Klar, dass man sich irgendwann - der Zeitpunkt sei mal dahingestellt - von der reinen Betrachtung der Neuinfektionen lösen muss, gerade wenn das Impftempo zunimmt, und auch andere Parameter hinzuziehen muss, ist klar. Kleine Anekdote, deren statistische Belastbarkeit ich nicht geprüft habe: Ein Intensivmediziner auf Twitter berichtete, dass auf den Intensivstationen kaum Ü80 Leute lägen, weil die zu Hause oder in den Heimen versterben, sondern die meisten Leute, die dort landen 60-65 Jahre alt sind. Zumindest konnte man seit vergangenem Herbst vermehrt von einer Zunahme "jüngerer" Patient*innen auf den Intensivstationen lesen (50+). Würde bedeuten: Die Impfung der Pflegeheime entlastet die Intensivmedizin erstmal so gut wie gar nicht.
Und man kann doch auch über viel diskutieren, es ist völlig verständlich, dass man aus gesellschaftspolitischer Sicht sagt, manche Dinge müssen wir jetzt einfach lockern. Beispielsweise Schulen und Kindergärten. Natürlich gehören zu so politischen Entscheidungen mehr Aspekte als nur die Ergebnisse der Epidemiologie und Virologie. Das alles ist in Ordnung und verständlich. Aber nochmal: Bei all dem, was politisch passiert, kann ich beim besten Willen keine Strategie (mehr) erkennen. Und das ist das große Problem. Dabei geht es mir gar nicht so sehr um "No Covid" oder sonstwas, sondern einfach, dass es überhaupt einen Plan gibt, wohin man überhaupt will und mit welchen Mitteln man das zu erreichen versucht. Eine solche Strategie kann man auch bei einer so dynamischen Pandemie entwickeln.
Und zu No Covid: Ja, vergangene Sommer hatten wir dazu eine super Ausgangslage. Aber da waren wir bei anderen Entwicklungen noch nicht so weit, z.B. Schnelltests. Man muss sich halt auch klarmachen, dass Lockerungen ab dem Zeitpunkt, wenn z.B. alle aus Prio 1 und 2 ein Impfangebot erhalten haben, bedeuten, dass man mehr jüngere Menschen auf den Intensivstationen haben wird und besonders die betroffen sind, die zu jung für eine Impfung, aber zu alt für einen milden Verlauf sind (überspitzt formuliert). Also die Leute 60+. Will man denn das? Auch hier kann ich mich nur wiederholen: die No Covid-Strategie haben sich nicht irgendwelche Pappnasen auf Social Media ausgedacht, sondern Fachleute verschiedenster Disziplinen, die aufgrund ihrer Expertise zu dem Schluss gekommen sind, dass das hierzulande möglich ist. Dass es ein Inselstaat wie Neuseeland oder Australien leichter hat, als ein Transitland wie Deutschland, ist klar, das wird auch gar nicht angezweifelt. Aber deshalb davon zu sprechen, dass es nicht möglich sei, oder sich die Sache gar nicht erst ernsthaft anzuschauen, ist halt auch irgendwo fahrlässig. Ich für meinen Teil wäre lieber dann und wann mal 5-10 Tage in Quarantäne und könnte in der sonstigen Zeit Freunde und Familie treffen, ins Kino gehen usw., als in diesem frustrierenden Dämmerzustand zu verbringen.