Die Vergangenheit
19.Januar 2010
In allen deutschen Sportzeitschriften war an diesem Tag eine Überschrift zu lesen. Hannover 96 beurlaubt Andreas Bergmann. Hannover war nach einer schwierigen Hinrunde, die von einem Ereignis überschattet wurde, 13. Seid 5 Spieltagen war die Mannschaft sieglos und man taumelte langsam Richtung Tabellenkeller. Die Ansprüche vor der Saison waren andere, nach einem Platz im sicheren Mittelfeld in der Vorsaison wollte man Richtung Europa.
Die Verantwortlichen wollten, dass ein Ruck durch die Mannschaft geht und die Rückrunde zur Stabilisierung nutzen.
Am Abend des 19. Januar klingt mein Handy. An der anderen Seite war der Präsident von Hannover 96, Martin Kind. Er lud mich zu einem Gespräch am nächsten Morgen in Hannover ein. Genauer gesagt in seiner Firmenzentrale in Großburgwedel.
Nach dem Telefonat war ich komplett aus dem Häuschen und total aufgeregt. Ich hatte in meiner Karriere als Profifußballer und Trainer schon einiges erlebt, aber das könnte der Startschuss zu einer zweiten Karriere sein. Bisher hatte ich als Cheftrainer nur Erfahrungen in Osteuropäischen Ligen und einmal hatte ich ein Intermezzo in Israel. Trotz meiner großen Karriere als Spieler wollte mich nie ein Verein der Top Ligen in Europa. Doch jetzt war es endlich soweit, ein Verantwortlicher einer Bundesligamannschaft wählte meine Nummer. Ich war aus dem Häuschen.
Nach dem ich am nächsten Morgen in Großburgwedel eingetroffen bin, hatte ich ein Gespräch mit Martin Kind und dem Sportdirektor von Hannover 96 Jörg Schmadtke.
Das Gespräch verlief gut. Der Verein hat mir seine Vorstellungen mitgeteilt und ich habe über meine Idee Fußball zu spielen gesprochen. Ich war vorbereitet, ich kannte den Kader von Hannover 96 in und auswendig und habe über Fehler referiert, die meiner Meinung aktuell gemacht werden. Dafür habe ich mir die ganze Nacht um die Ohren gehauen und mir die letzten 6 Spiele des Klubs angesehen. Die beiden waren begeistert, ich glaube, dass ich meine Idee gut rüber bringen konnte.
Nach dem Gespräch bin ich zum Trainingsgelände gefahren und habe mir dieses genauer angeguckt. Im Kopf habe ich meinen Vertrag schon unterschrieben. Ich wüsste nicht woran es scheitern soll. Also habe ich mir direkt ein Hotelzimmer am Stadion gemietet und den ganzen Abend und den nächsten Tag DVDs geguckt und die Mannschaft analysiert.
Nach zwei Tagen kam dann der erwartete Anruf. Hannover hatte um Bedenkzeit gebeten, außerdem wollten sie wohl noch mit anderen Trainern sprechen, dass konnte ich zwar nicht verstehen, aber akzeptierte es. Ich wusste, dass es keinen besseren für den Job gibt als mich.
In dem Gespräch teilte mir Martin Kind mit, dass es ein angenehmes Gespräch war und man sich gut hätte vorstellen können mit mir zu arbeiten. Sie haben sich trotzdem für einen anderen entschieden. Martin Kind versuchte mir die Entscheidung zu erklären, aber ich war niedergeschlagen und wütend.
Auf der fahrt zurück habe ich die ganze Zeit über die letzten Tage nachgedacht. Mirko Slomka, Mirko Slomka, warum der? Natürlich ist die Entscheidung nachvollziehbar. Er kennt den Verein, kommt aus Hannover und hat in Schalke als Cheftrainer Erfahrung gesammelt. Trotzdem will und kann ich diese Entscheidung nicht verstehen.
Nach ein paar Tagen ruhe zu Hause, habe ich das alles verdaut. Ich schrieb Mirko eine SMS und wünschte ihm viel Glück. Das kann er brauchen habe ich mir gedacht.
Im laufe der Saison beobachtete ich natürlich die Arbeit in Hannover.
Die ersten sechs Saisonspiele unter Slomka gingen verloren. Im Auswärtsspiel gegen den SC Freiburg beendete man die negativ Serie von 12 Spielen mit einem Punkt, durch ein 2:1 Sieg. Im laufe der Saison stabilisierte man sich und konnte am letzten Spieltag mit einem 3:0 Sieg, durch Tore von Bruggink, Hanke und Pinto, in Bochum den Klassenerhalt klar machen.
