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Autor Thema: Ein echter Wiener geht nicht unter  (Gelesen 4014 mal)

asbo_drinker

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Ein echter Wiener geht nicht unter
« am: 27.Mai 2014, 12:45:17 »

Gerädert von der dreistündigen Fahrt kletterten wir aus dem Bus. Die, die keine Utensilien trugen, stürmten festen Schrittes in die Kabine. Natürlich war da auch ich dabei, bin ja für niemanden der Schani.1 Nachdem dann auch unsere Gepäckträger angekommen waren, spazierten wir wie die Profis vor einem bedeutendem Spiel, in Adiletten und mit großen Kopfhörern bewaffnet, über das Spielfeld der Salzburger Akademie. Die Trainer, beschäftigt mit letzten Besprechungen untereinander, merken da nie welcher Spieler sich wo aufhält und was der gerade macht. Individuelle Wettkampfvorbereitung, nennen die das in unseren Mentaltrainings immer. Für mich heißt das ein stilles Örtchen suchen, wo ich ganz für mich allein sein kann, mit optimaler Frischluftzufuhr. Natürlich nicht für den letzten Schiss - wobei manche Spieler auch das in einer gewohnten Regelmäßigkeit vor dem Aufwärmen erledigen -, sondern für einen genüsslichen Tschick2. Und falls ich dann doch von irgendeiner Schnarchnase oder gar Trainer überrascht würde, hatte ich immer noch eine kleine Zuckerldose3 dabei, um im Notfall den Stummel gemütlich verschwinden zu lassen. Nachdem ich meine beiden Kaugummis gegen den Zigarettengeruch aus meinem Mund - die zwar ohnehin nichts brachten, mir aber wenigstens ein Gefühl der Sicherheit gaben - routiniert eingeworfen hatte und ich gemütlich Richtung Kabine schlenderte, packte mich eine kräftige Hand an meinem rechten Oberarm. „Wir müssen reden!“ „Scheiße, die Stimme vom Trainer“, schoss es mir durch den Kopf.

Sascha, du bist heute nur Ersatz. Ohne Ansatz, schoss es wie aus der Pistole aus seinem Mund. Ich wollte mir nicht anmerken lassen, dass mir das Gesicht einschlief.
Gibt’s dafür Gründe?
Schau, wir sind mit deiner Trainingsleistung momentan absolut net zufrieden. Um ehrlich zu sein, wärst du net amal dabei. Du hast Glück, weil sich der Robert und der Philipp verletzt haben. Wir haben sogar beredet, ob ma net den Marc aus der 16er hochziehen. Das heißt aber nur, dass du einfach mehr an dir arbeiten musst. Okay?
Gedacht hatte ich mir: Fick dich! Lass mich in Ruhe. Geantwortet hatte ich: Ja.
Sehr gut!

Es war nicht mehr lange zu spielen, mit Nachspielzeit vielleicht zehn Minuten noch. Red Bull Salzburg führte mit 1:0. Wir mit der Schlussoffensive, hopp oder drop. Corner für uns. Ich pausiere mein Aufwärmprogramm kurz und beobachte die Aktion. Der Ball kommt an die erste, Dominik steigt hoch und köpfelt den Ball in den dritten Stock. Bestätigt und angepisst zu gleich wende ich meinen Blick ab und setze meine Übungen fort. Der Trainer pfeift einmal laut und blickt zu uns Ersatzspielern. Er brüllt meinen Namen. „Jetzt auf einmal, du Wappler“, murmle ich und sprinte zur Bank.  Es scheint als sei Dominik bei seinem Kopfball gestürzt oder irgendjemand ist ihm auf den Arm gestiegen. Sei’s drum. „Sasch, Druck machen, bur an, auch den Handschuh, Abschluss suchen, einfach spielen. Es geht nimma lang!“4, versucht mich der Coach zu motivieren. Also komme ich ins Spiel und schon kommt der erste lange Ball. Postwendend wird der von den Salzburgern aber wieder zurückgeschlagen und der junge Aschauer sprintet hinterher, gewinnt das Laufduell gegen unseren schlacksigen Innenverteidiger und zieht ab. Ecke. „Zwei Mann vorne“, brüllt der Coach und fordert mich auf, an der Mittellinie zu warten. Die Salzburger wollen nichts mehr anbrennen lassen und bleiben wiederum mit vier Mann hinten. Der Eckball wird von unserem Goalie abgefangen und sofort der Gegenangriff eingeleitet. Drei Mann schwärmen von uns bereits während der Flanke aus, einfach auf Verdacht. Plötzlich sind wir fünf gegen vier in Überzahl. Der Ball kommt steil in meinen Lauf, der Handschuh kommt in Manuel-Neuer-Gedächtnis-Manier aus dem Tor. Ich sprinte wie ein Berserker auf den Ball zu. Schnittball. Der Torwart holt zum Abschlag aus und ich brauche den Ball nur anzuspitzeln um an ihm vorbeizukommen. Im Tempo dribble ich bis drei Meter vor das Tor und lasse eine Rakete los als stünde ich vierzig Meter entfernt. Durch die Dynamik schleudert es mich samt den Ball ins Netz. Jubel! Doch noch ehe meine Mitspieler mich unter ihnen begraben konnten, war ich auch schon sprintend auf dem Weg zur Betreuerbank. Wie Roberto Ayala nach seinem Führungstreffer im Viertelfinale 2006 visierte ich unseren Coach an, markierte ihn mit meinem Zeigefinger und als ich ein paar Meter von ihm entfernt war, machte ich ihm klar: „Ich scheiß auf die Trainingsleistung! Ich bring’s ihm Match!“ und zog von dannen. Das Spiel endete 1:1.

Zwei Tage nach dem Spiel fand ich mich im Büro des Akademieleiters wieder. Mein Vater und das Trainerteam der U18 waren ebenfalls anwesend. Schnell wurde mir klar gemacht, dass ich mir einen neuen Verein suchen möge. Auf die Frage warum das ganze? Wurde mir geantwortet, dass die Untergrabung der Trainerautorität ein inakzeptables Verhalten darstellt und bei einem solch großen Verein keinesfalls geduldet werden könne.

