Also ich bin auch durch das Medienbashing wie damals bei Wulff eher auf Hoeneß' Seite. Und dass ich nun wahrlich kein Bayern-Fan bin, sollte jedem hier bekannt sein.
Es wird permanent unter den Tisch gekehrt, wie denn die Strafanzeige öffentlich wurde. Das ist ebenfalls ein großer Skandal, über den sich höchstens in belanglosen Nebensätzen aufgeregt wird. Das sollte aber beim Strafmaß berücksichtigt werden. Auch sollte die Vorverurteilung in der Öffentlichkeit durch das Bekanntwerden der Steuerhinterziehung Einfluss nehmen.
Ich gebe dir recht, dass es ein Skandal ist, für mich sind das aber zwei unabhängige Vorgänge und nach meinem Rechtsgefühl darf das auf keinen Fall strafmindernd wirken, Unrecht kann man nicht gegenrechnen. Wie ist das denn juristisch Konni?
Die Tatsache, dass seine Selbstanzeige öffentlich geworden ist, stellt keinen Grund für eine Strafminderung dar.
Trotzdem man darf dennoch nicht sein ganzes Lebenswerk schlecht machen, auch wenn das bei der Urteilsfindung hoffentlich keine Rolle spielen wird.
Das widerum schon. Das Lebenswerk wird bei der Strafbemessung auf jeden Fall einbezogen. Es werden sogar explizit intensive Fragen nach dem Lebenswandel gestellt, wenn eine Haftstrafe gemäß der Anklage in Aussicht stehen könnte. Hoeneß wird auch zu seinem Leben befragt worden sein, genauso wie ein Junkie dazu befragt wird, der mit 10g Heroin auf der Straße erwischt wurde. Aus dem bisherigen Lebenswandel ergibt sich eine Strafperspektive, dazu gehört auch das Bundeszentralregister mit den Vorstrafen. Hoeneß' gute Taten und seine Lebensleistung werden durchaus bei der Strafzumessung eine Rolle spielen.
Der Umstand, dass die geleakte Selbstanzeige kaum eine Rolle im Medieninteresse spielt ist schnell erklärt: er ist schlicht unwichtig geworden. Spätestens seit dem Haftbefehl vom 20.3 hätte die Öffentlichkeit ohnehin vom Fall Hoeneß erfahren. Klar, dass dort Steuerakten der causa Hoeneß in der Zeitung zu lesen waren ist ein Skandal und Hoeneß wehrt sich ja auch juristisch bereits dagegen. Aber für das Persönlichkeitsrecht von Hoeneß wäre das von viel größerem Interesse gewesen, wenn die Selbstanzeige von der Staatsanwaltschaft akzeptiert worden wäre.
Ich glaube nicht daran, dass Hoeness oder irgendjemand anderes - ohne Not - auch nur irgendwas gesteht, was einen tiefer reinreiten kann. Ergo: ist die Not groß. Vielleicht geht es nicht darum, ob es eine Haftstrafe gibt, sondern wie hoch sie ausfällt...
Sehe ich ähnlich. Diese 15mio€ wären irgendwann eh ans Tageslicht gekommen, Steuergeheimnis hin oder her. Der Schaden wäre für Hoeneß ungleich größer gewesen, wenn er dieses Geld nun verschwiegen hätte und bei den 3,5mio vllt noch mit Bewährung davongekommen wäre. Zumal die Selbstanzeige dann von vornherein ungültig gewesen wäre, da sie nicht vollständig war, er also auch für die 3,5mio€ noch so belangt worden wäre, als hätte es die Selbstanzeige nie gegeben. Ich sehe ehrlich gesagt keinen Weg, diesen Fall in 4 Tagen zu verhandeln, das wird noch Wochen, wenn nicht gar Monate dauern. Wenn ich es richtig verstanden habe, wurde die Selbstanzeige heute erweitert und zwar um 500%. Das muss alles auf strafrechtliche Relevanz geprüft werden.
Abseits der juristischen Prüfung erfährt die moralische Bewertung dadurch ganz neue Dimensionen. 3,5mio€ betrogene Steuern sind schon heftig, 18,5mio€ sind fast schon phänomenal. Wer weiß, was da noch dazu kommt. Offenbar scheint die Selbstanzeige noch lange nicht fertig zu sein, was wiederum die Frage aufwirft, was Hoeneß die letzten Monate eigentlich getan hat, um die Sache tatsächlich aufzuklären.
