Hallo - danke für die Antwort
. Freue mich.
1. Teil: AuftaktIn Gambia predigt man eine ganz andere Philosophie als in Europa. Wenn man einmal mit einer U15 Mannschaft gearbeitet hat, merkt man das am deutlichsten. 22 Spieler stehen auf dem Platz. Alle 22 möchten als Stürmer spielen. Man muss den Spielern sanft erklären, dass es auch Mittelfeld- und Abwehrspieler benötigt, um das Spiel richtig umsetzen zu können. Ein Drama wird es aber erst, wenn es um die Position des Torhüters geht. Anfänglich ist man naiv und fragt vielleicht „Wer möchte im Tor stehen?“. Man starrt in 22 Gesichter, die von Unverständnis geprägt sind. Es dauert oft lange. Es wird diskutiert, Tränen werden vergossen. Oft kommt es sogar zu Raufereien. „Natürlich wissen wir, dass es einen Tormann benötigt. Aber ich mache das nicht“. Punkt. Und das hört man 22 Mal. „Ich möchte lieber Stürmer spielen“.
Und findet man schließlich einen – und da gibt es viele Möglichkeiten, dass einer von ihnen doch ins Tor muss – ist dieser meistens verwirrt. „Wie? Die Hände benutzen? Man darf den Ball nicht mit der Hand spielen. Das Spiel heißt Fußball. Darf ich nicht lieber Stürmer spielen Trainer?“
Gott. Man kommt nach Österreich und von vorne herein steht fest – es gibt einen Kader. Drei Spieler möchten ins Tor. Ich war vollends verwirrt, dass wir nach einer kurzen Vorstellung und einer Partie 5 gegen 2 gleich anfangen konnten zu arbeiten.
Auch die Spielphilosophie ist eine andere. In Gambia muss man in jedem zweiten Satz erwähnen. „Die Defensive nicht vergessen“. Denn wenn man nicht aufpasst, steht der Torhüter auch im gegnerischen Strafraum. Wie gesagt. Jeder will ein Stürmer sein. Ich habe noch nie so lange und ausführlich über Defensive gepredigt, darüber sinniert, dazu ermutigt, daran gearbeitet wie in den letzten Jahren in Gambia. Dribbeln, schnell sein, schießen, technische Spielereien. Das kann jedes Kind in Gambia. Aber der Hinweis, dass eine 4er Kette auf gleicher Höhe zu sein hat. Nein. „Auf einer Linie stehen? Mit den anderen? Aber da schieße ich doch nie ein Tor“.
Man gewöhnt sich mit der Zeit dran.
In Wr. Neustadt war es anders. Die Rollen im Kader sind klar. Das Trainingszentrum haben wir nur für uns. Wir müssen es uns nicht mit Hühnern oder Rindern teilen. Der Rasen ist grün und vor allem - vorhanden. Und man arbeitet klar, strukturiert und professionell. Meistens zumindest. Denn Verwirrung kommt auch hier auf.
Meine erste Amtshandlung im 1. Training war es, Gruppen zu bilden.
„Wir bilden vier Gruppen. Für jeden Mannschaftsteil eine. Jeder Spieler geht zu der Gruppe, zu der er sich zugehörig fühlt“. Das mache ich seit Jahren so. Immer, wenn ich eine neue Mannschaft übernehme. In Gambia ist das immer lustig, wenn plötzlich der gesamte Kader in das Angriffsdrittel läuft und 22 Spieler sich als Stürmer zugehörig fühlen. Wie ein Wettlauf. „Ich bin erster, ich bin erster“. In Österreich?
Da bildeten sich im Schritttempo bald kleine Menschenansammlungen. 3 Torhüter, 8 Verteidiger, 10 Mittelfeldspieler und irgendwo standen ganz verloren ein paar Menschen an vorderster Front. Ich traute meinen Augen nicht.
„Eins, zwei“ zählte ich nach. Ich rieb mir die Augen und blickte noch einmal hin. „Eins, Zwei“. Ich ging zu meinem Co-Trainer Christian Ilzer, den ich von meinem Vorgänger geerbt hatte.
