Da die meisten Spieler in einer der Fischfabriken am Hafen arbeiten, beginnt das Training erst am frühen Abend. Zeit genug war also, um mit Teddy ein paar vereinsinterne Dinge zu besprechen. Dabei ging es ausschließlich um die angestrebten Ziele, das Budget und die Finanzen an sich. Der Verein ist auf Island einer der Traditionsreichsten. 1949 gegründet, konnte sich aber in der ersten Liga nie wirklich behaupten. Es gelangen immer wieder Aufstiege, die aber in den meisten Fällen mit einem direkten Wiederabstieg verbunden waren. Dennoch haben es die Verantwortlichen über Jahre geschafft, den Verein über Bord zu halten. Mit knapp 5000 € auf dem letzten Kontostand, war das Bankkonto also ausreichend, eher sogar gut gefüllt. Für mich galt es aber, dieses Vermögen in den kommenden Monaten zu stabilisieren, eher sogar aufzustocken. Dafür waren sicherlich einige Schritte notwendig. Ich versuchte Teddy klar zu machen, dass wir uns in naher Zukunft von einigen Spielern trennen mussten. Dies galt vor allem für Männer deren Vertrag ausläuft, als wie auch für die alten. Auch wenn es in meinen Augen nur gute und schlechte Fußballer gibt, hatte ich immer schon ein Faible dafür, einen Verein in Ruhe mit den eigenen Jugendspieler nach oben zu führen. Im Fußball Manager hat diese Variante auch immer gut geklappt. Warum also nicht hier auch? In einem langen Gespräch konnte ich Teddy anschließend überzeugen, in Zukunft vorerst auf die eigene Jugend bzw. junge Spieler zu setzten, bevor man sich auf dem Markt die erfahrenen Recken holt. Ich war ein guter Redner. Ich konnte Leute in meinem bisherigen Leben zumeist immer auf meine Seite ziehen. Ich wusste nicht woran das lag. Es klappte einfach immer. Gleichzeitig war ich mir aber dennoch bewusst, dass der Geduldsfaden von Teddy zwar enorm lang war, ich mir dennoch nicht alles erlauben kann. Ich muss liefern. Tue ich das nicht, bin ich meinen Job los, ehe es überhaupt angefangen hat.
Während wir beide noch im Vereinscafé saßen, um uns bei Kaffee und Kuchen den Sonnenuntergang anschauten, trudelten nach und nach alle Spieler am Gelände ein. Für mich galt es, ein erstes Vertrauensverhältnis aufzubauen. Die Spieler, meine Spieler sollten wissen, dass ich in Zukunft nicht nur ihr Trainer war. Nein, ich möchte auch Freund sein. So versammelte sich die komplette Mannschaft bei Temperaturen nahe dem Nullpunkt um Punkt 18:30 Uhr auf dem Trainingsplatz. Auch Halldor, mein Co-Trainer war mittlerweile angekommen.
„Hallo Jungs,
ich bin euer neuer Trainer. Ich weiß, mein isländisch ist noch nicht gut, hoffe aber dass ihr mich alle versteht. Ansonsten wird Halldor übersetzten. Seine Deutschkenntnisse sind durchaus besser als meine Isländischen. Mein Name ist Thorsten Möllmann, ich bitte euch aber mich mit Trainer oder Thorsten anzusprechen. Ich komme aus einem kleinen Dorf in Norddeutschland und bin 33 Jahre alt. Ich weiß, dass ihr ein paar schwierige Wochen hinter euch habt Ich glaube aber, dass wenn wir uns erst einmal besser kennen gelernt haben zusammen Erfolge feiern kann. Das muss nicht diese Woche sein, aber ich bin mir sicher, dass ihr die Qualität besitzt in der Liga jeden in die Knie zwingen könnt.“„Entschuldigen Sie Trainer“, unterbrach mich einer der Spieler.