Tags darauf trainierte ich wieder bei meinem Verein aus Kindertagen, dem SR Donaufeld.


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Deutsch-Österreichisch, Österreichisch-Deutsch
1 Schani, der: Diener
2 Tschick, der: Zigarette
3 Zuckerl, das: Bonbon
4 anburen: Druck machen, Gas geben
« Letzte Änderung: 30.Oktober 2014, 15:26:15 von asbo_drinker »
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Re: Ein echter Wiener geht nicht unter
« Antwort #1 am: 13.Juni 2014, 11:29:05 »

Die letzten Wochen der Meisterschaft trudelten dahin. Meinen Spielerpass hatte ich immer noch bei Rapid, weswegen ich nach wie vor für sie spielberechtigt gewesen wäre. Für Donaufeld dürfe ich erst nach meinem Übertritt spielen. Und da ich ohnehin bereits eliminiert wurde, trainierte ich bereits in der U18 von Donaufeld mit. Die Meisterschaft endete schließlich Anfang Juni, der Endspurt der 6. Klasse stand bevor. Eigentlich auch kein großes Angehen, da alle Schularbeiten bereits geschrieben waren, eventuell noch ein Test in Geo oder so. Die gefährlichen Fächer waren aber überstanden, wieder kein Fleck!1 Das hieß die Zeit der Verpflichtungen war vorbei, der Sommer stand vor der Tür. Tag für Tag wurde das Schrillen der Glocke um 13.50 Uhr erwartet. Die Hummeln im Hintern waren wunderschön. Diese Vorfreude. Kurz ab nach Hause, die Schulbücher gegen die Badehose und einen Ball eingetauscht und ab ins Bad. Rein ins kühle Nass! Zur Abwechslung ein kleines Kickerl2 und zwischendurch Dosenbier. Zwei Monate die pure Herrlichkeit!


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Deutsch-Österreichisch, Österreichisch-Deutsch
1 Fleck, der: die Note "Nicht genügend" in einem Schulfach; schlechteste Benotung
2 Kickerl, das: das Fußballspiel; Suffix "erl": dient zur Verkleinerung
« Letzte Änderung: 30.Oktober 2014, 15:25:12 von asbo_drinker »
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Re: Ein echter Wiener geht nicht unter
« Antwort #2 am: 13.Juni 2014, 12:06:56 »

Leicht bedüselt betrat ich das Vorzimmer. Meine Sporttasche legte ich sorgfältig neben der Schuhkomode ab und trippelte nach hinten in mein Zimmer. Wie gewöhnlich, verteilte ich auch diesmal das lästige Kunstrasengranulat, das sich trotz Kleidungswechsel in sämtliche Socken und Schuhe verirrt, am Flur. Noch bevor mein Vater im Zimmer stand, konnte ich ihn bereits am Gang murren hören: „Da schaut’s scho wieder aus…“ Ohne Klopfen riss er die Tür.

Was hast scho wieder aufg’führt?!
Was soll ich aufg’führt haben?
Dein Trainer hat vier Mal angerufen…
Und?
Ja was und?! Irgendwas wirst wieder ang’stellt haben!
Ich hab ni…
Du sagst ma jetzt sofort wast aufg’führt hast oder du kannst da des Fortgehn am Wochened aufzeichnen!
Papa, ich hab…
Wo warst heut so lang?
Was heißt 'wo warst so lang'?
Hast schon a mal auf’d Uhr g’schaut?! Es is halbelf!
Ja und? Ich bin alt genug!
Alt genug?! Solang du deine Füße unter meinen Tisch hast, mochst du wos i dir sog! Hamma uns verstanden?
Ich seufzte, antwortete aber nachgebend: Ja.
Und wo warst jetzt?
Wir sind nach dem Training noch zum Würstlstandl auf a Bier gangen…
Und da kömma net anrufen?!
Ja, tut ma leid. ohne es so zu meinen.
Und was will der Trainer jetzt?
Kein Plan, woher soll ich denn das wissen?!
Na, ich bin…

Plötzlich klingelte das Telefon. Mein Vater stürmte zum Hörer. „Hallo?!“, kurzes Schweige. „Ja, der Plescher ist grad heimkommen…ja, warten’s i gib erm Ihnan.1 Mein Vater brüllte meinen Namen durch die ganze Wohnung und drückte mir als ich neben ihm stand, den Hörer in die Hand: „Dein Trainer.“ Und blickte mich dabei vorwurfsvoll an.

Hallo, Coach?
Servus, Sascha! Wo worst du so lang?
Die Bim ist nicht gekommen, da hab ich länger warten müssen.2
Aha…pass auf, wir haben uns intern beratschlagt und du wirst nächste Saison net bei der 18er trainieren. Der Jaschke will, dass du bei ernan oben mittrainierst. Spielen wirst je nachdem wo’st braucht wirst. Ist das für dich in Ordnung?
Das heißt...?
Na dass’t bei der Ersten trainierst! Wenn’s an brauchen wirst a spün, wenn net, na dann spüst bei uns in der 18er.
Okay.
Trainingsbeginn ist am 14. Juni um 17.30 Uhr. Mödst di dann einfach beim Herrn Jaschke.
Okay.
Passt! Dann hör ma si! Ciao!
Auf Wiederhören. Und legte verdutzt auf.

Was hast’n scho wieder für an Scheiß baut?! Hauns di auße, gö?
Ja aus der 18er.
Sascha! Wos moch ma je…
Ich spiel in der Kampfmannschaft.



