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Autor Thema: [Beendet] Die Geschichte des Riga-Toni - Eine wahre Delikatesse  (Gelesen 17716 mal)

Purzel89

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Anm. des Autors: Dies basiert zwar auf einem wahren FM-Spielstand aber einige Namen sind frei erfunden um die Privatsphäre zu wahren. Mein RL Name ist auch nicht Toni. Die Idee zu dieser Geschichte kam mir, als ich nach langer Amtszeit als Nationaltrainer von China ein Angebot vom lettischen Landesverband bekam. Deshalb auch das späte Spieljahr - ich hätte es zwar auf das aktuelle Jahr umändern können aber da ja keine im Jahr 2014 aktiven Spieler mehr in meinem Spielstand aktiv sind (höchstens als Trainer), fand ich das nicht passend.

Prolog

Mein Name ist Toni Finch. Wenn Sie das lesen, bin ich entweder verstorben oder Sie haben mein geheimes Versteck unter der Küchenspüle gefunden. Nach vielen abenteuerlichen Trainerstationen quer durch Deutschland und Niederlande, u.a. MSV Duisburg, Waldhof Mannheim und Twente Enschede, war ich bei 1899 Hoffenheim gelandet. Allerdings war jeder Verein, der mich als Trainer einstellte, bedauernswert, denn bisher hatte ich jeden Verein in den Ruin getrieben. MSV Duisburg zum Beispiel hatte sich seit meiner Trainerzeit nie wieder erholt und spielte inzwischen fünftklassig. Doch einer Nationalmannschaft gelang im Februar 2019 ein Glücksgriff: China! Als chinesischer Nationaltrainer schaffte ich mich für jede Weltmeisterschaft zu qualifizieren und wurde sogar 1x asiatischer Meister, indem ich die Favoriten Japan und Südkorea rauskegelte. China schaffte unter meiner Führung einen neuen Rekord in der Weltrangliste und stieg auf Platz 25 hoch.

21. Oktober 2029

10 Jahre und 8 Monate war ich schon bei China und ich saß grade in meiner Hoffenheimer Wohnung und prüfte meine E-Mails. Da fiel mir ein dubios wirkender Absender auf: hr@lff.lv. Erst wollte ich es löschen und war schon genervt, dass mein Spam-Filter es nicht erkannt hatte, als mich meine Neugierde übermannte und ich die E-Mail-Adresse in einer Suchmaschine eingab. Es stellte sich heraus, das der Absender zum lettischen Fussballverband (kurz LFF) gehörte! Jetzt war ich erst recht neugierig und ich öffnete die E-Mail. In schlechtem Englisch, das scheinbar mit einem automatischen Internet-Übersetzer formuliert worden war, bot man mir den Job als Nationaltrainer Lettlands an. Ich sollte mich innerhalb der nächsten 24 Stunden bei ihnen melden, sollte ich Interesse haben.

Im Nu versank ich in Grübeleien. China oder Lettland? Es war immer eine Tortur gewesen von meinem Job in Hoffenheim zu den Länderspielen in Asien zu fliegen. Manchmal hatte ich das Gefühl, der Jetlag würde nie wieder weggehen. Außerdem machten mir der Smog und das Essen zu schaffen. Die chinesische Küche war zwar lecker aber langsam hatte ich sie satt. Dann kam dazu, dass ich mich zwar immer für die Weltmeisterschaft qualifiziert hatte, aber jedes Mal in der Gruppenphase ausgeschieden war.

Ich entschied, ein letztes Mal darüber zu schlafen und dann mein Schicksal zu wählen.

22. Oktober 2029

Während ich an meinem Esstisch saß und frühstückte, hatte ich meine Wahl getroffen. Nach 10 Jahren Amtszeit in China war es Zeit für eine neue Herausforderung. Ich wollte mich mit Lettland für die Europameisterschaft 2032 qualifizieren! Dann nahm ich mein Telefon und rief beim Vorstand des Fussballverbands von China an. Nach zweimal Klingeln nahm jemand das Gespräch an.

Mit Ni Hao! wurde ich freundlich vom Präsidenten des Verbandes auf Mandarin begrüßt, der Landessprache Chinas.
Ni Hao, Toni Finch ist dran. Ich habe vom lettischen Fussballverband ein Jobangebot bekommen und möchte daher bei Ihnen kündigen.
Was?! Aber Sie sind schon ein Nationalheld in China! Mit Ihnen als Trainer hatten wir die erfolgreichsten Zeiten. Sie haben etliche Rekorde gebrochen - Platz 25 in der Weltrangliste, längste Siegesserie, längste Zeit ohne Niederlage und wir haben sogar gegen unsere Rivalen gewonnen. Bei jeder Weltmeisterschaft seit Ihrem Amtsantritt waren wir auch dabei.
Ich habe die Zeit bei Ihnen wirklich genossen aber ich suche eine neue Herausforderung. Außerdem habe ich dann nicht so viele Probleme wenn ich nicht ständig zwischen China und Hoffenheim hin und her jetten muss.
Na gut. Schicken Sie uns eine schriftliche Kündigung und wir werden das in die Wege leiten. Aber Ihre Amtszeit werden wir noch ausgiebig feiern. Wir wären hocherfreut, wenn Sie an Ihrer Abschiedsparty teilnehmen können.
Das tue ich bestimmt. Ich werde sofort im Anschluss an das Gespräch den Brief aufsetzen und abschicken. Zai Jian!
Zai Jian, Mister Finch.

Wie besprochen schrieb ich am Computer meine Kündigung, druckte sie aus, steckte sie in einen Briefumschlag und addressierte sie. Doch bevor ich zur Post fuhr, hatte ich ja noch einiges zu erledigen.

Ich öffnete erneut die E-Mail aus Lettland und klickte auf den Antwort-Knopf. Da fiel mir plötzlich auf, dass ich die Mail schon zwei Tage früher bekommen und zu spät gelesen hatte. So ein Mist, dachte ich, dann waren wohl die 24 Stunden Frist längst abgelaufen.  :o

Da ich die Sache so schnell wie möglich in Ordnung bringen wollte, entschied ich mich, dort anzurufen anstatt eine Mail zu schreiben. In der Signatur der Mail war eine Telefonnummer, die ich in mein Telefon tippte.

Guten Tag, Sie sprechen mit Frau Daugavs, was kann ich für Sie tun?
Schönen guten Tag, mein Name ist Finch und ich rufe an, um mich zu erkundigen, ob die Stelle als Nationaltrainer noch vakant ist.
Einen Moment, ich frage meinen Chef.

Für kurze Zeit blieb das Telefon stumm und ich wappnete mich für das Schlimmste.

Sind Sie noch dran Mister Finch?
Ja.
Vielen Dank, dass Sie gewartet haben. Der Posten als Nationaltrainer ist noch zu vergeben und man lädt Sie zur Vertragsunterzeichnung nach Riga ein. Genauere Infos erhalten Sie in den nächsten Minuten per Mail.
Gibt es kein Vorstellungsgespräch?
Ich schätze, Ihr Ruf eilt Ihnen vorraus. Auf Wiederhören, Mister Finch.
Wiederhören.

Während ich noch auf die Mail wartete, entschied ich mich dazu, meinen Hoffenheimer Co-Trainer Nigel de Jong anzurufen.

Hallo Nigel, ich bin für Vertragsverhandlungen ein paar Tage in Riga, könntest du für das Spiel gegen Alemannia Aachen meinen Platz auf der Trainerbank einnehmen?
Wie bitte!? Sind Sie jetzt von allen guten Geistern verlassen?! Wir stecken mitten im Abstiegskampf und die Spieler sind völlig demoralisiert, weil Sie keine Taktik hinbekommen, die sich auszahlt! Gerade jetzt braucht Sie die Mannschaft um so mehr. Holen Sie diese Pfeife Emre Umut aus dem Tor raus und stellen Sie Thomas Dähne wieder hinein. Mit dem liefs am Besten.
Es ist wirklich dringend, Nigel! Ich denke, du hast das Zeug, die Sache in den Griff zu bekommen. Tschüss!

Bevor Nigel noch weiter meckern konnte, legte ich schnell auf. Inzwischen war eine neue Mail aus Riga angekommen. Man teilte mir den Termin der Vertragsunterzeichnung mit. Ich sollte am 24. Oktober in der Zentrale des Landesverbandes eintreffen. Schnell checkte ich, ob ich noch Flüge von Karlsruhe nach Riga bekommen konnte. Aber mit zweimal umsteigen in Berlin und Helsinki würde ich niemals rechtzeitig in Lettland ankommen, vor allem, da der Flug erst am 23. Oktober war! Also blieb mir nur noch eins: Die Fahrt mit dem Auto. Ich holte meinen uralten Weltatlas aus dem Keller und stellte erschrocken fest, dass auf diesem alten Atlas Lettland noch zur Sowjetunion gehörte.

Naja was solls, dachte ich mir, schau ichs mir eben im Internet an. Tatsächlich berechnete mir ein Routenplaner im Internet, dass ich es bis zum 24. Oktober schaffen würde. - Wenn ich jeweils achtstündige Tagesetappen fuhr...

Schnell packte ich meine wichtigsten Sachen in einen Koffer, brachte sie zum Auto und holte mein Navigationsgerät aus dem Handschuhfach. Per USB-Kabel stöpselte ich es an den Computer und lud mir ein Kartenpaket fürs Baltikum herunter. Wieder hastete ich zum Auto und stieg ein. Ich besaß einen alten calypsorot-metallic farbenen BMW 3er der E36-Generation.


Quelle: Selbst fotografiert.

Ihm war schon übel mitgespielt worden, bevor ich ihn erworben hatte. Er hatte etliche Kratzer und die Spaltmaße waren auch über dem normalen Wert. Aber auch ich selbst hatte ihm inzwischen bei einem Auffahrunfall einen kleinen Knutscher etwas oberhalb des Nummernschildes verpasst (Anm.: Auf dem Bild ist es aufgrund der niedrigen Auflösung fast gar nicht zu erkennen aber ich hab das Bild nicht mehr in Groß). Mein Navi berechnete die Route und dann ging es auf nach Lettland.

Vom Berliner Ring aus ging es nach Osten über die polnische Grenze. Hier war noch alles relativ normal und die Reise verlief ereignislos. Aber als ich mich der litauischen Grenze näherte, bereitete ich mich auf das Schlimmste vor, denn ich war bereits vorgewarnt. All die russischen Crash Compilations aus dem Netz tauchten in meinen Gedanken wieder auf und ich bezweifelte, dass sich Litauen und Russland in diesem Bereich groß unterschieden. Kurz hinter der Stadt Panevezjs auf der A10, die den Namen Autobahn gar nicht verdiente, passierte vor mir der erste große Unfall, den ich je in meinem Leben wirklich gesehen hatte. Bisher hatte ich immer nur das "Danach" eines Unfalls erlebt. Aber jetzt passierte es direkt vor meinen Augen. An einer Kreuzung mit einer unasphaltierten Landstraße schaffte es ein alter klappriger Lada nicht zügig genug, die Schnellstraße zu überqueren. Ein Geländewagen direkt vor mir versuchte zu bremsen, aber sein Versuch löste sich in Qualm auf. Der Fahrer riss das Lenkrad um und erwischte trotzdem den Lada, der sich mehrfach um seine eigene Achse drehte, ein Verkehrsschild sowie ein paar Hütchen auf der Mittelinsel umriss und schließlich quer auf der Gegenfahrbahn stehen blieb. An dem Geländewagen brach die Vorderachse und er rutschte unkontrolliert in einen litauischen Acker, wo er schließlich umkippte und auf der Seite liegen blieb.

Mein Fahrzeug parkte ich an einer Bushaltestelle, die nur wenige Meter hinter der Kreuzung war. Schnell schaltete ich die Warnblinker ein und holte mein Warndreieck aus dem Kofferraum, welches ich hinter meinem eigenen Fahrzeug aufstellte. An der Unfallstelle bildete sich sofort ein langer Stau, da die A10 einer der Hauptverkehrsstraßen in Litauen war, eben weil man auf dieser Straße zur lettischen Hauptstadt Riga kam. Ein Lastwagenfahrer sicherte den Lada mit einem zweiten Warndreieck ab und rannte dann zum Geländewagen, der im Acker lag.

Daher war es meine Aufgabe, mich um die Insassen im Lada zu kümmern. Ich übernahm dies, weil es für mich so selbstverständlich war wie das Zähneputzen. Erste Hilfe war nicht nur eine Pflicht, es war ein Ausdruck von Menschlichkeit. Zum Glück stellte ich fest, dass in dem Auto nur eine Frau und ein Mädchen saßen. Die Frau schätzte ich etwa so alt ein wie ich und die Tochter war wohl im pubertären Trauma.

Hallo! Haben Sie Schmerzen?
Mein Nacken tut mir weh und ich habe Kopfschmerzen.
Okay, können Sie aussteigen?
Ich glaube schon.

Die Frau öffnete den Gurt und stieg aus, aber als sie sich hinstellen wollte, begann sie zu torkeln und ich musste sie festhalten, damit sie nicht hinfiel. Vorsichtig half ich ihr, sich auf den Asphalt zu setzen und dann wandte ich mich an das Mädchen. Sie hatte auf der Rückbank links gesessen und die hintere linke Tür war eingedrückt. Aber nach dem Unfall lag sie vielmehr auf der Rückbank und ihre Beine schienen zwischen Tür und Sitzen eingeklemmt, weil sie immer wieder versuchte, sich zu bewegen aber sie kam nicht weg.

Bleiben Sie ganz ruhig dort liegen! rief ich ihr durch das kaputte Seitenfenster hindurch zu. Die Feuerwehr wird Sie da rausholen!

Die Fahrerin packte meinen linken Oberschenkel mit einer Kraft, die ich so nicht erwartet hatte. Überrascht drehte ich mich zu ihr um.

Danke, dass Sie mich gerettet haben. Wie heißen Sie? fragte sie mit leiser Stimme.
Toni Finch.
Dafür muss ich mich revanchieren Toni. Darf ich Sie zum Essen einladen?
Na Sie sind aber voreilig. Ich habe doch gar nicht viel getan. Der Unfall ist wohl noch glimpflich ausgegangen.
Sie lächelte und sagte Ich mag Sie, Sie sind so bescheiden. Wo wohnen Sie?
Ich wohne die nächsten paar Tage in einem Hotel in Riga. In Riga bin ich nur rein geschäftlich - wirklich wohnen tue ich in Deutschland.

Die Frau seufzte und schließlich hörte ich Sirenen und in der Ferne konnte ich einen roten Lastwagen erkennen, der sich mit Blaulicht dem Unfallort näherte.

Notieren Sie sich meine Nummer!

Verblüfft holte ich mein Handy aus der Hosentasche und öffnete einen neuen Eintrag im Adressbuch. Sie teilte mir ihre Nummer mit und ich tippte sie schnell ein.

Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis die Feuerwehr das Mädchen aus dem Fahrzeug befreit hatte. Sie hatte ein gebrochenes Bein und ein Schleudertrauma. Auch die Fahrerin hatte ein Schleudertrauma und zusätzlich eine Platzwunde am Kopf. Der Fahrer des Geländewagens hatte mehrere gebrochene Rippen, einen gebrochenen Arm und jammerte pausenlos über sein kaputtes Auto, während ihm seine Verletzungen scheinbar egal waren. Die Verletzten wurden auf die Rettungswagen verteilt und in die Krankenhäuser gebracht. Bei einem Polizisten hinterließ ich meine Kontaktdaten und man sagte mir, dass man mich bald zu einer Zeugenaussage vorladen würde. Super, dachte ich. Dann musste ich also in ein paar Wochen wieder nach Litauen.

Als schließlich alle Fahrzeuge abgeschleppt worden waren, durfte ich weiterfahren. Kurz hinter der Grenze zu Lettland gab es erneut eine Vollsperrung wegen eines Unfalls und der Verkehr wurde über unasphaltierte Straßen umgeleitet. In Lettland waren fast nur die Autobahnen asphaltiert. Alle anderen Straßen waren entweder aus Schotter oder Sand. Aber auch in Lettland verdiente die Autobahn diesen Namen nicht wirklich. Lediglich die letzten Kilometer der A8 vor Riga waren kreuzungsfrei mit Mittelleitplanke.


Quelle: Wikipedia

Irgendwie schaffte ich es gerade noch pünktlich zum Ziel und es blieb sogar noch kurz Zeit, bei einem Zeitungshändler vorbeizuschauen. Obwohl ich kein Wort lettisch verstand, konnte ich mir einen Reim drauf machen, was die Worte auf der Titelseite bedeuteten:

"Latuvian futbola feder?cija atzin?gi R?ga-Toni"

Ich hatte noch nicht einmal den Vertrag unterzeichnet und schon hatte mir die lettische Presse einen Spitznamen verpasst. Von nun an kannte man mich in Lettland unter dem Spitznamen Riga-Toni.  :-[ Ich war doch keine Delikatesse! >:(
« Letzte Änderung: 09.September 2014, 01:28:28 von Mieguy »
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Re: [FM 2012] Die Geschichte des Riga-Toni - Eine wahre Delikatesse
« Antwort #1 am: 08.August 2014, 19:41:42 »

Kapitel 1: New York, Riga, Rosenheim

24. Oktober 2029

Riga war eine schöne Stadt die direkt an der Düna (lettisch: Daugava) lag. Es war wenig los auf den Straßen obwohl ich von der Zeit her im Berufsverkehr unterwegs war.


Quelle: Wikipedia

Bei meiner Fahrt hatte ich sogar einige Berliner Doppeldecker entdeckt, die jetzt als Stadtrundfahrtbusse in Riga unterwegs waren. Vielleicht hatte ich  irgendwann mal die Zeit eine Stadtrundfahrt zu machen.

http://riga-sightseeing.lv/data/uploads/buses/etazherka-levij-bok.jpg

Leicht nervös fuhr ich mit meinem 36 Jahre alten Wagen in das Parkhaus vom lettischen Fussballverband. Es wurde langsam Zeit, dass ich mir einen neuen Wagen kaufte. Aber erstmal musste ich überhaupt wissen, wieviel ich in Lettland verdiente. Allein der Zustand lettischer Straßen gab mir aber nicht viel Hoffnung. Fast an jeder Ecke der Stadt gab es Baustellen und man traf entweder auf völlig neu asphaltierte Straßen oder Schlaglöcher. Was man in der Hauptstadt für die Sanierung der Straßen verpulverte war unvorstellbar, wo man doch  eben noch über unasphaltierte Landstraßen von Dorf zu Dorf gefahren war. Aber scheinbar sollte Riga repräsentativ sein. Das zumindest war dem Verkehrsministerium gelungen. Ich war sogar ein wenig neidisch, denn in Hoffenheim war so manche Straße in grausigerem Zustand. Ein weiterer Pluspunkt waren die Verkehrschilder, die nicht in kyrillischen Buchstaben beschildert waren, sondern im mir vertrauten lateinischen Alphabet. So begriff ich schneller, was einzelne Schilder bedeuteten und lernte gleichzeitig ein wenig die Sprache.

In der Eingangshalle sagte ich der Empfangsdame freundlich, wer ich war und wohin ich wollte. Etwas schwerfällig erklärte sie mir in schlechtem Englisch den Weg zum Vorstand und ich begab mich auf den Weg. Eine Treppe rauf, dann den rechten Gang und die zweite Tür links. Ich klopfte zweimal, dann hörte ich Stuhlbeine über den Teppich kratzen, Fussgetrappel und schließlich wurde mir die Tür geöffnet.

Guten Tag Mister Finch. sagte der Mann, der mir die Tür geöffnet hatte und schüttelte meine Hand.
Guten Tag. gab ich als Antwort zurück.