Nach dem Schlusspfiff in Bochum habe ich nur gedacht, mit mir hättet ihr nicht bis zum letzten Spieltag zittern müssen.
Im Sommer konnte ich mich endlich von meiner Couch erheben. Die WM in Südafrika stand vor der Tür. Als Weltmeister und fünfmaliger Teilnehmer einer Weltmeisterschaft war meine Reputation zu diesem Anlass groß. Viele wollten hören was ich zu sagen hatte. Ich hatte viele Interviews und einen Job als Experte bei einem TV Sender. Diese Zeit hat mir sehr darüber hinweg geholfen, dass es um mein Trainer ansehen in Mitteleuropa immer noch nicht gut bestellt ist. Ich habe die vier Wochen während der Weltmeisterschaft sehr genossen. Ich habe das Nachtleben, das Land und die Frauen in Südafrika kennen gelernt, außerdem durfte ich über meine große Leidenschaft reden, den Fußball. Eine schöne Zeit waren die vier Wochen.
In dieser Zeit konnte ich auch mein Netzwerk ausbauen, so lernte ich unteranderem den Präsidenten des bulgarischen Fußballverbands kennen. Er ist anscheinend ein großer Fan von mir und mag meine Idee vom Fußball. In diesen Gesprächen hat sich auch immer mehr heraus kristallisiert, dass sie einen neuen Trainer für ihr Nationalteam suchen. Wir einigten uns auf einen ein Jahres Vertrag mit einer Option auf zwei weitere Jahre.
Ich bin wieder da. Jetzt werde ich es allen zeigen, waren meine Gedanken bei der Vertragsunterschrift. Ich wollte nur ein festes Jahr Vertrag haben in Bulgarien, immerhin will ich ja in eine der Top 5 Ligen. Die Nationalmannschaft soll nur ein Sprungbrett sein.
Im Oktober 2010 war es endlich so weit. Die Qualifikation zur Europameisterschaft 2012 startet. Wir müssen in einem Heimspiel gegen Wales ran. Die Jungs sind heiß und ich bin es auch. Am Ende steht ein verdienter 1:0 Sieg für meine Mannschaft. Leider ging es mit den Erfolgen nicht so weiter. Als Nationaltrainer ist es auch sehr schwer. Man kann nicht richtig mit den Jungs arbeiten und die Mannschaft die mir zur Verfügung steht besitzt einfach keine Qualität. Die Vereinsmannschaften in Bulgarien und der Verband haben die letzten Jahre zu schlecht gearbeitet. Da kann niemand erfolgreich sein. Auch ich nicht.
Und so kam es, dass wir nach dem einem Jahr die Zusammenarbeit beendet haben. Wir waren letzter der Qualifikationsgruppe und die Teilnahme an der EM war aussichtslos.
Im Gegensatz zu Bulgarien war ich bei der EM aber wieder dabei. Wie bei der WM bin ich auch diesmal als TV-Experte dabei. Meine Gedanken haben sich mittlerweile gewandelt. Vielleicht sollte ich mich auf das Fernsehen konzentrieren. Mit guten Analysen zeigen, dass ich Ahnung vom Fußball habe und dann wird es auch was mit dem Job. Trainer in einer drittklassigen Liga möchte ich auf jedenfall nicht mehr werden, das steht fest. Diesen Weg ging ich auch nach der EM weiter und wurde Experte bei einem Pay-TV Sender, der die Bundesliga überträgt. Außerdem verfasse ich jetzt in England eine Taktik Kolumne um auch in diesem Bereich weiterhin up-to-date zu sein.
Der 13.Oktober 2015, wieder ein schwarzer Tag für mein Ziel. Der Tag an dem Stefan Effenberg in Paderborn vorgestellt wird. Ich traute meinen Augen und meinen Ohren nicht. Da sitzt Stefan Effenberg bei einem Zweitligisten, der gerade aus der ersten Liga abgestiegen ist, auf einer Pressekonferenz und wird als neuer Trainer vorgestellt.
Warum darf er so einen Verein trainieren und nicht ich? Die haben nichtmal angerufen bei mir. Warum der Effenberg, der hat doch gar keine Erfahrung. Der produziert doch nur Skandale.
Ich koche vor Wut. Immer wieder gehen mir diese Fragen durch den Kopf.