__________________________
Deutsch-Österreichisch, Österreichisch-Deutsch
1 Plescher, der: Idiot
2 Bim, die: Straßenbahn
« Letzte Änderung: 30.Oktober 2014, 16:03:35 von asbo_drinker »
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Re: Ein echter Wiener geht nicht unter
« Antwort #3 am: 01.November 2014, 12:00:10 »

Ich öffnete die Kabinentür. Der graue Raum war menschenleer. Kein Wunder, unternahm ich doch alles um ja nicht zu spät zu kommen. Noch neunzig Minuten bis Trainingsbeginn. Jeder Sitzplatz war einer Rückennummer und Nachname zugewiesen. Sorgfältig gefaltet lagen Pakete von Trikots, Hosen und Stutzen auf den Bänken verteilt. Ich setzte mich zu dem einzigen Wäschebündel ohne Namenszuordnung. In ausgewaschenem Schwarz prankte die Nummer 18 an der Trikotrückseite. Nach und nach trudelten die Spieler ein. Als ob es Gewohnheit wäre, begrüßte mich jeder einzelne per Handschlag. Schüchtern nannte ich jedem meinen Vornamen. Die meisten erwiderten und stellten sich ebenfalls vor, manche ignorierten meine zögerliche Begrüßung. Schließlich betrat auch der Trainer die Kabine. Nach eine saloppen „Servas!“ zog er wieder von dannen und ließ uns weiter umziehen. Stumm beobachtend saß ich da wie der Schmäh rannte, wie stolz über den Rausch von vorgestern berichtet wurde oder bereits an jenem Montag bei manchem Berufstätigen das Wochenende herbeigesehnt wurde. Minuten später betrat Jaschke erneut die Kabine. Nach etwa einer Minute war es mucksmäuschenstill.

Meine Herren, ich darf euch herzlich zu unserer Vorbereitung begrüßen. Wir starten heut gleich amal mit am Spü gegen die 18er. Dabei hamma auch eine erste Verstärkung. Und zwar is das der Sackbauer Sascha. Herzlich Willkommen! Er wird heute auch gleich amal von Anfang an stürmen…

Von der restlichen Besprechung habe ich mir dann auch schon nichts mehr gemerkt, nannte der Trainer doch lediglich Aufstellung und kurze positionsspezifische Anweisungen. Wichtigste Vorgaben für mich: früh pressen, Abschlüsse suchen.

Was ich auch tat. Gleich der erste Schuss von der Strafraumgrenze zappelte im Netz. Durch das gesteigerte Selbstvertrauen sprintete ich mir die Lunge aus dem Leib und schoss weiter aus allen Lagen. Schließlich glückte mir nach einer halben Stunde auch noch ein zweiter Treffer, ein flacher harter Schuss in die kurze Ecke. Zur Halbzeit wurde ich ersetzt, ich weiß nicht mehr wer für mich ins Spiel kam. Die übrigen 45 Minuten joggten die Wechselspieler in niedriger Intensität über das Trainingsfeld hinter der Haupttribüne. Nach Schlusspfiff stolzierte ich zufrieden in die Kabine, ohne jedoch ein Wort von mir zu geben. Der Coach fing mich kurz ab, gratulierte mir und fügte ein motivierendes „Weiter so!“ an. Als einer der ersten betrat ich erschöpft die Dusche und ließ eiskaltes Wasser zur besseren Regeneration über meinen Körper strömen. Ich atmete tief ein und schloss für kurze Zeit meine Augen. Plötzlich spürte ich auf meinem rechten Oberschenkel eine trügerische Wärme. Ich öffnete die Auge und sah wie ich von einem der Haudegen von der Seite angepinkelt wurde. Im selben Moment bemerkte er: „Willkommen in der Ersten!“ und tosendes Gelächter schallte los.

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Re: Ein echter Wiener geht nicht unter
« Antwort #4 am: 06.November 2014, 11:10:29 »

Darf man fragen, was die 6. Klasse in Österreich ist? Hier in Deutschland ist man da ungefähr 12, wenn man da schon Bier trinkt, sagt man's dem Papa normalerweise nicht  :D
Ansonsten liest sich die Geschichte echt gut, bin mal gespannt wann der FM ins Spiel kommt oder ob das hier eine Spielerstory wird. Auch die kurzen Ausführungen von sprachlichen Eigenheiten des Österreichischen gefallen mir und tragen ein wenig zur Bildung bei.  :)
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Re: Ein echter Wiener geht nicht unter
« Antwort #5 am: 06.November 2014, 12:08:00 »

Wie immer großartig zu lesen. Ja, ich mag Österreich. Sehr.
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asbo_drinker

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Re: Ein echter Wiener geht nicht unter
« Antwort #6 am: 19.November 2014, 09:28:17 »

@Bayernfahne: In Ö beginnt man nach der Volksschule von vorne zu zählen, also kommt nach der 4. Klasse, wieder die 1. (=5. Schulstufe). Die 6. Klasse ist bei euch die 10. Klasse. Da darf man dann auch zum ersten Mal legal Bier trinken, zumindest bei uns.

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Nach dem Duschen wartete die versammelte Mannschaft auf die abschließenden Worte des Trainers. Nur in Ausnahmefällen mussten alle warten. „Meine Herren, Gratulation zum heitigen Sieg. Oba des wor erst der Anfong. Wir haben vier Wochen Vorbereitung fua uns und wir miassen wos tuan! Die schenste Zeit vom Joahr is des…oiso fian Traina! Morgen, Training, 17 Uhr 30. Den Plan für die Woche habt’s am Zettl, den häng i eich do auf. Do hobts daun a no olle Partien. Gute Erholung und bis morgen!“ Der Jaschke wollte es wissen, es ging gleich richtig zur Sache. Montag: Match, Dienstag: Training, Mittwoch: Match, Donnerstag: Training, Freitag: Match, Samstag: frei, Sonntag: Match. Die Vorbereitungsspiele im Überblick:

Zitat
Mo., 14.6., 18.00 Donaufeld U18 H
Mi., 16.6., 20.30 Simmering H
Fr., 18.6., 20.30 Technopool H
So., 20.6., 10.15 Gratkorn H
Mi., 23.6., 20.30 SV Aspern H
So., 27.6., 10.15 NAC H
Mi., 30.6., 20.30 WAF Brigittenau A
So., 4.7., 19.00 Kreuttal A
Sa., 17.7., 14.00 SV Post A 1. Runde

