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Autor Thema: Aus dem Leben des Jürgen Peters  (Gelesen 1505 mal)

Salvador

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Aus dem Leben des Jürgen Peters
« am: 08.Dezember 2014, 23:00:55 »

Aus dem Leben des Jürgen Peters

Anmerkung: Die Person Jürgen Peters ist frei erfunden und natürlich mussten einige wichtige Ereignisse seines Klubs etwas angepasst werden, damit es im Sinne der Story passt. Solche Veränderungen sind beabsichtigt, auch wenn mir auch unbeabsichtigte Abweichungen von der Realität unterlaufen sein könnten.

24. Juni 2014

Ich hatte Kopfschmerzen, als ich aufwachte. Ein Blick auf die Uhr war mir zu anstrengend, aber die Sonnenstrahlen, die durch den Rand meines Rollos kamen, ließen die Schlussfolgerung zu, dass es schon mindestens mittag sein musste. Deshalb stand ich auf.

Noch müde und etwas benommen durchquerte ich mein Schlafzimmer, bis ich den Wandspiegel am Kleiderschrank erblickte und stehenblieb. Von meiner einst musukulösen und sportlichen Erscheinung war in den letzten Jahren wenig übrig geblieben – mein nackter Körper, den ich gerade betrachtete, sah mit dem kräftigen Ansatz eines Bierbauchs, den dünnen Armen und meinen 1,98 m Körpergröße reichlich skuril aus – irgendwie wir eine Birne auf Beinen, nur unsymmetrisch geformt und mit kurzen, hellbraunen Haaren und braunen Augen.

Ich wollte mich gerade auf den Weg unter die Dusche machen, als mich die Türklingel erschrak und dadurch mein kleiner, rechten Zeh mit dem Kleiderschrank kollidierte. Ich unterdrückte einen Schrei und unter Schmerzen im Zeh und dem dumpfen Pochen im Kopf eilte ich ohne nachzudenken zur Tür und öffnete sie.

Vor der Tür stand Olaf. Als er mich mit kritischem Blick von oben bis unten musterte, fiel mir wieder ein, dass ich ja nackt war und ich trat einen Schritt zur Seite. Olaf hingegen, solches Verhalten von mir schon gewohnt, zuckte nur mit den Schultern und trat an mir vorbei in meine Wohnung.

"Zieh dir was an. Ich muss mit dir reden." Es klang irgendwie ernster als sonst und ich ging zügig ins Schlafzimmer, fischte mir eine Unterhose vom Boden und zog sie an. "Es ist schon fast mittag.", stellte Olaf trocken fest. Ich zog mir eine Hose und ein Shirt über und ging ins Wohn- und Esszimmer, wo sich Olaf auf dem Sofa niedergelassen hatte. "Versuch du mal, nach eineinhalb Flaschen Schnaps am Abend früh aufzustehen." Ohne zu Lachen oder auf meinen Witz einzugehen zog Olaf eine Augenbraue hoch und deutete auf die zahlreichen leeren Bierflaschen auf dem Tisch. "Und wer hat die alle getrunken?" Ich überging seine Frage und antwortet nicht. Stattdessen versuchte ich kurz zu entscheiden, ob sein Gesichtsausdruck eher Ekel oder Mitleid zeigen sollte. Nach wenigen Sekunden gab ich es allerdings auf und war froh, dass auch Olaf das Thema fallen ließ.

"Ich brauche deine Hilfe.", sagte er stattdessen und brachte mich damit zum Lachen. "Bisher war es doch eher immer umgekehrt. Was sollte ich noch für dich tun können?" Ich dachte selbst kurz darüber nach. Während ich in den letzten Jahren langsam zu einem deprimierten, selbstbemitleidenden wandelnden Bierfass verkommen war, hatte sich Olaf zum Spitzenmanager hochgearbeitet. So sah er auch heute wieder aus – er trug feine, schwarze Lackschuhe, einen dunklen Anzug mit hellblauem Hemd und dunkelblauer Krawatte. Seine kurzen, schwarzen Haare waren mühsam gekämmt und seine blauen Augen wurden von einer breiten Brille mit Metallrahmen verdeckt. Dementsprechend war ich es in den letzten Jahren gewesen, der sich normalerweise die Hilfe von ihm holte – vor allem, wenn ich mal wieder jeden Cent umdrehen musste, um die Miete für den nächsten Monat noch zahlen zu können.