Da sitzt offenbar einer im Elfenbeinturm, für den die ganzen "Wetten" auf Aktien damals nur ein Spiel waren. Steuer für Spiele zahlen, warum das denn? Er hat das alles nicht als Kapitalerwerb gesehen, sondern als Spielcasino. Nur sollte mensch die Spielregeln kennen. Das ist durchaus typisches Suchtverhalten, aber macht die Sache nicht besser. Wäre er mal wirklich ins Kasino gegangen, dort hätte er nur die tatsächlichen Gewinne beim Verlassen des Etablissements versteuern müssen. Beim Zocken an der Börse fließt jede einzelne Transaktion in die Steuer mit ein, Verlust und Gewinn. Bei 50.000 Transaktionen verliert mensch natürlich die Übersicht, aber dann hätte er eben auch 20 Steuerberater beschäftigen müssen, die die steuerrelevanten Fakten zusammentragen. Und sobald die Sache ans Licht kam und es etwas stürmisch im Elfenbeinturm wurde, kam die hastige Selbstanzeige. Danach hätte er noch Zeit, ja sogar die Pflicht gehabt, seine Selbstanzeige zu erweitern. Das scheint alles nicht geschehen zu sein.
Am interessantesten ist die Tatsache, dass Hoeneß bei der Verhandlung heute gesagt hat, dass die Stern-Geschichte ihn nicht in Panik verfallen lassen hat. Daraufhin hat sein eigener Anwalt wohl auf den Tisch gehauen und gebrüllt, dass das nicht stimmt und dass ihn das natürlich völlig in Panik versetzt hat.
Das ist deshalb interessant, da es Interpretationsmöglichkeiten für die Verteidigung eröffnet. Hoeneß' Aussage zielte klar darauf ab, dass er aus freien Stücken die Selbstanzeige aufgegeben hat und nicht von der Stern-Geschichte dazu gedrängt wurde. Nur dieser Umstand würde dazu führen, dass die Selbstanzeige als wirksam gelten könnte.
Der Anwalt scheint auf eine andere Verteidigungsstrategie zu setzen: für ihn geht es nach den 15mio€ zusätzlich nicht mehr um die Selbstanzeige, da die offenbar eh unwirksam sein dürfte, da sie nicht den vollen Umfang des Betrugs darlegt. Er versucht das Gericht davon zu überzeugen, dass diese ganze Stern-Geschichte für soviel Aufregung/Panik im Hoeneß-Lager geführt hat, dass die Selbstanzeige nicht sorgfältig ausgeführt wurde, wodurch 15mio€ einfach so vergessen wurden. Die Selbstanzeige ist damit nur noch ein Beweis der Reue und als Strafmilderungsgrund zu betrachten und nicht mehr als Strafbefreiung. Ich denke, der Anwalt hat nicht mehr den Freispruch Hoeneß als Ziel, sondern er will eher retten, was noch zu retten ist.
Merkwürdig daran finde ich nur, dass Hoeneß und der Anwalt offenbar nicht auf einer Linie sind. Das kann natürlich durchaus auch geplant gewesen sein, aber es kann auch sein, dass Hoeneß diese ganze Sache gar nicht so ernst nimmt, wie sie sich für ihn momentan tatsächlich darstellt. Es geht hier ganz klar um eine Freiheitsstrafe.
Aber die Wulff-Geschichte war noch einmal eine andere Hausnummer. Dort wurde das Staatsoberhaupt durch die Medien zum Rücktritt gezwungen, obwohl es faktisch nicht notwendig gewesen wäre.
Das ist doch so überhaupt nicht richtig. Wulff hat sich in eine Position begeben, die für öffentliche Ämter absolut nicht zulässig ist. Als Lehrer, Bauarbeiter, Ingenieur oder Pilot kann ich mich von meinen einflussreichen (Geschäfts-)Freunden einladen lassen, wozu und wohin ich es will. Auch Privatkredite sind dann kein Problem. Als politischer Entscheidungsträger muss ich aber doch dafür sorgen, dass ich gar nicht erst in die Position komme, dass mir Interessenverwicklungen nachgesagt werden können. Zumal Wulff den niedersächsischen Landtag auch einfach dreist belogen hat, als dort nach Geschäftsbeziehungen zu Geerkens gefragt wurde. Als Politiker ist Vertrauen meine wichtigste Ressource. Das gilt in tausendfacher Hinsicht für das Amt des Bundespräsidenten, da er in Form seiner Repräsentation eine moralische Instanz in der Bundesrepublik darstellt. Wenn dieses Vertrauen durch gute Gründe, und die waren im Falle Wulff vermehrt vorhanden, zerstört wird, dann ist so ein Mensch als moralische Instanz nicht tragbar. Selbst als Politiker wäre Wulff ruiniert gewesen, schließlich ist das einzige, womit ein Politiker für sich werben kann, er selbst. Sein einziges Kapital neben seiner Kompetenz ist seine Vertrauenswürdigkeit und die war dahin.