Meine Herren, i hoff es hobts eich noch gestern guad erholt, wir gengans heit gleich voi au!“, lauteten die motivierenden Worte zum Trainingsstart. Das Boot-Camp begann mit einem Kraftzirkel. Zehn Stationen à zwei Spieler, fünfundvierzig Sekunden arbeiten, fünfundvierzig Sekunden erholen, fünfundvierzig Sekunden arbeiten, fünfundvierzig Sekunden erholen, Stationswechsel. Danach folgte ein dreißigminütiger Parcours; Dribbling, Sprints ohne Ball, jonglieren, Tempodribbling, Slalom, Torschuss, zurück zum Start. Zum Abschluss Tabata: Drei Linien, jede im Abstand von 15 Meter zur nächsten. Zwanzig Sekunden Sprint, fünfzehn Sekunden locker Traben. Das ganze acht Mal, danach Trinkpause. Zum Abschluss das ganze noch ein zweites Mal. Und natürlich ein drittes Mal, „vo nix kummt nix!

Nachdem das Training zu Ende ist und ein paar Komplexer tatsächlich freiwillig noch Stabilisationsübungen anhängen, kommt der Coach zu mir: „Sasch, morgen brauch i di net. Wir haben no viele Spüle und i wü di net vahatzn. Reicht also wennst am Donnerstag wieder kummst.“ Nickend nahm ich dies zur Kenntnis, meinen Muskelkater ahnend.

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Re: Ein echter Wiener geht nicht unter
« Antwort #7 am: 19.November 2014, 14:13:29 »

Hundemüde kippte ich ins Bett und pennte während dem Fernsehen ein. Am nächsten Morgen stand ich wie gewohnt um 7.25 Uhr auf. Jeder Muskel meines Körpers lechzte nach Erholung. Morgenhygiene und schnell eine Schale Müsli. Ich schnappte mir meinen Rucksack und zwei Äpfel und saß wenige Minuten später bereits im Bus. „Fuck, die Mathe-Hausübung!“ Nach einem kurzen Gedankenspiel war die Sorge aber schnell verflogen. „Sascha, wir haben noch zwei Wochen Unterricht! Die Noten kann ich bis am letzten Tag ändern!“, kommentierte Professor Waltinger meine 18. nicht gebrachte Hausaufgabe in diesem Schuljahr. Auf die Doppelstunde Mathe folgten meine Lieblingsfächer Geographie und Geschichte. Danach noch Französisch und um 12.55 Uhr war Schluss mit dem Spuk. Die paar Euro Essensgeld wurden in ein geschmackiges Big-Mac-Menü investiert. Den Nachmittag verbrachte ich dann vor der Play Station, ehe ich in den frühen Abendstunden ein wenig joggen ging. Der Masseur von der Ersten hat mir das empfohlen, keine Ahnung was das genau bringen soll. Nach der Dusche rief ich Coach Jaschke an:

Jaschke.
Hallo Trainer, hier spricht Sascha…
Wer?!
Sascha…
Ääh..
Der Sascha Sackbauer. Von Donaufeld!
Ja, jaja. Grüß dich, Sascha! Was gibt’s?
Ich wollte für heute nur absagen, dass ich nicht zuschauen komme.
Jaja, ka Problem! Brauchst dich nur entschuldigen, wenn du im Kader stehst.
Okay.
Wär trotzdem super, wennst in Zukunft auch zuschauen kommst, damit du die Leute a bisserl kennenlernst.
Ja, ich hab nur in der Schule noch sehr viel zu tun.
Aso, ja die Schule geht natürlich noch vor. Okay, ich muss jetzt Schluss machen…
Entschuldigung. Okay, bis morgen!
Servus, Sascha!

Ich legte auf und zockte weiter FIFA.

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Re: Ein echter Wiener geht nicht unter
« Antwort #8 am: 20.November 2014, 13:29:15 »

Donnerstag. Wieder ein Tag in der Hölle überstanden. Das gestrige Spiel gegen Simmering endete 1:1. Das Programm heute war ähnlich wie vorgestern, die Sprints bereits am Anfang anstelle des Kraftzirkels und zum Abschluss ein dreißigminütiges Match in dem ich von drei Abschlüssen immerhin einen versenkte. Dennoch trat der Coach wieder an mich heran:

Sasch, du host heit super trainiert! I wü oba, dass du di morgen schonst.
Das heißt kein Match?
Kein Spiel. Erhol dich wieder. Die Vorbereitung ist noch lang und dein junger Körper ist sich die Strapazen no net gewohnt.
Okay, Trainer.

Am Weg zur Straßenbahn zückte ich mein Smartphone und telefonierte mit meinem Schulkollegen Manuel:

Servas!
Was gibt’s?!
Geht’s ihr heut Club Couture?
Na sicher! La noche is, oida!
Wo treffts euch?
Um halbneun im Saloon.
Passt, ich komm um neun zirka.

Wir gingen oft schon am Donnerstag fort. Das hatte mehr Stil und die Stimmung war um einiges besser. Entweder in den Club Couture, wo einmal im Monat das Motto „La noche del baile“ hieß und dementsprechend viele Haserln1 unterwegs waren, oder ins Empire, wo bis Mitternacht die Getränke nur 1 oder 2 Euro kosteten. Heute also Club Couture, eine Diskothek in einem Einkaufszentrum mit Kinos und dem ganzen Zeugs. Und auch mit Lokalen. Bevor es in die Disco ging, trafen wir uns im Saloon, einem Restaurant im Western-Stil, wo es einfach nur preiswerten Alkohol gab. In der Vorbereitungszeit die ideale Regeneration. Aber was soll’s, ich muss ja morgen eh nicht spielen…

…das Handy läutete. „Verschlaf net, du Sack!“, murmelte eine Stimme und legte prompt wieder auf. Am Morgen danach weckten wir uns immer gegenseitig, damit keiner für die Schule verschläft. Nach einer dürftigen Morgenhygiene versuchte ich mich im Biologieunterricht munter zu halten.