„Christian. Sei so gut und zähle die Stürmer für mich nach“. Er blickte mich fragend an. „Zwei“... noch einmal, blickte ich hin.
„Eins, Zwei“.... „Wir haben nur zwei Stürmer im Kader?“ fragte ich schockiert. Christian zuckte nur mit den Schultern. „Was soll man machen?“
Man beginnt. Ich wies meinen
Co-Trainer Christian Ilzer und den
Tormanntrainer Martin Dedek an, aus dem Spielerhaufen zwei Mannschaften zu bilden, nennen wir sie einfach einmal "Team Rot" und "Team Grün", die ungefähr gleich stark waren. Die Spieler sollten sich danach in einem internen Trainingsspiel selber organisieren und eine Position einnehmen, auf der sie sich selber aufstellen würden. Wieder ein großer Schock. 7 Jahre lang war bei dieser Übung jeder ein Stoßstürmer. Jetzt, hier in Österreich, bildeten sich relativ rasch zwei Gruppen, die sich selber mehr oder minder in einem 4-2-3-1 und einem 4-1-4-1 aufstellten. Ich ließ die Buben spielen. Nach einiger Zeit unterbrach ich immer wieder, gab Anweisungen, änderte Positionen, die Teamzusammensetzung, gab Kommandos. Das war meine Art zu arbeiten. Und bald konnte ich mir einen Überblick verschaffen.
Im Tormannbereich waren die Karten vergeben.
Thomas Vollnhofer (29) war die klare Nr. 1. Seine beider Herausforderer waren zwei 20jährige.
Christopher Stadler und Dominik Schierl. Beide waren im Sommer zur Mannschaft gestoßen und würden sich um die Rolle als Nr. 2 im Tor ein Duell liefern.
Die defensiven Außenposition waren auch schon bald relativ klar. Rechts hatte ich
Mario Pollhammer (29) und als seinen Backup
Reinhold Ranftl (22). Links gab es den jungen
Lukas Denner (23) – er war von Rapid Wien zu uns gekommen – und den 31jährigen
Mark Prettenthaler. Prettenthaler war im Sommer aus der Regionalliga zu uns gestoßen und wollte es noch einmal im Profifußball versuchen. Auch hier hatte ich schon eine klare Präverenz.
In der Innenverteidigung kristallisierte sich
Dennis Mimm (31) sofort als Abwehrchef heraus.
Remo Mally (23) zeigte ebenfalls sein Talent. Daneben gab es noch
Matthias Sereinig (29) der aus der Ersten Liga zu uns kam, und
Carsten Deutschmann. Der 26jährige war im Sommer aus der Regionalliga zu uns gestoßen. Die Spieleröffnung war für alle 4 Verteidiger ein Fremdwort.
Das defensive Mittelfeld wurde derzeit von
Tobias Kainz (22) abgedeckt. Er hatte die letzten beide Jahre bei Sturm Graz die Rolle eines Ergänzungsspielers eingenommen. Zentral vor ihm gab es
Matthias Koch (26), Christoph Freitag (24), Daniel Schöpf (24) und unseren einzigen Legionär. Den Amerikaner
Conor O`Brian (25)
Die offensiven Flügel waren rechts mit
Osman Ali (28) und Michael Tieber (26) besetzt, links war der Flügel jünger Aufstellt.
Mit Kristian Dobras (22) und Mario Ebenhofer (ebenso 22). Und am Ende hin, blieben noch die Stürmer.
Herbert Rauter (32) und
Julian Salamon (23), die – zu allem Überfluss – sich beide eher als hängende Spitzen sahen.
13 Spieler waren im Sommer neu zur Mannschaft gestoßen. 15 Spieler hatten den Verein verlassen. Von der „alten Garde“, also Spielern, die bereits länger als 1 Jahr beim Verein waren, gab es nur Vollnhofer, Mimm, Mally, Pollhammer, Koch, Schöpf, Freitag, Dobras und Rauter. Man musste mit dem Aufbau der Mannschaft also wirklich ganz von vorne beginnen