Wundert mich ein wenig, dass dazu noch gar keine Diskussion läuft, wo doch gerade die redtube-Abmahnwelle läuft. Falls jemand so eine Abmahnung erhält (auf dem Postweg, e-Mails dürfen geflissentlich ignoriert werden, denn darin schlummert vermutlich Schadsoftware), würde ich der betreffenden Person raten, sofort einen Rechtsbeistand einzuschalten, am besten jmd, der auf Internetrecht oder Urheberrecht spezialisiert ist. Ich will keine Werbung für eine bestimmte Kanzlei machen, aber es gibt dort eine größere Anlaufstelle, die sich zu einem großen Teil und recht kompetent mit diesen Fällen befasst.
Zu den Abmahnung selber, da muss ich sagen, dass ich einigermaßen sprachlos bin. Es ist wohl tatsächlich so, dass ein Unternehmen (ich möchte hier keine Namen nennen und würde alle bitten, von einer Nennung von Namen der involvierten Parteien abzusehen, da dieses Forum öffentlich ist. In einschlägigen Presseerzeugnissen stehen die Namen, falls sich jemand dafür interessiert) Recht an 4 Porno-Serien oder Filmen erworben hat und gleich darauf einen Anwalt beauftragt hat, das Urheberrecht durchzusetzen. Dieser Anwalt hat wohl Zugang zu einer Software, mit der angeblich auf legale Weise die IP-Adresse von Stream-Nutzern herausgefunden werden kann. Das ganze soll angeblich ohne Wissen der Betreiber von redtube geschehen sein, was unwahrscheinlich klingt, um es mal euphemistisch auszudrücken.
Mit den IP-Adressen wurde das Landgericht Köln ein Auskunftsantrag für die IP-Adressen von Telekomkunden gestellt und das LG hat das bewilligt. Problematisch ist, dass der Auskunftsantrag in seiner Form und seiner Erklärung dem Standardbrief eines Filesharing Falls (wie beispielsweise emule, edonkey oder andere p2p-"Netzwerke") gleicht. Grundsätzlich unterscheiden sich natürlich Urheberrechtsverletzungen beim Filesharing und beim Streamen. Beim Filesharing ist eine Urheberrechtsverletzung völlig unstrittig (Verbreitung urheberrechtlich geschützten Materials) und die IP-Adresse lässt sich sehr leicht herausfinden, da alle Seeder bekannt sind.
Beim Streamen sieht die Sache anders aus. Dort wird von User-Seite kein urheberrechtlich geschütztes Material verbreitet. Die Verbreitung erfolgt über das Portal, auf dessen Servern die Dateien gehostet sind, also beispielsweise redtube oder auch youtube. Da ergeben sich eine Menge juristischer, ungeklärter Probleme:
1. Niemand kann davon ausgehen, dass ein grundsätzlich legales Portal (youtube) urheberrechtlich geschütztes Material verbreitet. Theoretisch müsste sich der User, bevor er sich irgendeine Video anschauen möchte, darüber informieren, ob youtube die Verbreitungsrechte hat. Das ist natürlich lächerlich. Genauso bei redtube. Hier sind die Urheberrechte völlig ungeklärt. Niemand weiß, wie bestimmtes Material mit welchen Rechten ausgestattet auf irgendwelchen Servern gelandet ist.
2. Die Bewertung, ob Streaming als solches illegal ist, befindet sich in einer rechtlichen Grauzone. Beim Streamen wird von Userseite ja nichts verbreitet, sondern lediglich im Cache gespeichert. Das sind meistens nichtmal frei zugängliche Stellen des Speichers, häufig erfolgt eine Speicherung nichtmal auf der Festplatte, sondern im Arbeitsspeicher.
2.1 Kopien von Urheberrechtlich geschütztem Material sind nicht per se illegal. Lediglich, wenn diese in gewerbemäßigem Ausmaß erfolgen oder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, handelt es sich gemäß §53 I um eine Verletzung des Urheberrechts. Nun ist das kurzfristige Speichern von Videodateien auf dem Arbeitsspeicher zu Hause mit ziemlicher Sicherheit keine gewerbliche Kopie, die der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden kann oder gar zu diesem Zwecke erstellt wurde.