"Ich brauche eine Identifikationsfigur. Jemanden, den die Fans lieben und verehren. Jemanden, der Einhundertundzehn Prozent für den Verein steht. Und jemanden, der wenigstens ein bisschen Ahnung von Fußball hat." Olafs Worte waren mit Bedacht gewählt, denn er kannte mich mittlerweile gut genug. Wenn er mich packen wollte, musste er mich beim Ego greifen – und das tat er. Genauso gut wusste er, dass ich das durchschauen würde, aber das war in diesem Fall egal, denn dafür war es jetzt ohnehin zu spät. Ich stand schon zu tief in seiner Schuld, um ihm eine Bitte abschlagen zu können.

"Und was soll ich tun? Mich bei den Heimspielen blicken lassen? Auf der VIP-Tribüne gute Miene zum bösen Spiel mimen?" Es war kurz still in meiner Wohnung. "Peter geht es nicht gut. Er muss aufhören. Ich brauche einen neuen Cheftrainer."


29. August 1992

Als mich mein Vater zum Fußballplatz fuhr, prasselte der Regen schon gegen die Scheiben. Ich blickte grimmig durch die verschwommene Regenmasse und versuchte, etwas zu erkennen, aber ich sah nichts. Nichts außer Regen. Mein Vater bemerkte meine missmutige Laune sofort. "Ach Jürgen, so schlimm ist der Regen doch auch nicht. Letztes Wochenende habt ihr doch auch bei Regen gespielt und sogar gewonnen." Da hatte er recht. Dennoch blieb meine Laune missmutig. Denn heute war ein besonderer Tag und ein besonderes Spiel. Und Regen passte mir an diesem Tag überhaupt nicht.

Eine halbe Stunde später saß ich neben meinem besten Kumpel Thilo in der Kabine und zog mir die Stutzen hoch. In der Kabine war es still, als Thilo das aussprach, was alle anderen dachten: "Ausgerechnet heute!" Ja, ausgerechnet heute.

Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie mein 12jähriges Ich sich an diesem Tag warm machte. Ich lief ein paar Runden und versuchte, nicht erbitterlich zu frieren, denn es war kalt und ich war vom Regen durchnässt. Thilo lief neben mir und ihm erging es ähnlich. Allerdings hatte er den körperlichen Vorteil auf seiner Seite: Während er noch relativ klein und kräftig war und den Wachstumsschub noch vor sich hatte, stecke ich mittendrin. Das Ergebnis war ein langer, knochiger Körper, der zwar in Kopfballduellen einen Vorteil für sich hatte, aber bei Kälte fürchterlich froh. So wie heute. Ich zitterte vor Kälte und machte mich länger warm als sonst.

Als sich der Anpfiff näherte, regnete es so stark, dass man die Anzeigetafel nicht mehr lesen konnte. Nun gut, Anzeigetafel ist natürlich eine Übertreibung – unser Verein hatte nicht das Budget für ordentliches Equipment und Andreas, die gute Seele unseres kleinen Stadions, musste während der Spiele der ersten Mannschaft immer per Hand die Spielstände an der Klapptafel anbringen. Bei Spielen der Jugendmannschaft wurde sie eigentlich nicht genutzt – heute war das anderers.

Die Geschichte des Spiels selber ist schnell erzählt. In strömendem Regen hatten wir keine große Chance, unser Torwart Bernd hatte einen sehr frustrierenden Nachmittag. Zehn Mal musste er den Ball aus dem eigenen Netz holen. Viel gelang uns nicht, unser Gegner war schlichtweg mehrere Klassen besser als wir. Der durchnässte, harte Boden und die schlechte Sicht taten ihr übriges. Das Endergebnis lautete

SC Weitmar 45 – VfL Bochum 1848 2:10 (0:7)

Ich schoss an diesem verregneten Augusttag immerhin beide Tore für meine Mannschaft, natürlich beide per Kopf. Nur neun Tage später trainierte ich das erste Mal in einer Jugendmannschaft des VfL Bochum.
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Lumpi

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Re: Aus dem Leben des Jürgen Peters
« Antwort #1 am: 08.Dezember 2014, 23:59:55 »

Als in Bochum lebender bin ich dabei! - Gruß aus Querenburg  :P
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Ja das ist München's große Liebe, Stolz von Giesing, TSV!
An der Grünwalder Straße daheim, SECHZIG MÜNCHEN muss es sein!

Cooke

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Re: Aus dem Leben des Jürgen Peters
« Antwort #2 am: 09.Dezember 2014, 11:15:33 »

Und ich bin bei Salvador auf jeden Fall dabei!  :)

Übrigens: http://www.transfermarkt.de/-bdquo-vereinsschadigendes-verhalten-ldquo-neururer-in-bochum-entlassen/view/news/181401

Hast du jetzt noch Zeit für die Story oder wird morgen Jürgen Peters vorgestellt?  ;D
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"This one moment when you know you're not a sad story. You are alive, and you stand up and see the lights on the buildings and everything that makes you wonder. And you're listening to that song and that drive with the people you love most in this world. And in this moment I swear, we are infinite."