Wann warst du daheim? fragte mich Manuel
Puh, kein Plan mehr…
Haha, du warst ja bumfett!2
Ich weiß…
Kannst dich noch an die Fette erinnern?
Was?!
Im CC hast so a Fette antanzt…
Wirklich?!
Ja, aber sie wollte dich eh net und dann hast sie geschimpft.
Was war dann?
Dann simma zum Hüttengaudi-Dancefloor gangen und sind voll eskaliert!
Was hamma gmacht?
Wie bei der Formel 1 hamma mit dem Bier umadum g’spritzt. Und dann hat der DJ durchgesagt „Security bitte!“ und dann sind scho die Riegeln kommen und haben uns rauszaht…3
Wir begannen laut zu lachen.
Machst morgen was?
Mal schauen, ob ich im Kader steh…


______________________
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1 Haserl, das: eine attraktive Frau
2 fett sein: betrunken sein; bumfett sein: sehr betrunken sein; Varianten: u.a. blunzenfett, fett wie die russische Erde, bumheidlfett,...
3 Riegel, der: eine hochgewachsene, trainierte Person

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Re: Ein echter Wiener geht nicht unter
« Antwort #9 am: 20.November 2014, 13:38:15 »

Sehr großartig. Hoffentlich kommt bald gar kein Fußball mehr vor.  :P
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Re: Ein echter Wiener geht nicht unter
« Antwort #10 am: 22.November 2014, 10:44:04 »

@ Stefan: Ruhig Blut, kommt noch genug Fußball; so ist das aber halt, wenn man nicht im Kader für's Wochenende steht.

@alle: Wie ihr schon bemerkt haben werdet, wird das eine Spieler-Story. Vielleicht noch kurz zur Erklärung: Die Person ist fiktiv, Potenzial hab ich im Editor auf 150 gestellt, aktuell 75, Alter ist 16, Position Stürmer, besten Bewertungen in Abschluss und Geschwindigkeit. So sollte doch eine nette internationale Karriere möglich sein, aber sicher nicht ein Niveau wie Messi oder Cristiano Ronaldo. Die Aufstellung lasse ich immer vom Co-Trainer machen, sodass ich mich nicht selbst aufstellen kann. Lediglich die Auswechselspieler nominiere ich selbst, weil man im FM11 die Spielerwechsel in Bewerbspielen nicht den Co machen lassen kann (zumindest bin ich noch nicht draufgekommen wie; falls die Möglichkeit besteht, bitte um Aufklärung :) ).
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Das Heimspiel gegen den Bezirksrivalen Technopool ging 0:1 verloren. Und auch am Sonntag stand ich gegen den Regionalligisten Gratkorn nicht im Kader. Auch diesmal schossen wir kein Tor und verloren 0:2. Aus meiner Sicht eigentlich perfekt. In 270 Minuten erzielten unsere Stürmer nur ein Törchen und ich war nicht beteiligt. Ich musste nur auf meine Chance warten. Die kam dann gegen Aspern; gleich in der Startelf. Ich rannte wie ein Waglhund1 und gab alles für die Mannschaft. Kurz vor der Pause krönte ich meine Leistung mit einer Vorlage: Den letzten Verteidiger umdribbelt, breche ich von halblinks in den Strafraum ein, der Torwart stürzt auf mich zu und ich lege einfach quer. Trotzdem musste ich zur Halbzeit raus. Jaschke kommentierte meine Auswechslung mit einem kurzen: „Bua, i hob genug von dir g’sehn!“

Auch die zweite Woche endete wie sie begonnen hatte: pumpen, sprinten, schwitzen, kotzen. Und mit der Ernüchterung, dass ich auch im fünften Vorbereitungsspiel nicht im Kader stehen würde. Und prompt verloren wir wieder, 0:2 gegen den Nussdorfer AC. Ein gewisser Zynismus machte sich bei mir breit, ich war innerlich zufrieden, dass mein Team ohne meiner Beteiligung verlor. Es gab mir eine gewisse Form von Bestätigung, dass ich die einzig richtige Wahl für den Trainer sein müsste.

Auch gegen WAF Brigittenau, eine Klasse unter uns, stand ich nicht im Aufgebot. Wir siegten knapp mit 2:1. Erneut hatten sich unsere Offensivkräfte alles andere als ausgezeichnet. Und auch für den letzten Test fehlte mein Name in der Kaderliste. Dennoch nahm ich die dreißig Minuten Autofahrt nach Niederösterreich auf mich um beim Match dabei zu sein. Während der Besprechung hockte ich wie ein Akteur in der Kabine und auch während der 90 Minuten nahm ich auf der Betreuerbank Platz. Ich motivierte und reichte Wasser. Auch wenn es mich innerlich auffraß, nicht selbst am Platz zu stehen. Wir siegten 3:0, der neuseeländische Neuzugang Caleb Rufer netzte doppelt und meine Chance auf ein Leiberl zum Saisonstart sah ich dahin.

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1 Waglhund, der: Hund der einen Wagen zieht; laufen wie ein Waglhund: lange Strecken laufen

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Re: Ein echter Wiener geht nicht unter
« Antwort #11 am: 22.November 2014, 11:25:55 »

Hey hey, da sehe ich meinen Ersteindruck von der Story bestätigt! Gefällt mir nach wie vor gut und mal einen Spieler statt eines Trainers zu verfolgen ist auch eine willkommene Abwechslung.  :)
Wie handhabst du das dann, wenn dein Spieler den Club wechseln sollte? Wechselst du hinterher bzw. er dir? Oder gibt's da andere Tricks?^^

P.s.: Ok, in der 10. darf man in Deutschland auch schon Bier trinken, bzw. ab 16. Von dem Gesetz haben wir damals auch oft genug profitiert.  ;D
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Re: Ein echter Wiener geht nicht unter
« Antwort #12 am: 22.November 2014, 17:22:37 »

@ Stefan: Ruhig Blut, kommt noch genug Fußball; so ist das aber halt, wenn man nicht im Kader für's Wochenende steht.
...