Der Mann entfernte sich und ich kam in einen großen Saal, in dessen Mitte ein langer Holztisch war. Hier saßen verschiedene Vorstandsmitglieder, die bereits auf mich gewartet hatten. Wasserkrüge, Kugelschreiber und Blumenvasen waren über den ganzen Tisch verteilt. Aus den großen Fenstern hatte man einen schönen Blick über die Daugava. Mit der Hand wies mich der Mann zum Ende des Tisches, wo ein großer Ledersessel vor einer Wand mit dem Landeswappen und dem Wappen des Fussballverbandes stand. Der Rest der Wand war wie die lettische Flagge in Rot-Weiß-Rot angemalt. Vor dem Sessel lagen mehrere Blätter Papier breit aufgefächert mit einem dunkelroten Kugelschreiber direkt in der Mitte.

Setzen Sie sich bitte. sagte der Mann.

Ich wollte mich auf einen der kleinen gepolsterten Stühle setzen, aber der Mann schüttelte den Kopf.

Nicht da! Auf Ledersessel!

Verwirrt und begeistert zugleich ging ich weiter und setzte mich nun auf den Ledersessel. Erwartungsvoll schauten mich die Vorstandsmitglieder an und ich starrte genauso erwartungsvoll zurück. Nach minutemlangen Schweigen drohte ich beinahe im Sitzen einzuschlafen. Nach der langen Fahrt war ich sehr müde.

Worauf Sie warten? Entscheidungshilfe?
Naja - wollen Sie mich nicht erst etwas fragen?

Der Mann, der mich eingelassen hatte, lachte ausgiebig und mit kurzer Verzögerung begannen die anderen Mitglieder ebenfalls zu lachen.

Wenn ich reden wollte, hätte ich meine Frau mitgebracht.

Wieder lachte er, diesmal nicht über mich sondern über seinen eigenen Witz. Ich blieb cool und lässig und zwang mich zu einem Lächeln.  ::)

Na los, unterschreiben! sagte er freundlich aber mit Nachdruck.

 ???

Was sind Ihre Erwatungen?
Holen Sie 1 oder 2 Punkt in kvalifik?cijas.

 :o Ernsthaft? Da griff ich sofort den dunkelroten Kugelschreiber und las mir den Vertrag durch. Ich war erstaunt, wie gut das Englisch war, in dem der Vertrag geschrieben war, bis mir klar wurde, dass man irgendeinen Vertrag aus dem Internet kopiert hatte. Manche Wörter waren durchgestrichen und an vielen Stellen stand FC Chelsea Lettland. Manchmal hatte man es vergessen, den Verein durchzustreichen und der Vorstand gewährte mir sogar ein Transferbudget von 20 Millionen Euro.  ;D

Nachdem dieser Spaß so gut angefangen hatte, gab es keine Zweifel mehr. Diese Herausfoderung wollte ich annehmen. Ich setzte meinen Kringel unter den Vertrag und sofort sprang der älteste Herr am Tisch auf und rannte zu mir. Er packte mich in einer festen Umarmung und gab mir einen Kuss auf die Wange.

Viele Dang.
Das ist Präsident von LFF.
Bin sehr erfreut.
Es esmu ?oti priec?gs. übersetzte der Mann für den Verbandspräsidenten und der Präsident begann mich nun vor Begeisterung zu zerquetschen. Ich hörte eine Rippe knacken.

Später

Am Abend als die Sonne am Horizont unterging, saß ich auf dem Bett in meinem Hotel und schaltete den Fernseher ein. Ich zappte mich durch das Programm und traf schließlich auf Viasat Sport Baltic. Dort lief gerade eine Vorberichterstattung zur 2. Deutschen Bundesliga. Rasch sah ich auf meine Uhr. In Lettland war es gerade 21:14. Da es plus 1 Stunde zur deutschen Zeit in Lettland war, wusste ich, dass in einer Minute der Anpfiff zum Montagsspiel der 2. Liga war.

Ein letzter Werbeclip vor der Liveschaltung wurde eingespielt und dann sah ich oben links die Begegnung eingeblendet:

Alemannia Aachen - 1899 Hoffenheim


Quelle: Wikipedia

Oh nein! Wie hatte ich das vergessen können! Heute spielte mein Verein und ich wollte doch eigentlich noch schnell meinen Teamkapitän anrufen, um ihm letzte Anweisungen zu geben. Jetzt war es allerdings zu spät. Im fast ausverkauften Neuen Tivoli musste ich entsetzt mit ansehen, wie Yagmur Yildirim in der 14. Minute meinen Torwart Emre Umut alt aussehen ließ. Hatte Nigel nicht erzählt, er wolle Thomas Dähne ins Tor stellen? Just in diesem Moment  schaltete die Fernsehregie auf die Hoffenheimer Trainerbank um, wo Nigel ziemlich entspannt aufs Spielfeld schaute.

Dann sah ich höchst zufrieden einen schnellen Konter von Hoffenheim in der 18. Minute. Ein langer hoher Pass nach vorn wurde von Cesar Choque gekonnt  aus der Luft angenommen und er sprintete an der rechten Seite entlang. Als sich ihm ein Aachener in den Weg stellen wollte, machte er einen Bogen um ihn  und lief weiter diagonal Richtung Strafraum. Ein weiterer Verteidiger versuchte ihn am Leibchen zu halten aber er konnte sich lösen. Endlich war er im Strafraum und dann zimmerte er den Ball mit voller Wucht Richtung obere linke Ecke. Der Torwart sprang hoch und der Ball rauschte an seinen Fingerspitzen vorbei und landete schließlich mit der Geschwindigkeit eines ICEs im Netz. Ich sprang vom Bett auf und hüpfte wie Rumpelstilzchen durch das Zimmer, bis schließlich die Nachbarn gegen die Wand klopften und jemand etwas auf lettisch schrie. Nur Nigel de Jong schien wenig beeindruckt und blieb tiefenentspannt auf seinem Stuhl sitzen.

Mein Portugiese Nuno Peneda wollte einen ähnlichen Versuch wie Cesar starten, aber mitten im Sprint wurde er plötzlich langsamer und sackte auf dem Feld zusammen. Ich musste entsetzt ansehen, wie sich Nuno mit schmerzverzerrtem Gesicht auf dem Boden krümmte und sich ans Knie fasste. Mit einer Trage musste er vom Spielfeld gebracht werden und als Ersatz kam Wolfgang Kickermann, der die Defensive verstärken sollte, um das Unentschieden zu halten.

Cesar Choque allerdings war anderer Meinung und spielte weiterhin, als wäre er vom Teufel besessen. Wieder bekam er eine Chance, in den Strafraum zu kommen, doch der Verteidiger, den er beim ersten Mal ausgedribbelt hatte, nahm Rache und foulte ihn mit einer üblen Blutgrätsche. Cesar Choque stürzte und musste ebenfalls vom Platz entfernt werden. Für ihn brachte Nigel Ozan Yilmaz. Ozan war ein 18-jähriges türkisches Stürmertalent, dass ich in der Sommerpause ablösefrei verpflichtet hatte. Bei FC Ingolstadt 04 hatte man sein Talent noch nicht bemerkt und so schmorte Ozan in der Reservemannschaft des bayrischen Drittligisten. Enttäuscht verlängerte Ozan seinen Vertrag bei Ingolstadt nicht und so hatte ich ihn mir schnappen können. Gleich in seinem ersten Spiel hatte er die meisten Torchancen für Hoffenheim und im zweiten Spiel erzielte Ozan zwei Tore, die meiner Mannschaft den Sieg brachten.

Doch auch Ozan konnte nicht verhindern was dann geschah. Sein türkischer Landsmann Yagmur Yildirim schlug gleich zweimal (29.,50.) zu und beide Male sah mein Torwart Emre Umut gar nicht gut aus. In der 55. Minute rundete Mitchell Jacobs das Aachener Torspektakel mit einem Weitschuss ab und ich sah, wie Nigel das Tor ebenso bejubelte wie der Aachener Trainer. Nigel schien Gefallen daran zu haben, mich vor laufender Kamera zu verspotten.

Der erlösende Schlusspfiff ertönte und ich schaltete den Fernseher aus.

Alemannia Aachen - 1899 Hoffenheim
4 : 1

Wenig später klingelte mein Handy.

SIE DÄMLICHER VOLLIDIOT, ICH KÜNDIGE SIE! WENN ICH SIE IN DIE FINGER KRIEGE, WERDE ICH IHNEN DEN - brüllte der Vorstandspräsident von 1899 Hoffenheim in den Hörer, aber ich beendete schnell das Telefonat, noch bevor ich hören konnte, welch schmerzvollen Dinge er mir antun wollte.

Jetzt war ich es der lächelte. Dann werde ich wohl in Riga eine feste Wohnung suchen, denn nach der Entlassung war nichts mehr da, was mich dazu bringen würde, nach Deutschland zurück zu kehren. Bald kaufe ich mir ein neues Auto und dann bleibe ich für immer hier, dachte ich mir.
« Letzte Änderung: 09.August 2014, 00:05:10 von Mieguy »
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Re: [FM 2012] Die Geschichte des Riga-Toni - Eine wahre Delikatesse
« Antwort #2 am: 09.August 2014, 12:36:01 »

Interessantes Intro. Bin mal gespannt, wie es weitergeht.
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Re: [FM 2012] Die Geschichte des Riga-Toni - Eine wahre Delikatesse
« Antwort #3 am: 10.August 2014, 02:34:56 »

Anm. des Autors: Ich habe vergessen mir die Mannschaftsliste zu speichern und werde sie deshalb im nächsten Teil nachreichen. Dann erfahrt ihr eine detaillierte Auflistung, auf welchen Positionen die Spieler spielen, wie alt sie sind und bei welchem Verein sie unter Vertrag stehen. Eine erste Einschätzung über die Spieler kann ich aber noch nicht geben.

Kapitel 2: Live and Lette die

25. Oktober 2029

Einen Tag nach meiner Vertragsunterzeichnung stand die Pressekonferenz auf dem Plan. Eine ganze Armee aus Zeitungsleuten, Fotografen und Kameramännern machten sich bereit, Schlagzeilen zu schreiben. Ich war jedoch fest entschlossen, sie ihnen nicht zu liefern. Begrüßt von einem Blitzlichtgewitter setzte ich mich hinter den Tisch auf meinen Platz und richtete das Mikrofon auf meine Höhe ein.

Der Pressesprecher sagte Sie können jetzt Ihre Fragen stellen.
Ein Mann, der eben noch dem Kameramann des lettischen Staatsfernsehens etwas zugeflüstert hatte, fragte: Was erwarten Sie von Ihrem Team?
Wir arbeiten auf einen guten Start hin antwortete ich knapp.
Eine blonde Frau erhob sich: Ist es ein Problem, dass Sie kein Lettisch können?
Nein, ich denke einige Spieler werden Englisch können und die wichtigsten Begriffe werde ich schnell erlernen.
Stellen Sie nur erfahrene Spieler auf oder werden Sie auch dem Nachwuchs die Chance geben, sich zu beweisen? Bei China hatten Sie vorwiegend ältere Spieler aufgestellt. fragte ein anderer Mann.
Ich denke, ich werde 1-2 junge Spieler ins Team holen, um sie schon früh an unsere neue Taktik zu gewöhnen. Während meiner Trainerzeit in China hat es mir sehr an jungen Spielern gemangelt. In den letzten 10 Jahren hat die Jugendarbeit stagniert, zuletzt nahm sie aber wieder etwas zu. Ich sehe in Lettland eine feste Struktur in der Jugendabteilung weshalb ich darauf bauen kann, gute junge Spieler zu bekommen.
Wen schätzen Sie als stärksten Spieler ein?
Da ich erst gestern Abend angereist bin, kann ich das noch nicht gut genug einschätzen. Allerdings weiß ich bereits, dass Dainis Savalnieks von Celta Vigo in der spanischen Liga wertvolle Erfahrungen sammeln konnte.
 Damit ist die Pressekonferenz beendet, vielen Dank für Ihr Kommen.

Enttäuscht, schon so früh abgewürgt worden zu sein, verließen die Presseleute den Saal. Ein Zeitungsreporter versuchte noch vergeblich, mir eine Frage zu stellen, aber er wurde sofort vom Pressesprecher weggeschoben.

Danach stand das erste Training auf dem Programm und die Spieler stellten sich vor mir auf. Es war schon ein wenig ungewöhnlich, die ganzen Spieler vor mir zu sehen, wo man doch mitten in der Saison war. Viele Spieler aber spielten auch in der lettischen Virsliga.

Hallo, ich bin Toni Finch und ich möchte, dass wir uns erstmal näher kennenlernen. Wer von euch Englisch versteht, hebt bitte seine Hand.

Eine kleine Anzahl Spieler, die man an den Fingern einer Hand abzählen konnte, hob die Hände. Zögernd hob auch ein sechster Spieler die Hand, aber ein Spielerkollege drückte seine Hand wieder runter. Das war ein guter Anfang, dachte ich mir.

Das ist gut, also wer mich versteht, soll bitte im Zweifelsfall für die Anderen übersetzen.

Dann fingen wir an. Im ersten Training machten wir bereits gute Fortschritte und es kristallisierte sich rasch ein gutes Stürmerpärchen heraus. Gorkss und Kacanovs waren laufstarke Torjäger und sie kamen beide miteinander zurecht. Ich prüfte meine Mannschaftsliste, die mir der Dolmetscher netterweise ausgedruckt hatte, und unterstrich die Namen der beiden Spieler auf dem Zettel.

Da ich die Spieler nicht zu lange entbehren konnte und die Meisten von ihnen morgen wieder zu ihren Klubs zurück reisen mussten, trainierte ich solange wie möglich. So war es kein Wunder, dass es schon dunkel war, als ich das Training beendete. Ich stieg in mein Auto und fuhr zu meinem Hotel. Rasch ging ich auf mein Zimmer und dann bediente ich das Kontrollpanel an der Zimmerwand. Wie mit Geisterhand schob sich ein Teil der Wand nach hinten und drehte sich. Auf der Rückseite dieser Wand war ein moderner ultra flacher Bildschirm ohne Rahmen eingebaut. Dieser Bildschirm war das neueste Technikmeisterwerk, denn es war ein Computer in den Bildschirm eingebaut. Man brauchte im Jahre 2029 keinen Rechner mehr, weil alles in den Monitor eingebaut war und trotzdem lieferte er die selbe Leistung wie die alten Rechner.

Das kabellose Internet war so raffiniert in das Gerät integriert, dass es keinen Router mehr benötigte. Beim Einloggen in den Computer, der ohne nerviges Hochfahren auskam (er fuhr natürlich hoch, aber es ging so schnell, dass man es gar nicht merkte), wurde man sofort mit dem Internet verbunden. Ich öffnete den Internetbrowser und ohne Ladezeiten öffnete sich sofort die Startseite. Dann ging ich auf die Webseite meines Mailanbieters, loggte mich ein und sah, dass ich bereits neue Nachrichten hatte. Hoffenheim hatte mir eine Kündigung mit Fingerprint statt Unterschrift zugesandt - nahm ich zur Kenntnis. Weiter ging es zu einer Mail aus Litauen. Die Polizei nannte mir den Termin für die Zeugenbefragung. Sie fand morgen nachmittag in Panevezys statt. Da hatte man es aber eilig, dachte ich mir. In Deutschland bräuchte die Polizei viel länger.

Damit ich den Fahrtweg nicht ganz umsonst fuhr, wollte ich gleich mehrere Dinge erledigen. Mein doch nicht so üppiges Monatsgehalt reichte nicht für einen ganz neuen Wagen. Deshalb suchte ich mir die Adresse eines Gebrauchtwagenhändlers in Panevezys. Dabei prüfte ich auch gleich das Fahrzeugangebot. Sie hatten einen wunderschönen dunkelgrauen Dodge Journey Baujahr 2016. Diesen Wagen hatte ich schon mal in den USA als Mietwagen bekommen, als ich mit China dort für ein Freundschaftsspiel war. Damals hatte er mir sehr gut gefallen und deshalb entschied ich mich, das Fahrzeug probe zu fahren.

26. Oktober 2029

Am frühen Morgen vereinbarte ich telefonisch eine Probefahrt beim Gebrauchtwagenhändler und dann rief ich noch bei der Frau an, der ich Erste Hilfe beim Verkehrsunfall geleistet hatte. Sie erzählte mir, dass sie immer noch im Krankenhaus war und ich versprach ihr, sie zu besuchen. Schließlich sagte sie mir den Namen des Krankenhauses und ich fuhr mit meinem Auto los.

Während der Fahrt begann es zu schneien und kurz vor der Grenze zu Litauen entwickelte sich das Wetter zu einem Schneesturm. Die Sicht wurde immer schlechter und ich entschied, bei nächster Gelegenheit einen Parkplatz aufzusuchen, um das schlechte Wetter abzuwarten. Bis ein Parkplatz kam, blieb mir nichts anderes übrig, als die Rückleuchten des Vordermanns im Auge zu behalten. Solange ich sie noch sehen konnte, war alles gut.

Doch dann zuckten beide Rücklichter ruckartig nach rechts. Erst dachte ich, es käme eine scharfe Rechtskurve aber plötzlich tauchte aus dem Vorhang aus Schnee ein PKW quer vor mir auf, der ins Schleudern geraten war. Ich hatte keine andere Wahl als nach links in den Gegenverkehr auszuweichen. Meine ruckartige Lenkbewegung und der Heckantrieb des BMW brachten meinen Wagen ebenfalls ins Schleudern. Erst ging es nach links und dann mit einem Gegenpendler nach rechts. Zwei grelle Scheinwerfer tauchten vor mir auf, ich schaute auf den Tacho und mein letzter Gedanke war: Ich sterbe.

STILLE
ABSOLUTE STILLE

Ich hörte ein Zischen - öffnete die Augen. Vor mir türmte sich der Airbag. Meine Arme waren dicht vor meiner Brust und ich hatte kaum Freiraum, sie zu bewegen. Vorsichtig drückte ich den Airbag etwas ein, um mich mehr bewegen zu können. Die Windschutzscheibe war aus dem Rahmen gebrochen aber noch nicht gesplittert. Das Lenkrad hatte sich einige Zentimeter in den Fahrzeuginnenraum hineingedrückt und ich konnte von Glück reden, dass es mich nicht zerquetschte.

Dann schaute ich nach links. Die Fahrertür war schon offen. Sehr helles Licht blendete mich und ich sah eine rothaarige Frau, die sich schemenhaft vor dem Licht abbildete.

Bin...ich...tot? fragte ich, aber nach jedem Wort musste ich Luft holen. Meine Hände zitterten. Die Frau drehte sich zu mir um.
Wie geht es Ihnen, haben Sie Schmerzen? fragte sie in gutem Englisch.
Nein... komischer...weise...nicht.
Das kommt durch den Schock. Können Sie mir eine Telefonnummer geben, damit ich Angehörige informieren kann?
O...okay.

Ich nannte ihr eine Telefonnummer meiner Eltern und dann fiel mir das andere Auto ein, was ich kurz vor der Kollision gesehen hatte. Eine zweite Frau tippte die Nummer in ihr Handy und verschwand aus meinem Sichtfeld.

Wie... geht es... dem anderen... Fahrer? wollte ich von der rothaarigen Frau wissen.
Ihm geht es gut, er ist schon ausgestiegen und wollte ihr Auto mit einem Feuerlöscher löschen. Aber der Rauch war nur das Kühlwasser, das auf die heißen Motorteile traf und verdampfte.

Ihre Antwort überzeugte mich nicht ganz und ich war der festen Überzeugung, dass ich das Auto sehen können müsste. Wenn wir frontal zusammengestoßen waren und ich quer zur Fahrbahn stand, müsste der Wagen links neben mir stehen. Weil ich es aber nicht sehen konnte, machte ich mir Sorgen. Ich drehte meinen Kopf und sah, dass mein Beifahrersitz verschwunden war. Um mich selbst zu beruhigen, redete ich mir ein, die Feuerwehr hätte den Sitz entfernt. Aber aus dem rechten Seitenfenster konnte ich nicht raus sehen. Die rechte Seite war völlig zugeknautscht.

Geht es... ihm wirklich... gut? fragte ich wieder, aber die Frau antwortete mir nicht mehr.

Danach verlor ich mehr und mehr an Bewusstsein. Ich vernahm nur noch, wie der Notarzt vor mir kniete. An Blaulicht oder Martinshorn konnte ich mich nicht erinnern.

