"Am grünen Feld"
1. Staffel/4. KapitelLiebe Leser,
Verstehen Sie mich nicht falsch. ,Ich habe nichts preisgegeben oder weitererzählt. So einer bin ich nicht. Ich traf nur zufällig die Frau Gastwirt und erzählte ihr was vorgefallen war. Und Sie, liebe Leser, kennen doch die Frau Gastwirt. Da gibt es für sie kein halten mehr. Sie ging zum Bürgermeister um die Situation zu klären.
Was sie getan hatte, wusste ich nicht genau. Ich weiß nur. Die Frau Gastwirt kann höchst überzeugend sein. Um 17 Uhr, als das nächste Training angesetzt war, marschierte der Bürgermeister, mit ernster Miene, gemeinsam mit Trainerin Alex Hartmann auf den Platz. Udo Laimer hatte ein freches Grinsen aufgesetzt. So ernst hatte ich den Bürgermeister noch nie gesehen. „Meine Herren. Es kommt zu Änderungen“ sagte er streng und machte eine kurze Pause. „Udo Laimer ist bis auf weiteres nicht mehr Kapitän unsere Mannschaft. Trainerin Hartmann wird zu gegebener Zeit einen Kapitän benennen. Trainerin Hartmann ist der vom Vorstand bestellte Trainer. Ich erwarte, dass Sie alle als Gentleman und Spieler des Vereines ihren Anweisungen folge leisten. Und nun beginnt ihr mit dem Training. Sonst steht uns, wie wir gestern gesehen haben, eine schlimme Saison vor der Türe. Guten Tag“.
Alex stand nun wieder alleine vor der Mannschaft. In T-Shirt und kurzer Hose. Was diese Frau für wunderschöne Beine hatte.
Alex: Also, seid ihr bereit, mitzuziehen?
Brach sie das Schweigen.
Udo: Wir wollen einen richtigen Trainer.
Alex: Ich bin ein richtiger Trainer
Horst: Einen Trainer mit dem richtigen.... also
Alex: Weil ihr glaubt, ein Mann kann etwas besser als ich?
Udo: Das ist doch wohl jeden klar. Männer sind stärker, ausdauernder... besser....
Alex: Ist das Ihr ernst?
Udo: Wir würden Sie überall schlagen, jeder Mann würde das
Alex: Na schön... NA SCHÖN
schrie sie nun und schmiss ihre Pfeife und das Clipboard mit ihren Notizen auf den Boden
Alex: Wir laufen. Ich gegen Euch. Runden um den Sportplatz. Wenn ich vor Euch aufgebe, trete ich als Trainerin zurück und ihr seid mich los. Aber wenn ich länger aushalte, als ihr alle zusammen... dann weht hier ein anderer Wind. Und ihr macht das, was ich sage. Einverstanden?
Udo: Haha, wir sind trainierte Sportler. Du hast keine Chance Schnecke
Alex: Einverstanden? Bademeister Jochen wird die Runden notieren und als Schiedsrichter aufpassen, dass alles fair zugeht. Einverstanden?
Alex streckte Udo Laimer die Hand entgegen.
Udo: Einverstanden
Alex: Na dann los
Das Feld begann damit, relativ zügig Runden zu laufen. Udo, Horst, Peter zogen vorne weg. Alex folgte ihnen im Mittelfeld. Es ging Runden um Runden um den Platz. Der erste, Sascha, stolperte total außer Atem nach 15 Minuten. „Sascha, ausgeschieden“ sagte ich streng. Er setzte sich zu mir auf die Bank und versuchte sich Luft zuzuwacheln.
Der Reihe nach schieden weitere aus. Richard. Clemens. Tobias. Michael. Hain. Lukas... Andreas. Christian.