Mal ein paar Beispiele, die gegen Wulff sprechen, auch wenn es hier nicht hingehört:
Lüge gegenüber dem niedersächsischen Landtag bezüglich Geschäftsbeziehung zu Geerkens, obwohl er einen Kredit bei seiner Frau für sein Haus hatte.
Ein paar Tage nach seiner Aussage im Landtag, löst er den Kredit bei Geerkens dann plötzlich ab durch einen Kredit bei der BW-Bank. Sicher kein Zufall. Der Kredit bei der BW-Bank ist auch umstritten, da lediglich 0,9-2,1% Zinsen dafür fällig wurden. So einen Kredit möchte ich auch mal bekommen. Öttingers Verstrickung in die übergünstige Kreditvergabe, streitet dieser bis heute ab. Ebenso hat die Kanzlei, für die Wulff als Rechtsanwalt tätig war, Räume gemietet und eben jener Vermieter war Geerkens. Dazu kommen von 2003 bis 2010 6 verschiedene, kostenlose Urlaube. Dazu kommt, dass das Land Niedersachsen Veranstaltungsmaterialien für den Nord-Süd-Dialog finanziert hat, dessen Schirmherr Wulff war. Der Nord-Süd-Dialog war eine private, gewinnorientierte Veranstaltung. Wulff streitet ein Wissen an der Finanzierung ab und die Sache wurde dann Glaeseker angelastet, der sich ebenfalls subversiv verhalten hat, indem er für das Catering keine Rechnung ausstellen ließ. Dafür soll Wulff aber persönlich Sponsoren wie Mehdorn geworben haben. Dazu kommen die ganzen Reisen, die Groenewold für ihn bezahlt hat und die er alle kurz danach in bar erstattet haben will. Auch da mag nicht viel strafrechtlich relevantes dran sein, aber besonders die Urlaubseinladungen (und Bezahlungen) hätten durch die Staatsanwaltschaften meiner Meinung nach viel schärfer verfolgt werden müssen. Jedenfalls erwecken alle diese Umstände durchaus den Eindruck, dass Wulff käuflich gewesen sein könnte oder sich erkenntlich für "gute Taten" gezeigt haben könnte. Das ist tödliches Gift in so einem Amt, in dem schon der Anschein der Vorteilsnahme im Keim erstickt werden muss.
So als Info: Kein Mitarbeiter der Stiftung Warentest darf Geschenke oder Preisausschreibensgewinne von Herstellern in einem Wert über 10€ annehmen. Aber ein Bundespräsident soll Urlaube, Kredite, Partys und Geldzahlungen von geschäftlichen Freunden annehmen dürfen?
Wulff hat sich selbst aus dem Amt gekegelt und sein Rücktritt war in jedem Fall absolut notwendig.
Sollten(!) während des Verfahrens Indizien ans Licht kommen, welche eine Vermischung der Hoeneß'schen Vermögensverhältnisse und derer des FC Bayern tendenziös aufzeigen würden. Würde sich dies straferhärtend für Hoeneß auswirken oder wäre dies für den Prozess nicht von Belang und müsste ggf. in einem eigenständigen Verfahren geklärt werden?
Nein, das wäre Untreue und müsste in einem extra Verfahren abgehandelt werden. Aber ich lese den Sachverhalt völlig anders: der Stern-Journalist wusste nur, dass eine Person, die in Verbindung mit dem FC Bayern steht, etwas mit dem Konto zu tun hatte. Ich glaube jedenfalls nichts, dass die Bayern als Verein damit etwas zu tun haben. Hoeneß' Konto soll ja auch schon seit Mitte der 70er existieren, wurde im Zuge der Enthüllungen herausgefunden.