„Äh, was habe ich gesagt, entweder Trainer oder Thorsten, bitte. Wir duzen uns hier.“„Was ich wissen möchte Coach, was genau bedeutet in die Knie zwingen?“Ich schmunzelte. „Nunja, dass bedeutet in Deutschland so viel wie besiegen. Das ihr jeden Gegner besiegen könnt. Also weiter im Text. Wir trainieren heute leicht, ich will sehen, wie ihr mit dem Ball umgehen könnt. Ich erwarte in Zukunft einen gepflegten Ball zu spielen, das Spiel in Ruhe aufzubauen und zu dominieren. Ich habe in einigen Videos schon ein paar gute Ansätze gesehen, allerdings müssen wir dieses rausgeboltze reduzieren, besser sogar abstellen. Wir müssen anfangen das Spiel zu dominieren. Ich will gewinnen, und ich weiß dass ihr auch heiß darauf seit endlich Tore zu schießen. Wir müssen es nur gemeinsam anpacken. Ihr werdet gleich erstmal vier Runden laufen. Ich werde in der Zeit mit Halldor eine Übung aufbauen, die sich Rondo nennt.
Wir werden dabei im Quadrat 6 gegen 2 spielen. Anschließend noch ein paar kurze taktischen Instruktionen und ein abschließendes Trainingsspiel. Alles weitere dann später. Nach dem Training würde ich euch dann gerne bei einem Bier gerne näher kennen lernen. Ich hoffe ihr habt alle ein bisschen Zeit mitgebracht..."Die Jungs absolvierten also die Runden und kamen anschließend zum Rondo spielen zusammen. Eine relativ einfache Übung bei der mit One Touch der Ball weitergereicht werden muss. Es schult gezielte das direkte Passspiel, auch Tiki-Taka genannt. Ich liebte diese Form von Fußball. Ich hasse vielleicht den FC Barcelona. Aber Tiki-Taka, das war schön. Ich versuchte nach und nach die Spieler zu analysieren, lobte sie bei guten Aktionen, oftmals, wenn der Ball durch beide Verteidiger in der Mitte durchgepasst wurde. Nach dem Training fand anschließend der obligatorische Kennlernabend statt. Ich konnte mir relativ schnell sogar alle Namen merken und baute mir anschließend zuhause eine kleine Präsentation für mich selber zusammen. Eine eigene Analyse.
Der Kader von Thróttur Reykjavik umfasste 25 Spieler. Also mehr als genug, wenn nicht sogar schon zu viele.
Selbst im Tor gab es vier Alternativen. So wie ich das bisher erkennen konnte, haben wir im Team drei Keeper, die durchaus Potential besitzen um in Zukunft vielleicht sogar in der ersten Liga mitzuhalten.
Ögmundur Olafsson unser mit 28 Jahren ältester Keeper, scheint sein Können hingegen schon erreicht zu haben. Teddy und ich haben uns dazu entschlossen, ihn aufgrund seines auslaufenden Vertrages möglicherweise schon im Sommer loszuwerden. Wenn dies nicht klappt haben wir immerhin einen routinierten Torhüter, der die jungen Wilden mit Rat und Tat unterstützt.
Wer allerdings die Nummer Eins im Team sein wird, ist für mich Stand jetzt, noch schwer zu entscheiden.
Trausti scheint mir dabei am weitesten von den dreien. Wer spielt wird vermutlich kurzfristig entschieden.
Quantitativ gut besetzt sind wir ebenfalls auf der rechten Verteidigungsseite. Aufgrund meines Jugendwahns und seiner guten Fähigkeiten plane ich allerdings mit
Aron Pétursson in der Mitte. Er scheint ein hervorragendes Zweikampfverhalten an den Tag zu legen. Seine gute Spieleröffnung ist zudem ebenfalls kein Nachteil.
Aron Péturssonist laut Teddy auch der Spieler, der diese Saison am besten spielt. Der Verein ist gerade dabei, die Kaufoption zu ziehen und nötige Verhandlungen zu führen. Er soll langfristig an den Verein gebunden werden. Das meiste Potential auf der rechten Seite hat hingegen
Ingiberg Jónsson. Dieser ist allerdings ein Leihspieler aus der ersten Liga, bei dem keine Chance besteht, ihn über die Saison zu halten. Möglicherweise werde ich deswegen
Arni Jakobsson den Vortritt gewähren. Auch wenn ich sein volles Potential noch nicht erkannt habe denke ich, es ist wichtig die Talente aus der eigenen Jugend zu fördern und sich nicht mit Leihspielern, die man sowieso nicht halten kann, über Bord zu halten.
