Die nächsten Testspiele bereiteten mir schon etwas mehr Freude, brachten mich aber auch in eine Zwickmühle. Zunächst dominierten wir den Schweizer Viertligisten SC Kriens nach Strich und Faden:
Gut, es ist ein Viertligist und bei weitem nicht unsere Kragenweite, allerdings sind solche Ergebnisse ganz hervorragend für die Moral. Ich agierte im 4-1-4-1, der vermeintlich defensiveren Variante mit offensiven Flügelspielern, womit der Kreisn wohl nicht gerechnet haben dürfte - immerhin feierte diese Formation Premiere. Und was für eine. Ein super Erfolg. Langkamp belohnt sich in der 23. Minute nach guter Leistung mit einem Tor nach Eckstoß, während Julian Schieber gleich zwei reinhaut. Ein Eigentor der Kriens-Leute (?) und Haraguchi vollenden eindrucksvoll. Heitinga, Skjelbred (9.1 Wertung!) und Hosogai empfehlen sich mit hervorragenden Leistungen besonders für die erste Elf, allerdings läuft an manchen Tagen auch alles wie am Schnürchen. Ich bewerte das sicherlich nicht über. Auch ein gewisser wechselfreudiger Änis Ben-Hatira spielt überraschend befreit auf.
Aber man kann nicht jeden Tag fünf Dinger machen: Gegen den USV Eschen-Mauren, einem Verein aus Liechtenstein, der ebenfalls in der vierten Liga der Schweiz spielt, lasse ich eine komplett andere Elf dran, die im gleichen System agiert. Von Kalou habe ich mir deutlich mehr erhofft: Nach 68 Minuten hat er gerade einmal eine große Torchance gehabt. Ich wechsel Julian Schieber ein, der gleich einmal in der 74. Minute das 1:0 schießt. Skjelbred lässt sofort in der 75. das 2:0 folgen. In der 78. schießen die Hausherren das Anschlusstor, das reicht dann aber auch. Insgesamt haben sie nur drei Torschüsse und 40% Ballbesitz gehabt. Nur meine offensive ist launisch wie Ben-Hatira, dessen Moral am Boden ist (und trotzdem spielt er gut...). Skjelbred zeichnet sich erneut aus, während Peter Niemeyer, der auf seine alten Tage hin noch einmal richtig aufdreht, leider verletzt vom Platz muss. Es ist wohl nichts Ernstes.
Zurück aus dem Trainingslager und rein ins Olympiastadion, denn dort erwartet uns unser nächster Testspielgegner Amkar Perm, ein russischer Erstligist. Das Spiel findet im Mittelfeld statt, 50% Ballbesitz auf jeder Seite. Meine Defensive arbeitet gut und lässt nur zwei Torschüsse im gesamten Spiel zu, während wir sechs haben und endlich einmal drei davon reinmachen - also eine gute Quote. Trotzdem sicherlich zu wenig, da ich im eigenen Hause eigentlich offensiver spielen lassen wollte. Manchmal funktioniert der Angriff richtig gut - aber nur dann, wenn er nicht soll. Ich ziehe meine Schlüsse daraus, denn dafür sind Testspiele da. Julian Schieber trifft erneut. Es wird immer deutlicher, dass er den Vorzug gegenüber Kalou erhalten wird, dem ich die gesamte zweite Halbzeit gebe - aber da kommt absolut nix bei rum. Roy Beerens beeindruckt mit einer super Leistung, während Änis Ben-Hatira die nächsten Wochen wohl als Vorspielen für Mönchengladbach ansieht - warum sonst spielt er auf einmal so großartig? Ich habe das Gefühl, dass meine Flügelspieler diese Saison den Unterschied machen. Peter Niemeyer hatte nur eine ganz leichte Prellung und steht bereits ab der 68. Minute wieder auf dem Feld - und macht ein gutes Spiel. Langkamp zeigt erneut, dass man diese Saison mit ihm in der Innenabwehr rechnen muss.
Der Schock: Julian Schieber, unsere Torgarantie in der Vorbereitung, verletzt sich im Training und fällt etliche Wochen aus. Schlechte Vorzeichen für das nächste Testspiel. Sogar auf SPORT1 läuft das Freundschaftsduell gegen Fenerbahce Istanbul mit dem ehemaligen Bremer und Wolfsburger Diego. Das Spiel ist absolut ausgeglichen: 16 zu 14 Schüsse, davon 5 zu 5 aufs Tor. 47:53 % Ballbesitz sorgen dafür, dass ich wirklich Hoffnung schöpfe. Fenerbahce hatte nicht seinen besten Tag, wir aber gewiss auch nicht. Ein Spiel auf Augenhöhe. Unser Heimvorteil hat sich klar bezahlt gemacht. Sebastian Langkamp macht wieder ein super Spiel und hält Vorschlaghammer Dirk Kuyt (so ist der Stürmer teilweise durchmarschiert) in Schach. Der Rest sticht weniger heraus, ebenso die Spieler von Istanbul. Eine gute Leistung finde ich. Die letzten beiden Testspiele finde gegen Beitar Jerusalem und Galatasaray Istanbul statt - letzteres Spiel läuft hoffentlich ähnlich gut wie gegen Fenerbahce.
In der Zwischenzeit ist übrigens tatsächlich ein Angebot für Änis Ben-Hatira eingeflattert. Ein gutes Angebot und er wäre weg - das habe ich ihm so zugesagt. Ganz trocken sagt mir BMG aber, dass sie mir für Ben-Hatira 1,5 Mio. Euro geben wollen. Sonst nix. Keine Prämien, keine Boni - einfach nur 1,5 auf die Kralle und das war's. Ich hätte schon gerne eine 3 vor dem Komma gesehen. Ach, was sag ich da: Es hätte mindestens eine 3 vor dem Komma sein müssen, damit er die Hertha verlässt. Alles andere ist für mich kein gutes Angebot, zumal wir auch nicht mehr jedes Angebot annehmen müssen, um nicht finanziell zu kollabieren. Ich lehne dankend ab. Ich muss das Ben-Hatira irgendwie schonend beibringen, aber er ist nun einmal ein Hitzkopf und dagegen kann ich auch nichts mehr machen. Der Gute wird verbal ziemlich angreifend, ich behalte aber die Fassung und sage, dass das Angebot nicht gut genug war. Im Hinterkopf weiß ich: Gladbach will Ben-Hatira nicht um jeden Preis, weswegen die 1,5 Mio. wohl die erste und letzte Offerte darstellen dürfte. Allen Beteiligten wird schnell klar, dass Ben-Hatira wohl bei der Hertha bleiben MUSS. Die Presse bastelt einen Artikel draus:
Ich merke, dass die gesamte positive Stimmung in meinem Kader zu kippen droht, da Ben-Hatira viele Freunde im Kader hat - und die wünschen ihm natürlich nur das Beste. Ich trete vor die Presse und erkläre ganz ruhig und sachlich meinen Standpunkt:
Meine (gewiss etwas künstliche) Ruheausstrahlung trägt Früchte: Die anderen Spieler konzentrieren sich auf ihre Aufgabe auf dem Platz und Ben-Hatira trauert etwas vor sich hin. Er ist aber Profi genug und wird wissen, dass bei einem Spielerwechsel immer zwei Vereine dazugehören - und niemand will abgezockt werden. Ben-Hatira hat bei mir gute Chance auf die erste Elf und spielt er weiter so wie in den letzten vier Spielen, dürfte er sich sicherlich bald wieder mit der ganzen Sache abfinden...hoffentlich.