Mattinho

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Re: Aus dem Leben des Jürgen Peters
« Antwort #3 am: 10.Dezember 2014, 12:36:04 »

Cool! Mich haste als Leser
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Salvador

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Re: Aus dem Leben des Jürgen Peters
« Antwort #4 am: 07.Januar 2015, 16:54:06 »

Freut mich, dass ich schon Leser gefunden habe. Nach Problemen mit dem PC und dem neuen FM (laaange Speicherzeiten etc.) gehts jetzt endlich mal wieder weiter.

Die Entlassung von Peter Neururer einen Tag nach meinem Storybeginn war natürlich der absolute Knaller. "Ich habs euch ja gesagt" ;D



25. Juni 2014

Am nächsten Abend lud mich Olaf zum Essen ein. Da er zahlte, gingen wir nicht zur Pommesbude um die Ecke sondern zu einem feinen Italiener, bei dem ich mir trotz Hemd in meiner Jeans reichlich underdressed vorkam. Olaf schien sich daran nicht zu stören und wir redeten bei gutem Wein (zwar kein Bier, aber Alkohol ist Alkohol) und feiner Pasta über alles mögliche. Olaf erzählte mir davon, dass seine Frau Maria nach über 10jähriger Abstinenz wieder einen Halbtags-Job als Grundschullehrerin suchte und sein Sohn Martin nur noch ein Jahr vor dem Übergang ins Gymnasium stand. Seine Tochter Emily, die zwei Jahre älter als Martin war, hatte sich mittlerweile gut auf dem Gymnasium zurecht gefunden. Ich ließ ihn reden, denn im Bereich Familie hatte ich wenig Gesprächsstoff beizusteuern – seit dem Tod meiner Frau Annika vor einigen Jahren war ich keine feste Beziehung mehr eingegangen sondern von One-Night-Stand zu One-Night-Stand gewechselt.

Erst nach der Hauptspeise lenkte Olaf das Gespräch auf das Thema Fußball. "Hast du es dir überlegt?" Ich zeigte keine Reaktion. "Na komm schon, Jürgen. Du bekommst jede Menge Hilfe von Co- und Assistenztrainern sowie allen anderen Mitarbeitern im Verein. Jeder Transfer geht zwar über meinen Tisch, aber du darfst sonst frei entscheiden." Innerlich war ich mir bewusst, dass ich zusagen würde, aber eine Frage brannte mir auf den Lippen: "Wieso ausgerechnet ich?" Olaf zögerte kurz und ich konnte seinem Gesicht ansehen, dass er mit der Antwort haderte. Dann sagte er: "Weil wir im letzten Jahr immer größere Differenzen mit unseren Fans hatten, bezüglich Taktik und vor allem bezüglich der Kaderplanung. Peter war nie der große Revolutionär und wir wollen jetzt einen neuen Weg einschlagen. Die Fans lieben dich immer noch und du bist der richtige Mann." So ganz überzeugen konnte mich Olafs Begründung nicht, aber ich entschied, Olafs Hintergedanken zunächst zu ignorieren. "Okay, ich machs." Zufrieden grinste mich Olaf an und widmete sich seinem Nachtisch.

Zwei Flaschen Wein später waren Olaf und ich reichlich angetrunken. Er lallte schon etwas und der Kellner schaute uns spöttisch an, als sich Olaf kurz an der Tischplatte festhalten musste, um nicht vom Stuhl zu fallen und dabei fast die Tischdecke samt Tischdeko zu Boden zog. Ich war den Alkohol deutlich besser gewohnt als mein alter Freund und fühlte mich zwar angetrunken, aber nicht unkontrolliert. Der Kellner brachte die Rechnung und ich gab dem Kellner Olafs Kreditkarte, nachdem ich sie ihm mit geschickte Leichtigkeit entwunden hatte. Als der Kellner sie zurückbrachte, fischte ich Olafs Brieftasche erneut unter dessen Kichern aus seinem Sakko und gab großzügig Trinkgeld - Olaf konnte es sich ja leisten. Ich trat an Olaf heran und wollte ihm auf die Beine helfen, als er sich alleine schwungvoll aufrichtete und mich umarmte. Überrascht und regungslos stand ich da, als er in mein Ohr lallte: "Du bist das größte Versprechen, das der VfL Bochum aktuell hat." Ich entzog mich seinem Griff und drehte mich um. "Das war ich schon einmal."
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TheGroce

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Re: Aus dem Leben des Jürgen Peters
« Antwort #5 am: 09.Januar 2015, 20:50:42 »

Packt mich als VfL Bochum-Fan schonmal sehr. :D
Werd auf jeden Fall dranbleiben!
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