Sehr geehrte Freunde des FM,
grad gestern aus aktuellem Anlass wieder Hamed Abdel-Samads "Der Untergang der Islamischen Welt" gelesen. Es hat mich nachdenklich gemacht.
Die These des Autors ist salopp gesagt: Islam hat keine Reformation erlebt und ist seit 200 Jahren auf dem Rückzug. War schon am vergessen werden, bis die Saudis (also die Fundifreaks) plötzlich Öl hatten. Die Finanzierung war gerettet, die letzte Renaissance des mittelalterlichen Islams begann.
Laut ihm sind all die Anschläge, öffentlichen Empörungen und Zurschaustellung der Religion nur das letzte Aufbäumen. So bissl die Theoden-Nummer: "Ride for death and glory."
Blöd nur, dass dieses Aufbäumen nicht spurlos passiert.
Was hat mich das Buch gelehrt? Im aktuellen Endstadium des mittelalterlichen Islams ist jede Kritik aus den eigenen Reihen schlimmer als jeder Ungläubige. Reformation und Modernisierung ist Hochverrat. Insofern werden noch viele wahre Flüchtlinge weg wollen, weil sie keinen Bock mehr drauf haben.
Der IS stößt in seinen Gebieten nicht nur auf Gegenliebe, aber die Todesangst der Menschen verhindert den Widerstand. Insofern ist der IS nicht unbesiegbar, es gibt unter den heterogenen Muslimen genügend die einen Aufbruch in die Moderne wollen oder schlicht und ergreifend so einen krassen Mist wie der IS nicht mittragen wollen.
Wir hätten die Moslems das selber regeln lassen können - aber Bush Jr. hatte ja Anfang 2000er leider ne andere Idee. Jetzt hängen wir da mit drin in dem Schlamassel. -.-
Worauf will ich im Kern hinaus? Das Buch hat mir wieder gut in den Kopf gerufen: Wir stehen zu unseren Fehlern, dank den Gutmenschen und Co. Das ist eigentlich eine gute Sache. Danke an alle Linken, Grünen und sonst was, die mir als Konservativem immer einen Gegenpol oder anderen Blickwinkel bieten - genau das macht doch unsere Demokratie aus. :-) Im Islam ist das oft leider aktuell verboten, will man nicht seinen Kopf riskieren. Wir müssen helfen, dass sich Muslime trauen können die Dogmen ihrer ewig Gestrigen zu hinterfragen. Das ist die einzige Chance die "Normalos" auf unsere Seite zu ziehen!
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@Flüchtlinge: Die Verbindung Flüchtlinge = Mehr Anschläge würden nur einige wenige Spinner aufstellen, wenn wir die Einreise nach Deutschland in geordneten Bahnen hätten. Die Zahl der Antragssteller im Oktober für Asyl täuscht, ist aber trotzdem hoch: Hey, über 100.000 in einem Monat? Rechnet das mal hoch. Aber die 100.000 sind nicht das echte "Problem", sondern die Unregistrierten. Ich möchte als Gastgeber wissen, welche Gäste kommen. Wenn ich das nicht einfordere - muss ich mich dann wundern, wenn Rattenfänger plötzlich erfolgreich sind, weil ihnen die Begründungen frei Haus geliefert werden?
Nebenbei: Und ehrlicherweise wenn man drüber redet ob man das jetzt Einreisezentrum, Gefangenenlager oder Ausreisebeschleunigungsort nennt, wie sich ja SPD und CDU streiten. Was soll der Scheiß? Egal was man von dieser CSU-Lösung mit diesen Registrierungszentren hält - wenn ich nur darüber streite welchen Namen ich dem Kinde gebe anstatt darüber ob es sinnvoll ist oder nicht oder was man sonst tun könnte, dann habe ich die Herausforderung Flüchtlingskrise nicht verstanden.
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@Anschlag: Ich habe das Gefühl, dass das unser 9/11 in Europa wird. Ich glaube, das war das Todesurteil für die (großflächige) Herrschaft des IS. Das gibt Bodentruppeneinsätze und direkte militärische Interventionen, kurz: Krieg.
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@Klima in Deutschland: Leider sehe ich eine heftige Polarisierung. Es läuft auf entweder "Ausländer raus!" oder "All refugees of the world - welcome" hinaus. Beides zwei total bescheuerte, ideologisch verblendete Extrempositionen. Die Mitte bricht vollkommen weg. Das kreide ich nicht den beiden Extremfraktionen an - paar Spinner gibts immer. Das kreide ich der Tatenlosigkeit unserer Regierung an, die ja gar nix macht und somit das Fenster für die gemäßigten Herangehensweisen immer weiter verstreichen lässt. Das macht alle nervös und befeuert nur die eh schon angeheizte Stimmung. Ich weiß es kann keinen Masterplan geben, aber nur Durchhalteparolen - damit hol ich Niemanden ab.
Viel hat es wohl damit zu tun, dass es keine "sauberen" Lösungen geben kann, die Welt ist eben grau. Wenn ich damit aber nicht umgehen kann, dann habe ich als Regierung einer Nation, die das Wort Realpolitik erfunden hat (also das Vorgehen nach kühlen abgewogenen Fakten statt Ideologien), total versagt und trage Mitschuld daran, wenn sich zukünftig die zwei Extrempositionen gegenseitig an den Hals gehen, während sich die Mitte fragt, wie das alles passieren konnte.