3. redtube als Verbreiter wird von der Kanzlei überhaupt nicht verfolgt. Ist kein Problem an sich, nur ist hier fragwürdig, ob die Urheberrechtsverletzung nachhaltig unterbunden werden soll oder ob es sich um eine "Gewinnbeteiligung" oder de facto "Lizenzgebühren" handelt.
4. Es werden nur Telekomkunden belangt bisher. Das könnte mit Kalkulation zu tun haben, insofern, als dass Telekomkunden eventuell als zahlungswilliger eingeschätzt werden. Dazu später mehr.
Jedenfalls ist es meiner bescheidenen Meinung nach ziemlich sicher so, dass die Urheberrechtsverletzung keiner gerichtlichen Prüfung ernsthaft standhalten könnte. Auf gerichtliche Auseinandersetzungen ist aber die Abmahnung nicht ausgelegt. Oben angesprochener Anwalt, der von der Rechteinhaberin der strittigen Pornos eingesetzt wurde hat nämlich seinerseits eine Kanzlei mit der Erstellung von Massenabmahnungen beauftragt. Von vielen Seiten wird hier eine bestimmte Motivation dahinter gesehen: Wenn 10.000 Abmahnungen mit je 250€ "Gebühr" herausgeschickt werden und davon 1000 Menschen so eingeschüchtert und im Schamgefühl getroffen sind (Ehemänner, Ehefrauen, Konservative, Angestellte mit Firmengeräten etc), dass sie das Geld sofort überweisen, dann macht das 250.000€ "Umsatz". Vermutlich werden noch weit mehr als 1000 Menschen bezahlen, ich gehe von mindestens 1/4 aus, ohne das belegen zu können. Bei 2500 Zahlungen würde das schon 625.000€ ergeben. Das hätte sich gelohnt.
Es wäre gut, wenn es in diesem Zusammenhang zu einem Prozess kommen könnte, denn momentan hat das Gericht durch die (höchst strittige) Bewilligung der Herausgabe der Adressen zu den IPs Streaming mit Filesharing gleichgestellt. Das hat Präzedenzcharakter. Und wäre ein vernichtendes Signal. Spinnen wir den Gedanken der Argumentation mal weiter: Jeder User muss sich vor dem (Zwischen-) Speichern irgendwelcher Daten aus dem Internet erst dahingehend versichern, dass der "Sender" dieser Daten über die Genehmigung zur Vervielfältigung besitzt und es sich nicht um urheberrechtlich geschütztes Material handelt. Dieser Zustand ist erreicht, wenn Streaming mit Filesharing gleichgestellt wird. Wenn das so stimmt, dann setze ich mich sofort zur Ruhe, gebe Octa (oder wer auch immer hier im MTF der Betreiber ist, ich bin ja immernoch für "test") den Hinweis, dass er bitte ein Gedicht von mir oben anstelle des MTF-Banners platzieren soll und mahne dann jeden Menschen mit 100€ ab, der auf diese Seite geht. Schließlich wird diese Seite im Cache auf jedem eurer Computer gespeichert, womit ihr dann mein Gedicht heruntergeladen hättet, an dem ich die Rechte habe. Ich kenne die täglichen Besuchszahlen hier nicht aus dem Kopf, aber wenn es so rund 1000 sind, dann mache ich täglich 100.000€. Das reicht mir fürs Erste.
Aus diesem Gedankenexperiment wird hoffentlich deutlich, wie bescheuert die derzeitige (durchs LG Köln geschaffene) Rechtslage in Bezug auf Streaming ist. Und wie rückständig sowohl Gesetzgebung, als auch Rechtsprechung im Zusammenhang mit digitalen Medien sind. Bitte zahlt bei keiner Abmahnung Geld, ohne vorher mit einem Rechtsbeistand darüber gesprochen zu haben!