Ich meinte das ernst; der Sport stört nur. Die Story an sich ist echt saugut und sehr lustig.
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Re: Ein echter Wiener geht nicht unter
« Antwort #13 am: 26.November 2014, 17:51:55 »

@Bayernfahne: Vereinswechsel habe ich so geplant, dass ich die Figur solange bei einem Verein lasse, wie es mich selbst freut dort zu spielen bzw. was für seine Karriere förderlich wäre. Wenn ich nicht mehr beim Verein sein möchte, gebe ich ihn um den Marktwert auf die Transferliste und wähle aus den Angeboten. Auf die Vertragsverhandlungen beim neuen Verein habe ich keinen Einfluss.

@Stefan: Alles klar :)

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Hochsommer. Wir sind Mitte Juli, Jaschke hat den Trainingsbeginn kurzer Hand zwei Stunden nach hinten verlegt. Statt 17.30 Uhr, nun 19.30 Uhr. Hilft aber alles nichts, noch immer steht das Thermometer bei kuscheligen 28 Grad. Morgen beginnt schon die Meisterschaft, die witterungsbedingt nur bis Mitte November läuft. Deswegen der zeitige Start in quasi allen Ligen in Österreich, auch in der Bundesliga. Kurios nur, dass wir nach der 1. Runde gleich eine zweiwöchige Pause haben. Ob sich die beim Verband irgendetwas denken?

Die Trainingsumfänge sind stark zurück gegangen, es geht nur noch um unsere Spritzigkeit, schnelle Antritte. Caleb hat im letzten Test in Kreuttal seine Klasse unter Beweis gestellt, bei den Sprints im Training hatte er gegen mich aber immer das Nachsehen. So auch heute. Zum Start standen vier Sprints, dann Ecken, dann Abschlüsse auf dem Programm. Nach einem Hammer in die linke Ecke, nahm mich Jaschke zur Seite.

Nervös?
Warum?
Morgen is die erste Rund!
Ja.
Hast du gut trainiert?
Ich hab mein bestes gegeben.
Na und glaubst du, reicht das?
Ich hoffe…
Jaschke nickte bejahend, entfernte sich wieder. Geh heut normal schlafen!

Bei der vierten Station stieg ich aus der Bim1: Hernalser Hauptstraße/Wattgasse. Danach schleppte ich meine Sporttasche ein paar Gehminuten und betrat durch ein Stahltorgitter die Sportanlage des Post SV. Schnurstracks ging ich weiter in die Kabine, wo mir sofort der betäubende Duft der ekelhaftesten Duschen Wiener Sportplatze in die Nase stieg. Nachdem ich meine Mitspieler begrüßt hatte, nahm ich die Flipchart wahr, auf der mein Name in einem 4-4-2 vorne links prangte. Sackbauer (11). Ich schnappte mir das Trikot mit der passenden Nummer und setzte mich in die Ecke. Während der Rest der Mannschaft Schmäh führte, fokussierte ich mich auf den Anpfiff. „…und Sasch“, plötzlich riss es mich aus meinem Tunnel, „Abschlüsse suchen! Du hast an mörderischen Schuss! Blos hi! Oiso spüts den Buam a an!“2

Anstoß für Post. Zwei Rückpässe auf den rechten Verteidiger und der gleich mal mit dem hohen Diagonalpass. Ins Out. Die weiteren Eindrücke waren ähnlich: kaum Stafetten von mehr als vier Pässen, die Bälle irgendwo zwischen Knie und Knöchel, nur nicht am Boden. „Was machst du da?“, fragte ich mich. Dann mein erster Ballkontakt. Zack! Auf die Beine. Den Mittelfeldspielern wies ich sodann an, sie mögen mir doch in den Lauf spielen. Vierte Minute. Wieder ein Pass in meine Richtung. „Oida, nicht schon wieder!3 Im Augenwinkel sah ich den Innenverteidiger heransprinten. Ehe ich noch den Ball berührt hatte, rutschte mir der Junge mit allem Einsatz den Ball ab. „Heast, in Lauf!4 Wieder eine Minute später. Der halbrechte Zentrale hat die Haut. Ich löse mich nach außen, reiße ein Loch zwischen die Innenverteidiger und starte. Und wirklich, der Ball kommt in den Lauf. Im höchsten Tempo dribble ich auf den Tormann zu und schiebe den Ball in die linke untere Ecke. Die Jungs rennen und springen mir plärrend entgegen und knutschen mich ab.

Doch schnell finden wir uns wieder am Boden der Tatsachen. Nach einer Viertelstunde gleicht Post nach einem Corner aus; die harte Spielweise der hauptsächlich aus türkischen und serbischen Spielern (weil eben aus einem Bezirk mit hohem Migrantenanteil) zusammengesetzte Mannschaft, setzt uns weiters zu. Dennoch sorgt Caleb kurz vor Schluss für die erneute Führung. Post steckt aber nicht auf und kommt - leider - zum verdienten Ausgleich. Endstand 2:2.

Schnell durch die eisige, aber nach Urin stinkende Dusche und ab in die Kantine. „Jungs, Gratulation zum ersten Punktgewinn dieser Saison! Analysiern werden ma des ollas beim nächstes Training: Montag, 19.30 Uhr. Jetzt im Anschluss: Einstand vom Sasch und Caleb! Schönes Wochenend!“ Nachdem ich meinen ersten Einstand, für die gebliebenen Mitspieler bezahlt hatte, war Caleb an der Reihe. Belustigt über die gesellschaftliche Gepflogenheit, dass er wegen seines ersten Pflichtspieleinsatzes in der Kampfmannschaft eine Runde schmeißen musste, war erneut ich an der Reihe. Auch für das erste Tor war ein Einstand fällig. Also war auch Caleb gleich noch einmal dran. Nach vier bezahlten Runden, waren unsere Geldbörsen leer. Die Jungs aber noch lange nicht voll. Schließlich hängten wir noch bis 22 Uhr in der Kantine und wurden im Gegenzug selbst eingeladen. Nach fünf Spritzern und keine Ahnung mehr wie vielen Krügerln und Stamperln, machten wir uns auf den Heimweg. Kurz vor der Wohnungstür vibrierte mein Handy. Lediglich zwei Buchstaben standen in der Mitteilung: „CC?“ Fünfundvierzig Minuten später traf ich mich geduscht und gekampelt vor dem Club Couture. Schließlich war ja Samstag.