In der Innenverteidigung habe ich ebenfalls die Qual der Wahl. Hier wird allerdings wenn sich nichts tut nur ein Platz zu vergeben sein. Nämlich der neben Aron. Hier werde ich dann aber wohl gezwungener Maßen auf einen Leihspieler setzten müssen.
Geir Kristinsson scheint mir eine gute Wahl zu sein.
Haukur Hinriksson hingegen plane ich eher als defensiven Anker vor der Abwehr ein. Dafür muss dieser allerdings an seiner Spieleröffnung und seiner Ausdauer pfeilen. Dafür wäre es sicherlich von Vorteil weniger zu rauchen. Aber das werde ich wohl aus ihm rauskriegen.
Auf der linken Seite hingegen sieht das eher mager aus. Mit
Hlynur Hauksson haben wir nur eine feste Möglichkeit. Da laut Halldor aus der eigenen Jugend allerdings noch nichts Brauchbares zur Verfügung steht, müssen wir uns wohl nach anderen Alternativen umschauen. Vielleicht gibt es die aber ja auch in den eigenen Reihen.
Der einzige Spieler in der Herrenmannschaft der die Position des defensiven Mittelfeldspieler von Haus aus gelernt hat, ist
Hallur Hallsson. Der 33-jährige Routinier wird allerdings wohl nur sporadisch zum Einsatz kommen. Hallur, scheinbar sogar eine Legende des KP’s will seine Karriere nach der Saison beenden.
Auf der rechten offensiven Außenseite sieht das hingegen schon wieder anders aus. Positiv anders. Was mir vor allem gefällt, ist die Variabilität der Spieler. Sie können alle auf verschiedensten Positionen in meiner Taktik eingesetzt werden, ohne dass sie irgendetwas nicht genauso gut können. Da ich eher einen offensiveren Außenspieler bevorzuge wird
Palmasson als erster seine Chance in der Startelf bekommen. Mit
Alexander Pórarinsson plane ich hingegen im zentralen Mittelfeldspieler als Bindeglied zwischen Offensive und Defensive.
Auch wenn wir auf der linken Offensivseite quantitativ nicht gut besetzt sind, löst die Qualität von
Ingolfur Sigurdsson das Problem praktisch von alleine. Viele halten ihn für das beste Talent, das jemals bei Thorttur gespielt hat. Gott sei Dank ist er langfristig an das Team gebunden. Hier rieche ich für uns einen Geldsegen, wenn wir es hinbekommen den Jungen zu entwickeln.
Im zentralen Mittelfeld waren wir nicht nur quantitativ gut besetzt. Die breite auf der 8er Position freut mich wirklich. Leider muss ich hier jede Woche aufs neue Spieler enttäuschen, die es vermutlich auch in die erste Elf schaffen würden. Das Rennen um die 8er Position ist gleichzeitig schwierig als wie auch einfach. Vorerst wird meine Wahl auf
Alex Porarinsson fallen. Vielleicht werde ich dem Problem der Unzufriedenheit auch mit einer Art Rotation aus dem Weg gehen. Andererseits können auch meine Achter variabel eingesetzt werden. Ich habe es also praktisch selbst in der Hand, meinen Erfolg oder Misserfolg zu gestalten.
Auf der Position des Regisseurs ist
Ragnar Petursson zuhause. Er hat bereits zwei Spiele für die isländische U19-Nationalmannschaft bestritten und kam vor der Saison aus der Jugend des IBV’s. Er wird vermutlich den Vorzug erhalten, wenn er soweit ist. Laut Halldor hat Ragnar unter dem alten Trainer sehr gelitten. Er hat sein Talent scheinbar nicht erkannt, obwohl ihn alle Offiziellen, und selbst Spieler darauf hingewiesen haben.
