Ist ja alles schön und gut, White. Über die Punkte kann man reden, auch wenn ich die gleichen Probleme sehe wie DragonFox. Aber wo rechtfertigt das in irgendeiner Weise, als Demokrat die Wahl von Rechtsextremen in Erwägung zu ziehen? Das habe ich immer noch nicht verstanden.
Das ist das Ding. Die haben da sicher einige rechtsextreme Mitglieder. Genauso wie die Linke linksextreme Mitglieder hat. Die Linke zu wählen ist aber wiederum okay. Ich habe einfach ein Problem damit, die AfD als rechtsextreme Partei und demogratiefeindlich zu titulieren. Populistisch, ja, absolut. Rechtskonservativ und in manchen Belangen einen Tick zu weit rechts. Auch das mit Sicherheit. Die haben da viele Spinner, aber auch einige wirklich intelligente und kompetente Leute.
Man kann einfach nicht alle über einen Kamm scheren, das wäre zu einfach. Wäre die AfD wirklich in ihrem Innersten rechtsextrem, dann wären die entsprechenden Systeme schon angesprungen und hätten etwas gegen die Partei unternommen.
Sorry, aber das sind Relativierungen, die ich so nicht stehen lassen kann. "Einige rechtsextreme Mitglieder" - was sind für dich einige? Ich wiederhole mich gerne noch einmal: Die mächtigen AfD-Landesverbände in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen werden vom Verfassungsschutz der jeweiligen Bundesländer als "gesichert rechtsextrem" eingestuft. Die werden nicht nur beobachtet, nein, der Verfassungsschutz sieht es als erwiesen an, dass diese Landesverbände rechtsextrem sind (nicht sein könnten!).[1] Das zum Thema "dann wären die entsprechenden Systeme schon angesprungen und hätten etwas gegen die Partei unternommen." Zum Vergleich: Die Linkspartei wurde durch den Verfassungsschutz beobachtet, weil - da stimme ich dir zu - es in der Partei Linksextremisten und linksextremistische Strömungen gibt, die Einfluss auf die Bundespolitik der Partei nehmen.[2] Das ist in der Qualität der Einschätzung ein fundamentaler Unterschied. Das Deutsche Institut für Menschenrechte hat in den letzten Jahren zwei interessante Publikationen hierzu veröffentlicht: "Nicht auf dem Boden des Grundgesetzes - Warum die AfD als rassistische und rechtsextreme Partei einzuordnen ist"[3] und "Warum die AfD verboten werden könnte - Empfehlungen an Staat und Politik".[4] Zu letzterem gibt's auch eine wie ich finde gute Einordnung der FAZ.[5] Nun weiß ich nicht, wie du den Verfassungsschutz einordnest und wie du zum Deutschen Institut für Menschenrechte stehst. Wenn du aber deren erwiesene Kompetenz, ihre Aufgabenbeschreibung und ihre Daseinsberechtigung akzeptierst, dann kann man angesichts dieser klaren Sachlage kaum zu dem Schluss kommen, dass es problematisch sei, die AfD als rechtsextrem zu bezeichnen. Und wie man mit diesem Wissen in Betracht ziehen kann, diese Partei zu wählen, bleibt mir nach wie vor schleierhaft. Mal ganz davon abgesehen, dass die AfD nicht nur rechtsextrem ist, sondern im Parteiprogramm Politik für die Wohlhabenden stehen hat, nicht für den einfachen Bürger. Ihre wirtschaftspolitischen Vorstöße werden von Fachleuten ebenfalls kritisiert.[6] Ich würde wirklich gerne verstehen, wie man trotzdem darüber nachdenken kann, sein Kreuz bei der AfD zu setzen.