Sie bekommen jetzt von mir eine Spritze und dann holen wir Sie aus dem Auto.
Okay. sagte ich schwach.

Aber ich spürte die Spritze nicht mehr. Danach war Finsternis und es blieb lange finster.

10. November

Ich hatte einen Traum. Nein - es waren mehrere Träume aber sie gingen nahtlos ineinander über. Zwischen den Träumen wurde ich nicht wach. Es war wie ein langer nie enden wollender Traum. Irgendwann wurde mir klar, dass ich tot war. Eine andere Erklärung dafür gab es nicht. Aber war der Tod so? Einfach nur ein Traum?

Der letzte Traum spielte in einem Krankenhaus. Ich saß auf meinem Krankenbett und ich wollte raus aus dem Krankenhaus. Aus irgendeinem Grund hatte ich Angst vor den Krankenschwestern. Als eine ältere grauhaarige Krankenschwester neben mein Bett trat und meine Schläuche prüfte, nahm ich die Bettpfanne, die neben mir lag und schlug ihr damit so kraftvoll wie ich konnte auf den Hinterkopf. Die Frau sackte zusammen und schaute mich wutentbrannt an. Sie schnallte mich mit Fesseln an das Bett.

Die Szene wechselte. Wieder war ich im Krankenhaus und ich war immer noch an das Bett geschnallt mit weißen Klettverschlüssen. Doch diesmal war es anders. Ich hatte das Gefühl, dass ich diesmal mehr Kontrolle über mich selbst hatte. Neben mir stand ein Mann mit blauem Kittel.

Sie müssen ruhig atmen, Mister Finch.

Ich tastete mit meiner rechten Hand an den Hals. Dort steckte ein Beatmungsschlauch. Panisch berührte ich den Beatmungsschlauch und begann schneller zu atmen. Jetzt bloß keine Panik kriegen dachte ich mir.

Ruhig atmen. sagte der Mann erneut.

Das versuche ich ja, aber der Schlauch macht mich nervös wollte ich sagen aber aus meinem Mund war kein Laut zu hören. Ich versuchte, einen fragenden Blick zu machen. Der Mann verstand die Geste.

Sie haben eine Lungenquetschung und deshalb sind Sie an ein Beatmungsgerät angeschlossen, mit dem Sie künstlich beatmet werden. Das hindert Sie aber daran zu sprechen.

Jetzt wurde ich minimal entspannter aber der Mann schien noch nicht zufrieden.

Wenn Sie so weitermachen wird das nichts, dann müssen wir Sie wieder in ein Koma versetzen.

Das war es also, ich war nicht tot gewesen! Ich hatte im Koma gelegen!

15. November 2029

Fünf Tage später war ich soweit, dass man mich langsam von den künstlichen Lebenserhaltungsmaschinen abnehmen konnte. Schritt für Schritt durfte ich wieder selber essen und selber atmen. Ein Fitnesstrainer übte mit mir und ich durfte mich auch einmal hinstellen, aber ich hatte das Gefühl, ich würde auf Wackelpudding laufen. Meine Beine gaben mir noch längst keinen sicheren Halt. Da meine gesundheitliche Lage aber stabil genug war, entschied man sich, mich auf die Normalstation zu legen. Eigentlich wollte man noch einen Tag warten, aber kurz vor 22 Uhr wurde ein neuer Notfall eingeliefert und man entschied sich, dass ich weg musste um Platz zu schaffen. Schnell wurde ein Zimmer reserviert, dass auf einer Station lag, die gerade renoviert wurde. Man schob mich in meinem Bett in die gespenstisch wirkende Station, auf der es keine anderen Patienten oder Schwestern gab. Ich wurde in ein dunkles Zimmer geschoben und man brachte mir einen Beistelltisch mit einer einzigen Flasche Apfelsaft.

Die Schwester, die mein Bett geschoben hatte, sagte Die Stationsschwester kommt gleich und bringt noch einen zweiten Patienten, damit Sie hier nicht so alleine sind. Morgen kommen Sie auf eine andere Station.
Es stört mich nicht wenn ich alleine bin, aber können Sie das Licht anmachen?
Kann ich machen aber es ist schon spät. Wollen Sie nicht lieber schlafen?
Achso ja, dann lassen Sie es aus. Wie spät ist es überhaupt?
23.05 um es genau zu nehmen. Ich bin dann jetzt weg, die Schwester kommt ja gleich.

10 endlose Minuten, in denen ich wegen der gruseligen Stille und Dunkelheit sowieso nicht schlafen konnte, wartete ich, bis endlich die Schwester kam. Sie brachte einen älteren Mann, mit dem ich mich noch kurz unterhielt. Er erzählte mir, dass er LKW-Fahrer sei und froh war, dass er jetzt nicht bei diesem Schneesturm fahren musste.

16. November 2029

Endlich war es soweit und ich kam auf ein richtiges Zimmer. Alle vier Betten waren belegt und man versicherte mir, dass bald noch ein fünftes Bett dazu käme, weil bei diesem Wetter viel passierte. Ich durfte zwar noch nicht alleine aufstehen, weil mein rechtes Bein zweimal gebrochen war, aber ich setzte mich auf, um mich im Zimmer umschauen zu können. Da staunte ich nicht schlecht, als ich die Frau sah, der ich Erste Hilfe geleistet hatte.

Ach das wäre doch nicht nötig gewesen, dass Sie sich die Knochen brechen, nur um mich zu besuchen. scherzte sie.
Wie heißen Sie eigentlich?
Ich heiße Emilia und Sie?
Toni.
Ich glaube ich habe Ihren Unfall in den Nachrichten gesehen, weil ich sofort ihr Auto erkannt habe und es gesagt wurde, dass ein Deutscher schwer verletzt wurde. Mein Neffe arbeitet auf dem Schrottplatz und Ihr Auto wurde bei ihm abgeladen. Er hat Fotos gemacht, wollen Sie sie sehen? Das ist aber schwere Kost.
Mich schockt sowas nicht. sagte ich wagemutig.

Doch als sie mir die Bilder von meinem Auto zeigte, änderte sich das. Es schockte mich wahrhaftig. Ich wollte es nicht glauben, dass ich aus diesem Wrack lebend raus gekommen war. Aber ich war mir ziemlich sicher, dass es mein Auto war. Auf einem der Fotos war ein Aufkleber zu sehen, den ich rangemacht hatte.



Anmerkung des Autors: Diese Bilder zeigen mein Auto. Im November 2012 hatte ich einen Horrorcrash, bei dem ich auf der Bundesstraße frontal mit einem anderen Auto zusammengstoßen bin. Der Unfallgutachter errechnete eine Aufprallgeschwindigkeit von 80 Stundenkilometern. Wie durch ein Wunder haben alle Unfallbeteiligten überlebt. Der andere Fahrer hatte nur eine Fleischwunde, ein paar Kratzer und blaue Flecken. Ich hatte eine Lungenquetschung, ein gebrochenes Bein, eine gebrochene Hand und die Strecksehne des kleinen Fingers war gerissen. Ein drittes Fahrzeug ist über die Trümmerteile gefahren aber die Insassen wurden nicht verletzt. Das Foto meiner rechten Hand wurde vier Wochen nach dem Unfall gemacht.



« Letzte Änderung: 21.August 2014, 10:56:11 von Mieguy »
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Re: [FM 2012] Die Geschichte des Riga-Toni - Eine wahre Delikatesse
« Antwort #4 am: 11.August 2014, 15:58:12 »

Kapitel 3: Die Schmach vom Letzigrund

17. November 2029

Auf Drängen des lettischen Fussballverbandes wurde ich am 17. November entlassen, da an diesem Tag mein erstes Länderspiel stattfand. Ich musste eine Erklärung unterschreiben, dass ich entgegen ärztlichen Rates das Krankenhaus verließ. Allerdings konnte ich noch nicht auf eigenen Beinen laufen und brauchte einen Rollstuhl. Man brachte mich in Rekordzeit mit Polizeieskorte zum Flughafen von Panevezjs. Dort wartete bereits ein Privatjet, mit dem es ins 1.360 Kilometer (Luftlinie) entfernte Zenica ging.


Quelle: Wikipedia

Glücklicherweise schaffte ich es rechtzeitig vor dem Anpfiff ins Stadion. 17,751 Zuschauer saßen im fast ausverkauften Bilino Polje und die Anspannung im Stadion war greifbar. Wie Manni Breuckmann einmal gesagt hatte, herrschte eine "ohrenbetäubende Stille". Mehmet Scholl bekäme sicherlich wieder seine Gänsehautentzündung. Jeder wollte wissen, wie ich mich als neuer Trainer schlagen würde und umso mehr waren sie überrascht, als sie sahen, dass ich im Rollstuhl ins Stadion gebracht wurde. Natürlich wussten die Zuschauer von meinem Unfall denn es war vom Fernsehen ausgiebig berichtet worden und man kannte auch, dass ich um mein Leben hatte kämpfen müssen. Aber niemand wusste, dass ich einen Rollstuhl brauchte.


Quelle: Wikipedia

Doch bevor ich anfange, vom Spiel zu berichten, hier zunächst einmal die komplette Mannschaft Lettlands. In Fett die Spieler, die ich im Spiel gegen Bosnien-Herzegovina aufgestellt habe.

Tor

Denniss Uljanovs (Citta di Palermo)
Alexandrs Maksimenko (CA Osasuna)
Aleksejs Savinov (Racing Club Santander)

Verteidigung

Antons Uljanovs (SC Heerenveen, Niederlande)
Mihails Teless (ZSKA Moskau, Russland)
Vitalijs Uljanovs (Daugav Daugavpils, Lettland)
Igors Kozlovs (FK Ventspils, Lettland)
Emils Maksimenko (AS Saint-Etienne, Frankreich) gewechselt von OSC Lille
Aleksandrs Sevlakovs (Ethnikos Achnas, Zypern)
Aivars Maksimenko (VfL Bochum, Deutschland)

Mittelfeld

Janis Rudenko (1. FSV Mainz 05, Deutschland)
Andrejs Kacanovs (FC Everton, England)
Romans Laizans (KR Rejklavik, Island)
Arturs Baumanis (FK Skonto Riga, Lettland)
Dainiss Savalnieks (Celta Vigo, Spanien)
Aleksandrs Vasiljevs (FK Ventspils, Lettland)
Aleksandrs Ivanovs (FK Ventspils, Lettland)

Angriff

Artis Grigorjevs (Levante UD, Spanien)
Aleksandrs Gorkss (Skonto Riga, Lettland)
Vladimirs Jakovlevs (SK Liepaja Metalurgs, Lettland)

Einschätzung
Kacanovs und Gorkss stechen hier deutlich als beste Spieler heraus, die gut aufeinander abgestimmt ein perfektes Stürmerpaar sind. Hinten verstärken Spieler mit europäischer Erfahrung das Feld, wobei Emils Maksimenko der stärkste Verteidiger ist. Leider fehlte er verletzungsbedingt im Spiel gegen Bosnien-Herzegovina. Emils wechselte nur wenige Tage vor dem Spiel von OSC Lille zu AS Saint-Etienne. Beide Mannschaften waren zu diesem Zeitpunkt in der Europa League, AS Saint-Etienne schied aber später gegen Liverpool aus. Aivars Maksimenko habe ich im Vorfeld bei einigen Spielen in der 2. Bundesliga beobachtet und er zeigte eine gute Leistung für den VfL Bochum.

Bosnien-Herzegovina - Lettland
Bilino-Polje, Zenica (17,751 Zuschauer)

Gleich in der ersten Halbzeit ging es spektakulär los. Bosnien schoß zweimal aufs Tor, aber mein Torwart hielt das 0-0. Gorkss und Kacanovs hatten ganze acht Torchancen aber ihnen gelang einfach kein Tor. Zum Halbzeitpfiff war es immer noch torlos und ich zeigte mich in der Kabine maßlos enttäuscht. Da muss mehr gehen, sagte ich. Vor dem Tor müsst Ihr die Konzentration behalten!.

Motiviert von meiner Rede zeigten Gorkss und Kacanovs mehr Ehrgeiz, aber das erste Tor der Partie fiel auf der anderen Seite. Hanko Milikovic schoß einen Weitschuss von der Strafraumgrenze, den Torwart Uljanovs wegfausten konnte. Leider prallte der Ball an Verteidiger Vitalijs Uljanovs ab und landete im eigenen Tor. Nach 55 Minuten stand es 1:0 für die Bosnier durch ein Eigentor.

Danach waren fast ausschließlich die Letten am Ball. Doch Kacanovs lässt schon in der 61. Minute eine Riesenchance alleine vor dem Tor stehend liegen, die keine Gefahr für den gegnerischen Torwart sondern mehr für die Tauben auf dem Stadiondach bedeuteten. In der 76. Minute dann wohl der Aufreger des Tages. Kacanovs spielte einen Querpass zu Gorkss, der vielleicht ein Quantum im Abseits war. Obwohl ich eigentlich noch zu schwach war, sprang ich aus dem Rollstuhl auf und bereute es gleich wieder, als ich schwankte und von Co-Trainer Bespalovs festgehalten werden musste, um nicht umzukippen. Diese Abseitsentscheidung haute mich also im wahrsten Sinne des Wortes (fast) um.

Bitter enttäuscht endete das Spiel mit einem Heimsieg für Bosnien-Herzegovina.

Bosnien-Herzegovina - Lettland
1 : 0

19. November 2029

Ich hatte meinen Frust über die Niederlage noch nicht ganz abgelegt, als ich am 19. November das deutsche Relegationsspiel für die FIFA-Weltmeisterschaft 2030 in Italien im Fernsehen ansah. Deutschland hatte im Hinspiel in der Veltins-Arena in Gelsenkirchen nur ein 3:3 Unentschieden gegen die Schweiz erzielen können. Das bedeutete, dass beim Rückspiel im Letzigrund in Zürich nur ein Sieg oder ein Unentschieden mit mindestens 3 deutschen Toren zählte. Das schaffte aber Deutschland nicht. Sie erzielten nur ein lahmes 1:1 weshalb sich Deutschland nicht qualifizieren konnte weil die Schweiz eine bessere Auswärtsbilanz hatte. Eine Überraschung der ganz besonderen Art war Zypern. Zypern qualifizierte sich zum allerersten Mal für eine Weltmeisterschaft! Das war kein Scherz! Jetzt war mein Frust wieder weg, da ich mich freute, dass selbst so große Mannschaften wie Deutschland mal schwächelten.

Noch am selben Tag wurde Marcel Stahl vom deutschen Verband gefeuert. Marcel zählte zur sogenannten NewGen, einer Trainergeneration ohne jegliche Erfahrung, die eiskalt ins Fahrwasser der Nationalmannschaften geworfen wurden. Schnell hatte man einen neuen Trainer gefunden: Die Nachfolge sollte Shawn Parker antreten, der sich durch alle Jugendmannschaften der deutschen Nationalmannschaft durchgekämpft hatte, aber nie in der A-Mannschaft gespielt hatte. Zuletzt war er als Trainer von FC St. Pauli angestellt gewesen. Aber jetzt bezog er das neue Amt als Nationaltrainer, denen immer noch der vierte Titel fehlte.

Bild von Shawn Parker
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Lumpi

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Re: [FM 2012] Die Geschichte des Riga-Toni - Eine wahre Delikatesse
« Antwort #5 am: 13.August 2014, 13:57:08 »

Gefällt mir bisher sehr!
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Ja das ist München's große Liebe, Stolz von Giesing, TSV!
An der Grünwalder Straße daheim, SECHZIG MÜNCHEN muss es sein!

Purzel89

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Re: [FM 2012] Die Geschichte des Riga-Toni - Eine wahre Delikatesse
« Antwort #6 am: 15.August 2014, 21:44:53 »

Vielen Dank Lumpi  ;)
@Weltklasse Bittengel: Ich hoffe, ich kann deine Erwartungen erfüllen  8)

Kapitel 4: Eiskalte Qualifikations-Auslosung

21. November 2029

Lettlands Spieler gingen in die Winterpause und ich wusste, dass es für mich keine Pause gab. Es sollten spannende fünf Monate voller Überraschungen werden. Der größte Knüller von sportlicher Seite traf am 21. November 2029 per Mail ein. Nichts böses ahnend öffnete ich die Nachricht meines Co-Trainers. Aus den Worten erkannte ich sofort Wut und Zorn:

Guten Tag Herr Finch,

wir sind einer Katastrophe nah! Sechs Lettland-Spieler treten aus Nationalteam zurück. Was soll ich machen Chef!? Unser Team fällt auseinander! Teless, V. Uljanovs, Kozlovs, Kalnins, Putans und Gorkss haben ihr nationales Karriereende beschlossen.

Ich hab mal schnell eine Liste von Spielern zusammengefriemelt, die als Ersatz in Frage kommen könnten. Vielleicht ist jemand dabei, der Sie interessiert:

Liste der Kandidaten:

Dmitrijs Sens (VZ, Erzgebirge Aue, Deutschland) 1 LS
Mihails Beinarovics (MZ, APOEL Nikosia, Zypern) 53 LS, 4 Tore
Maris Baumanis (OML/ML, 1. FSV Mainz 05, Deutschland) 6 LS
Aleksandrs Tarasovs (VZ/MZ, FC Levadia Tallinn, Estland) 0 LS
Maksims Sevlakovs (VR/VZ, FK Skonto Riga, Lettland) 2 LS
Artjoms Bespalovs (MR/OMR, FK Ventspils, Lettland) 0 LS
Sergejs Vilerts (TJ, ausgeliehen an Olimps/FPS Riga, Lettland)

Ich schloss die Mail. Völlig fertig mit den Nerven wollte ich erst einmal mit Emilia sprechen. Nach kurzem Klingeln hob sie ab.

Hallo?
Hallo, hier ist Toni!
Du hast mir gar nicht gesagt, dass du Nationaltrainer von Lettland bist!!
Beim ersten Aufeinandertreffen war ich es noch nicht und beim zweiten Mal hab ich es vergessen. Ich hatte im Krankenhaus ganz andere Sorgen.
Warum rufst du an?
Ich hatte einfach Lust, mal mit dir zu reden.
Okay. Wollen wir uns irgendwo treffen?

Das war zu viel des Guten für mich. Aber trotzdem konnte ich zu diesem Angebot nicht Nein sagen.

Ja gern, soll ich morgen vorbeikommen? Ich muss eh noch die Zeugenaussage bei der Polizei machen.
Nein, ich komm zu dir! Du hast doch gar kein Auto oder? Außerdem will ich nicht, dass dir nochmal was passiert.
Ich habe kein Auto aber du doch auch nicht.
Oh doch, ich brauche mein Auto beruflich. Ich habe mir gestern einen Gebrauchtwagen gekauft. Das kann ich dir bei der Gelegenheit gleich zeigen. Ach und noch eine Frage: Stört es dich, wenn ich meine Tochter mitbringe?
Nein, das macht nichts. Wie heißt sie?
Sie heißt Jessica und ist 14 Jahre alt. Also dann geht das mit morgen klar?
Ja sicher, die Uhrzeit kannst du dir aussuchen.
Okay, dann sehen wir uns morgen. Tschüss!
Bis morgen dann, tschüss.

22. November 2029

Nach dem Frühstück schaute ich alle 10 Minuten aus dem Hotelfenster. Ich war so ungeduldig und nervös, dass ich einfach nicht still sitzen konnte. Andauernd lief ich im Raum hin und her. Endlich würde ich erfahren, was sie für ein Auto fuhr. Leider konnte ich sie nicht bereits draußen empfangen, da ich noch im Rollstuhl war und es außerdem fürchterlich schneite. Hoffentlich war ihr nichts passiert.

Als mir zur Mittagszeit der Magen knurrte, verließ ich mein Zimmer und rollte zum Fahrstuhl. Dann fuhr ich ins Erdgeschoss und rollte weiter ins Hotelrestaurant. Als Hauptspeise gab es heute polnische Piroggen, die auch in Lettland eine beliebte Speise waren. Man konnte sie als Vor-, Haupt- oder Nachspeise essen. Im Restaurant waren es mit viel Speck und Zwiebeln gefüllte Teigtaschen. In anderen Ländern füllte man sie aber auch mit Käse, Fleisch, oder Kartoffeln.