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Deutsch-Österreichisch, Österreichisch-Deutsch
1 Bim, die: Straßenbahn
2 blosen: blasen; hier: hinblasen, im Sinne von: stark schießen; Variation u.a.: umblosen, im Sinne von: sich betrinken
3 Oida: Ausrufewort, am Anfang oder Ende eines Satzes; wörtlich: Alter
4 heast: Ausrufewort, meist am Anfang eines Satzes; wörtlich wohl der Imperativ von hören: hörst du
« Letzte Änderung: 26.November 2014, 17:56:47 von asbo_drinker »
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Re: Ein echter Wiener geht nicht unter
« Antwort #14 am: 28.November 2014, 16:52:15 »

Die Woche war hart, ich habe mir aber meine Sporen redlich verdient. Mein Standing in der Mannschaft steigt von Training zu Training. Und dass ich zu den schnellsten Spielern der Liga zähle, haben meine Mitspieler spät aber doch überrissen. Am Wochenende steht das Bezirksderby gegen Gerasdorf am Programm. Dabei zählen die Bauern noch nicht mal zu Wien, dürfen kulanterweise aber trotzdem mitspielen. Anpfiff war, wie üblich bei Donaufeld-Heimspielen, am Sonntag um 10.15 Uhr. Also nichts mit fortgehen am Vortag. Außerdem war bereits Monatsende, insofern hatte ich eh keine Marie1 mehr übrig. So chillte ich das Wochenende vor der Konsole und zockte GTA.

Die Gerasdorfer waren ähnlich aggressiv drauf wie Trevor Philips, sie führten nach einer halben Stunde nämlich mit 0:2 und wir hatten keinen Meter2. Wir waren nicht im Stande organisiert herauszuspielen. In der 2. Halbzeit glückte uns im Konter aber doch der Anschlusstreffer. Ecke von rechts für Gerasdorf. Unser Handschuh3 fängt den Ball ab und wirft sofort auf den linken Flügel. Dann kommt der steile Diagonalball auf mich. Der Ball rasiert über den letzten Mann und ich dribble allein aufs Tor. Wie schon in der 1. Runde schiebe ich den Ball in die untere linke Ecke und hole die Kugel nachdem sie im Netz zappelte auch prompt wieder heraus. Umsonst. Wir spielen genauso scheiße weiter wie davor. Gerasdorf braucht sich nicht zu fürchten, dieses Derby geht an sie.

Am Montag nach dem Training stolziert die Mannschaft gut gelaunt in die Kabine. Auszahlung! Die Punkteprämien fallen für den Monat Juli nicht horrend aus, Herr Fach, der Obmann, wird sich aber trotzdem nicht freuen. Eigentlich hat der Verein Aufstiegsambitionen. Zumindest das Knödel4 dafür hätte er. Herrn Fach gehört nämlich eine Reinigungsfirma, die sogar im Ausland aktiv ist. „Gebäudeservice W. Fach GesmbH“. Und weil er der Obmann von Donaufeld ist, buttert5 er halt ein bisserl was in den Verein. Deswegen heißt der offiziell ja auch SR Fach Donaufeld. Jedenfalls beeilen sich alle heute ein klein wenig mehr mit der Hygiene, weil im Sekretariat eben die Kuverts warten. Ich, als 16-jähriger Neuling, hatte bis dato keinen Gedanken verschwendet, dass ich vom Verein was bekommen könnte. Würde allerdings Sinn machen. Also stampfe ich verschwitzt und in Trainingsklamotten als erster ins Sekretariat rüber und klopfe an. Eine tiefe Stimme plärrt:

JO!?
Schüchtern schiebe ich die halbgeöffnete Türe auf und stehe in einem mit Zigarettenqualm gefüllten Kämmerchen.
Grüß Gott, Herr Fach!
Servas, Bua! Du bist der Sackbauer, gö? Und schaute dabei vom Schreibtisch auf.6
Ja.
Wos wüst? Wie kann i da hölfen?
Na ja, heute ist ja Auszahlung…
Jo und? Und begann weiter Zehn-Euro-Scheine zu zählen.
Ehm…ja…ääh…wir haben uns no nix…äh…nix ausg’macht…
Wegen was ausg’macht?
Ääh…ja, also…ehm…also wie viel…viel ich…also ob ich vom Verein…auch was bekommen könnte…
Er legte seine Zigarette bei Seite und blickte wieder hoch. Du bist a Guada, gö? Und reibte sich dabei sein Kinn. Wie oid bist?
Ich bin 16.
Kurz musterte er mich. 200 Fixum, 30 am Punkt.
50 am Punkt!
Fach riss plötzlich die Augen auf. Er hatte wohl nicht damit gerechnet, dass ich zu verhandeln anfangen würde.
Burli…begann er und begann plötzlich zu lächeln…passt! Do host glei des Göd fia Julei.

Fach kritzelte meinen Namen ganz unten auf einer Spielerliste hinzu und ließ mich als Ersten Unterschreiben. Zufrieden stolzierte ich mit meinen 250 Euro in die Kabine und ging als Letzter unter die Dusche.

