ihm eine der beiden.
Ohne ein weiteres Wort zu sagen, nahm Clemens die Zigarre entgegen und er wusste, dass er indirekt mit dieser Geste dem Deal zugestimmt hatte.
Die Zigarre war zwar schon in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen, allerdings stand sie immer noch symbolisch als Zeichen des Geldes/ des Erfolges und er schien einverstanden zu sein, dass wir gemeinsam dem Erfolg auf Schalke hinterherjagen wollten.
Die anschließende Stunde überbrückten wir mit weiterem Geplänkel. Es machte den Eindruck als würde er Gefallen daran finden, dass ihm jemand die Stirn bot und eine klare Linie fuhr. Nach dem letzten Zug an seiner Zigarre, bei welchem er sich nicht mehr so jugendlich anstellte wie beim ersten Zug, bat er mich Fr. Notnagel aufzusuchen, sie hätte bereits im Vorfeld einen Vorvertrag aufgesetzt, welchen ich mir gerne mitnehmen könnte.
Es war somit noch nichts unter Dach und Fach, jedoch schritt ich an diesem Tag voller Zuversicht vom Vereinsgelände und machte mich auf zu Julius um ihm vom doch recht positiven Gespräch mit Clemens zu erzählen.
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Ich hoffe das Kapitel konnte unterhalten. Nun aber noch eine Bitte in eigener Sachen: Ich würde gerne versuchen die Story ab und an ein wenig interaktiv zu gestalten. Ob das Ganze klappt oder nicht werden wir noch sehen, aber ich glaube einen Versuch ist es wert!
In einem der nächsten Kapitel wird es selbstverständlich auch noch eine Pressekonferenz geben und ich dachte mir, wer könnte Piet Smith besser mit Fragen löchern als die Leser dieser Geschichte?
Solltet ihr also Interesse daran haben, so bin ich gespannt auf euere Fragen und werde versuchen sie so gut es geht in die nächste PK mit einzubauen!