Gibt es die gerechte Verteilung?
Nein. Oder anders gesagt: Es wird nie eine Verteilung geben, die von allen als gerecht empfunden wird, denn was man unter Gerechtigkeit versteht, kann sehr unterschiedlich sein. Beispielsweise könnte man sagen, dass es gerecht ist, wenn alle erstmal grundsätzlich die gleichen Chancen haben, man also "gerechte" Ausgangsbedingungen schafft. Man könnte aber auch sagen, dass eine Gesellschaft dann gerecht ist, wenn die Unterschiede zwischen den Reichsten und den Ärmsten nicht zu groß werden, man also umverteilt. Oder man sagt, nur wer seinen Beitrag leistet (z.B. einer Erwerbstätigkeit nachgeht), soll von den Vorzügen staatlicher Unterstützung profitieren und es ist ungerecht, wenn all die faulen Menschen von den hart arbeitenden Massen aufgefangen werden. Was ist nun gerecht?
Persönlich bin ich der Meinung, dass sich die beiden erstgenannten Sichtweisen ergänzen müssen und in beiden Fällen haben wir in Deutschland massiven Nachholbedarf: In keinem anderen europäischen Land, ist das Vermögen so ungleich verteilt (die 10 reichsten Prozent besitzen ca. 60% des Gesamtvermögens), gleichzeitig sind die Aufstiegschancen in Deutschland vergleichsweise schlecht. Es kann mir keiner erzählen, dass es in Deutschland nicht möglich wäre, diese Probleme anzugehen, ohne gleich ein bürokratisches Monster zu schaffen. Die Steuerpläne vor der Bundestagswahl haben da ja einen Hinweis gegeben, auch wie seriös das Ganze mit Blick auf die Staatsfinanzen war (
https://www.manager-magazin.de/politik/deutschland/bundestagswahl-2021-was-die-steuerplaene-der-parteien-ihnen-bringen-a-242f3a76-ed9e-4ffc-8747-2b35150425d2). Es wäre ja schonmal eine Lösung bei der Einkommenssteuer anzufangen: Geringverdiener entlasten, hohe Einkommen stärker belasten. Belasten will die FDP aber z. B. nicht und die haben mit Lindner den Geldbeutel in der Hand. Deshalb erwarte ich auch nicht, dass von der aktuellen Regierung hier irgendetwas passiert. Auch eine Reform der Erbschaftssteuer mit Augenmaß wäre sicher ein Ansatz, Ungleichheiten nicht weiter zu verschärfen.
Was die Verschleierung von Vermögen angeht: Das sollte ja erstmal kein Grund sein, grundsätzlich über eine Reform nachzudenken. Leute, die sich vorm Steuerzahlen drücken sind ein Fall für die Steuerfahndung und für diese Überlegungen in meinen Augen nicht so wahnsinnig relevant. Ich habe in Deutschland immer den Eindruck, es wird nach Gründen gesucht, Dinge nicht entschlossen anzupacken - zumindest nicht, solange die Probleme nciht akut werden. Weitsichtiges Handeln ist zumeist Fehlanzeige. Da kommt dann wieder das von DragonFox angesprochene, am Brunnenrand hängende Kind zum Tragen. Wenn man aber immer nur den negativen Blick darauf hat, warum etwas nicht gehen soll, übersieht man leicht die Chancen und die guten Gründe für Reformen, für Dynamik. Darin liegt auch ein bisschen eine Ironie: Die FDP ist angetreten als die Partei der Erneuerung, der Liberalisierung, der Reformen. Und ich glaube auch, dass sie das ernst gemeint hat. Die Reformen, die möglich und nötig wären, blockiert sie aber nun durch ihre Verweigerung, über Steuererhöhungen für die Reichsten im Land nachzudenken. Die FDP steckt in einer Zwickmühle: weiter als Blockierer dastehen oder als Umfaller gelten, weil man nachgibt?
P.S.: Neues aus der Klimakrise: Von wegen, unter 2 Grad ist noch okay, nach
aktuellen Erkenntnissen kann es schon ab 1,5 Grad deutlich ungemütlicher werden und einige wichtige Kipppunkte im Klimasystem instabil werden. Das zeigt nochmal deutlich, wie dringend hier Handlungsbedarf besteht. Und wo wir schon bei Reformen sind: Hier hat der grüne Wirtschaftsminister doch bislang ordentliche Pakete auf den Weg gebracht, oder nicht?