Nach einer Stunde waren nur noch Udo, Peter, Horst, Max und Trainerin Alex über. Die Gruppe an Leuten, die schon neben mir auf dem Boden saßen, wurde immer größer. Mittlerweile führten das kleine Feld Udo und Alex an. Horst und Peter trabbten nur noch hinterher. 70 Minuten waren vergangen. „Ich kann nicht mehr“ erklärte Horst. Er gab auf. „Das ist unmenschlich, das haltet ja niemand aus“. Er ließ sich mit schweren Beinen auf den Boden fallen. „Wasser“ stöhnte er und robbte zur Wasserleitung Peter war gerade von Udo und Alex überrundet worden. „Ich höre auch auf, das bringt nichts“ und schmiss sich in den Rasen.
Udo und Alex drehten weiter ihre Runden. Auch, dass es leicht zu Nieseln begann, störte sie nicht weiter. Nur einmal sagte Udo: „Wenn es schüttet, machen wir morgen weiter, ja?“. Doch von Alex kam nur ein: „Aufgeben heißt verlieren“. Ich fasste es nicht. Weitere 20 Minuten vergingen, sie rannten, rannten und rannten. Aus der Aktion „Mannschaft gegen Trainerin“ war ein Kampf Mann gegen Mann … oder Frau... bzw. Eins gegen Eins geworden.
Alex und Udo waren auf gleicher Höhe. „Du hast, im Vergleich zu den anderen gar keine schlechte Kondition“ erklärte Alex leicht bewundernd. Udo biss die Zähne zusammen. „Eine bessere als Du auf alle Fälle“. Man merkte wie er mittlerweile um jeden Schritt kämpfte. „Um fair zu bleiben, muss ich Dir aber etwas sagen“ keuchte Alex, als sie gerade an uns vorbei liefen. „Ich laufe den Iron Man in Frankfurt...das vierte Mal dieses Jahr....“ „Was, ach du scheiße“ rief Udo aus. Das gab ihm den Rest. Das letzte Adrenalin, das ihn dazu gebracht hatte weiterzulaufen, entschwand aus seinem Körper. Udo stolperte. Aus vollem Lauf und mit voller Wucht fiel er auf den Boden. Er konnte gar nicht mehr aufstehen. Bis an das andere Ende des Platzes konnte man ihn atmen hören.
Alex schaute nur kurz zurück und beendete die Runde. Verschwitzt, aber scheinbar erleichtert, stellte sie sich vor die ausgelaugte Mannschaft. „Also, wer ist der Sieger?“ fragte sie in die Runde.
„Sie“ kam es von der Mannschaft leise zurück. „Sie wer?“ fragte Alex. „Trainerin Alex Hartmann“ kam es von der Mannschaft.
„Und ihr haltet euch an die Vereinbarung?“
Die Spieler nickten“.
„Ja, du hast was drauf“ erklärte Max, der sichtlich schon wieder zu Kräften gekommen war.
„Ja, gar nicht mal so schlecht, für ein Mädchen“ pflichtete Peter ihm bei.
„Also dann... wo seid ihr morgen um 17 Uhr alle?“
„Bein Training Trainer“ kam es von der Mannschaft.
„Und ab mogen, mache ich aus euch Saftsäcken eine Mannschaft. Jochen, fahren Sie mich nach Hause....“
Ja... bis morgen beim Training.
Am nächsten Tag, meine lieben Leser, versammelten sich die Mannschaft wieder zum Training. Ich war einer der wenigen, Zuschauer die erneut gekommen waren. Ich kam gerade rechtzeitig, um die Spieler über deren Muskelkater klagen zu hören. Nein, ich war nicht absichtlich zu spät. Ich wollte für das Training, warum auch immer, meine Sporthose tragen. Und es dauette doch länger als gedacht, bis ich diese fand.