Und nochmal: Ich verstehe den Frust. Ich bin auch seit Jahren von der Politik frustriert und finde politisch für mich keine richtige Heimat. Mich widert so vieles in der Politik, gerade in der Spitzenpolitik, einfach nur an. Und natürlich verdienen die einen Denkzettel. Der kann aber nicht darin bestehen, Rechtsextreme zu wählen, dann muss man seine Stimme eben anders abgeben (ungültig zu wählen ist in meinen Augen komplett sinnlos, die Stimme nützt niemandem und ist auch gegen niemanden). Die Piratenpartei war eine tolle Protestwahlpartei. Die haben es halt leider nicht geschafft und ziemlich verkackt. Geht die Stimme halt an eine demokratische Kleinpartei. Wenn das mehr Menschen machen würden, wäre das Signal auch deutlich stärker. Ein Kreuz bei der AfD leistet nur dem Rechtsextremismus Vorschub und, ich wiederhole mich, vergiftet das Klima unserer Gesellschaft, führt zur Spaltung und verschiebt die Grenzen des Sagbaren. Das Ergebnis einer solchen Entwicklung kann man in den USA beobachten, wo das Land zutiefst gespalten ist. Das kann man natürlich nicht 1 zu 1 auf Deutschland übertragen, aber Parallelen kann man ziehen.
Davon abgesehen: Wann hat jemals eine rechtspopulistische (ich rede nicht einmal von rechtsextrem) Regierung in einem Land kurz-, mittel- und langfristig etwas zum Positiven verändert? Der Mythos von den Rechten, die man doch einfach mal machen lassen könne, ist doch längst widerlegt. Historisch belegt, aber auch zeitgenössisch zu beobachten. Einen Scherbenhaufen erhält man, mehr nicht.
[1]
https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/verfassungsschutz-afd-sachsen-rechtsextremistisch-100.html[2]
https://de.wikipedia.org/wiki/Beobachtung_der_Partei_Die_Linke_durch_den_Verfassungsschutz;
https://www.verfassungsschutz-bw.de/,Lde/Startseite/Arbeitsfelder/Offene+Extremisten+in+DIE+LINKE_[3]
https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/publikationen/detail/nicht-auf-dem-boden-des-grundgesetzes[4]
https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/publikationen/detail/warum-die-afd-verboten-werden-koennte[5]
https://www.fr.de/politik/afd-rassistisch-rechtsextrem-institut-menschenrechte-parteiverbot-verfassung-grundgesetz-92329120.html[6]
https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/afd-wie-oekonomen-die-wirtschaftsvorschlaege-der-partei-bewerten-/29376202.htmlEdit: Noch was zum Thema "Einzelfälle":
https://www.zeit.de/politik/deutschland/2024-01/geheimtreffen-potsdam-brandenburger-afd-fraktion
@Signor Rossi: Dass die Politik sich bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus nicht nur inhaltlich, sondern auch rhetorisch selten dämlich anstellt, darüber brauchen wir nicht zu reden. Noch so ein Punkt, der für Frustration sorgt. Im Übrigen war in mehreren Städten in den letzten Tagen kurzfristig eine fünfstellige Anzahl an Menschen auf den Beinen, um gegen Rechtsextremismus zu demonstrieren. Allein in Köln waren es wohl 10.000. Ob eine Frau Weidel sich auch da unters Volk hätte mischen wollen? Die Landwirtschaftsverbände mobilisieren seit Wochen, in Berlin spricht die Polizei von 8.500 Demonstrierenden. Ich finde die Zahlen schon ziemlich krass, wenn man Organisationsaufwand und -struktur, sowie Vorlauf vergleicht. Was nicht den Bauernprotest schmälern soll (ich habe übrigens selbst enge Verwandtschaft, die da mit dem Traktor mitfährt). Die haben guten Grund zu protestieren, allerdings sollten die das in meinen Augen vor ALDI und Co. machen und dort die Zufahrten blockieren. Aber dann würde man ja gegen den eigenen Verband agieren, der schön Lobbyismus für das "wachsen oder sterben"-Prinzip der immer größer werdenden Betriebe betreibt. Davon abgesehen, finde ich die Reaktionen der Politik auf diese Proteste ziemlich schwach. Wer wurde nicht alles schon ins Kanzleramt eingeladen? Was macht Scholz: Duckt sich wie immer weg, der Lappen. Der Özdemir hat zumindest mal erkannt, dass ein großes Problem eben genau das ist, wofür der Bauernverband lobbyiert: Die Betriebe müssen immer weiter wachsen oder sie gehen unter. Natürlich spielt da auch die EU-Agrarpolitik mit rein, aber auch auf Bundes- und Länderebene könnte man Maßnahmen ergreifen. Das erkennen auch kleinere landwirtschaftliche Verbände, die sich eben auch für kleinere Betriebe einsetzen. Die müsste man halt mal anhören.