Auch im Sturm sind wir quantitativ nicht gut aufgestellt. Durch die schon angesprochene Variabilität ist Matt Eliason, einziger Ausländer im Team, allerdings dazu gezwungen, konstant gute Leistungen abzurufen. Er scheint dies aber zu wissen, und schoss im Trainingsspiel gleich mal vier Tore. Er scheint ein wendiger Stürmer zu sein, der trotz seiner Maße gut unterwegs ist. Ich denke er wird es sein, der das erste Tor für diese Mannschaft in der laufenden Spielzeit erzielen wird.
Das war er also. Mein Kader für meine erste Trainerstation. Ich war mit dem vorhandenen Material durchaus zufrieden. Ich sehe hier viele Ansätze um die Zukunft erfolgreich zu gestalten. Jedenfalls dann, wenn ich von Teddy und Co. Genügend Zeit bekomme. Um den Prozess ein wenig zu beschleunigen habe ich vorgeschlagen drei statt zweimal die Woche zu trainieren. Das kam zwar nicht überall gut an, doch die Jungs wussten, dass diese Maßnahme nur zu ihrem Besten ist…
Die Mannschaft macht trotz der erfolglosen Zeit einen guten Eindruck. Sie ist hungrig, will unbedingt gewinnen…
22.06.2013..
„Herr Möllmann, das Spiel wird ihr erstes sein, welches Sie im Herrenbereich als verantwortlicher Trainer bestreiten. Spüren Sie die Anspannung schon?“
Was war das für eine dämliche Frage, dachte ich mir. Ich saß da und überlegte im Möglichst kreativ zu antworten. Konnte mich allerdings zurückhalten. Es war wohl normal, solche Fragen zu stellen, wenn ein Neuer im Haus war.
„Natürlich ist man angespannt. Man weiß nicht was einen erwartet, besser gesagt was passieren wird. So ist Fußball.“„Haben Sie schon eine Formation im Kopf?“
„Ja, aber die werde ich Ihnen nicht verraten.“„Schade. Dann aber zu etwas anderem. Sehen Sie einen Vorteil darin, dass der kommende Gegner Bolungarvik unter der Woche antreten musste? Auch wenn es gewonnen hat?“
„Ob das ein Vorteil ist, kann ich Ihnen nicht sagen, dass wird man sehen. Wir wollen das Spiel aber spielerisch entscheiden und nicht, weil der Gegner nach 60 Minuten tot umfällt. Unser Gegner steht auf Platz 7 der Tabelle, hat deswegen vermutlich bisher einiges richtig gemacht. Mein, unser Anspruch ist es dennoch, dieses Spiel zu gewinnen. Wenn der Gegner dennoch ein Fitnessproblem haben sollte, in ich aber dennoch gewillt, dies so hinzunehmen.“„Ist eine Premiere bei einem Heimspiel angenehmer, als bei einem Auswärtsspiel?“
„Ich war noch nie auf einer Premiere, deswegen kann ich auf diese Frage nur ungenau Antworten. Es ist mir aber auch ehrlich gesagt egal wo ich mein erstes Spiel habe. Es zählt Ausschließlich ein positives Ergebnis. „„Was planen Sie im Vergleich zu ihrem Vorgänger anders zu machen?“
„Ich rede viel mit meinen Spielern. Versuche sie stark zu machen. Auf das kommende Spiel vorzubereiten. Die Presse kann mich gerne mit meinem Vorgänger vergleichen. Mich aber interessiert es nicht, wie mein Vorgänger gespielt hat. Ich konzentriere mich auf mich selber, auf meine Mannschaft. Nicht auf die Vergangenheit.“
„War es das dann? Sind wir fertig?“, fragte ich nach meiner Antwort genervt.
„Keine Fragen mehr? Gut, dann kann ich ja gehen, schönen Tag noch.“Ich stand also auf und ging. Ich würde es nie zugeben, aber nervös war ich schon ein wenig…