Während ich genüsslich mein Mittagessen verspeiste, setzten sich völlig unerwartet  Emilia und Jessica an meinen Tisch.

Hallo! Wie habt ihr mich gefunden?
Hallo. Der Pförtner hat gesehen, wie du ins Restaurant gerollt bist und deinen Namen wird er wohl auch nie wieder vergessen!
Jessica sagte schüchtern Hallo.
Seid ihr bei dem Wetter gut durchgekommen auf den Straßen?
Wir mussten etwas langsamer fahren und einige Autos lagen im Graben aber wir sind ohne Unfall angekommen. Sowas sind wir in Litauen schon gewohnt. Außerdem hat unser neuer Wagen Allradantrieb. Sag mal, suchst du noch eine neue Wohnung in Riga?
Ja, wieso?
Naja, ich suche schon seit einiger Zeit eine kleine Wohnung für mich und meine Tochter. Seitdem mein Mann gestorben ist, kann ich nicht mehr unseren Bauernhof alleine bewirtschaften. Ich habe bereits einen Käufer gefunden und jetzt wartet er nur noch darauf, dass ich ausziehe. Jetzt habe ich gestern eine schöne 3-Zimmerwohnung am Stadtrand Rigas gefunden und-
Ich unterbrach sie: DREI-Zimmer-Wohnung? Ist das nicht etwas groß für euch zwei?
Die Sache ist die... wir... stotterte sie herum und sah hilfesuchend zu ihrer Tochter. Wir wollen dich fragen ob....
...ob ich mit euch zusammen in eine Wohnung ziehe. beendete ich für sie den Satz.
Genau! ergriff Jessica unterstützend das Wort.

Die Gabel ließ ich vor Schreck auf den Teller fallen.

Das finde ich jetzt aber sehr überstürzt. Ihr kennt mich doch noch gar nicht so richtig. Das hat doch nichts mit meinem Job zu tun oder?
Ich mag Sie, das habe ich doch schon mal gesagt.
Ich auch!
Na gut! Wir können das ja probeweise machen um zu sehen ob das mit uns dreien klappt. Aber wer behält dann die Wohnung wenn es nicht klappt? Ich brauche keine drei Zimmer.
Da drei Zimmer immer noch weniger sind als wir auf dem Bauernhof haben, können wir danach die Wohnung übernehmen falls du ausziehst.

Nachdem ich aufgegessen hatte, wollte sie mir ihr neues Auto zeigen. Ich gab Jessica den Zimmerschlüssel, damit sie meine Jacke holen konnte und dann wurde ich von Jessica mit dem Rollstuhl nach draußen geschoben. Es hatte gerade aufgehört zu schneien und wir liefen beziehungsweise rollten über den großen Hotelparkplatz. Dort ganz am hinteren Ende stand ein Dodge Journey in Granite Crystal Metallic (dunkelgrau). Dieser Wagen war das einzige Fahrzeug auf dem Parkplatz, dessen Scheiben weitestgehend vom Schnee befreit waren. Konnte es denn möglich sein?


Quelle: Selbst fotografiert auf dem Parkplatz des Cape Canaveral Visitor Complex (aber ohne Schnee)

Ich spielte den Unwissenden: Na welcher Wagen ist denn nun Eurer?

Jessica ließ die Schiebegriffe des Rollstuhls los, rannte zum Dodge und zeigte mit beiden Armen freudestrahlend auf das Auto.

Das ist nicht wahr oder?
Doch! Ich habe ihn bei einem Gebrauchtwagenhändler in Panevezjs gekauft.
GENAU diesen Wagen wollte ich mir kaufen. Ich hatte bereits telefonisch eine Probefahrt vereinbart aber dann hatte ich doch meinen Unfall.
Oh, das ist aber ein toller Zufall. Wenn du willst, können wir uns das Auto ja zukünftig teilen.

 8)

Ich war so glücklich wie noch nie! Wir setzten uns zusammen ins Auto, wobei Jessica mir wieder einmal helfen musste, vom Rollstuhl in das Auto zu klettern. Mit meinem gesunden linken Bein konnte ich mich selbst ein wenig abstützen, aber es gestaltete sich trotzdem schwierig. Aber ich wollte einfach wieder selber laufen können. Ein paar Wochen musste ich mich da noch gedulden. Emilia nahm auf dem Fahrersitz Platz und wir machten eine lange Probefahrt zum DriveIn von McDonalds, bestellten uns etwas zu Essen und fuhren wieder zurück zum Hotel. Die 13 Jahre waren dem Wagen überhaupt nicht anzumerken. Er war gut gefedert und die Kraft des Allradantriebs machte sich spürbar positiv auf dem Schnee bemerkbar. Wir probierten alle elektronischen Spielereien aus, die das Auto hatte. Emilia erklärte mir, dass sich die Türen bei herannahen des Schlüssels von selbst entriegelten und der Motor über einen Knopf neben dem Lenkrad gestartet wurde. Im Bordcomputer konnte man sich den durchschnittlichen Verbrauch anzeigen lassen. Diesen Verbrauchsmesser hatte Emilia beim letzten Tankstopp zurückgesetzt, sodaß sie genau wusste, wieviel sie persönlich verbrauchte. Den Tacho konnte man von Kilometer auf Meilen und wieder zurück umschalten. Der Kofferraum war bravoröus und toppte das ganze Meisterstück. Auf den Rückspiegeln klebte der typisch amerikanische Aufkleber "Objects in mirror are closer than they appear".




Beide Bilder: Selbst fotografiert

Diese Probefahrt würde ich niemals vergessen. Ich hatte dieses Auto schon mal als Mietwagen gehabt. Aber mit Emilia und Jessica war es einfach noch besser.

10. Februar 2030

Im Monat Dezember waren wir voll und ganz damit beschäftigt, in unsere neue Wohnung im Rigaer Vorstadtbezirk Zemgales einzuziehen. Jessica ärgerte sich zwar, nicht mehr eine ganze Etage für sich zu haben, aber im Großen und Ganzen waren wir alle froh, dass alles so reibungslos ablief. Im Februar waren Emilia und ich uns einig, dass wir bereit waren, den nächsten Schritt zu gehen.

Am Abend der Auslosung für die Qualifikation zur Europameisterschaft 2032 in den Niederlanden setzten wir uns zu dritt auf unsere schöne neue IKEA-Couch. Obwohl Jessi, wie ich sie jetzt da wir uns länger kannten immer nannte,  absolut keine Ahnung vom Fussball hatte, eiferte sie genauso mit. Die Gruppen E bis H setzten sich wie folgt zusammen (alphabetisch sortiert):

Gruppe E

- Belgien
- Malta
- Montenegro
- Nordirland
- Schweden

Ich erklärte Jessi, dass hier Schweden und Belgien die großen Favoriten waren. Auch Nordirland galt es nicht zu unterschätzen aber trotzdem wäre alles andere als eine Qualifizierung von Belgien eine Überraschung.


Gruppe F

- Estland
- Israel
- Moldawien
- Slowakei
- Wales

Dies war die Gruppe mit dem wahrscheinlich größten Überraschungspotenzial. Einen echten Favoriten heraus zu nehmen, war schwer. Wales hatte sich bereits für die WM 2030 qualifiziert und daher auf dem Papier der Favorit. Aber ich persönlich schätzte Slowakei als möglichen Direkt-Qualifikanten ein.

Gruppe G

- Finnland
- Frankreich
- Lettland
- Mazedonien
- Schweiz

Als Frankreich gelost wurde, stöhnte Emilia entsetzt. Aber ich fand, es war trotzdem eine lösbare Aufgabe. Wenn ich aus den Letten den selben Ehrgeiz herauskitzeln konnte wie aus den Chinesen würden sie sich hinter Frankreich in die Playoffs retten können. Gegen Finnland und die Schweiz müssten wir auf jeden Fall wichtige Punkte holen.

Gruppe H

- Albanien
- Andorra
- Armenien
- Litauen
- Türkei

Als gebürtige Litauerinnen freuten sich Emilia und Jessi über diese ultraleichte Gruppe. Auch ich selbst hätte mir gewünscht, mit Lettland hier hinein gelost zu werden. Türkei war der Topfavorit und Litauen unser persönlicher Geheimtip.  ;)

Zum krönenden Abschluss schenkte ich Emilia den Verlobungsring. Wir umarmten uns und die Geschichte nahm ein Happy End. Jetzt galt es, das nächste Kapitel aufzuschlagen: Die erfolgreiche Qualifikation zur Europameisterschaft!

Die anderen Losgruppen folgen im nächsten Teil.
« Letzte Änderung: 15.August 2014, 22:10:59 von Mieguy »
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Re: [FM 2012] Die Geschichte des Riga-Toni - Eine wahre Delikatesse
« Antwort #7 am: 16.August 2014, 11:56:33 »

Ich brauch dringend mehr Zeit, um diese coole Geschichte ausführlicher zu verfolgen...
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Re: [FM 2012] Die Geschichte des Riga-Toni - Eine wahre Delikatesse
« Antwort #8 am: 16.August 2014, 12:02:06 »

Liest sich richtig gut, werd auf jedenfall immer vorbei schauen wenns was neues gibt :-)
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Re: [FM 2012] Die Geschichte des Riga-Toni - Eine wahre Delikatesse
« Antwort #9 am: 18.August 2014, 02:46:46 »

Kapitel 5: Les Incroyable - Die Unglaublichen

Da ich nun schon etwas mit dem Schreiben hinterher bin erzähle ich die Ereignisse der folgenden Monate etwas schneller. Zunächst aber die restlichen Qualifikationsgruppen.

Gruppe A

- Aserbaidschan
- Bosnien & Herzegovina
- Kroatien
- San Marino
- Ukraine
- Zypern

Ohne Frage eine brutale Gruppe. Kaum zu greifen wer hier Favorit ist.

Gruppe B

- Bulgarien
- Georgien
- Liechtenstein
- Luxemburg
- Portugal
- Spanien

Die beiden Fussballzwerge und die zwei iberischen Mannschaften in einer Gruppe! Hier ist ein Torfestival vorprogrammiert.

Gruppe C


- Italien
- Polen
- Rumänien
- Serbien
- Schottland

Immer und überall ein kleiner Favorit: Die Schotten, die Deutschlands WM-Teilnahme verhindert haben. Italien hat zuletzt nicht überzeugen können.

Gruppe D

- Island
- Russland
- Slowenien
- Weissrussland
- Ungarn

Ich wage kein Vorurteil zu fällen.

Gruppe I

- Deutschland
- Färöer Inseln
- Griechenland
- Irland
- Tschechien

Deutschland hat einen geschädigten Ruf wiederherzustellen. EM 2028: Nicht qualifziert. WM 2030: Nicht qualifiziert. Weltranglistenposition 82 ist der Stempel unter dem deutschen Armutszeugnis.  Jetzt soll Ex-Jugendnationalspieler Shawn Parker die Sache richten.

Gruppe J

- Dänemark
- England
- Kasachstan
- Norwegen
- Österreich

Der zweimalige Weltmeister England (1966 + 2026) will wieder sein Bestes geben und natürlich Europameister werden. Gefährlich werden kann ihnen nur das Danish Dynamite.

06. März 2030


Quelle: Wikipedia

Unsere Osteuropareise bei den Testspielen ging nach der Winterpause im wunderschönen Zalaegerszeg in Westungarn weiter.

Ungarn - Lettland
Stadion des 6. Oktober, Zalaegerszeg (7.000 Zuschauer)

Ich erwartete nicht zuviel von diesem Spiel und war deshalb auch keineswegs enttäuscht, als Sándor Cseke in der 4. Minute das Führungstor machte. Meine Mannschaft, die noch nicht so optimal aufeinander abgestimmt war, weil viele Neulinge dabei waren, musste schon in der 17. Minute den zweiten Gegentreffer von Janos Egervari hinnehmen. Doch noch vor der Halbzeitpause konnte Neuling Artis Grigorjevs zum Ausgleich abschließen (24. und 41. Minute). Ich überlegte ob vielleicht mehr ging und wechselte zur Halbzeit den hochgelobten Deniss Savalnieks ein. Er konnte zwar ein paar Akzente setzen und ich stellte fest, dass er extrem sprintstark war, aber er konnte doch nicht treffen.

Im Testspiel gegen Bulgarien in Sofia wurden wir dann wieder standesgemäß verprügelt und mussten eine 3:0 Niederlage hinnehmen. (Anm. d. Autors: Habe mir vergessen aufzuschreiben wer die Tore gemacht hat)


Quelle: Wikipedia

Zwischen den Bergen im Fürstentum Lichtenstein holten wir uns unseren ersten Sieg unter meiner Führung. Mit 2:0 besiegten wir auswärts den Fussballzwerg.

In der Sommerpause war natürlich das größte Highlight die Weltmeisterschaft. China konnte sich überraschend mit 3 Siegen in 3 Spielen als Gruppenerster ins Achtelfinale durchsetzen. Niederlande machte in der gleichen Gruppe den zweiten Platz klar, während Frankreich als Dritter das Nachsehen hatte und früh ausschied. Ich war traurig, dass die Mannschaft, die ich so hart trainiert hatte, um mit ihnen Weltmeister zu werden, schaffte endlich das Achtelfinale zu erreichen was unter meiner Leitung nie gelungen war. Aber ich erkannte, das ich es hätte auch schaffen können. Natürlich warf das tiefe Schatten auf meine Qualität, weil man meinte, unter meiner Führung hätte man das nie geschafft.

Im Viertelfinale wurde China dann aber (wortwörtlich von worldsoccer.com zitiert) von "Montenegro verprügelt". Montenegro gewann 2:0 und nun mussten sie gegen Spanien spielen. Peru verlor gegen Wales im Elfmeterschießen.  Spanien schaffte dann ebenfalls in einem Elfmeterkrimi ein 2:1 gegen Montenegro und kam ins Finale. Hier trafen sie auf Italien, die dann auch keine große Hürde mehr darstellten. 2:0 gewann Spanien und war zum zweiten Mal nach 2010 Weltmeister.

Während der darauffolgenden Transferperiode wechselten auch einige Letten die Mannschaft. Aivars Maksimenko ging von Deutschland nach Italien zu FC Genua 1893. Das mögliche neue Torwarttalent Janis Kozlovs wechselte zum VfL Bochum und ich entschied, ihn zukünftig im Auge zu behalten. Evgeniy Bubnov wechselte ablösefrei vom 1. FC Nürnberg zur Spielvereinigung Greuther Fürth. Arturs Bespalovs blieb in Lettland, ging aber zu FK Skonto Riga. Karlis Hohlovs (FK Ventspils, Lettland) wurde von mir in die nähere Auswahl für eine kommende Nominierung aufgenommen. Aleksandrs Tarasovs war ein weiterer Lette, der zu Greuther Fürth wechselte. Kurz vor Ende der Transferperiode kam Janis Rudenko von Mainz zu Hannover 96 und spielte damit in der kommenden Saison erstklassig.

Ebenfalls in dieser Phase für 850.000 € gewechselt war Toms Savinovs (TJ), der nun bei FC Flora Tallinn (Estland) spielte. Er wurde von mir für den 23-Kader nominiert, den ich für das Spiel gegen Frankreich auswählen sollte. Den verletzt ausfallenden Arturs Baumanis ersetzte der offensive Mittelfeldspieler Edgars Osipovs (Hamburger SV, Deutschland). Er war zwar bei Hamburg in der noch jungen Saison nicht zum Einsatz gekommen aber in der letzten Saison hatte er bei SV Sandhausen fast die komplette Saison mit Ausnahme von vier Spielen bestritten.

11. September 2030

Der 11. September - ein weltbewegender Tag. Einsturz der Zwillingstürme des World Trade Center 2001, Baubeginn des Pentagon 1941 und 1912 entsteht in den Berliner Borsigwerken die erste Diesellokomotive der Welt.

Den 11. September 2001 würde ich wohl nie vergessen aber trotzdem machte ich mir keine großen Gedanken über diesen Tag. Denn29 Jahre später mussten wir in Riga gegen den Fussballriesen Frankreich spielen.

Lettland - Frankreich
Skonto-Stadion, Riga (9.300 Zuschauer)

Nur 9,300 Zuschauer wollten sehen, wie wir armselige Würstchen von den Franzosen plattgemacht wurden. 30 Minuten mussten wir zittern und der lettische Torwart tat alles, um das Tor freizuhalten. Doch dann passierte in der 33. Minute der Schock meines Lebens.



Ich sprang vom Trainerstuhl auf und heulte vor Freude. Das war unmöglich! Wenn das ein Traum war, wollte ich nicht geweckt werden. Artis Grigorjevs hatte tatsächlich Lettland in Führung gebracht! Der Spieler von Levante UD konnte die französische Abwehr überwinden.

Wir retteten uns in die zweite Halbzeit und ich wechselte wieder meinen Joker Deniss Savalnieks ein. Dieser zeigte auch sofort in der 49. Minute  wieder seine Spurtstärke und erkannte den freistehenden Grigorjevs. Er flankte nach links und Grigorjevs nahm den Ball an. Dann umtänzelte Grigorjevs Verteidiger Marcos Angloma von Olympique Lyon (Frankreich) und versuchte es kurz vor der Strafraumgrenze mit einem Weitschuss. Der Schuss war für den Torwart unhaltbar aber leider ging er auch am Tor vorbei.

Von den einheimischen Fans angeheizt drehten wir jetzt so richtig auf. Die Franzosen schienen verunsichert und selbst wenn sie mal vor unser Tor kamen, konnte man ihre Nervosität sehen. Sie wollten unbedingt einen Ausgleich erzielen um nicht doof da zu stehen. Aber sie schossen  entweder vorbei, drüber, oder an die Latte. Die gefährlichste Torchance Frankreichs klärte Dmitrijs Sens in letzter Sekunde von der Torlinie.

Aber ich wollte immer noch nicht glauben, dass wir das schaffen würden. Unsere Ambitionen wurden in der 62. Minute geschwächt, als Deniss Savalnieks nach einer wahrhaftig dummen Situation vom Platz gestellt wurde. Mit nur 10 Spielern war mir klar, dass der Ausgleich fallen MUSSTE - alles andere war ein Wunder. Aber Frankreich ließ uns bis zur 82. Minute warten. Pemphero Mwachie (Paris Saint-Germain, Frankreich) konnte sich an Maksims Sevlakovs vorbeischieben und war schon im Strafraum, als er von Maksims brutal zu Broden gestreckt wurde. Die unweigerliche Schlussfolgerung war Elfmeter.

 :o

Oh nein! Jetzt konnte ich nicht mehr hinsehen. 82 Minuten lang hatten wir gekämpft, geackert und gepflügt. Aber dieser dumme Fehler sollte unser aller Tod bedeuten. Selbstbewusst legte sich der gefoulte Pemphero den Ball auf den Elfmeterpunkt. Ihm war die Anspannung anzusehen, denn die französische Ehre stand auf dem Spiel. Nun würde ich erfahren, ob Denniss Uljanovs wirklich so ein guter Torwart war. In Palermo hatte er doch hoffentlich gute Lehrmeister gehabt?

Pemphero lief an, schoss...

... und Uljanovs wehrte den Ball ab! Das ganze Stadion erbebte und der Lärm glich einem Düsenjet im Tiefflug. Schließlich klärte ein Verteidiger den Ball und die Sache war gerettet. Nach all diesen Aufregungen ließ der Schiedsrichter unendlich wirkende 240 Sekunden nachspielen und dann kam der erlösende Schlusspfiff.

LETTLAND HATTE FRANKREICH BESIEGT!!