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Deutsch-Österreichisch, Österreichisch-Deutsch
1 Marie, die: Geld
2 Meter haben: eine Chance haben
3 Handschuh, der: Torhüter
4 Knödel, das: Geld
5 buttern: Geld geben, sponsern
6 gö: stimmt es?, habe ich Recht?; Fragewort am Satzende
« Letzte Änderung: 28.November 2014, 16:54:00 von asbo_drinker »
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Re: Ein echter Wiener geht nicht unter
« Antwort #15 am: 14.Januar 2015, 08:45:14 »

geht es hier noch weiter?
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asbo_drinker

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Re: Ein echter Wiener geht nicht unter
« Antwort #16 am: 25.Januar 2015, 09:24:23 »

@kingsize: komme leider nicht so regelmäßig zum posten, aber es kommt immer wieder mal was ;)
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Der Laden brannte bald lichterloh! Auch im August kamen wir nicht vom Fleck. Aber alles der Reihe nach.

Wo spüst du?
Donaufeld.
Feld? Spüst jetzt bei de Bauern drauß’n?
Na, Urli. Donaufeld is a Teil von Floridsdorf, 21. Bezirk.
Eh kloa! Geh, Toni, sei so liab, bring ma a Bier.
Wie sogt ma, Mundi?
Jo, bitte, eh kloa, bitt’sche.
Meine Urgroßmutter stellte meinem Ur-Opa eine geöffnete Flasche Schwechater vor uns auf den Tisch.
Nau, und wo spün de, in wöchana Liga? und nahm einen genüsslichen Schluck.
Stadtliga, Urli. Alles in Wien. Die meisten Gegner san entweder bei uns über der Donau oder in Favoriten!
Mei sche! Da 10. Bezirk! Host g’heat, Toni. Wo ma früher g’wohnt hobn!
Kannst ja amal auf a Match kommen, Urli!
Jo na schau ma moi...Fuaßboi is net so meins. Waßt eh, Gewichtheben, des is a Männersport!
Ja, Urli. Ich lass da trotzdem an Plan da, dann weißt wo die ganzen Sportplätze san. Wennst amal kommen magst…



Durch die Geldspenden unseres Obmannes waren die Erwartungen, wie in den Spielzeiten davor, hoch. Als Aufstiegsaspirant wurde Donaufeld gemutmaßt. Um erst recht irgendwo im Mittelfeld der Realität zu erwachen. Auch in der 3. Runde kamen wir nicht über eine Punkteteilung hinaus. In Gersthof konnten wir immerhin einen Punkt holen. Auf dem Weg in die Kabine:

Wer sind die Babos?
Gusch, Deppater!
Was is, Moruk?!
Oida 1:1 is ausgangen, wos is?!
Ich mach gleich 1:1 gegen dich!
Na komm her, du Schwuchtel!

Jaschke konnte mich aber noch im letzten Moment zur Seite ziehen, ehe ich dem…na ja ehe ich ihm eine aufgelegt hätte. Wieder kein Sieg. Nächste Runde Technopool. Wieder Derby. Anpfiff: Samstag, 16.30 Uhr. Es war brütend heiß. Genauso heiß ging es auch am Platz her. Die Jungen beider Mannschaften kennen sich natürlich aus den Spielen im Nachwuchs. Heast, deine Oide kann leiwand blasen!1 Was is mit dir, du Hurenkind! Die erste Rudelbildung nach vier Minuten. Die 22 Spieler schleppten ihre Kadaver über den Rasen. Mit Fußball hatte das wenig zu tun. Wir sehnten dem Pausenpfiff entgegen. Ballgewinn von Blerim, 30 Meter vorm gegnerischen Tor. Wir spielen einen Doppelpass. Blerim zieht ab. Danke, 1:0! Der Schiedsrichter pfiff sofort ab. Ab in die Kabine! Manche machten jetzt ihren ersten Sprint am heutigen Tage. Trikot aus und kühlen. Der zweite Durchgang plätscherte so dahin. Was is mit deinen Füßen?! Was soll sein? Na weilst so orsch spüst! Ich entfernte mich ein paar Meter um der Nummer 2 nachzurufen: He! Er drehte sich um und blickte in mein grinsendes Gesicht. Mit der linken Hand zeigte ich eine Null und dem rechten Zeigefinger eine Eins. Und gleich darauf meinen Mittelfinger.

Nachdem die Kantineurin die erste Runde Bier springen ließ, wurde der erste Teil der Siegprämie prompt in weitere Flüssignahrung und Spaghetti investiert. Das Standardprogramm folgte: Schnell nachhause, Tasche abliefern, Hemd anziehen, halbneun im Saloon mit den Burschen, 3 Pitcher exen und in den Club Couture. Benebelt durch den Alkohol aber topmotiviert ging’s gleich auf die Tanzfläche. Die Mädchen waren wieder aufgebrezelt. Eine Mischung aus süßem Parfum und Zigarettenrauch lag in der Luft. Erregt durch die viele Miniröcke bewegte die Masse ihre Körper. Plötzlich packte mich eine Hand von hinten an der Schulter. Ich drehte mich um und begann heftig zu grinsen. Der Alex von Technopool stand vor mir, dessen Alte so gut blasen kann. Das hatte ich natürlich nur im Spaß zu ihm gesagt, um ihm ein bisserl zu ärgern. Sie war auch dabei und lächelte mich verliebt an. Man ist die geil! Die Jenny, seine Freundin, kannte ich vom gemeinsamen Fortgehen. Wir soffen und tanzten die ganze Nacht. Jenny und ich hatten immer öfter Blickkontakt, redeten aber nicht viel. Unsere Gruppe wurde immer kleiner. Die Meute zollte dem Alkohol Tribut und trieb es heimwärts ins Bett. Es stellte sich heraus, dass Jenny einen ähnlichen Heimweg hatte wie ich, also teilten wir uns ein Taxi. Noch bevor wir aber in eines stiegen, blickten wir uns in die Augen. Ich nahm ihre Hand und küsste sie. Wir verschwanden nach hinten auf den abgeschiedenen Parkplatz bei der Eishalle. Es stellte sich heraus, dass sie es wirklich gut kann.


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1 leiwand: sehr gut; wird nur in Wien gesagt
« Letzte Änderung: 25.Januar 2015, 09:28:45 von asbo_drinker »
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