Ich wollte damit niemanden persönlich hier im Forum angreifen, aber es fällt mir halt auf. Es gibt genug Leute, die wirklich nicht verstehen können, dass ein Deutscher nicht für Deutschland ist und da hört es für mich eben auf.
Ich fände es interessant, wie das vor, sagen wir dreißig Jahren gesehen worden wäre. Der Jahrgang war ja nicht gerade sehr beliebt und hat sich auch nicht mit Ruhm bekleckert. 82-84 war ich wirklich noch zu jung, aber dass das Verhältnis Fans-Nationalmannschaft und Fans-Clubs ein anderes ist, dazu braucht es ja auch heute nur einen Blick auf die Fanmeile oder in die WM-Stadien. Die Nationalmannschaft ist jetzt ein Stück Allgemeingut, auch wegen der Präsenz, der teilweisen Überzeichnung der Bedeutung einer WM und des Sports, und natürlich wegen der Vermarktung. Noch um die Jahrtausendwende hatte niemand Probleme, draufzuknüppeln. Aber das war natürlich auch ein grandios erfolgloser Haufen und hintenan ein Haufen alter Männer, die ihn zweckverwalteten. Letztens noch mal die relevanten Beiträge aus diesem Buch gelesen:
http://www.werkstatt-verlag.de/?q=node/538 In denen nachgezeichnet wird, dass das Fanverhältnis zum DFB doch ein anderes war. Auch die erste große Fanvereinigung, der "Fan Club Nationalmannschaft", ist ein Gemeinschaftsprojekt von DFB und Coca-Cola, keine Initiative aus der Fankultur heraus.
Bei mir ging das auch in Schüben, das Ausscheiden 98 war mir ziemlich egal, der Jahrgang 96 ist mir auch durch das Kasperletheater Matthäus-Klinsmann in Erinnerung sowie Grottenquali-Kicks in Albanien; und den 96er-Titel hatte ich eher wohlwollend zur Kenntnis genommen als zu feiern. Ab 2002 wurds dann wieder spannender. Zu keinem dieser Turniere hatte ich es erlebt, dass die breite Mitte hier sonderlich Interesse gezeigt hätte -- mittlerweile laufen Menschen kollektiv in Originaltrikot und Flagge auf der Backe durch die Gegend, für die Fußball lange ein Grund zum Umschalten war. Das hat auch viel mit Sozialisierung und Inszenierung zu tun: Unter den jüngsten Jahrgängen, wenn sie die Überpräsenz nicht dicke haben, wird es viel mehr geben, für die das Thema nicht diskutabel sondern Allgemeingut ist. WMs und EMs werden zu Pflichtveranstaltungen, keine Widerrede - ich hoffe, wenn das mit den nächsten WMs angesichts der Beweislast wirklich durchgezogen wird, ehrlich gesagt nicht. Sehr viel offensichtlicher kann man es nämlich kaum noch machen, dass den Veranstaltern und Profiteuren Sport eigentlich scheißegal ist -- und dass sie auf die Fans scheißen, wenn sie nicht gerade als die fotogene Staffage für die schönen TV-Bilder herhalten dürfen, die die Spielunterbrechung mit dem Wiederanstoß verbindet. Wenn ich mir Jubeltrauben in den Folgedemokratien Brasiliens vorstelle, kommt mir ein bisschen Bradburys Gesellschaft in "Fahrenheit 451" in den Sinn, die sich systematisch selbst verblödet hat, der alles egal ist, außer der Fernsehapparat: Haupsache gute Unterhaltung.
Die jüngste Generation wächst in einem Klima auf, in dem mit dem Thema Nationalstolz ganz anders umgegangen wird. Und sich teilweise völlig entblößende DFB-Jahrgänge mit Schlucksee-Vorbereitung, Kickbox-Torhütern, Stinkefingern in Richtung Publikum wird es nicht mehr geben. Dafür sorgt schon die Vermarktung, auch mit angetrieben von einem Bierhoff, der schon während der letzten vergleichsweise vogelwilden Übergansjahre wusste, wie man sich in der (Shampoo-)Werbung gepflegt inszenierte. Und sich völlig bis zur Selbstaufgabe anbiedernde TV-Anstalten gab es in der Form auch noch nie. Das Weltbild bestimmt nun mal das Gesamtbild.
Apropos Sozialisierung: Angeblich war das Verhältnis in der ehemaligen DDR gegenüber ihrer Nationalelf eher unterkühlter, jedenfalls in Sachen wirkliche Fankultur. Was auch damit zu tun haben soll, dass nur vom Politbüro ausgewählte Fans mit auf die Reisen gehen durften, auch beim Sieg in Hamburg 74. Das Thema an sich
muss diskutabel bleiben. Ich hoffe, es wird erst noch richtig diskutabel. Gerade unter den echten Fußballfans. Der Erfolg des DFB ist jedoch nicht verhandelbar, der sollte anerkannt werden wie der jedes anderen Titelträgers vor ihm auch. An sich ist er auch nicht unerfreulich, selbst für Feinde der Nationalmannschaft, denn er ist auch Mitzeugnis einer deutlich verbesserten Ausbildung, und damit eines deutlich verbesserten Fußballs direkt vor der Haustür, wo man ihn als Fan auch live und vor Ort sehen kann. Und das Recht zum Feiern sollte man hier echt niemandem absprechen.