12. September 2030

Erst am nächsten Tag wurde mir das ganze Ausmaß dieses Sieges bewusst. An vielen Autos gab es Aufkleber mit "Frankreich-Besieger". Kilometerlange Autokorsos mit unzähligen Lettlandfahnen zogen sich durch Riga und die ganze Stadt schien im Siegestaumel. Deser komische Toni Finch hatte doch tatsächlich das achte Weltwunder in die Welt gesetzt. Die Rekorde während seiner Zeit in China waren also nicht bloß Zufall. Hier saß ein Meister am Werk! Aber warum war dieser Toni als Vereinstrainer immer so schlecht?

Mein Mailpostfach quoll über. Jedes Land wollte mich als Nationtrainer. Deutschland, Niederlande, Argentinien, Neuseeland... klanghafte Namen fragten bei mir an. Presseleute kündigten reihenweise Termine in ihrem Kalender um mir ein Interview anzubieten. Die französische Sportzeitung L'Equipe nannte uns "Les Incroyable" (Die Unglaublichen), die Sport Bild kürte uns zum nächsten Europameister und das einzige was ich dachte war: Wir hatten doch nur Frankreich besiegt. In der ersten Hälfte hatten die Franzosen viele Torchancen und nach unserem Tor war Frankreich einfach verunsichert. Aber eines war klar - wenn wir Frankreich besiegen konnten, wären unsere anderen Gruppengegner auch kein Problem.
« Letzte Änderung: 18.August 2014, 20:19:21 von Mieguy »
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Re: [FM 2012] Die Geschichte des Riga-Toni - Eine wahre Delikatesse
« Antwort #10 am: 20.August 2014, 01:24:57 »

Kapitel 6: Dieses war der erste Streich, doch der zweite folgt sogleich

So Foot: „Sie haben einen sensationellen Sieg gegen Frankreich errungen. Ich nehme an, Sie sind erfreut?“
„Ja das ist unglaublich, meine Jungs waren brilliant.“
Foot Mercato: „Aivars Maksimenko machte sein 110. Länderspiel. Wie wichtig ist er für die Mannschaft?“
„Das ist ein wunderbarer Erfolg für ihn und unterstreicht seine Leistung.“
So Foot: „Dainis Savalnieks wurde nach einem brutalen Foul vom Platz gestellt. Wie denken Sie darüber?“
„So ein Foul ist eine Schande, solche Zweikämpfe haben im professionellen Fussball nichts zu suchen. Ich werde es mir beim nächsten Mal zweimal überlegen, ob ich ihn nominiere.“
Maximfoot.fr: „Maksims Sevlakovs wurde heute zum Mann des Tages gekürt. Wie schätzen Sie seine Leistung ein?“
„Andere Spieler hätten diese Ehre mehr verdient. Zum Beispiel unser Torwart."
Goal.com: „Wird Dainis Savalnieks bei zukünftigen Nominierungen überhaupt noch eine Chance haben?“
„Ich denke, es ist das Beste, wenn Dainis ein paar Spiele aussetzt um sein Temprament abzukühlen.“

Abends schauten wir noch die Zusammenfassung der Qualifikationsspiele auf Eurosport.Für einen kurzen Moment spielte ich tatsächlich mit dem Gedanken, die deutsche Elf zu übernehmen. Deutschland hatte gerade die Färöer-Inseln mit 5:0 verputzt. Zwei Tore erzielte der Enkelsohn von Lautern-Legende Hannes Riedl, der 32 Jahre alte Bastian Riedl. Seit 2009 spielte er für Lautern inklusive kurzer Abstecher zu Red Bull Salzburg (Leihe) und SC Paderborn 07. Ried war in der abgelaufenen Saison Bundesligatorschützenkönig mit 21 Treffern geworden. Die weiteren 3 Tore erzielten der Mainzer Jan-Niklas Deisler, Torsten Friedrich (Hamburger SV) und Philipp Simon, der massiv am Aufstieg Rot Weiß Erfurts in die 1. Bundesliga 2024 beteiligt war.

Das Spiel Lettland gegen Frankreich bekam die längste Sendezeit auf dem in Frankreich beheimateten Sportsender Eurosport. Aber mir war klar, dass es völlig egal gewesen wäre, wo der Sender beheimatet war, denn diese Begegnung war das Highlight des Spieltages. Einzig und allein Russlands 6:0-Kantersieg gegen Slowenien konnte ähnlich große Medienpräsenz erfahren.

Litauen mühte sich in einem hart umkämpften Spiel gegen die Türkei ab. Aber Emilia und Jessi waren mit mir im Stadion in Riga gewesen und hatten wenig Interesse an dem Spiel ihrer Nationalmannschaft. So war es kaum verwunderlich, dass sie dem 2:2 Unentschieden nur ein müdes Lächeln schenken konnten.

Als die Mannschaftsnominierung für das Länderspiel gegen die Schweiz anstand, konnte ich schon mal Ersatztorwart Aleksandrs Maksimenko von CA Osasuna (Spanien) rausstreichen, da er verletzt fehlte. Für seinen Ersatz sollte Jurijs Lapkovskis sorgen, der im Juli zum SK Daugava Daugavpils (Lettland) gewechselt war. Obwohl Dainiss für 3 Spiele gesperrt worden war, nominierte ich ihn trotzdem, da ich noch genug Reserven besaß.

12. Oktober 2030

Obwohl ich nicht so früh hätte aufstehen müssen, wollte ich zusammen mit meiner neuen Familie frühstücken. Deshalb stand ich jeden morgen zur selben Zeit auf wie Emilia und Jessi. Jessi war ja noch im schulpflichtigen Alter und die erste Stunde begann um halb acht. Wenn sie mal später zur Schule musste und Emilia schon weg war, aß ich mit Jessi allein und sie wurde während dieser Zeiten gesprächiger als zuvor.

An diesem Tag aber kam sie mit einer überraschenden Frage: Toni, kannst du mich heute von der Schule abholen?
Ja, aber wieso heute? Gibt es etwas Besonderes?
Ich muss dir was zeigen und mit dir besprechen.
Oh wenn es etwas mit der Schule zu tun hat, solltest du das lieber mit deiner Mutter absprechen.
Nein, das kann ich nur mit dir besprechen!
Hast du ein Problem mit einem Jungen?
Nein! sagte sie. Natürlich nicht! fügte sie mit Nachdruck hinzu.
Na gut, ich hole dich ab. Aber das ist eine Ausnahme!
Okay Papa. Hab dich lieb, bis nachher!

Sie gab mir einen Kuss, nahm ihre Pausenbrote und ging in den Flur um die Schuhe und die Jacke anzuziehen. Völlig verwirrt saß ich da. Jetzt war auch noch die Tochter von Sinnen! War ich im falschen Film? Lag ich noch im Koma? Wir kannten uns jetzt schon fast ein Jahr lang aber für das Papa war es doch definitiv zu früh. Ich war vielleicht so eine Art Ersatzvater aber mehr nicht.

Wie beschlossen fuhr ich am Nachmittag dann zu ihrer Schule. Das dreistöckige Schulgebäude war weiß und hatte willkürlich verteilt vereinzelte senkrechte rote und graue Striche. Die roten Striche erinnerten in Kombination mit der weißen Grundfarbe entfernt an die lettische Flagge. Auf dem Schulparkplatz standen nur vier Autos. Ein Lada, den man in Riga an jeder Ecke fand, ein Geländewagen, ein GAZ Wolga Siber und ein Fahrschulauto, wo gerade eine junge blonde Frau auf der Fahrerseite einstieg. Ich schaute mich um aber das Gelände vor dem Eingang war nicht groß. Sie war nirgends zu sehen und ich hatte schon das komische Gefühl im Magen, dass sie unsere Verabredung vergessen hatte. Da ich nicht den ganzen Weg umsonst gefahren sein wollte, schaute ich mir die nähere Umgebung an. Wenn sie tatsächlich noch aufkreuzen sollte, würde sie unser Auto wiedererkennen. Neben der Schule war ein richtiger großer Fußballplatz mit einer Leichtathletiklaufbahn drumherum. Ich war überrascht, wie groß die Sportanlagen hier waren.

Auf dem Platz spielten gerade zwei Fußballmannschaften und sie hatten das volle Kontingent von 22 Spielern aufs Feld bringen können. Es waren ausschließlich Jungen. Glaubte ich jedenfalls, bis ich auf der einen Seite ein Mädchen spielen sah. Es war Jessica und sie spielte ziemlich gut! Von einem Gegenspieler schnappte sie sich in einem fairen Zweikampf den Ball und rannte nach vorn. Dann schoss sie den Ball sehr weit hoch, so als ob sie den Schuss direkt unter die Latte setzen wollte. Aber der Ball prallte gegen die Latte und flog zurück ins Feld wo ein Mitspieler einen Nachschuss versuchte, den der Torwart ins Aus abfälschen konnte. Bei der nächsten Ecke bot sich Jessi als Anspielpartnerin an aber ihre Gegenspieler schienen sie nicht zu beachten und so kam sie völlig frei zum Kopfball, als ihr der Eckball zugeflankt wurde. Mit unglaublicher Wucht traf sie den Ball voll mit der Stirn und der überraschte Torwart konnte nur verwirrt dem Ball hinterherschauen, der schließlich im Netz zappelte. Jessicas Jubel aber war verhalten.

Dann ertönte der Schlusspfiff und der Schiedsrichter sagte etwas auf Lettisch, von dem ich nur den Abschiedsgruß zum Schluss verstand. Es schien wohl der Sportlehrer zu sein. Jessica drehte sich zum Ausgang und sah mich. Jetzt lief sie die Schritte zu mir etwas schneller.

Das war gut! sagte ich aufmunternd.
Nein es war nicht so toll. Ich hatte Glück, dass sie mich so frei haben stehen lassen.
Warum denkst du so schlecht über deine Leistung, Jessi?! Ich bin Fussballtrainer und wenn ich sage es war gut, dann war es das auch. - So und was wolltest du nun mit mir besprechen?
Eigentlich wollte ich dich fragen, ob du mir so eine Teilnahme an einem Talentsichtungstag ermöglichen kannst.
Ich weiß nicht... Gibt es viele Frauenfussballvereine?
Es gibt eine Liga mit sieben Mannschaften in Lettland. In Riga gibt es auch einen Verein, er heißt Rigas Futbol skola oder kurz Rigas FS.
Gut okay, ich frage mal nach, wann das nächste Mal eine Talentsichtung stattfindet.
Danke.

Danach fuhren wir zusammen nach Hause und ich schrieb eine Mail an den lettischen Fussballverband, um die Sache zu klären. Am 12. Oktober hatten Deutschland und Lettland spielfrei und so konnten wir unsere Tabellenposition wohl nicht verteidigen. Titelverteidiger Frankreich musste gegen die Schweiz und so hatten wir einen super Vergleich, um festzustellen, wie schwer unser nächster Gegner Schweiz wirklich war. Deutschland nutzte die Pause und spielte ein Freundschaftsspiel gegen Brasilien, bei dem sie erneut unterstrichen, wie schlecht es um sie stand. In der 2014 neu errichteten Arena de Sao Paulo verlor man 3:1 gegen den Gastgeber.

Dieser zweite Spieltag der Qualifikationsrunde würde wohl als Torreichster in die Geschichte eingehen. Weltmeister Spanien schlug Georgien mit 8:0, Schweden verlor 2:7 gegen Belgien. Im ausverkauften Stade de France spielte Frankreich ein denkwürdiges 3:0 gegen die Schweiz und langsam wurde mir klar, was wir für ein irres Glück in Riga hatten. Diese drei Punkte konnten später über alles entscheiden, denn jetzt hatte Frankreich bewiesen, in welcher Form sie wirklich waren. Lettland musste alles dafür tun, um aus dem guten Anfang Profit zu schlagen.

Aber das Spiel des Tages wurde nicht in Paris, Stockholm oder Glasgow ausgetragen. Nein, es war die Mittelmeerinsel Zypern, auf die alle Augen gerichtet waren. Die Zyprioten schafften ein unglaubliches 3:0 gegen Aserbaidschan, was den Weltmeisterschaftsteilnehmer auf Wolke 7 schweben ließ. Damit waren sie unangefochtener Tabellenerster vor der Ukraine, die ein Tor zu wenig geschossen hatten und deshalb nach Toren hinter Zypern lagen.

13. Oktober 2030

Einen Tag später verpasste unsere U19-Mannschaft denkbar knapp das Weiterkommen in der EM-Qualifikation. Weil sie gegen Russland U19 mit 0:2 verloren, hatten sie eine schlechtere Tordifferenz gegenüber den punktgleichen Slowaken.  Dadurch konnten sie sich nicht für die Europameisterschaft 2031 in Österreich qualifizieren.

Ich hatte noch keine Antwort vom Fußballverband bekommen und deshalb war ich froh, dass das Thema beim Abendessen nicht zur Sprache kam. Jessica schien zunehmends deprimierter zu sein obwohl ich mit ihr bisher gute Fortschritte gemacht hatte. Emilia glaubte allerdings, das diese dramatische Negativentwicklung meine Schuld war.

Das nächste Spiel ist auswärts gegen die Schweiz oder? fragte sie beim Essen obwohl sie die Antwort schon längst wusste.
Froh, ein Gesprächsthema zu haben, sagte ich Ja, wir spielen in Sanktgallene.

Sanktgallene war die lettische Übersetzung von St. Gallen. Das 75.000-Einwohnerstädtchen galt als das kulturelle und wirtschaftliche Zentrum der Ostschweiz.

Ich habe mir überlegt, dass wir doch einen Urlaub in der Schweiz machen könnten. Jessica hat ab nächster Woche Ferien und ich habe meinen Urlaub auf Arbeit schon für diese Zeit genommen.

Aha, darauf sollte es hinauslaufen, dachte ich. Eine Versöhnung zwischen mir und Jessica. Jetzt war ich in einer verzwickten Lage. Sollte ich in einen Streit einsteigen, dass es kein Problem zwischen mir und Jessica gab oder sollte ich zustimmen? Aber ich dachte mir, es konnte nicht schaden, wenn ich auch etwas mehr von dem Land sah als nur das Fußballstadion.

Ja, das können wir machen!
Gut, ich dachte mir wir fahren mit dem Teambus zusammen hin und buchen uns dort einen Mietwagen um unabhängig vom Team mobil zu sein.

Kurzerhand organisierte ich beim Verband, dass wir einen größeren Bus bekamen, damit auch Jessica und Emilia mitfahren konnten. Der Verband mietete schließlich einen nagelneuen Bus der Marke Setra mit 43 Sitzplätzen. Einige Spieler nutzten ebenfalls die Gelegenheit und buchten für ihre Frauen Sitzplätze. Schließlich machten wir uns am noch am selben Tag im vollbesetzten Bus auf dem Weg in die Schweiz.

15. Oktober 2030

Einen Tag vor dem Spiel kamen wir morgens mit dem Bus in St. Gallen an. Ich besorgte uns einen Mietwagen und wir machten einen Tagesausflug nach Luzern. Wir schauten uns die Kapellbrücke an, die älteste überdachte Holzbrücke Europas, die den Fluss Reuss überquerte. Auf einem Schild an der Brücke stand, dass die Brücke am 18. August 1993 einem Feuer zum Opfer gefallen war, bei dem ein Großteil der Brücke zerstört wurde. Die berühmten Malereien am Giebel des Daches wurden hierbei fast alle unwiederbringlich von den Flammen vernichtet. Kurz zuvor hatte zwar zufällig  ein Fotograf Bilder von jedem einzelnen Gemälde gemacht, allerdings entbrannte ein Streit darüber, ob man nur die originalen Bilder wieder aufhängen sollte oder auch die Kopien. Schließlich wurden 30 nur teilweise verbrannte Gemälde restauriert und 25 bei einer Verkürzung der Brücke ausgelagerte Gemälde an ihren Originalort zugebracht.


Quelle: Selbst fotografiert

Obwohl Emilia es gehofft hatte, konnte sich wie zu erwarten war die Depression von Jessica nicht legen. Ich fragte mich, ob es hier wirklich bloß um das eine geschossene Tor ging oder ob mehr dahinter steckte. Emilias Versuche, die Stimmung zu heben, brachten auch keinen Erfolg. Außerdem waren wir alle drei schon sehr müde von der langen Busfahrt und so fuhren wir in kaum verbessertem Gemütszustand nach St. Gallen zurück.

16. Oktober 2030

Für eine Sommer-Olympiabewerbung Zürichs für das Jahr 2036 hatte man das Stadion in St. Gallen ein wenig vergrößert, damit hier ein paar Spiele des Olympischen Fußballturniers stattfinden konnten. Statt der ursprünglichen 17,000 Sitzplätze sollte das Stadion nach Abschluss der Umbauten 25,000 Sitzplätze fassen. Da man noch nicht ganz fertig war, musste ein Teil der Haupttribüne gesperrt werden, weshalb sich das Stadion für das Länderspiel nur mit 18,000 und ein paar Zerquetschten begnügen musste. Leider hatte Zürich die Kandidatur für die Olympischen Spiele auch verloren. Stattdessen hatte Berlin die Ausschreibung gewonnen, die damit zum ersten Mal seit 100 Jahren wieder Olympische Spiele austragen durften. Zum Jubiläum der unrühmlichen Spiele  1936 unter Naziführung wollte man sich etwas ganz besonderes einfallen lassen und nächste Woche sollten die Pläne konkretisiert und der oft so pessimistischen deutschen Öffentlichkeit vorgelegt werden.

Die Presse war einheitlich der Meinung, dass wir die Schweiz ungespitzt in den Boden rammen würden. Ich dagegen war weniger optimistisch und längst nicht so überzeugt vom Sieg. Zweifel kamen mir auch, ob ich den Ausfall von Joker Dainiss Savalnieks gut genug hatte ersetzen können.

Schweiz - Lettland
AFG-Arena, St. Gallen (18.026 Zuschauer)

Die Schweiz setzte gleich zu Anfang erste Anhaltspunkte, dass wir dieses Spielfeld mit nicht so frohen Mienen verlassen würden. Doch wieder einmal konnte Stammtorwart Deniss Uljanovs den ersten Torschuss nicht nur abwehren sondern auch festhalten. Auf meinen Torwart war Verlass. Nach 12 Minuten dann endlich die Erlösung von der quälenden Frage: Gut sein oder nicht sein?

Der Spitzenmann der Les Incroyable , Artis Grigorjevs, machte einen Abstauber aus fünf Metern, als ihm irgendwie der Ball vor den Fuß gerollt war. Es ging  so schnell, dass ich es selbst nicht begriff. Da hatte die Schweizer Abwehr wohl geschlafen. Schon wieder waren wir in Führung gegangen.  Aber das war wieder nur Glückssache redete ich mir ein. Als konnte Artis meine Gedanken lesen bewies er das Gegenteil, als er seinen Gegenspieler Lazarevic nach einer Ecke einfach stehen ließ und ins Tor köpfte. Bei den Schweizer Fans herrschte nun bei 2 Grad Celsius nicht nur sprichwörtlich ein eiskalter Wind.

Um die Schweizer Ehre wiederherzustellen verkürzte Toni Monnard in der 33. Minute unter großem Jubel der einheimischen Fans. Also war es in der Halbzeit meine Chance, jetzt voll auf die Defensive umzustellen. Für Torjäger Sergejs Vilerts kam Verteidiger Dmitrijs Sens von Erzgebirge Aue. Das hielt aber Artis Grigorjevs nicht davon ab, in der 55. Minute seinen Hattrick zu vollenden. Nach Abpfiff stand ein schöner 1:3-Sieg für Lettland zu Buche.

Schweiz - Lettland: 1 - 3

Ich ging zu Emilia und Jessica auf die Tribüne aber Jessies Miene sah aus, als hätten wir gerade haushoch verloren.

Dieses Trauerspiel kann ich mir jetzt nicht mehr länger ansehen. Was ist los mit dir?
Ach du brauchst nicht die gute Miene fürs böse Spiel machen. Ich weiß doch jetzt schon, dass ich niemals zu diesem Talentsichtungstag eingeladen werde! antwortete sie unter Tränen.

Emilia, die scheinbar von der ganzen Sache nichts gewusst hatte, schaute verwirrt.