Alex schaute etwas überrascht, als ich mich zu ihr gesellte. „Ah, Bademesiter Jochen, Sie beehren uns?“ fragte sie. „Ja, ich... ja, ich beehre Sie“ stotterte ich. „Haben Sie mich heute gesucht?“ fragte sie etwas unschuldig und blickte mich an. „Ich Sie? Wie, ich meine, also, warum, wie kommen Sie darauf?“ stotterte ich noch einmal. „Naja, sie sind heute im Laufe des Tages ungefähr fünf Mal an meinem Zimmerfenster vorbei gegangen und führten vor der Türe monologe? Ich dachte....“ blickte sie mich an. „Nein, das war... ich wollte... ich wollte Ihnen nur viel Glück wünschen und Ihnen sagen, dass sie bei der Überquerung der Hauptstraße aufpassen sollen. Sie sind ja nicht ortskundig.. und da gibt es einige Leute, die diese Straße gerne als Rennbahn missbrauchen und einfach durch den Ort schießen. Nicht, dass Ihnen etwas passiert“ stammelte ich hervor. „Also... außer Ihnen habe ich heute dort niemanden gesehen....“ meinte sie. Die Mannschaft lachte.
„Gut, dann bilden wir eine Reihe und beginnen mit dem Aktivieren und etwas Kondition. Bademeister Jochen, Sie sollten sich der Reihe anschließen. Was ich so sehe, hat Ihre Hose auch schon einmal besser gesessen“ lachte sie. Ich lachte verlegen. Machte aber bereitwillig mit. Schon alleine, um weiter in der Nähe von Alex sein zu können.
„Also, Beine überkreuzen und versuchen, den großen Zehen mit dem Finger zu berühren, so wie ich“ machte Alex es vor. „Ihr habt gehört, was die Trainerin gesagt hat, nachmachen, alle“ gab Udo Laimer Kommando. Nach der Aufwärmphase vollzog sie ein Zirkeltraining. „Fitness ist sehr wichtig für das Spiel. Wir machen heute 15 Minuten Zirkeltraining und steigern uns Tag für Tag“ erklärte sie. Danach versammelte sie die Mannschaft und holte mich an ihre Seite.
„Ihr wisst es vielleicht. Vier Dinge sind im Fußball von entscheidender Bedeutung“ erklärte sie. „Bademeister Jochen, wissen Sie welche das sind?“ fragte sie und sah mich an. „Ja, also...“ stotterte ich.
Alex: Kondition
Jochen: Natürlich, Kondition, das wichtigste
Alex: Technik
Jochen: Natürlich, wie konnte ich Technik vergessen
Alex: Taktik
Jochen: Das Allerwichtigste. Die Taktik.
Alex: Und die Psychologie des Spieles
Ich schaute sie fragend an. Gleich wie die Mannschaft.
Alex: Da fällt mir ein, Bademeister Jochen, würden Sie mir einen kleinen, persönlichen Gefallen tun?
Jochen: Jeden den sie wollen
Udo: Bademeister Jochen ist in die Trainerin verknallt. Die Mannschaft lachte laut auf.
Alex: Ruhe! Beim Training wird nicht gelacht“ sagte sie streng, um mich zuckersüß anzulächeln
Alex: Mir ist mein Co-Trainer abhanden gekommen. Hätten Sie Interesse daran diese Stelle auszufüllen?
Jochen: Co-Trainer? Ich verstehe überhaupt nichts von Fußballtraining....
Peter: Ja Jochen, du hast Jahrelang Wasserball gespielt. Die Trainingsmethoden sind da doch wohl die gleichen. Du kannst das sicherlich gut.
Jochen: Ich weiß nicht...
Alex: Für mich?
(Rehaugen)
Udo: Ja, tu es für die Trainerin Bademeister Jochen (meinte er sehr süffissant)
Jochen: Na schön, also gut.
Alex: Sehr schön. Nachdem ich gesehen habe, dass ...eigentlich das komplette Team... zwischen zwei Beschäftigungsverhältnissen steht...
Udo: Die haben die Fabrik geschlossen. Wir haben alle dort gearbeitet
Alex: Das war kein Vorworf Udo. Also alle bis auf Walter, und Du bist Lehrer... also hat jeder schön Zeit. Wir trainieren ab sofort an 5 Tagen die Woche, einmal um 10 Uhr, einmal um 17 Uhr. Ich habe angekündigt aus euch eine Mannschaft zu machen
Udo: So oft trainieren?
