Vor deinem Fortschrittsoptimismus kann ich nur den Hut ziehen, Signor Rossi, denn ich teile diesen nicht.
Zum Thema:
Dass "unser" westlicher Wohlstand nur auf Kosten anderer Kontinente möglich ist, halte ich für nicht konsistent faktisch belegbar, "unsere" Volkswirtschaften wachsen ja nur noch recht gering. Zudem haben die letzten Jahrzehnte eindrucksvoll gezeigt, dass sich Staaten auch außerhalb des Westens prächtig entwickeln können, wie früh Japan und später die Tigerstaaten (Südkorea, Taiwan, Hong Kong und Singapur), auch China, Indien, Brasilien und Vietnam haben sich gut entwickelt, sogar in Afrika gibt es positive Entwicklungen, fast der gesamte ehemalige Ostblock hat einen großen Sprung nach vorne getan.
Ich interpretiere deine Aussage mal so, dass du nicht verneinst, dass unser jetziger Wohlstand (nicht unwesentlich) auf Kosten anderer Weltregionen geht, sondern, dass du grundsätzlich eine Möglichkeit siehst, das Wachstum und Wohlstand nicht grundsätzlich auf Kosten anderer gehen müssen. Ist das soweit korrekt?
In der Annahme, ich verstehe dich richtig: Das bedürfte eines massiven Umdenkens unserer Wirtschaftsweise. Im Moment ist es doch so, dass Europa (um mal bei uns zu bleiben) beispielsweise den afrikanischen Markt mit Produkten flutet, und das zu preisen, mit denen die lokalen Anbieter nicht konkurrieren können. Umgekehrt erhebt Europa Schutzzölle gegen afrikanische Produkte (Stichwort: einseitige Handelsabkommen) - da ist mit einem Wachstum, das auch der dortigen Bevölkerung zugute kommt, nicht vereinbar.
Die Grenzen des Wachstums habe ich damals gelesen, fand das eigentlich auch ganz schlüssig, es hat sich aber trotzdem nicht bewahrheitet. Der Planet Erde hat zwar endliche Rohstoffvorkommen, der menschliche Erfindergeist ist aber riesengroß und findet oft eine Lösung und selbst wenn der Menschheit irgendwann mal der momentan wichtigste Rohstoff, das Rohöl, ausgeht, wird das nicht das Ende des Wachstums bedeuten. Und wenn dann irgendwann mal in ferner Zukunft alle Menschen alles haben können, wird es Wachstum geben, dann wird auf den Mond und die andere Planeten expandiert, ein Ende des Wachstums ist mMn. nicht in Sicht.
Das Argument bzgl. des Meadows-Berichts läuft doch ins Leere, oder nicht? Die Szenarien, die damals entwickelt wurden, wurden aufgrund der damals möglichen Prognosemodelle, sowie des damals verfügbaren Wissen erstellt. Nur weil diese nicht eingetroffen sind, macht es die Argumentation insgesamt nicht unschlüssig, das heißt nur, dass die Modelle nicht genau genug waren (und vermutlich auch nie sein werden). Man kann eben nicht alles in Nullen und Einsen ausdrücken und erwarten, dass man präzise Vorhersagen erhält.
Der menschliche Erfindergeist mag viele Herausforderungen bewältigen können, aber am Ende bleibt das ein Wettlauf mit der Zeit und damit ein hochriskantes Spiel. Sollten extraterrestrische oder alternative irdische Ressourcen nicht rechtzeitig erschlossen werden können, dann gibt das eine Katastrophe. Daher gebietet es alleine schon die Verantwortung und Vernunft, auf Basis unseres jetzigen Wissens, verantwortungsvoller mit den vorhandenen Ressourcen umzugehen. Daher sollten wir, meiner Meinung nach, unsere Wirtschaft danach ausrichten, die vorhandenen, bekannten Ressourcen noch möglichst lange und nachhaltig nutzen zu können. Eine wachstumsorientierte Wirtschaft wird da früher oder später an ihre Grenzen stoßen. An vielen Stellen pfeift die Biosphäre ja jetzt schon aus dem letzten Loch, es geht da schließlich auch um Umweltfragen, nicht nur um den Klimawandel, auf den leider zu viel reduziert wird.
Es geht ja nicht nur um Ressourcen wie Erdöl, dass man in vielerlei Hinsicht auf absehbare Zeit ersetzen können wird (Energie, Mobilität). Die vielzitierten Seltenen Erden halten auch nicht ewig und noch viel bedrohlicher erscheint mir, die Abnahme der irdischen Phosphorvorkommen, ohne die eine Ernährung von über 7 Milliarden Menschen gar nicht möglich wäre. Da ist auch absehbar, dass es nicht ewig reichen wird. Insofern bin ich bei dir, Überbevölkerung könnte sich zu einem sehr bedrohlichen Szenario entwickeln.
Wobei sich das Problem lösen lassen würde. Nur mal ein paar Zahlen zum Umgang mit Lebensmitteln:
Von den 4 Milliarden Tonnen Lebensmitteln, die weltweit jedes Jahr produziert werden, werden über 1,3 Milliarden Tonnen verschwendet. In den Industriestaaten bestehen ca. 40% der Nahrungsmittelverluste aus genießbaren Lebensmitteln. Weltweit werden über 90% der Sojaernte und mehr als 50% der Getreideernte für Tierfutter genutzt- um ein Kilo Fleisch herzustellen, werden zwischen 3-12kg Lebensmittel verbraucht. Zumindest das Nahrungsmittelproblem ließe sich, fürs Erste, durch eine sinnvollere Verteilung in den Griff bekommen.