Was für ein Talentsichtungstag?
Ich seufzte: Jessica spielt ziemlich gut Fußball und deshalb hab ich beim Fußballverband nachgefragt, wann der nächste Talentsichtungstag ist.
Ach hör doch auf mit dem Quatsch! schrie sie mich an. Ich kann kein Fußball spielen!

Hier war nichts mehr zu retten, befürchtete ich, also hisste ich gedanklich die weiße Fahne und wir machten uns auf dem Weg ins Hotel. Für morgen war noch einmal ein freier Tag eingeplant und übermorgen ging es dann zurück nach Lettland.

Ähnlich wie wir machte Spanien da weiter wo sie aufgehört hatten. Auch gegen Luxemburg gewannen sie 8:0. Zypern verlor in der 92. Minute ein sicher geglaubtes Unentschieden gegen die Ukraine was aber dem Underdogstatus keinen Schaden zufügte. Für Überraschung sorgte stattdessen Liechtenstein, die durch ein Last-Minute-Tor des vereinslosen Stürmers Ronny Büschel gegen Georigen gewannen. Deutschland hatte abersmals die liebe Not mit einem Land von den Britischen Inseln. In Irland verloren sie 3:0 und es kam die unweigerliche Erinnerung an das Debakel gegen Schottland bei der Qualifikation zur Weltmeisterschaft. Gegen Finnland schaffte Frankreich mit einem Hattrick von Pemphero Mwachie den Sieg und bewies, dass man sie nicht abschreiben durfte.

Aufgrund des besseren Torverhältnisses und weil sie ein Spiel mehr absolviert hatten als wir mussten wir uns nun hinter Frankreich an zweiter Stelle einsortieren. Abends checkte ich meine Mails und sah eine Nachricht vom Fußballverband. Schnell öffnete ich sie:

Sehr geehrter Mister Finch,

der Talentsichtungstag für die Rigas Futbol Skola ist am 20. Oktober 2030 auf dem Sportplatz des Staatlichen Deutschen Gymnasiums in Riga. Ich habe wie von Ihnen gewünscht Jessica Deiweleite für das Turnier angemeldet. Eventuelle Reisekosten werden wie gewohnt über das Reisekostenformular abgerechnet.


Das war eine super Nachricht. Morgen musste das ich unbedingt Jessica erzählen.

P.s.: Dieses Gymnasium gibt es wirklich: http://www.rvvg.lv/de/
« Letzte Änderung: 20.August 2014, 11:57:56 von Mieguy »
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Re: [FM 2012] Die Geschichte des Riga-Toni - Eine wahre Delikatesse
« Antwort #11 am: 23.August 2014, 02:21:18 »

Kapitel 7: Kalaschnikow und Dynamit

In der Nacht plagten mich schwere Alpträume. Einer dieser Alpträume enthielt den lettischen Vorstandspräsidenten, der mit einer AK-47 ("Kalaschnikow") vor mir stand: Sie sind nicht Europameister geworden! Dafür erschieße ich Sie! Klar, jetzt stieg der Druck auf unsere Mannschaft. Da wir nun auch das zweite Qualifikationsspiel gewonnen hatten, wurden wir selbst von der letzten Dorfzeitung hoch gelobt. Niemand hatte mehr Zweifel, dass Lettland Europameister werden würde. Außer ich selbst natürlich. Denn wer hoch stapelte, konnte auch tief fallen. Also wollte ich nicht überheblich oder gar arrogant sein und blieb bei der felsenfesten Meinung, wir würden als Gruppenletzter die Qualifikation nicht schaffen. Aber um die Moral meiner Spieler zu bewahren, behielt ich meine Meinung für mich.

Allerdings sorgte nicht nur das Europameisterschaftsproblem für eine schlaflose Nacht. Ich war sehr aufgeregt, weil ich endlich wissen wollte, wie Jessica wohl reagieren würde, wenn sie erfuhr, dass sie zum Talentsichtungstag eingeladen würde. Jedes Mal versuchte ich mir vorzustellen, dass sie sich total freuen würde und sich ihre Depression legen würde. Aber dann verwandelte sich der Traum in einen Alptraum und die Sache nahm ein schlechtes Ende.

17. Oktober 2030

Als ich hundemüde am nächsten Morgen aufwachte und auf den Wecker schaute, war es in meinen Augen schon viel zu spät. Schnell zog ich mich an, schlüpfte in meine Hausschuhe und rannte die Treppe hinunter ins Esszimmer. Aber das Zimmer war leer und es lag kein Geschirr auf dem Tisch oder in der Spüle. Dann wollte ich wieder kehrtmachen und die Treppe hoch zu Jessis Zimmer laufen, in der Annahme sie hätte auch verschlafen. Doch noch bevor ich die Treppe erreichte, kam mir Emilia entgegen.

Wo ist Jessica? fragte sie.
Dasselbe wollte ich dich gerade fragen. Hast du schon in ihrem Zimmer nachgesehen?
Ja, das Bett ist leer und im Badezimmer ist sie auch nicht.
Oh-Oh, das ist nicht gut.
Was ist denn?
Erzähl ich dir beim Fahren, wir müssen schnell zu unserem Auto!

Emilia fragte nicht nach, weil sie vermutlich die Panik in meinen Augen sah. Wir rannten aus der Ferienwohnung raus, stiegen in das auf der Einfahrt geparkte Auto und fuhren los.

Ich bin mir sicher, dass sie sich umbringen will.
Warum glaubst du das!? fragte sie entsetzt.
Sie hat einen geeigneten Moment abgewartet. Ich glaube sie ist noch nicht lange weg. Wann hast du geduscht?
Vor ungefähr 10 Minuten.
Na dann hoffen wir, dass sie keinen guten Orientierungssinn hat. Dann können wir sie vielleicht noch einholen. Sie hat gewartet, bis du unter der Dusche bist. Die Dusche und der Durchlauferhitzer machen viel Lärm. Nachts wollte sie nicht abhauen, dann wäre sicher einer von uns beiden wach geworden. Außerdem habe ich wahrscheinlich geschnarcht was möglichen Lärm ihrerseits übertönt hat.
Na gut, aber woher weißt du, wo genau sie hinläuft?
Es gibt zwei Arten von Selbstmördern: die einen machen es laut und aufsehenerregend, also zum Beispiel ein Geisterfahrer auf der Autobahn. Die anderen machen es unauffällig und wenn sie alleine sind. Da Jessi gewartet hat, bis sie heimlich aus dem Haus verschwinden kann, gehe ich davon aus, dass sie es unauffällig machen will. Also Bahnhöfe oder viel befahrene Straßen fallen weg. Aber was bleibt übrig? Vor einen Laster rennen? Zu riskant, er könnte es noch schaffen, auszuweichen. Von der Brücke springen ist die sichere Alternative. Die Stadt liegt in einem engen Tal aber trotzdem ist die nächste Brücke über den Fluss sehr weit weg. Aber ganz in der Nähe gibt es eine Brücke, die über die Eisenbahngleise führt. Dort ist wenig Autoverkehr und vielleicht hat sie ein Zeitfenster von 2 bis 3 Minuten, in denen sie unbeobachtet ist. Da fahr ich jetzt hin.

Ich folgte den Wegweisern zum Bahnhof, bis ich an einer Straße angelangt war, die parallel zu den Gleisen verlief. Sie war schmal und eigentlich waren nur 30 erlaubt, aber ich musste es riskieren und das Tempolimit überschreiten. Plötzlich kam von links ein PKW aus einer Einfahrt herausgerollt. Wir mussten nach rechts durch eine Parklücke auf den Bürgersteig ausweichen. Der Bürgersteig war zwar breit aber vor uns tauchte eine Frau mit Kinderwagen auf, also wechselte ich sicherheitshalber bei der nächsten Parklücke wieder auf die Straße. Mit quietschenden Reifen bog ich am Ende der Straße nach rechts auf die schmale Brücke ab.

Da sah ich Jessica, wie sie gerade über das Brückengeländer kletterte. Ich beschleunigte und der Wagen rumpelte über die Bordsteinkante, wo ich mit einer Vollbremsung den Wagen auf dem Bürgersteig anhielt. Schnell sprang ich heraus.

Du wurdest zum Talentsichtungstag eingeladen Jessica, spring nicht! rief ich ihr zu.

Sie drehte sich um und sah mich näher kommen. Mit beiden Beinen war sie schon auf der anderen Seite des Geländers.

Das sagst du doch nur so! rief sie mir unter Tränen zu.
Der Sichtungstag ist am 20. Oktober 2030 im Staatlichen Deutschen Gymnasium in Riga. Glaubst du mir jetzt?

Scheinbar war sie davon überzeugt, denn sie hob ihr rechtes Bein wieder über das Geländer. Doch dann rutschte sie mit dem linken Bein auf dem nassen Geländer aus und fiel.

NEIN! Versuch irgendwas zu greifen, wir retten dich!

Ich rannte bis vor an das Geländer und schaute hinab. Sie hatte noch in letzter Sekunde die Ecke eines Protestbanners für den Ausbau der Monorail-Strecke Zürich - Wien gepackt.

Hilfe! Ich kann mich nicht mehr länger halten!

Aber dann begann das Protestbanner zu reißen. Sie pendelte nach links und hing jetzt nur noch wenige Meter über der Oberleitung. Wenn sie die Oberleitung berührte, würde sie einen Stromschlag mit 15,000 Volt abbekommen. Doch die Lage wurde noch schlimmer, weil sich auf dem Gleis, über dem sie jetzt hing, ein silber-grüner Triebzug der Bern-Lötschberg-Simplon-Bahn (kurz BLS) näherte. Glücklicherweise hielt das Banner und der Zug fuhr unter ihr hindurch.

Plötzlich riss das Banner in der Mitte einmal quer durch.

Spring ab! schrie ich.

Jessica nutzte die Pendelbewegung und ließ das Banner los um etwas nach links abzuspringen. Um Millimeter verfehlte sie die Oberleitung aber sie knallte auf das Dach des Zuges und prallte wie ein Flummi davon ab. Mit dem Gesicht voran landete sie im Gleisschotter des direkt daneben liegenden Gleises.

Oh mein Gott!

In der Aufregung hatte ich gar nicht bemerkt, dass bereits ein paar Schaulustige dazu gekommen waren, die den Sturz miterlebt hatten. Einige riefen entsetzt, dass sie tot sei, aber ich war fest entschlossen, sie von den Gleisen zu holen. Ich rannte zu einer nicht weit entfernten Stelle, wo eine Treppe abwärts führte. Das Tor am Ende der Treppe, das direkt zu den Gleisen führte, war verschlossen aber direkt daneben war der Zaun relativ niedrig. Schnell sprang ich über den Zaun.

Hey, sie dürfen nicht auf die Gleise! rief mir ein Bauarbeiter zu. Der Pendolino aus Mailand kommt gleich! (Anm. des Autors: Der Pendolino aus Mailand würde normalerweise nicht über St. Gallen fahren aber wegen einer Baustelle wurde er umgeleitet)
Na dann stehen Sie nicht dumm herum und helfen mir!

Ich lief über die Gleise zu Jessica, die immer noch regungslos da lag.

Hey Schatz, hörst du mich? Wach auf!

Plötzlich bewegte sie sich und hob ihren Kopf. Mit trüben Augen schaute sie mich an.

Schnell, sie lebt noch! Jetzt helfen Sie mir doch! schrie ich zum Bauarbeiter.

Der Bauarbeiter schien einen inneren Kampf auszufechten, ob er sein Leben riskieren sollte oder nicht.

Ach scheiß drauf! Soll mich doch der Teufel holen. sagte er zu sich selbst.

Dann sprang er ebenfalls über den Zaun und rannte zu mir. Ich hob ihren Kopf und der Bauarbeiter die Beine. Die Gleise vibrierten schon und als ich nach rechts sah, erblickte den heranrasenden Neigeschnellzug aus Mailand. Wir trugen Jessica so schnell wir konnten und dann hörten wir, wie der Schnellzug hinter uns vorbeiraste. Obwohl er bei Annäherung des Bahnhofes von St. Gallen nicht so schnell fahren durfte, wurden wir trotzdem von der Wucht des Fahrtwindes umgestoßen.

Als wir uns wieder aufgerappelt hatten, trugen wir Jessica weiter bis an den Rand der Gleise, wo eine kleine Lücke zwischen Gleis und Zaun war, in der wir ungefährdet auf den Rettungsdienst warten konnten. Schnell alarmierten wir den Rettungsdienst. Aufgrund der ungünstigen Lage der Verletzten musste ein Rettungshubschrauber aus Zürich angefordert werden. Mit der Seilwinde hoben sie schließlich die Verletzte in den Hubschrauber hoch und flogen sie in eine Spezialklinik.

Noch am selben Abend fuhr ich mit Emilia ins Krankenhaus. Meinen Co-Trainer Aleksandrs Bespalovs informierte ich über den Unfall und sagte ihm, der Reisebus solle nicht auf uns warten weil wir länger hier bleiben müssten. Als wir in ihrem Zimmer ankamen und neben ihr Bett traten, waren wir geschockt. Sie war wirklich schlimm zugerichtet. Ich ging erstmal aufs Schwesternzimmer um mich zu beruhigen und fragte nach, ob ein Arzt kommen könnte, um uns zu erklären, wie es ihr ging. Eine Stunde später traf dann der Arzt ein, der gerade aus der Notaufnahme kam und für uns nur wenig Zeit hatte.

Sie hat schwere Gesichtsverletzungen, zwei gebrochene Beine und innere Blutungen. Aber trotzdem hat sie sehr viel Glück gehabt. Sie ist nicht querschnittsgelähmt, weil sie wahrscheinlich nicht dem Rücken zuerst auf dem Zugdach gelandet ist. sagte der Arzt.
Soweit ich mich erinnern kann, war sie nur mit den Beinen auf den Zug geknallt. - Wird sie wieder laufen können?
Das hängt ganz von ihr selbst ab. Sie wird eine Reha brauchen um voll genesen zu können.
Wie lange wird sie im Krankenhaus bleiben?
Das kann ich jetzt noch nicht abschätzen, aber sicher wird sie nicht mehr im Oktober rauskommen. Die Reha selbst geht maximal fünf Wochen und kann entweder anschließend oder ein paar Wochen nach der Entlassung gestartet werden. Dies ist ihre Entscheidung aber jeder gute Arzt wird ihnen empfehlen, es sofort im Anschluss zu machen. So, es tut mir leid, aber ich muss mich jetzt um die anderen Patienten kümmern. Wenn es etwas gibt, können Sie sich an die Schwestern wenden.
Vielen Dank sagten ich und Emilia gleichzeitig.

Der Arzt verließ das Zimmer und nun waren wir alleine mit Jessica im Zimmer. Sie hatte noch einen Zimmernachbarn, der aber hinter einem Vorhang versteckt war.

Was soll ich denn jetzt tun Toni? Ich muss nächste Woche wieder zur Arbeit!
Ich werde solange bei ihr bleiben. Die Ferienwohnung werde ich einfach etwas länger buchen.
Und was sagt der Fußballverband dazu?
Entweder er sagt ja oder ich kündige.

20. Oktober 2030

Als ich nicht zusammen mit dem Team zurück nach Riga kam, rief mich der Verband auf dem Handy an. Ich schilderte kurz was passiert war.

Sie bekommen Sonderurlaub Mister Finch.
Aber Sie kündigen mich doch nicht oder?
Nein, Sie haben gute Arbeit getan und man würde mich lynchen wenn ich sie entlassen würde. Außerdem haben wir bis Juni 2031 keine Pflichtspiele. Wenn Sie bis zum Freundschaftsspiel gegen Dänemark noch nicht zurück sein sollten, wird Sie Ihr Co-Trainer vertreten. Schicken Sie Ihm aber bitte ein paar Anweisungen, Mister Bespalovs hat noch keine Erfahrung als hauptamtlicher Trainer.
Ja das mache ich, vielen Dank!
Sie brauchen sich nicht zu bedanken, die ganze Mannschaft steht hinter Ihnen und wir haben alle Verständnis für diese besondere Ausnahmesituation. Wenn wir irgendetwas für Sie tun können, lassen Sie es uns wissen. Richten Sie Ihrer Tochter alles Gute von uns aus!

Dann verabschiedeten wir uns und ich wandte mich wieder Jessica zu. Sie öffnete kurz die Augen und sah mich an. In den letzten Tagen war sie immer wieder kurz wach gewesen aber es war so kurz, dass sie dabei nicht viel mitbekam. Gesagt hatte sie bisher auch noch nichts.

Papa? fragte sie.
Ja Schatz, ich bin bei dir.

Sie drehte den Kopf nachdenklich zur Seite und dann riss sie plötzlich die Augen ganz weit auf.

Schwach und leise sagte sie Was ist mit dem Talentsichtungstag? Welcher Tag ist heute?
Der Talentsichtungstag ist heute aber -

Dann sprang sie auf und setzte sich aufrecht hin. Ich stand von meinem Stuhl auf und drückte sie wieder ins Bett.

- du bist noch zu schwach. beendete ich den Satz. Das ist im Moment nicht so wichtig. Erstmal wollen wir, dass du wieder gesund wirst.
Bin ich sehr doll verletzt?
Nein, du hattest großes Glück. Dafür brauchte es schon mehrere Schutzengel aber sie haben ganze Arbeit geleistet. Dein Kiefer, deine Nase und beide Beine sind gebrochen. Aber der Arzt sagt, dass du bald wieder ganz gesund wirst. Du bist nicht querschnittsgelähmt und das ist die Hauptsache.
Werde ich auch wieder Fußball spielen können?
Wenn du dich bei der Reha anstrengst wirst du auch das wieder tun können.
Sie lächelte. Wo ist Mama?
Sie musste wieder nach Hause fahren aber sie ruft jeden Tag an und fragt wie es dir geht. Übrigens wünscht dir auch das lettische Nationalteam alles Gute.

16. November 2030

Wie zu erwarten war, musste Jessica noch länger im Krankenhaus bleiben. Daher verpasste ich das Länderspiel gegen Dänemark. Anpfiff war um 13:30 Uhr und so entschied ich mich, schon sehr früh bereits nach dem Mittagessen zu Jessica ins Krankenhaus zu fahren. Sie war inzwischen auf die Normalstation verlegt und glücklicherweise konnten wir auf dem Fernseher im Krankenzimmer auch das Bezahlfernsehen empfangen. Nach kurzer Absprache (und dem Bestechungsversuch, dass jeder Patient von mir ein Autogramm bekam) durften wir auf dem Fernseher das Spiel ansehen.

Dänemark - Lettland
TRE-FOR Park, Odense (13,963 Zuschauer)


Quelle: Wikipedia

Mit wachsender Begeisterung sah Jessica im Fernsehen, wie lettische Zuschauer auf der Gästetribüne Spruchbanner mit Genesungswünschen hochhielten. Die lettischen Spieler hatten auf der Vorderseite ihres Trikots ebenfalls in großen Buchstaben einen Genesungswunsch aufgedruckt bekommen. Im ausverkauften Stadion zeigte sich die Kehrseite der Medaille. Lettland spielte längst nicht so gut wie in den vorherigen Spielen. Die herausragendsten Spieler standen vorne aber weil wir hinten den Ball nicht raus bekamen, standen unsere Stürmer tatenlos rum. Aber unser Torwart spielte das Spiel seines Lebens. Er hielt Dinger, die selbst ein Manuel Neuer in seinen besten Jahren nicht gehalten hätte. Ich fragte mich, was wohl bei Citta di Palermo so abging wenn er jedes Mal wie vom Teufel besessen die Bälle hielt. Bei Dänemarks größter Torchance war die Kugel sogar schon an ihm vorbeigerollt aber Deniss Uljanovs drehte sich um und warf sich auf den Ball.

Völlig verzweifelt schossen die Dänen ihr Danish Dynamite aufs Tor, aber die Kugel zappelte nicht im Netz. So war es mehr als verwunderlich, als es nach 90 gespielten Minuten in Odense immer noch 0:0 stand. Der bei den Bundesliga-Absteigern von SC Freiburg spielende Verteidiger Peter Mikkelsen bekam die Auszeichung Mann des Spiels, was umso seltsamer war, weil Dänemarks Verteidigung fast nichts zu tun hatte und wenn dann sahen sie miserabel aus.