Alex: Herr LAIMER...
Udo: Bin dabei, ich habe nichts zu tun. Alle machen mit. Wir alle!
Alex: Da fällt mir ein. Bademesiter Jochen
Jochen: Co-Trainer Jochen bittesehr
Alex: Würden Sie mir noch eine klitzeklitzekleine letzte persönliche Gefälligkeit erweisen?
Jochen: Ähh... kommt darauf an.
Alex: Uns sind für das Team ein paar Spieler abhanden gekommen. Wäre es möglich, dass Sie uns … aus der Jugend, oder einer zweiten Mannschaft so fern vorhanden, oder sonst wie... noch 4 bis 8 Spieler besorgen?
Jochen: Also das...
Alex: Für mich?
Udo: Was ich so gesehen habe, sind zwei Leute in der Jugend ganz gut. Die sind zwar erst 16, beide, aber...
Alex: Ich nehme alles, was ich bekommen kann.
So ging es Tag für Tag. Aktivieren, Zirkeltraining. Danach sämtliche Übungen, ausschließlich mit dem Ball. Auch in die Laufübungen wurde der Ball eingebaut. Die Mannschaft wurde besser, mit jedem Tag. Von der Kondition, vom lesen des Spieles, von der Taktik, von der Technik. Jeder der Spieler lernte von Alex, die unermüdlich auf Ballhöhe war, das Spiel stoppte, erklärte, wiederholen ließ, immer neue Übungen vorzeigte und laut Anweisungen schrie. „Spielerisch lösen, nicht den Ball einfach weghauen, spielerisch“. „Nein, nicht so, mehr passen, Horst, Du hast 10 Mitspieler, lasst den Ball wandern, dann müsst ihr nicht so viel laufen“. Ausgefuchste Passübungen wurden gemacht, welche die Spieler in Spielsituationen umsetzen sollten. „Ruhe ins Spiel bringen, passen, wenn der Gegner den Ball hat den Raum abdecken“. Meine Rolle, meine lieben Leser, überforderte mich am Anfang, und forderte mich über einige Trainingssitzungen hinweg. Ich lernte von Alex sehr viel über Fußball, leitete in der zweiten Woche das Tomanntraining und in der dritten schon eine Trainingsgruppe. Es war fast gleich wie beim Wasserball. Fast. Nur dass man eben mehr mit dem Fuß als mit der Hand... .sie kennen das sicher?
Taktisch verbesserte sich die Mannschaft ebenso. Alex veranschaulichte alles, theoretisch und praktisch. Versammelte die Mannschaft immer wieder in den Kreis, hockte sich in die Mitte, und sprach mit den Spielern. „Ihr habt doch sicherlich alle die Europameisterschaft verfolgt?“ fragte sie an einem Tag. „Wow, wie Portugal gespielt hat. Ich werde diese Saison spielen wie Ronaldo“ erklärte Max und die Mannschaft lachte. „Frankreich war toll, Griezmann, was für ein Spieler“ schwärmte Hain. „Gute Beispiele“ erklärte Alex. „Aber wir werden uns taktisch anders orientieren“ erklärte sie geheimnisvoll. „Unser Plan wird es sein, uns zu organisieren und auf Qualität zu setzen. So wie Island. Ein Spiel wie Island“ erklärte sie. Und da wir in der Mannschaft nicht genug Spieler hatten, um Spielformen zu trainieren, musste Kurzerhand die A-Jugend für interne Trainingsspiele herhalten. Das war zwar nur zweimal die Woche möglich. Aber...man muss sich zu helfen wissen. Und helfen konnten wir uns.
Nach drei Wochen wirklich intensiver Vorbereitung waren wir bereit für unser erstes Meisterschaftsspiel in der Verbandsliga. Ich war aufgeregt und konnte es kaum noch erwarten.