Dänemark - Lettland: 0 - 0

Ich blieb noch bis abends im Krankenhaus und prüfte meine Mails auf dem Laptop. Mein Co-Trainer schrieb mir, dass die Weltrangliste heute aktualisiert worden war. Lettland hatte sich um 26 Plätze verbessert und stellte damit einen neuen Lettland-Rekord auf.



Außerdem hatte der Co-Trainer alte Statistiken durchgeblättert und in Erfahrung bringen können, dass der Jahresnotendurchschnitt von Artis Grigorjevs (7.67) ebenfalls ein neuer Landesrekord war. Aber er brachte mir nicht nur gute Nachrichten aus dem eiskalten Lettland. Dmitrijs Sens hatte sich im Training verletzt und musste zwei Monate lang mit einem Zehenbruch ausfallen. Bis zum nächsten Länderspiel war er zwar wieder gesund aber ihm würden wichtige Trainingseinheiten fehlen. Nebenbei war Edgars Osipovs zum SV Sandhausen ausgeliehen worden.

Was mich zum nächsten Thema brachte. Ich drückte auf den Antwort-Button und schrieb dem Co-Trainer meine Wünsche für den Gegner des Freundschaftsspiels im Februar auf.

Sehr geehrter Herr Bespalovs,

wie Sie sicherlich wissen, müssen wir bald unsere Einladung zum Freundschaftsspiel verschicken. Mein Wunschgegner wäre entweder Deutschland oder die Niederlande. Bitte kümmern Sie sich darum. Für den Termin im August werde ich mich selbst kümmern da ich bis dahin wieder in Riga bin.


30. November 2030

Am Tag der Entlassung wurden wir mit einem Krankentransporter zum Flughafen von Zürich gefahren. Von dort aus flog ich mit Jessica zurück nach Riga. Das Entertainmentsystem im Flugzeug ermöglichte es mir auch, meine Mails zu checken. Ich war sehr erfreut, dass mein Co-Trainer sich erfolgreich um das Freundschaftsspiel gekümmert hatte. Nun stand es fest: Im Februar spielten wir auswärts in Kaiserslautern gegen Deutschland. Witzigerweise war das Fritz-Walter-Stadion sogar mein deutsches Lieblingsstadion.

Nach der Ankunft in Riga begrüßte uns Emilia, die uns vom Flughafen abholte. Mit dem Auto fuhren wir nach Hause und als ich ins Wohnzimmer trat, wartete dort bereits ein Mann, der mir irgendwie bekannt vorkam aber mir fiel nicht ein, woher ich ihn kannte.

Guten Tag begrüßte mich der fremde Mann. Ich bin der Klassenlehrer von Jessica.

Jetzt fiel es mir wieder ein! Es war der Sportlehrer, den ich auf dem Sportplatz neben der Schule gesehen hatte.

Guten Tag. Darf ich fragen, warum Sie hier sind?
Es geht um Ihre Tochter Jessica. Sie hat große Schwierigkeiten, sich in der neuen Schule einzugewöhnen. Ihr Lettisch ist nicht so gut und sie wird deshalb oft gehänselt. Es wäre hilfreich, wenn Sie Ihr helfen könnten, die Sprache zu lernen.
Das Problem ist: wir können selbst kein Lettisch schaltete sich Emilia ins Gespräch ein.

Nun wurde mir klar, warum Jessica so depressiv gewesen war. Die Fußballsache war nur ein kalter Tropfen auf dem heißen Stein. In Wahrheit hatten ihr die Probleme in der Schule zu schaffen gemacht. Dabei hatte ich mir die ganze Zeit Selbstvorwürfe gemacht, dass ich in Jessica falsche Hoffnungen geweckt hatte. Emilia war der selben Meinung und gab mir die Schuld an dem Dilemma.

Als der Lehrer später wieder ging, grübelte ich noch einige Zeit über das Gesagte nach. Nachdem ich die Entscheidung gefällt hatte, ging ich aber sofort zu Jessica, um die Sache nicht wieder hinauszuzögern. Vorsichtig klopfte ich an ihre Zimmertür.

Herein! rief sie.

Ich drückte die Tür auf und ging hinein. Sie lag auf dem Bett, denn die Ärzte hatten ihr gesagt, sie sollte sich so viel wie möglich schonen. Dann kniete ich mich neben sie und sie setzte sich auf den Bettrand.

Mir ist aufgefallen, dass dein Deutsch immer besser wird. Du kannst die Sprache schon ziemlich gut.
Naja ich glaube, das habe ich automatisch ein bisschen gelernt weil ich dich ja hin und wieder auf Deutsch sprechen höre.
Genau - und das hat mich gerade auf eine Idee gebracht. Es gibt doch da dieses Staatliche Deutsche Gymnasium in Riga. Englisch und Deutsch sind Pflichtfächer. Da du Englisch schon gut kannst und in Deutsch auch schon einen kleinen Vorsprung hast, hättest du dort vielleicht nicht so große Probleme, dich in der Klasse einzuleben. Außerdem kann ich dir dann besser helfen, wenn du in Deutsch mal was nicht so gut hinbekommst.
Oh ja, das ist eine tolle Idee! Kannst du mich auf der Schule einschreiben? Bitte, bitte, bitte!
Ja das werde ich sofort morgen erledigen.
Danke! - Ach was ist eigentlich mit dem Talentsichtungstag?
Also vorhin war ja dein Klassenlehrer da und auch über das Thema haben wir uns unterhalten. Dein Talent war ihm auch schon aufgefallen und er hat dann mal direkt bei Riga FS nachgefragt. Der Trainer von Riga FS will bei deiner nächsten Sportstunde vorbeischauen und sehen, wie du spielst. Aber bis dahin müssen wir erstmal dafür sorgen, dass du wieder laufen kannst.

Tatsächlich hatte Jessica bereits im Krankenhaus gute Fortschritte gemacht und obwohl sie ihre Beine eigentlich nicht belasten durfte weil die Knochen noch nicht so stabil waren, hatte sie die Beine hin und wieder doch belastet. Dabei war den Ärzten aufgefallen, dass sie überraschend wenig Probleme hatte.

31. Dezember 2030

Jessica war während des gesamten Dezembers vom Sporttherapeuten des lettischen Fußballverbands betreut worden. Da ihre Heilung so schnell verlief, durfte sie schon viel früher mit der Belastung anfangen als ursprünglich vorgesehen. Der Therapeut sagte ihr, wenn nach den Weihnachtsferien die Schule wieder anfinge, dürfe sie auch wieder am Sport teilnehmen. Nach dieser Verkündigung konnte Jessica es kaum erwarten, dass die Schule wieder begann.  Am Sylvestertag flatterte dann ein Eilbrief ins Haus. Darin wurde die Anmeldung von Jessica Deiweleite beim Deutschen Gymnasium Riga bestätigt. Man teilte uns ihren ersten Schultag und den Unterrichtsbeginn mit.  Freudestrahlend übergab ich Jessica den Brief und zum allerersten Mal seit drei Monaten konnte sie endlich wieder richtig Lächeln. Die Freude war ihr anzusehen.

Ebenso eilig schien es der Trainer von Burkina Faso zu haben, der mir drei Minuten vor Mitternacht eine Mail schrieb und meine Anfrage zum Freundschaftsspiel bestätigte. Damit war klar, dass meine Familie den Sommerurlaub 2031 in Ouagadougou genießen würde. Das war der Luxus eines Nationaltrainers: Man konnte sich selbst aussuchen, wo man seinen Urlaub machte. Einfach schnell eine Mail verschickt und schon war das Freundschaftsspiel gesichert.

P.s.: Hoffentlich habe ich Ouagadougou richtig geschrieben.  8)
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Re: [FM 2012] Die Geschichte des Riga-Toni - Eine wahre Delikatesse
« Antwort #12 am: 23.August 2014, 11:56:23 »

Beatliche Leistungen deiner Mannschaft, und auch die familiären Leistungen des Coaches sind beachtlich ;-)
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DayDreamer

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Re: [FM 2012] Die Geschichte des Riga-Toni - Eine wahre Delikatesse
« Antwort #13 am: 23.August 2014, 12:09:26 »

meine herren kapitel 7 ist ja mal ein drama, da fühlt man ja richtig mit, hab immer nur zeile für zeile gescrollt.
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Sanogo24

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Re: [FM 2012] Die Geschichte des Riga-Toni - Eine wahre Delikatesse
« Antwort #14 am: 23.August 2014, 13:24:58 »

Sehr interessante Story, gerade auch mit den Nebensachen, einfach ne schöne Geschichte und sehr angenehm zu lesen.
Hättest du mich nicht vorher schon als Leser gehabt, wäre es spätestens hier passiert ;D ;)
Witzigerweise war das Fritz-Walter-Stadion sogar mein deutsches Lieblingsstadion.
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Purzel89

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Re: [FM 2012] Die Geschichte des Riga-Toni - Eine wahre Delikatesse
« Antwort #15 am: 23.August 2014, 22:43:34 »

Weltklasse Bittengel: Ja die Leistung der Mannschaft hat mich auch überrascht.
DayDreamer: Ich hoffe, Kapitel 7 hat für das ziemlich schlechte fünfte Kapitel entschädigt. ;)
Sanogo24: Gut zu wissen, dass ich nicht der einzige Fan des Betzenbergs bin.

Kapitel 8: Auf dem Gipfel der Ehre

01. Januar 2031

Als wir uns nach der ausschweifenden Silvesterfeier ins Bett legten, konnten wir bei dem Lärm der Feuerwerke gar nicht einschlafen. Deshalb lagen wir noch eine Weile einfach so da bis Emilia die Stille durchbrach.

Ich bin wirklich beeindruckt, wie du dich für meine Tochter ins Zeug legst. Du gibst dir wirklich die Mühe ein guter Vater zu sein. Das merkt Jessica glaube ich auch.
Im Meistertrainerforum hat auch schon jemand gesagt, meine familiären Leistungen als Coach wären beachtlich. Aber das hätte in dieser Situation doch jeder Mensch gemacht.
Das glaube ich kaum. Wer rennt schon auf die Gleise um ein Mädchen zu retten wenn ein Schnellzug heran naht? Außerdem bist du über mehrere Stunden am Stück nicht von ihrer Seite gewichen und warst jeden Tag im Krankenhaus obwohl das deine Kündigung hätte bedeuten können.
Na ich konnte sie doch da nicht einfach so liegen lassen und tatenlos zusehen.
Aber eine Sache haben wir in der ganzen Aufregung vergessen. Weißt du noch, was vor ungefähr einem Jahr war?
Ich weiß nicht, daran kann ich mich nicht mehr erinnern.
Am 10. Februar 2030 hattest du mir den Verlobungsring gegeben. Das bedeutet, dass wir im Februar heiraten werden!

Und von diesem Tag an sollte für uns ein neues ereignisreiches Kapitel aufgeschlagen werden. Die nächsten Wochen verbrachten wir damit, unsere Hochzeit zu planen. Deniss Uljanovs kam zweimal die Woche zu uns und gab Jessica Nachhilfeunterricht in Lettisch. Jessicas Noten in der Schule verbesserten sich drastisch und sie war die zweitbeste Schülerin im Deutschunterricht. Einzig und allein ein Junge, der Nachfahre von deutschen Kriegsflüchtlingen war, hatte bessere Deutschnoten.  Bei jeder passenden Gelegenheit sprach ich mit Jessica deutsch was ihr half, zu wissen, wann man welchen Artikel benutzte. In der litauischen Sprache gab es keine Artikel und Deutsch war dafür bekannt, bei den Artikeln alles zu verkomplizieren. Warum war es Der Bus wenn doch der Bus sachlich und nicht männlich war? Über solche Sachen konnten wir uns köstlich amüsieren und im Handumdrehen war das Sprache lernen zum Spaß geworden und nicht bloß Stress.

10. Februar 2031

Am Tag unserer Hochzeit bekam ich eine schreckliche Nachricht aus Palermo. Stammtorwart Deniss Uljanovs war im Mannschaftstraining unglücklich gestürzt und hatte sich das Schlüsselbein gebrochen. Er konnte nicht mit nach Deutschland. Deshalb nominierte ich Aleksandrs Maksimenko von CA Osasuna (Spanien) nach, der bereits 13 Länderspiele absolviert hatte. Für den leider noch nicht fitten Dmitrijs Sens hatte ich schon vorher Aleksandrs Tarasovs von der SpVgg Greuther Fürth ins Team geholt. Bisher war Tarasovs nur für die U21-Mannschaft aufgelaufen.

Da ich für eine Hochzeit in Litauen spezielle Papiere brauchte, die ich aber in Deutschland nicht kriegen konnte, entschieden wir uns, die Hochzeit in Deutschland auszuführen. So konnten wir auch gleichzeitig dem möglichen Medienrummel entgehen. Zusammen mit Jessica und einem kleinen aber feinen Familienkreis reisten wir zwei Tage vor dem Länderspiel nach Kaiserslautern.  Im klobigen 60er-Jahre Bau des Rathauses von Kaiserslautern machten wir unsere standesamtliche Trauung.



Außerdem hatten wir eine Kirche auf dem Land ausgesucht, wo wir eine rustikale Hochzeit nach litauischen Bräuchen feiern wollten. Emilia trug ein ländliches Leinenkleid während ich klassisch in schwarzem Anzug und weißem Hemd in die Kirche ging. Vor dem Eintritt in die Kirche bekamen wir Brot, Wasser und Salz von Emilias Familie geschenkt, was den Wunsch nach einem reichen Eheleben symbolisierte.

Dann traten wir zum Traualtar und der Pfarrer begann die üblichen Worte auszusprechen. Wir legten beide unser Treuegelöbnis ab und die Hochzeit war abgeschlossen. Schließlich feierten wir ausgiebig im Schatten des Betzenbergs und ich war unglaublich happy, dass ich an diesem schönen Ort den wichtigsten Abschnitt meines Lebens eingeleitet hatte.

11. Februar 2031

Zusammen mit der Nationalmannschaft, die am 11. Februar angereist war, machten wir eine Stadionführung durch das wunderschöne fast rechteckig gebaute Fritz-Walter-Stadion. Zuletzt hatte man es 2005 für die Fußball-Weltmeisterschaft renoviert. West- und Osttribüne wurden ausgebaut um das selbe Sitzplatzniveau wie die Südtribüne zu bieten. Das Dach der Südtribüne war erhöht und auf den neuen Dächern von Ost und West aufgehängt worden. In späteren Jahren hatte die Stadtverwaltung immer wieder Pläne vorgelegt, auch die Nordtribüne auszubauen, aber die Fans des 1. FCK wünschten sich, dass der Betzenberg so blieb wie er war. Bis Ende der 1990er-Jahre war der Betze eine der wenigen reinen Fußballstadien in Deutschland und deshalb nicht ohne Grund eine Festung für die Gastmannschaften.

12. Februar 2031

Deutschland - Lettland
Fritz-Walter-Stadion, Kaiserslautern (44,581 Zuschauer)
Letzte Begegnung: EM 2016 in Frankreich / Deutschland - Lettland / 5 - 0


Da wir nun mit unserer zweiten Wahl Aleksandrs Maksimenko im Tor spielen mussten, befürchtete ich gegen den absoluten Underdog bereits das Schlimmste. Allerdings offenbarten sich früh in der Partie eklatante Schwächen in der Abwehr. Wir wären beinahe schon in der 6. Minute in Rückstand geraten aber Torsten Friedrich  stand glücklicherweise im Abseits. Aber Deutschland ließ sich das mit der Abwehrschwäche nicht zweimal sagen und nutzte die Situation schamlos aus. In der 11. Minute gab es eine Ecke für Deutschland. Fünf lettische Spieler  rangelten sich um einen deutschen Stürmer während Philipp Simon völlig alleine am langen Pfosten stand. Während sich also alle (auch der Torwart) am kurzen Pfosten postierten, hatte Simon alle Zeit der Welt, aus einem Milimeter Entfernung die Kugel ins Tor zu köpfen.

Das würde ganz böses Karma in der Halbzeitpause geben und es würden Köpfe rollen schwor ich mir. Ich schrie die Abwehr in Grund und Boden, damit sie sich da hinten mal sortierten! Aber es half alles nichts, ich musste mich bis zur Pause gedulden. Friedrich bekam in der 30. Minute erneut eine Torchance aber diesmal hätte sogar ein Blinder mit einem Krückstock das Abseits sehen können. Der Ball landete im Netz aber der Schiedsrichter entschied vollkommen richtig auf Abseits. Trotzdem meckerte der Trainer Shawn Parker rum, dass das nie im Leben Abseits war.

Gut, wenn das mit dem Passen nicht klappt, machen wirs halt wieder über Standards dachten sich die Deutschen.  Die nächste Ecke stand in der 33. Minute an und diesmal konnte ich meinem Torwart aber wirklich keine Vorwürfe machen. Drei lettische Spieler kümmerten sich um Lennard Schmidt, der trotzdem irgendwie den Ball auf den Kopf bekam und aus zweiter Meter Entfernung hatte dann auch der lettische Torwart keine Chance mehr den Schuss zu halten. Der Ball schmetterte gegen die Unterseite der Latte, tippte auf der Torlinie auf und sprang von dort ins Tor.

Obwohl sie es gar nicht nötig hatten, machte Manuel Anders in der 36. Minute ein böses Foul, das an versuchte Körperverletzung erinnerte. Sergejs Vilerts fiel zu Boden und blieb für ein paar Minuten bewusstlos am Boden liegen. Mit einer Trage wurde er zum Rettungswagen gebracht und ins Krankenhaus gefahren. Diagnose: Knöchelbänderdehnung, Gehirnerschütterung und sieben Wochen Ausfall. Damit fiel ein weiterer Topspieler meiner Mannschaft aus. Manuel Anders wurde vom Schiedsrichter zum frühzeitigen Duschen geschickt und ich entschied, in den nächsten Tagen die Sache dem Sportgericht der FIFA vorzulegen.

In der Kabine gab es dann den ganz großen Anschiss. Ich brüllte so laut, dass Putz von der Decke rieselte.

ICH HABE DOCH WOHL GANZ GENAU ERKLÄRT, WER WELCHEN SPIELER DECKT! WO SEID IHR PFEIFEN MIT EUREN GEDANKEN GEWESEN!? DAS IST JA MONTENEGRINISCHE AMATEURLIGA WAS IHR DA HINTEN ZUSAMMENSPIELT!

Meine Stürmer schauten mich nur ratlos an, denn sie konnten für das Dilemma nichts. Wieder einmal hatten sie sehnlichst auf die nötigen Bälle gewartet, aber das Spiel fand nur in der lettischen Hälfte statt. In der zweiten Halbzeit lief es etwas besser und meine deutliche Ansage schien Wirkung zu zeigen. Lettland konnte zwar kein Tor erzielen, aber bei Standardsituationen passte es nun mit der Manndeckung. Dass wir dann in der 64. Minute doch noch ein drittes Tor kassierten, hatte andere Gründe. Der routinierte Mittelfeldspieler Sergio Novati, der zurzeit in der Heimat seines Vaters bei Juventus Turin (Italien) spielte, hämmerte das Ding unhaltbar aus 25 Metern in die Maschen.

In der 81. Minute bewies Aleksandrs Maksimenko, warum er bei der Torwartfrage nur zweite Wahl war. Als Stürmer Torsten Friedrich keine Lust mehr auf Abseits hatte, entschied er sich, die Sache selbst in die Hand zu nehmen (nicht die Abseitsfahne sondern den Ball meine ich) und eroberte sich in einem fairen Zweikampf den Ball. Da meine Abwehr auf Abseitsfalle spielte, hatte er freie Bahn für Marzipan und rannte aufs Tor los. In Manuel-Neuer-Manier rannte Maksimenko aus dem Tor und Friedrich umkurvte meinen Torwart geschickt. Nur glücklicherweise hatte Friedrich vergessen sein Zielwasser zu trinken und schoss einem Zuschauer auf der obersten Sitzreihe die Bockwurst aus der Hand.

Deutschland - Lettland: 3 - 0

Naaaaaaaja... das lief bescheiden. Gegen die zuletzt so enttäuschende Fußballgroßmacht Deutschland gleich drei Tore zu kassieren, war ein herber Rückschlag für unser Team. Außerdem fehlten uns nun schon drei wichtige Spieler die alle nicht mehr fit sein würden für unser nächstes Qualifikationsspiel gegen Finnland. Anschließend möchte ich noch einen kurzen Überblick über die Stars des heutigen Spiels geben:

Philipp Simon aus dem hessischen Dorf Fernwald spielte bei Abstiegskandidat Rot-Weiß Erfurt, die nach 20 Spieltagen mit 13 Punkten auf Tabellenplatz 18 in der 2. Bundesliga lagen.

Lennard Schmidt, ein Kölner Urgestein, der bisher nur zur Leihe die Millionenmetropole verlassen hatte, war ablösefrei zu Werder Bremen gewechselt.

Sensationsspieler Sergio Novati spielte zurzeit in der Heimat seines Vaters in Juventus Turin. Geboren wurde er aber in Castrop-Rauxel und hatte seinem Lieblingsverein Borussia Dortmund acht Jahre die Treue gehalten.

Ein Mann von ganz anderem Kaliber war Manuel Anders. Nachdem er mit Hansa Rostock den Abstieg in die 3. Liga miterlebt hatte, wechselte er für 160,000 € zu SC Paderborn 07. Hier entdeckte ihn ein holländischer Talentsucher und so kam es, dass Feyenoord Rotterdam seine Dienste für 2,1 Millionen € sicherte. Vier Jahre später dachten sich die Mainzer, da ginge noch mehr an Ablösesumme und blätterten 3,5 Millionen Euro hin, um Manuel zurück in die Heimat zu holen.

Über Sergejs Vilerts ist denke ich schon genug gesagt worden, deshalb ein kleiner Blick auf seinen Verein FC Skonto Riga. Skonto Riga musste in der Qualifikation für die Europa League gegen den walisischen Erstligisten Haverfordwest County A.F.C. ran. Auswärts im winzigen Stadion in Haverfordwest schafften sie sogar ein 5-1. Im live übertragenen Heimspiel gewann Skonto Riga 4-1.  In der zweiten Runde erwartete sie FK Shkendija 79 Tetovo aus Mazedonien. Beim Spiel in Tetovo schafften sie ein 2-2, zuhause verloren sie dann 0-2.

22. März 2031

Eine Woche vor dem Länderspiel gegen Finnland machte der Talentsucher der Frauenfußballmannschaft des Riga FS endlich seinen schon längst versprochenen Besuch im Sportunterricht von Jessica. Als Jessica mich von der Schule aus anrief und mir erzählte, dass er heute kommen würde, machte ich mich rasch auf den Weg und fuhr mit dem Auto zur Schule. Ihr Klassenlehrer hatte mit ihnen extra hart trainiert, damit alle Schüler für den Besuch in Topform waren und Jessica kein allzu leichtes Spiel gegen die mehrheitlich aus Jungs bestehende gegnerische Mannschaft hatte.

Aber nichtsdestotrotz zeigte sich Jessica in bester Verfassung und motivierter als je zuvor. War ihre Spielweise zwar typisch weiblich, zeigte sie jedoch ihre Stärken als offensive Mittelfeldspielerin und erzielte in diesem "Testspiel" zwei Tore. Eins gelang ihr wie damals per Kopf nach einer Ecke, wobei sie diesmal von den gegnerischen Abwehrspielern besser gedeckt wurde. Ihre Körpergröße war da natürlich ein Vorteil doch es gehörte sicher auch eine gute Zielgenauigkeit dazu, ihn dann auch ins Tor zu köpfen und nicht drüber oder daneben. Das zweite Tor war aus dem Lauf mit dem Vollspann abgezogen und obwohl der Torwart noch mit den Fingerspitzen dran war, flutschte ihm der Ball  mit Hochgeschwindigkeit durch die Handschuhe. Diesmal zeigte sie auch wirkliche Begeisterung über das Tor und sofort danach ging ihr Blick zum Talentsucher. Der hob beide Daumen in die Höhe: Mission erfüllt!

Nachdem das Spiel beendet war, ging sie glücklich zu mir und der Talentsucher stellte sich neben mich.

Das war hervorragend gespielt. Du hast dich deinem Mitspieler super angeboten und er hat das auch gleich erkannt. lobte sie der Talentsucher. Und du möchtest bei uns im Verein spielen?
Ja unbedingt! sagte sie ganz aufgeregt.
Na was für ein Glück! So ein Talent können wir uns doch nicht durch die Finger gleiten lassen. Du kannst morgen zur Vertragsunterzeichnung ins Vereinsheim kommen. Dein Papa muss auch mitkommen weil du noch nicht volljährig bist.
Oh ja, vielen Dank! Ich werde morgen da sein. bestätigte sie freudestrahlend.
Um wieviel Uhr sollen wir kommen? fragte ich.
Das können Sie sich aussuchen. Wir können warten.

Nach diesem Gespräch konnte es Jessica kaum erwarten, nach Hause zu kommen. Zuhause angekommen erzählte sie alles Emilia und verschwand dann in ihrem Zimmer.

23. März 2031

Am Sonntagmorgen stand Jessica ganz früh auf und weckte mich.

Aufstehen Papa, wir müssen schnell frühstücken und dann los!
Ich drehte mich um und schaute auf meinen Wecker. Es war erst halb acht in der Früh! Es ist doch noch zu früh, lass mich weiter schlafen... murmelte ich müde.
Ich halte das nicht mehr aus, ich bin so aufgeregt! Bitte Papa, lass uns frühstücken!

Da ich meinen Ruf als guter Papa in der Community des Meistertrainerforums nicht schädigen wollte, stand ich widerwillig auf und zog mich an. Während ich das Frühstück vorbereitete und den Tisch deckte, verschwand Jessica im Badezimmer. Nach einer halben Stunde, mein Kaffee war bereits kalt geworden, kam sie aus dem Badezimmer.

Papa, sei ehrlich! Sieht man noch meine Narben im Gesicht?
Nein, die sind nur noch ganz blass.
Ganz blass? Oh Gott, oh Gott, also heißt das, man sieht sie noch! Ich bin so hässlich!
Na aber... du gehst doch nicht zu einem Schönheitswettbewerb sondern zu einer Fußballschule. Außerdem wird man beim Fußball eh immer etwas dreckig.
Okay wenn du meinst... dann los! sagte sie und rannte zur Tür.
Hey, ich dachte wir frühstücken noch!
Keine Zeit mehr! rief sie und war schon aus dem Haus verschwunden.

Super, Frühstück ohne Kaffee. Der Coach mit seiner familiären Seite musste ein weiteres Opfer bringen. Das gäbe sicher wieder Pluspunkte im Forum.
« Letzte Änderung: 24.August 2014, 00:10:54 von Mieguy »
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Re: [FM 2012] Die Geschichte des Riga-Toni - Eine wahre Delikatesse
« Antwort #16 am: 23.August 2014, 22:48:51 »

Zitat
Deutschland - Lettland: 0 - 3
Ist wohl anders rum! :p

Ansonsten - top Story, lese ich gern & gefällt mir besser als viele andere bisher! :)
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Re: [FM 2012] Die Geschichte des Riga-Toni - Eine wahre Delikatesse
« Antwort #17 am: 23.August 2014, 22:59:59 »

Habs geändert, danke. Da ist aber jemand aufmerksam  ;)

Vielen Dank für das Lob.
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Sanogo24

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Re: [FM 2012] Die Geschichte des Riga-Toni - Eine wahre Delikatesse
« Antwort #18 am: 23.August 2014, 23:05:00 »

Köstlich, gerade auch die Stelle mit der Abseitsfahne ;D
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Purzel89

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Re: [FM 2012] Die Geschichte des Riga-Toni - Eine wahre Delikatesse
« Antwort #19 am: 24.August 2014, 13:28:39 »

Sanogo24: Spaß muss bei dem Drama auch mal sein  8)

Kapitel 9: Aufstieg und Fall des Toni Finch

Ich rannte ihr hinterher und zog mir schnell die Schuhe an. Dann stieg ich mit ihr ins Auto und wollte schon die Adresse in das Navigationsgerät eintippen, also Jessica den Kopf schüttelte.

Dauert zu lange, ich kenne den Weg.

Deshalb spielte Jessica für die Fahrt den Wegweiser und leitete mich zur Rigas futbola skola. Beim Anblick des kleinen Vereinsgebäudes des lettischen Erstligisten der Frauenliga wurde mir klar, wie unpopulär Fußball bei den lettischen Frauen war. Vor dem Gebäude waren genug Parkplätze auf der Straße. Es war zwar auch Sonntag aber immerhin lag es direkt gegenüber des Siegesdenkmals der Sowjetarmee, ein Wahrzeichen der Stadt Riga.

Im Schatten der Bäume liefen wir zum Eingang des Gebäudes. Es sah aus wie ein geschrumpfter Glaspalast mit majestätisch geformten Wänden. Daneben gab es einen großen reinen Fußballplatz, ein Hockeystadion und ein von einer Laufbahn umrahmter stattlicher Fußballplatz mit einer überdachten Haupttribüne. Von all diesen Eindrücken erschlagen drangen wir weiter vor ins Gebäude hinein wo wir von der Empfangsdame freundlich begrüßt wurden. Ein paar Minuten später holte uns der Trainer an der Rezeption ab und wir gingen in ein schmales quadratisches Büro, in dem eine einzelne Pflanze sich den knapp bemessenen Platz mit dem formatfüllenden und völlig überfüllten Schreibtisch teilte. Nur ein schmaler Durchgang zwischen Schreibtisch und Wand stellte den notwendigen Fluchtweg da.

Der Trainer bot uns beiden die Plätze auf den braunen Ledersesseln an. Von hier aus hatte man einen super Blick durch das Fenster auf das Siegesdenkmal.

Unser Talentsucher war wirklich beeindruckt von dir. Ich darf doch "du" sagen oder?
Ja natürlich.
Leider schwächelt der Frauenfußball in Lettland immer noch aber wir hoffen, dass wir durch deine Verpflichtung einen neuen Eifer in der Jugend entfachen können. Ich habe mich bereits an den Landesverband gewandt und in den nächsten Tagen soll es diesbezüglich ein Announcement geben. Da bin ich schon sehr gespannt, worum es da wohl gehen wird. Du wirst bei uns in der U17-Mannschaft auf der Position des Offensiven Mittelfelds spielen. Wie alt bist du jetzt?
Im April werde ich 16.
Das passt sehr gut. Gerade jetzt ist es wichtig, dass du regelmäßig am Training teilnimmst, damit du dich auf den Rest deiner Mannschaft abstimmen kannst. Musst du wegen deiner Verletzung noch eine Rehabilitation machen?
Oh, das hatten wir ganz vergessen weil sie so schnell gesund geworden ist.
Trotzdem sollte sie die Reha machen denn so ein Unfall bringt auch psychische Belastungen mit sich. Aber wenn sie noch keine Kurklinik gefunden haben, kann ihre Tochter die Reha auch bei uns im Haus absolvieren.
Das wird ja immer besser!
Du bist ein wichtiges Standbein in unserer Zukunft also wäre es doch fatal wenn wir deine Genesung nicht unterstützen würden.

Als wir im Anschluss alle noch offenen Fragen geklärt hatten, unterzeichnete Jessica den Vertrag und ich setzte als Erziehungsberechtigter den zweiten Kringel. Uns wurden zwei Kopien des Vertrages ausgehändigt und dann ging es wieder nach Hause. Dort hatte ich das dringende Bedürfnis, meinen Co-Trainer Bespalovs anzurufen. Als letzter Akt der Verzweiflung wand ich mich mit der Torwartfrage an ihn.

Mister Bespalovs, ich brauche ganz dringend ihren Rat?
Meinen Rat? Aber Chef, es läuft doch super im Team!
Aber der Uljanovs ist immer noch verletzt und so toll war Maksimenko als Torwart auch wieder nicht. Können Sie mir jemanden als Torwart empfehlen?
Dass der Maksimenko eine Null als Torwart ist, hätte ich Ihnen gleich sagen können, aber ich habe mich nicht getraut, Sie zu kritisieren weil es doch so gut lief. Maksimenko ist nur dritte Wahl bei Osasuna und sitzt seit Saisonbeginn nur auf der Ersatzbank. Eine bessere Alternative ist Aleksejs Savinovs von Racing Club Santander. Soll ich Ihnen seine Daten per Mail schicken?
Ja das wäre super. Vielen Dank für den Tipp.

Kurze Zeit später traf auch schon die Mail von Bespalovs ein. Auf einer Skala von 1 bis 20 hatte er jedes Attribut des Torwarts bewertet. Im wichtigen Attribut Reflexe brachte er es auf eine 17. Den besten Wert erreichte er bei der Zielgenauigkeit. Vielleicht nicht ganz so wichtig bei einem Torwart aber immerhin konnte man sicher gehen, dass seine Pässe auch wirklich beim Mitspieler ankamen und dass er in die richtige Ecke sprang.



Die zweite Baustelle in unserem Team war ja die Verteidigung, wo wichtige Spieler verletzungsbedingt ausfielen. Neuentdeckung Karlis Hohlovs, den ich bereits als Ersatz ins Auge geworfen hatte, erlitt im Training eine Kieferfraktur und kam nicht in Frage. Ich stöberte den Nationalen Pool weiter durch und traf auf einen ungewöhnlichen Namen. Kirill Tumilovich hatte sich eine lettische Staatsbürgerschaft angeeignet, nachdem er bei der Nationalmannschaft von Weißrussland keinen Einsatz zugesprochen bekommen hatte. Jahrelang hatte er in Litauen bei Marijampole gespielt und dann eine Weile bei Daugav Daugavpils verbracht. Ich entschied, ihm eine Chance zu geben und setzte ihn für das Spiel gegen Finnland auf die Ersatzbank.

29. März 2031

Lettland - Finnland
Skonto-Stadion, Riga (9,300 Zuschauer)

Diesmal stand jetzt Aleksejs Savinovs im Tor und ich setzte große Hoffnungen in ihn. Tumilovich saß wie bereits angesprochen auf der Ersatzbank und würde bei einer Einwechslung sein Länderspieldebüt für Lettland geben.

Savinovs hatte nicht viel zu tun, weil die Finnen auf dem Schnee ihre liebe Not mit dem orangefarbenen Ball hatten. Aber obwohl der Ball oft meterweit am Tor vorbeiflog sprang Savinovs jedem Ball hinterher und zeigte mehr Einsatz als seine 10 Mannschaftskollegen. Scheinbar wollte er beweisen, dass er die neue Nummer 1 im Team war. In der 42. Minute brach dann das Chaos aus und im dichten Schneetreiben fälschte Mikka Rissannen von Zweitligist BV Veendam (Niederlande) den Ball unglücklich ab und erzielte ein Eigentor.

Der Schiedsrichter war kurz davor, das Spiel aufgrund der schlechten Witterungsbedingungen abzusagen und unterhielt sich mit mir und dem finnischen Trainer in der Halbzeitpause. Wir erklärten, dass wir in Lettland und Finnland dieses Wetter schon gewohnt waren und weiterspielen wollten. 2 zu 1 überstimmt pfiff er das Spiel zur zweiten Halbzeit an, in der ich Aleksandrs Tarasovs ins Spiel brachte. Auf beiden Seiten herrschte jetzt fast Chancengleichheit aber Lettland zeigte mehr Treffsicherheit. Während Maksims Sevlakovs von Mannschaftsärzten hinter der Torauslinie betreut wurde, pfefferte ein finnischer Stürmer den Ball soweit am Tor vorbei, dass ein Arzt den Kopf einziehen musste, um nicht getroffen zu werden (kein Scherz!)

Langsam kamen mir Bedenken, da Artis Grigorjevs einen Einbruch hatte und seine bisher gezeigten Qualitäten nicht mehr zum Vorschein kamen. Aber in der 82. Minute lösten sich alle Spannungen von ihm und er erzielte das abschließende 2 - 0.

Lettland - Finnland: 2 - 0

Damit hatten wir aus drei Spielen drei Siege geholt. Mit 9 Punkten waren wir immer noch unangefochtener Gruppenerster. Frankreich war zwar punktgleich, hatte aber die selbe Tordifferenz und ein Spiel mehr wie wir. Unsere 9 Punkte waren definitiv mehr wert als die Punkte der Tricolore.

Nach dem Spiel kam der Verbandspräsident zu mir, der aufgrund unserer Erfolgsserie begonnen hatte, Englisch zu lernen.

Mister Finch, jetzt sind Sie aber eine Erklärung schuldig!
Wieso? Habe ich etwas falsch gemacht?
Nein, aber darum geht es! In Freundschaftsspielen ist unsere Mannschaft eine Lachnummer aber in der Qualifikation gewinnen wir jedes Spiel! Wie machen Sie das!?
Also das weiß ich nur im Falle des Spiels gegen Deutschland. Dort habe ich ausprobiert, welcher Torwart als Ersatz für Uljanovs in Frage kommen würde. Leider erwies sich Maksimenko als Fehlgriff. Diesmal stand Aleksejs Sevlakovs im Tor und hat uns hinten abgesichert. Ich glaube, das hat auch unseren Verteidigern das Vertrauen gegeben, da sie wussten, dass auf ihren Torwart Verlass ist.
Ah ja, das ist gut erklärt. Aber bitte geben Sie sich gegen Burkina Faso mehr Mühe! Wenn wir gegen die Afrikaner das Freundschaftsspiel auch verlieren, dann wird es echt peinlich.
Keine Sorge, das kriegen wir hin.
Da wäre noch etwas. Weil sie sich so leidenschaftlich für den Frauenfußball in unserem Land engagieren, haben wir eine Bewerbungsmappe für die Kandidatur als Ausrichter der U-17 Weltmeisterschaft der Frauen 2032 abgegeben. Im Zuge dieser Bewerbung wird auch unser Nationalstadion in Riga ausgebaut und die Haupttribüne vergrößert. Sollten wir dann sogar Europameister -
Nein, unterbrach ihn sowas will ich gar nicht hören! Es ist noch lange nichts in Stein gemeißelt. ERSTMAL müssen wir uns qualifizieren.
Da sehe ich keine Probleme. Sie müssen nur noch zwei Spiele gewinnen und dann wäre unsere Mannschaft uneinholbar. Schweiz hat als Tabellendritter erst 3 Punkte erzielt. - Um den vorherigen Gedanken fortzuführen: Wenn wir in der Europameisterschaft gut abschneiden und TV-Gelder in Mengen fließen, wird unser Nationalstadion komplett renoviert und auf 30,000 Sitzplätze ausgebaut. Vielleicht können wir uns dann sogar für eine Weltmeisterschaft als Ausrichter bewerben.
Sie brauchen aber mehr als nur ein Stadion mit 30,000, um ein solch großes Event auszutragen.
Ich denke, es wird auf eine gemeinsame Bewerbung des Baltikums zusammen mit Estland und Litauen hinauslaufen. Die Hoffnungen des ganzen Landes liegen auf ihren Schultern. Wenn nicht jetzt, wann dann?

Abends in unserer Wohnung schauten wir wie üblich die Zusammenfassung der Spiele des Tages auf Eurosport. Frankreich hatte in Paris gegen Mazedonien nur ein lahmes 1 - 0 geschafft. Deutschland zeigte unter Shawn Parkers Führung schon etwas bessere Leistungen und erzielte gegen Tschechien ein Unentschieden. Richtig peinlich wurde es für England, die im ausverkauften Wembleystadion gegen Österreich verloren. Seine Heimstärke bewies erneut Zypern, die in Larnaca einen Punkt gegen Bosnien-Herzegovina holten. Ein weiteres Unentschieden erzielten die Italiener in Bukarest, wo man sich torlos mit Rumänien die Punkte teilte.
« Letzte Änderung: 24.August 2014, 13:41:09 von Mieguy »
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